Freitag, 05.07.2002

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IN EIGENER SACHE
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Der Sommer ist da - der MUND braucht wieder Aushilfsreds!
Im Augenblick sind folgende Termine zu vergeben (jeweils Datum der
Zusammenstellung):
So 7.7., So 21.7. (dabei bleibt's sicher nicht...)
Für die Zusammenstellung gibt es einen virtuellen Leitfaden für
EinsteigerInnen und Rat und Tat von der Redaktionsliste.
Besonders freuen würden wir uns über EinsteigerInnen aus dem feministischen
und/oder migrantischen Bereich.
In der Hoffnung, daß mit Eurer Hilfe der MUND auch im dritten Jahr wieder
täglich (fast) ohne Pause erscheinen kann
die red
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01 Abschied von Pascale Jeannée
From: <depot-news-admin@depot.or.at>
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AKTIONEN UND ANKÜNDIGUNGEN
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02 Veranstaltung zu Argentinien
From: ASt-LRCI <ast-lrci@utanet.at>
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03 Kongress der Zivildiener - Sam 6.Juli 14h - Wien
From: Feedback ZD <feedback@zivildienst.at>
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MELDUNGEN UND KOMMENTARE
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04 European Social Forum - Florenz 7. - 10.11.2002
From: Christian Apl <christian.apl@kabsi.at>
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05 § 209 light: Problematischer FPÖVP-Vorschlag
From: Kurt Krickler <office@hosiwien.at>
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06 § 209/VfGH - Krickler: Keine falschenArgumente!
From: Kurt Krickler <office@hosiwien.at>
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07 Grüne Lunacek : Erbärmliches Rückzugsgefecht von FPÖVP nach
§ 209- Niederlage

From: Grüne Andersrum <gruene.andersrum@blackbox.net>
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08 Der Zeuge Petritsch
From: LabourNet Austria <labournetaustria@utanet.at>
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09 Artikel zu Argentinien
From: ASt-LRCI <ast-lrci@utanet.at>
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10 86 Tage Schubhaft bis zur Einvernahme vor dem Bundesasylamt
From: SOS-Menschenrechte Österreich <ecker@sos.at>
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11 Vermummungsverbot im Innenausschuss beschlossen, Polizisten
müssen Dienstnummern nicht sichtbar tragen

From: Conte di Ferro <conte.di.ferro@aon.at>
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12 Abfangjäger/Euro-Armee/Stellungnahme/KPÖ
Von: KPÖ Steiermark [mailto:kpoe_stmk@hotmail.com]
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13 ÖBB/Aufnahmestopp/Protest/GLB
From: Helmuth Zink <glb-zink@apanet.at>
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14 Red Newsletter 34
From: ASt-LRCI <ast-lrci@utanet.at>
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LINKS / VERWEISE / HINWEISE
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15 Bilddatenbank LATEINAMERIKA
From: <contact@latinphoto.org>
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REDAKTIONELLES:
Für diese Ausgabe nicht aufgenommen: spams

Powered by public netbase t0 -- please sign

Wie der MUND entsteht ....

Schickt uns bitte eure Nachrichten, Meldungen und Ideen.
E-Mail-Adresse der Redaktion:

widerstand@no-racism.net

Im MUND findet Ihr eine Rubrik, die eine Konsequenz aus der redaktionsinternen Debatte um die Notwendigkeit, sexistische, antisemitische und rassistische Beiträge nicht zu veröffentlichen, einerseits, die Problematik von Zensur andererseits versucht: unter "B) Eingelangt, aber nicht aufgenommen" wird - in anonymisierter Form - auf angehaltene Beiträge hingewiesen und eine kurze Begründung der/des Tagesredaktuers für die Nichtaufnahme geliefert. Die AbsenderInnen werden hiervon informiert.
Ihr könnt Euch die Beiträge extra schicken lassen:
Mail an widerstand@no-racism.net genügt.

 




Quelle: www.popo.at


Und für nächsten Donnerstag:
Das Rechtshilfe-Manual
...und was mache ich eigentlich gegen rassisten?
online-diskussion

Editorial
Für den Inhalt verantwortlich: Ihr.
Die Beiträge werden von verschiedenen Redaktionsteams zusammengestellt.

Bitte weitersagen:
Für Personen ohne Internetzugang gibt es aktuelle Terminankündigungen
unter der Rufnummer 589 30 22 12 (Demoforum)
 

 


 

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01 Abschied von Pascale Jeannée
From: <depot-news-admin@depot.or.at>
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Wir nehmen Abschied von Pascale Jeannée.
Das Begräbnis findet an diesem Freitag, den 05. Juli, um 12.00 Uhr am
Grinzinger Friedhof statt. 1190, An den langen Lüssen 33.
Depot-Team
--
Depot
1070 Wien, Breitegasse 3
01/522 76 13
depot@depot.or.at
www.depot.or.at

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AKTIONEN UND ANKÜNDIGUNGEN
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02 Veranstaltung zu Argentinien
From: ASt-LRCI <ast-lrci@utanet.at>
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Veranstaltung zu Argentinien
Am Freitag 05.07.2002 findet um 19 Uhr eine Veranstaltung zu den
revolutionären Ereignissen in Argentinien statt.
Ein Aktivist des ArbeiterInnenstandpunktes war drei Monate lang in
Argeninien und wird über seine Erfahrungen und Eindrücke berichten.
WO: Gschamster Diener, Stumpergasse 21, 1060 Wien (Nähe Westbahnhof)

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03 Kongress der Zivildiener - Sam 6.Juli 14h - Wien
From: Feedback ZD <feedback@zivildienst.at>
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Einladung zum VII. Bundeskongress der Zivildiener
am 6. Juli ab 14h
in der Arbeiterkammer Niederösterreich,
1060 Wien, Windmühlgasse 28
Willkommen sind alle aktiven und ehemaligen Zivildiener sowie alle, denen
der Zivildienst ein Anliegen ist.
Kommt in Massen und es gibt auch Zivi-TSHIRT´s !
Programm:
* Bericht über die letzte Periode (Florian Seidl)
-Verfassungsgerichtshofentscheidung, politische Initiativen
* Bericht des Auslandssprechers (Stefan Pogacar)
* Information zur Verfassungsklage 2000
* Information zur Initiative
"Außerordentliche Beschwerde §37 ZDG zum Verpflegungsgeld" od. "Wie komme
ich zu meinem Geld"
* Neuwahl der Zivi-Troika
Achtung!!!
Zivi-Vertrauensmänner können:
nach §37c Abs.3 Zif.1 lit. b Dienstfreistellung beantragen
nach §37c Abs.4 zum Tagungsort reisen und
nach §31 Abs.8 Zif.1 und 2 Reisekostenvergütung und Fahrtkostenzulage
beantragen.
Eine Zeitbestätigung wird am Kongress ausgestellt.
Euer
Florian, Bundessprecher
Zivi-Mobil: 0664-8980507
bundessprecher@zivildienst.at
www.zivildienst.at
UND ÖGJ-Zivildiener-Broschüre gratis bestellen: jugend@oegb.at

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MELDUNGEN UND KOMMENTARE
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04 European Social Forum - Florenz 7. - 10.11.2002
From: Christian Apl <christian.apl@kabsi.at>
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Liebe Leute,
das European Social Forum (ESF) nimmt immer konkreter Gestalt an. Es wird von 7.
bis 10. November in Florenz stattfinden. Geplant ist von Österreich aus einen
eigenen Zug anzumieten, um es möglichst vielen Menschen zu ermöglichen dorthin
zu kommen. Mehr Infos dazu bei ESF.Organisation@reflex.at - in Kürze auch auf
http://www.esf-vienna.org/
Es wird eine Reihe von Konferenzen, Workshops und Seminare geben.
Für die insgesamt 16 Konferenzen wurde von einer Programmgruppe, die sich am 10.
Juni in Rom traf, folgendes Konzept erarbeitet:
Es wird drei Hauptachsen geben, deren Arbeitstitel lauten:
A) LIBERALISMUS,
B) KRIEG/FRIEDEN
C) RECHTE/DEMOKRATIE/STAATSANGEHÖRIGKEITDie Themen der einzelnen Konferenzen:
A) LIBERALISMUS
1. Die Europäische Union in der Architektur der Weltmächte: Handlungsstrategie
bezüglich Nord (IWF/WTO) und Süd (Auslandsschulden, Entwicklungspolitik, usw.)
2. a) Gemeinschaftliche Güter: Luft, Wasser, Boden und private Ausbeutung von
Rohstoffen
b) Welche Landwirtschaft für Europa? Märkte im Norden und im Süden,
Abhängigkeiten hinsichtlich Nahrung, GMO, usw.
3. Mittel- und Osteuropa und Globalisierung: Alternativen zu neoliberalem
Kapitalismus
4. Privatisierung, Merkantilisierung, Deregulierung öffentlicher Güter und des
Wohlfahrtsstaats, Liberalisierung des öffentlichen Dienstleistungen,
Familienpolitik und der Wohlfahrtsstaat. Neue soziale Rechte für ein neues
Gesellschaftsmodell
5. Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Flexibilität, Frauenarbeit und ArbeitskampfB) KRIEG/FRIEDEN
1. Europa in der neuen Kriegsordnung: NATO, die Außenpolitik der USA und der EU.
Der Bedarf an strategischen Bündnissen gegen Militarismus
2. Zivileuropa gegen den anhaltenden Krieg:
a) Das Wesen von Krieg: Wer ist der Gegner?
b) Clash der Zivilisationen vs. Dialog der Zivilisationen
c) Mittel der Kriegsfinanzierung: Strategien der Massenmedien, Militärbudgets,
Produktion für Krieg, usw.
3. Schaffen eines anhaltenden Friedens und Widerstand gegen Krieg: Gewaltfreie
Verbündungsstrategien, humanitäre Hilfe, soziale und wirtschaftliche Aspekte der
Konflikte
4. Europa und die konkreten Konflikte: Palästina, Kaschmir, Kolumbien, usw.
5. Interne Repression und regierungsgeförderte Sicherheitspolitik.C) RECHTE/DEMOKRATIE/STAATSANGEHÖRIGKEIT
1. Europa und seine demokratischen Schwächen. Partizipatorische Demokratie und
europäische Integration auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene.
2. Rechte für alle: Von der Charta von Nizza zur Charta für universelles
Bürgerrecht.
3. Die extreme Rechte und die Politik der Ungleichheit und des Ausschlusses:
Nationalismus, Chauvinismus und Diskriminierung
4. Männer und Frauen: Ein notwendiger Konflikt für eine gemeinsame Zukunft.
5. Medien und Informationszugang: Recht auf Information, freie Software, usw.
6. Migranten gegen die Festung Europa.Es wurden Arbeitsgruppe gebildet, die die weitere Koordination übernehmen:
1.) LIBERALISMUS:
Sophie Zafari, FSU, fr, sophie.zafari@fsu.fr, sophie.zafari@snuipp.fr
Pierre Khalfa, ATTAC, fr, khalfa@sudptt.fr
Alain Saumon, CADTM France, fr, alain.saumon@wanadoo.fr
Endre Simó, Pax Romana - Conseil Harmonisation
Interets sociaux (TET) - ATTAC Hungary, Hu, drsimoendre@freemail.hu -
simoendre@mailbox.hu
Haris Golemis, Nicos Paulxntzes, Society Transform!, Gr, golemis@eppnp.gr
Dave Timms, UK2.) KRIEG/FRIEDEN
Leo Gabriel, Marches européennes contre le chomage, at, gabriel.lai@magnet.at
Alexandr Buzgalin, Alternatives, ru, dhrr@online.ru
Jonathan Neale, Globalise Resistance, uk, findjonathan@hotmail.com3.) RECHTE/DEMOKRATIE/STAATSANGEHÖRIGKEIT
Angela Klein, Euromarches, de, angela.klein@gmx.de -
angela.klein@t-online.de
Elizabeth Gauthier, Espace Marx + Transform!, Fr, elgauthi@internatif.org
Ion Etxebarria, Sindicato LAB (Euskal Herria - Pais Vasco), es,
ietxebarria@lab-sindikatva.org
Pierre Barge, Ligue des droits de l'Homme, fr, pbarge@9online.fr
Asad Rehman, National Stop the War Coalition, uk, asad.rehman@amnesty.org.ukDas nächste Vorbereitungstreffen findet am 13. und 14. Juli in Thessaloniki
statt. Dort wird es um das Workshop- und Seminarprogramm gehen.
Kontaktadresse für Österreich: ESF.Organisation@reflex.at
http://www.esf-vienna.org/

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05 § 209 light: Problematischer FPÖVP-Vorschlag
From: Kurt Krickler <office@hosiwien.at>
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Medienaussendung der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien vom 3. Juli 2002:
Homosexualität/Justiz/VfGH
FPÖVP-Vorschlag problematisch
HOSI Wien fordert jedenfalls getrennte Kriminalstatistik für den neuen "§
209 light"
"Jugendliche davor zu bewahren, daß eine mögliche Zwangslage für sexuelle
Handlungen ausgenutzt wird oder daß sie gegen Entgelt zu sexuellen
Handlungen verleitet werden - dagegen ist an und für sich nichts zu sagen",
kommentiert HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz den gestern abend
bekanntgewordenen Entwurf für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts, auf
den sich FPÖVP geeinigt hat. "Wir bezweifeln aber, ob das Strafrecht das
geeignete Mittel dazu ist. Wieso konzentriert man sich nicht darauf, daß
Zwangslagen für Jugendliche erst gar nicht entstehen bzw. sofort beseitigt
werden? Viel zielführender erscheint uns auch, das Selbstbewußtsein und die
Selbstbestimmungsfähigkeit von Jugendlichen zu stärken. Wir halten es daher
für unabdingbar, daß der Gesetzesentwurf einer breiten Begutachtung durch
Jugendorganisationen und ExpertInnen unterzogen und hier nicht über die
Köpfe der Jugend hinweg entschieden wird. Es wäre unseriös, die Bestimmungen
überhastet noch vor der Sommerpause durch das Parlament zu peitschen. Dazu
besteht kein Anlaß."
ÖVP hat offenkundig kläglich versagt
"Wir sind zwar über den Handlungsbedarf verwundert", ergänzt
HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, "nehmen aber zur Kenntnis, daß die ÖVP -
seit 1945 bis auf 13 Jahre ununterbrochen in der Regierung - in all den
Jahren so sträflich versagt und heterosexuelle Jugendliche offenbar über
Jahrzehnte völlig unzureichend vor sexuellem Mißbrauch geschützt hat."
Mit besonderer Skepsis kommentiert Högl die ungenauen Formulierungen: "Große
Probleme haben wir mit so schwammigen Begriffen wie 'mangelnde Reife', hier
droht ein echter 'Gummiparagraph'! Das läßt in seiner Anwendung Schlimmes
befürchten - nicht zuletzt auch aufgrund der fürchterlichen Erfahrungen, die
Lesben und Schwule in der Vergangenheit mit der österreichischen Justiz
machen mußten. Und stellt die Einladung zu einem Candle-Light-Dinner in ein
teures Restaurant bereits 'Entgeltlichkeit' dar?"
Getrennte Kriminalstatistik
"Der Umstand, daß diese Bestimmungen als Reaktion auf die Aufhebung des §
209 eingeführt werden sollen, macht uns natürlich besonders mißtrauisch. Wir
befürchten, daß die neuen Paragraphen hauptsächlich gegen Schwule und Lesben
angewendet werden", so Högl weiter. "Deshalb verlangen wir, daß jedenfalls
die Kriminalstatistik zu diesen Bestimmungen nach hetero- und homosexuellen
Fällen getrennt geführt wird. Wenn sich dann in einigen Jahren zeigt, daß 90
% der Anzeigen, Gerichtsverfahren und Verurteilungen Schwule und Lesben
betreffen und nicht Heterosexuelle, wie das statistisch zu erwarten wäre,
dann wäre offenkundig, daß diese Bestimmungen auf diskriminierende Art und
Weise angewendet würden, was entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen
müßte.
Schutz der Jugend vor Zwangsheterosexualität
"Auch uns geht es um den Jugendschutz", betont Pankratz - zum wiederholten
Mal: "Um den Schutz junger Frauen und Männer im Coming-out-Alter vor
Disziplinierung und Diskriminierung durch Eltern, Schule, Gesellschaft,
Justiz und Kirche. Dazu bedarf es eines umfassenden
Antidiskriminierungsgesetzes, das Lesben und Schwule jeden Alters vor
Benachteiligung, Beschimpfung und Verfolgung schützt, sowie der völligen
Gleichberechtigung aller Sexualitäten und Lebensformen in allen Bereichen
des gesellschaftlichen Lebens. Das wären sinnvolle Maßnahmen zum Schutz der
Jugend."
Gezeichnet: Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien - 1. Lesben- und
Schwulenverband Österreichs.
Rückfragehinweise: Helga Pankratz: Tel. 893 75 70; Christian Högl: 06691-18
11 038; Kurt Krickler: 545 13 10 oder 0664-57 67 466; office@hosiwien.at;
www.hosiwien.at

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06 § 209/VfGH - Krickler: Keine falschenArgumente!
From: Kurt Krickler <office@hosiwien.at>
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Medienaussendung der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien vom 3. Juli 2002:
Paragraph 209/Homosexualität/Verfassungsgerichtshof
Keine falschen Argumente!
HOSI Wien stellt VfGH-Behauptungen richtig
Zu der heute im "Standard" von Verfassungsrichter Rudolf Müller
aufgestellten Behauptung, die von der HOSI Wien vorgebrachten Argumente im
Zusammenhang mit ihrer Kritik an den 209er-Erkenntnissen des VfGH aus 1989
und 2002 seien unrichtig, stellt die HOSI Wien folgendes fest:
Müller behauptet, das Argument betreffend die "wechselnde Strafbarkeit" sei
den Verfassungsrichtern vor einem Jahr erstmals unterbreitet worden, in der
im November 1988 eingebrachten und 1989 vom VfGH entschiedenen Beschwerde
sei sie hingegen nicht "als Gleichheitsbedenken geltend gemacht, sondern im
Text lediglich erwähnt" worden.
"Allein diese groteske Spitzfindigkeit - nicht als Gleichheitsbedenken
geltend gemacht, sondern bloß im Text der Beschwerde erwähnt - zeigt, mit
welcher erbärmlichen und blamablen Attitüde die Verfassungsrichter offenbar
die Einhaltung der Verfassung und der Menschenrechte überprüfen", ist
HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler fassungslos, daß der VfGH sich hier
dermaßen selbst entlarvt: "Für den VfGH zählt offenbar nicht das Argument,
sondern nur, wie es ihm serviert wird."
Aber davon abgesehen wurde ihm das Argument korrekt dargereicht. Die
entsprechende Passage findet sich als 3. Absatz des Punkts 5 im Abschnitt C.
"Rechtsausführungen zur Frage der Gleichheitsverletzung".
Müller behauptet laut "Standard" weiters, der HOSI-Antrag aus 1989 (richtig:
1988) habe "als formal nicht zulässig zurückgewiesen werden müssen", in
einem Folgeantrag sei die "wechselnde Strafbarkeit" dann nicht mehr
vorgekommen. Das trifft zu, widerspricht jedoch nicht unserer Darstellung:
Die Zurückweisung der Beschwerde ändert ja nichts an der von uns
festgestellten Tatsache, daß darin erstmals auf die "wechselnde
Strafbarkeit" hingewiesen wurde. Die Beschwerde aus 1988 wurde vom VfGH
gemeinsam und gleichzeitig mit dem erwähnten, am 2. Jänner 1989
eingebrachten Folgeantrag im Oktober 1989 behandelt und entschieden. Es
bestand keinerlei Hindernis, das Bedenken betreffend die "wechselnde
Strafbarkeit" aus dem zurückgewiesenen Antrag aufzugreifen und in die
Entscheidung über den Folgeantrag einfließen zu lassen. Da der VfGH damals
aber offensichtlich nur möglichst viele Argumente zur Abweisung der
Beschwerden finden und nicht den Menschenrechten von Schwulen zum Durchbruch
verhelfen wollte, hat er dieses Argument ignoriert.
"Die Rechtfertigung des VfGH zeigt, daß es ihm nur darum geht, sich mit
möglichst geringem Gesichtsverlust aus dieser Affäre zu ziehen. Er hat 1989
ein Fehlurteil gefällt und weigert sich, dies einzubekennen. Da seit 1989
keine kopernikanische Wende in den Sexualwissenschaften stattgefunden hat,
war es unmöglich, die in der Beschwerde aus 1988 ohnehin bereits widerlegte
Prägetheorie 2002 nochmals zu widerlegen. Daher wollte man diesen Aspekt
nicht behandeln und verfiel auf das neue Bedenken der "wechselnde
Strafbarkeit" als vermeintlichen Strohhalm und Rettungsanker. Pech eben, daß
dieser Aspekt 1988 bereits vorgetragen wurde. Das nächste Unglück wird auf
dem Fuß folgen: Straßburg wird sich demnächst mit der menschenrechtswidrigen
Diskriminierung im § 209 aufgrund des Geschlechts und der sexuellen
Orientierung befassen und hier dem VfGH eine ordentliche Lektion erteilen",
zeigt sich Krickler optimistisch und meint abschließend:
"Die VerfassungsrichterInnen haben in dieser Frage seit 1987, als sie die
allererste von der HOSI Wien unterstützte 209er-Beschwerde aus 1986
abwiesen, alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Aus purer
Homophobie haben sie sich in ein immer größeres Schlamassel
hineinmanövriert. Es wäre höchst an der Zeit, sich in professionelle
psychologische Supervision zu begeben und die unbewußten Motive zu
erforschen und zu reflektieren, die offenbar Ursache dafür sind, daß es so
weit kommen konnte. Vielleicht gelingt es ihnen ja irgendwann einmal,
anzuerkennen, daß Menschenrechte unteilbar sind und auch für Lesben und
Schwule gelten."
Gezeichnet: Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien - 1. Lesben- und
Schwulenverband Österreichs.
Rückfragehinweise: Kurt Krickler: 545 13 10 oder 0664-57 67 466;
office@hosiwien.at; www.hosiwien.at

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07 Grüne Lunacek : Erbärmliches Rückzugsgefecht von FPÖVP nach
§ 209- Niederlage
From: Grüne Andersrum <gruene.andersrum@blackbox.net>
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Lunacek: Erbärmliches Rückzugsgefecht von FPÖVP nach § 209-Niederlage
Utl.: Anlassgesetzgebung pur Strafrechtskeule für Eltern von Jugendlichen=
OTS (Wien) "Der vorliegende Entwurf der FPÖVP-Regierung zur Änderung des
Sexualrechts entspricht einer Anlassgesetzgebung par excellence. In den
vergangenen Jahren war das nun vorgeschobene Argument ,Jugendschutz' der ÖVP
offensichtlich kein Anliegen, sonst hätte sie sich längst dafür stark
gemacht. Heute ist es nicht mehr als ein erbärmliches Rückzugsgefecht nach
der Niederlage wegen der Aufhebung des § 209 seitens des
Verfassungsgerichtshofes", erklärt heute die Grün-Abgeordnete Ulrike Lunacek
Die meisten Tatbestände, denen sich die ÖVP heute so eingehend widmet, sind
in anderen Strafbestimmungen längst geregelt und enthalten: Missbrauch eines
Autoritätsverhältnisses, sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren,
geschlechtliche Nötigung u.a.m.
Überdies, argumentiert Lunacek, werde mit gänzlich unbestimmten Begriffen
wie z.B. ,sexuelles Ausnützen einer Zwangslage' und ,mangelnde Reife'
hantiert. "Derartige unbestimmte Begriffe haben im Strafrecht schlicht und
einfach nichts verloren", so Lunacek. So werde die Auslegung und
Interpretation wiederum den Gerichten überantwortet, weil sich der
Gesetzgeber um eine eindeutige und klare Regelung herumschwindle. "Derartig
schwammige Strafrechtsbestimmungen den Gerichten zuzuschieben, mit all den
bekannten Problemen, stellt ein Armutszeugnis der Regierungsvorlage dar", so
Luancek.
Diese zwei neuen Straftatbestände (,sexuelles Ausnützen einer Zwangslage'
und ,mangelnde Reife') stellen gemeinsam mit dem ebenfalls neu geplanten
Delikt ,entgeltliche Zuwendung' neue Erziehungs- und Sanktionsinstrumente
für Eltern von Jugendlichen dar, was von den Grünen gleichfalls heftig
kritisiert wird. "Sollen Eltern von Jugendlichen, die mit den Beziehungen
ihrer Kinder nicht einverstanden sind, künftig tatsächlich mit der
Strafrechtskeule agieren? Familienpolitik a la ÖVP Na bravo!", schließt
Lunacek.
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Die superüberdrübergrüne LesBiSchwule- & TransGender-Organisation
http://wien.gruene.at/andersrum/
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08 Der Zeuge Petritsch
From: LabourNet Austria <labournetaustria@utanet.at>
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Wolfgang Petritsch konnte sein Bomben-Versprechen einlösen
Ein glaubhafter Zeuge in Den Haag
"Aber eines garantiere ich: Vor Ende April wird der Kosovo-Konflikt entweder
formal gelöst sein oder die NATO bombardiert." (Wolfgang Petritsch)
Kurt Köpruner hält diese Aussage Petritsch's vor den "Friedensverhandlungen in
Rambouillet, Februar 1999, für bemerkenswert. (In K.Köpruner, Reisen in das
Land der Kriege, Espresso 2001)
Noch etwas hält Köpruner für äußerst bemerkenswert: Dass Hashim Thaci, Führer
der UCK, die noch 1998 von den USA als "Terroristen" eingeschätzt wurde, auf
Grund einer persönlichen Initiative Petritsch's nach Rambouillet als
Kosovo-albanischer Vertreter eingeladen wurde. Alles zusammen also, ein recht
neutraler Verhandlungsführer (und Zeuge am 9.7.02 in Den Haag), dieser Wolfgang
Petritsch!
In der zweiten Jahreshälfte 1998 hatte Österreich den EU-Vorsitz geführt, der
Anfang 1999 an Deutschland überging. Petritsch besaß das Vertrauen des deutschen
Außenministers Joschka Fischer, der Petritsch schließlich auch gegen das
Misstrauen von Frankreich und England als Verhandlungsführer in Rambouillet
durchsetzte. Letztlich eine weise Entscheidung für die NATO, schreibt Köpruner:
"... denn wer Petritsch's Aufzeichnungen zu Rambouillet aufmerksam liest, findet
deutliche Hinweise dafür, dass das NATO Bombardement ohne
deutsch-österreichische Regie an der Spitze der EU nicht stattgefunden hätte;
jedenfalls nicht so, wie es schließlich kam, als unbefristetes Dauerbombardement
ganz Jugoslawiens." (ebd.)
Sodann wurde ab 6. Februar im französischen Rambouillet tagelang verhandelt.
Die serbische Delegation, unter Leitung Milosevic's, stimmten dem politischen
Teil des Interimsabkommens generell zu und wollten nur noch die Regelung der
"Kosovo-Autonomie" genauer geklärt wissen. Die Kosovo-Delegation wiederum
verlangte strikte Klärung in Richtung Unabhängigkeit bzw. eines Referendums nach
3 Jahren. Die Verhandlungen stockten tagelang, doch am 12. Verhandlungstag
übergaben die Chefunterhändler Petritsch und Hill zur Überraschung der
russischen und serbischen Delegationen das "Militärische Kapitel" des
Vertragstextes. "General Clark hat vor dem Kongress zugegeben, dass die
Vorbereitungen für die militärischen Operationen im Juni 1998 (!) begonnen
hatten. Daher ist dieser Schritt in Rambouillet hinter unserem Rücken geschehen.
" (Iwanow, russischer Außenminister). In diesem militärischen Zusatz ("Annex B")
war nichts Geringeres vorgesehen, als dass die NATO nicht nur im Kosovo, sondern
in ganz(!) Jugoslawien einmarschieren und unter voller Immunität agieren dürfe!
Jetzt war es somit ganz sicher, dass die serbische Seite nicht unterschreiben
würde. "Mit anderen Worten: Petritsch - und mit ihm sein Mentor Joschka
Fischer - wusste schon vor Beginn der Konferenz, dass die NATO spätestens Ende
April bombardieren würde. Das legt nahe, dass die Konferenz nichts als ein
Spektakel war, um der Welt vorzumachen, man hätte auch noch das Letzte versucht,
das Bombardement abzuwenden." (K. Köpruner)
Nur, zur Kosmetik fehlte noch die Unterschrift Thacis. Auch nach vielstündigen
bilateralen Verhandlungen zwischen Joschka Fischer und Madeleine Albright mit
Hashim Taci sah es so aus als würden beide Seiten nicht unterschreiben und
Rambouillet scheitern. Es würde in der Öffentlichkeit sicherlich nicht gut
ankommen, wenn die NATO nur Belgrad bombardieren würde, obwohl auch die
albanische Seite nicht unterschrieben hatte. Doch mit einer Nachtsitzung
Petritsch's mit Tacis wurde der Weg frei gemacht für die Bomben auf Belgrad und
Jugoslawien. Am 18. März unterschrieben Thaci und Rugova das Vertragswerk. Die
serbische Delegation blieb (NATO-glücklicherweise) bei ihrem Nein. "Wolfgang
Petritsch konnte sein Bomben-Versprechen einlösen." (ebd.)
Karl Fischbacher
LabourNet-Austria
http://web.utanet.at/labournet.austria

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09 Artikel zu Argentinien
From: ASt-LRCI <ast-lrci@utanet.at>
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Liebe MUND-Redaktion,
bitte veröffentlicht diesen Text zu Argentinien.
Danke, Michael Pröbsting
Argentinien: Die Ermordung von Santillán und Costeki sowie die Krise der
Duhalde-Regierung
Von Michael Pröbsting
Vergangenen Mittwoch ermordete die Polizei zwei piqueteros - wie die
Aktivisten der Arbeitslosenbewegung in Argentinien genannt werden: den
21-jährigen Darío Santillán und den 22-jährigen Maximiliano Costeki.
Diese Todesschüsse des 26. Juni 2002 stellen einen Einschnitt im
politischen Zyklus Argentiniens dar, der durch die revolutionären Tage
im vergangenen Dezember eingeleitet wurden.
An diesem Tag fand im ganzen Land ein Aktionstag mit unzähligen cortas
de rutas - Straßenblockaden - und Demonstrationen statt, an denen sich
zehntausende ArbeiterInnen und Arbeitslose beteiligten. Eine der größten
Aktionen fand bei der Puente Pueyrredón statt - einer Brücke in der
Ortschaft Avellaneda am Rande der Hauptstadt Buenos Aires. Aufgrund
ihrer strategischen Bedeutung für den Transport fanden 2002 an dieser
Brücke bereits 40 Straßenblockaden statt. Alle davon friedlich. Bis zum
26. Juni.
Das 2.000 Mann starke und mit Tränengas und Gewehren ausgerüstete
Aufgebot der Polizei attackierte die piqueteros mit aller Brutalität.
Die piqueteros hatten, trotz heroischer Anstrengungen vieler
entschlossener AktivistInnen, keine Chance gegen die Übermacht. Die
Polizei trieb sie unter massivem Einsatz von Tränengas und unzähliger
Hartgummigeschosse vor sich her durch die Straßen von Avellaneda. Dabei
stürmten sie auch ein Lokal der Vereinigten Linken - einer im Parlament
vertretenen Allianz der Kommunistischen Partei und der zentristischen
MST - und schossen dabei wild um sich. Die Bilanz des Polizei-Massakers
waren zwei tote piqueteros, 90 Verletzte und über 170 Verhaftete -
darunter auch zwei Genossinnen der ArbeiterInnenpartei für den
Sozialismus (PTS).
Die Polizei stritt zunächst - wenig überraschend - jegliche
Verantwortung für den Tod von Santillán und Costeki - beide Aktivisten
der Arbeitslosenbewegung CTD Aníbal Verón - ab. Der verantwortliche
Polizeikommandant Alfredo Franchiotti behauptete gar in einem Interview:
"Ich kann mit Sicherheit sagen, daß die Schüsse, die zum Tod der beiden
Demonstranten geführt haben, nicht von den Sicherheitskräften kamen."
Dies ist eine besonders zynische Aussage, da mit großer
Wahrscheinlichkeit Franchiotti selbst zumindest die Ermordung von
Santillán auf dem Gewissen hat! Regierung und Polizei - mit
Unterstützung einiger Medien - versuchten unmittelbar nach den
tragischen Ereignissen die Schuld auf die "gewalttätigen Demonstranten"
abzuschieben. Die Polizei suggerierte daher, daß Santillán eventuell
einem Kampf zwischen rivalisierenden linken Organisationen zum Opfer
gefallen sei!
Doch große Teile der ArbeiterInnenklasse und auch der Mittelschichten
lehnen ein neuerliches Anziehen der Repressionsspirale ab. Sie haben die
über 30 Toten der jornados revolucionarios - der revolutionären Tage im
vergangenen Dezember - als die Polizei das zusammenbrechende Regime von
de la Rua unter Einsatz äußerster Brutalität zu retten versuchte, nicht
vergessen.
Dieses für die offene Konterrevolution derzeit ungünstige
Kräfteverhältnis ist der Grund, warum auch Teile der bürgerlichen Medien
- zuerst Pagina 12 und später Clarin, beide gehören zu den größten
Tageszeitungen - das Vorgehen der Polizei heftig kritisieren. Einem
Fotographen von Clarin verdanken wir es auch, daß die Wahrheit über die
Ermordung von Santillán und Costeki jetzt ans Tageslicht kommt. Dieser
hat eine Fotoserie von den entscheidenden Momenten geschossen: von dem
Moment als Santillán vor seinem toten Freund Costeki kniet, wie ihn die
Polizei wegschleift und wie er schließlich tot neben dem mit einem
Gewehr bewaffneten Polizeikommandanten Franchiotti liegt. Die Fotos
lassen keinen Spielraum für Interpretationen: Hier handelte es sich
nicht um die "zufällige" Tötung im Straßenkampf, sondern um die gezielte
Exekution aus unmittelbarer Nähe. (Die Fotos sind auf der website
http://www.clarin.com/ unter dem Titel "Los últimos minutos, entre la
vida y la tragedia" sowie unter http://www.pagina12.com/ zu sehen. Ein
Bild, wo Franchiotti und ein anderer Polizist zu sehen sind, wie sie die
Leiche eines der beiden piqueteros wegschleifen, findet sich auf der
website des PTS http://www.pts.org.ar/)
Der verantwortliche Polizeichef Franchiotti ist kein unbeschriebenes
Blatt. Er besitzt - wie viele seiner Kollegen der Polizei von Buenos
Aires - den Ruf eines schießwütigen Rechtsaußen. Im Rahmen der
Untersuchungen über den verheerenden Bombenanschlag auf das jüdische
Zentrum AMIA in Buenos Aires im Jahr 1994, dem 86 Menschen zum Opfer
fielen, wurde Franchiotti mehrmals einvernommen. Ihm persönlich konnte
zwar nie etwas nachgewiesen werden, doch der frühere Polizeichef, Juan
José Ribelli - dessen rechte Hand Franchiotti war - wurde wegen dieses
Anschlags verhaftet.
30.000 am Plaza de Mayo
Das Morden der Polizei erwies sich jedoch als Bumerang. Statt einer
Konsolidierung des Regimes und einer Einschüchterung der Massen, gehen
Regierung und insbesondere Polizei diskreditiert und geschwächt aus der
Konfrontation hervor. Als die Ereignisse des 26. Juni bekannt wurden und
die Bilder der mordenden PolizistInnen auf den Titelblättern von Pagina
12 und anderer Medien erschienen, ging ein Aufschrei durch das Land:
"Nicht genug, daß das Regime uns aushungert. Jetzt erschießen sie auch
noch unsere companeros, die gegen den Hunger protestieren!"
Innerhalb weniger Stunden riefen die kämpferischen Organisationen der
Arbeitslosenbewegung und der Linken zu einer Protestdemonstration für
den 27. Juni auf. Die Empörung gegen den Polizeiterror war so groß, daß
auch die Gewerkschaftsbürokratie unter massiven Druck geriet. Die CTA -
eine der drei großen Gewerkschaftsföderationen - rief für den nächsten
Tag einen Generalstreik "in Protest gegen die Repression und den
Autoritarismus" aus. Dieser wurde v.a. in den traditionellen Bastionen
der CTA - dem öffentlichen Sektor wie etwa Bildungs- und das
Gesundheitswesen - befolgt.
30.000 Menschen - eine der größten Demonstrationen seit den jornados
revolucionarios vor einem halben Jahr - kamen zum Congresso (Parlament),
um dann zum traditionellen Zielpunkt aller wichtigen Mobilisierungen in
der Hauptstadt zu marschieren: dem Plaza de Mayo, wo sich der Sitz des
Präsidenten befindet.
Die Polizei versuchte schon im Vorfeld, die DemonstrantInnen
einzuschüchtern. 2.000 PolizistInnen, die an den zentralen
Transportknotenpunkten und in der Innenstadt unzählige Sperren und
Kontrollen errichteten, wurden mobilisiert. Auch dies zeigt, daß das
Regime die Taktik gegenüber den Massenprotesten ändert, hielt sich die
Polizei doch in den letzten Monaten gegenüber den Demonstrationen in der
Hauptstadt (wenn auch nicht in den Provinzen!) relativ zurück.
Die Beteiligung an der Demonstration war nicht nur groß, sondern auch
breit. An der Spitze marschierten die Kolonnen jener kämpferischen
piquetero-Organisationen, die an den tragischen Ereignissen bei der
Puente Pueyrredón beteiligt waren: der Bloque Piquetero, der CTD Aníbal
Verón, der MIJP von Raul Castells sowie der Movimiento Barrios de Pie.
Sie wurden von den unzähligen PassantInnen - darunter viele Angehörige
der Mittelschichten - begeistert begrüßt.
Große Kontingengte kamen von linken Organisationen, darunter PTS, PO,
MST und PC. Aber auch viele AktivistInnen der assambleas populares und
StudentInnen, die dem Aufruf des von Unabhängigen und Linken geführten
StudentInnenverbandes von Buenos Aires FUBA folgten, waren dabei. Bei
ihrem Einzug auf den Plaza de Mayo sangen sie die Lieder des Cordobazo -
des historischen ArbeiterInnen- und StudentInnenaufstandes in Cordoba
1969.
Da waren schließlich auch die motoqueros - die BotendienstfahrerInnen
auf Motorrädern, die mit Fahnen auf dem Plaza de Mayo einfuhren. Seit
den jornados revolucionarios, als sie sich den anstürmenden und wild um
sich schießenden Polizeihorden entgegenwarfen und ihren Widerstand mit
mehreren Todesopfern bezahlten, gehört ihnen die ungeteilte Sympathie
des Volkes. In einer symbolischen Aktion fuhren zwanzig motoqueros - auf
die bevorstehenden Konfrontationen hinweisend - vor den in Bereitschaft
stehenden, gefürchteten Motorradeinheiten der Polizei auf. Diese sind
naturgemäß nicht nur schnell, sondern durch den mit einem Gewehr
ausgerüsteten Hintermann auch extrem gefährlich. Die 20 motoqueros
stellten sich den Spezialeinheiten gegenüber auf und ließen die Motoren
hochschnalzen. Die PolizistInnen taten es ihnen gleich, bis sie
schließlich abzogen. Diesmal blieb es bei der symbolischen Konfrontation
...
Die Solidarität geht weit über die politischen fortgeschrittenen
Sektoren der ArbeiterInnen- und Arbeitslosenbewegung hinaus. Große Teile
der Mittelschichten, deren Ersparnisse die herrschende Klasse mittels
Gesetzeserlaß geraubt hat (corralito), unterstützen den Kampf der
piqueteros. Beispielhaft dafür ist die Aussage eines 60-jährigen
Ladenbesitzers: "Wir Argentinier sind jetzt alle piqueteros. Wenn sie
auf einen piquetero schießen, dann schießen sie auf uns alle."
Auch bekannte Abgeordnete der Linken ließen sich blicken: Luis Zamora -
gegenwärtig einer der populärsten PolitikerInnen des Landes, welcher in
den letzten Tagen eine couragierte Rolle gegenüber Polizei und Regierung
bezog, Alicia Castro und Alfredo Villalba. Zamora - ein ehemaliger
Trotzkist und Vertreter der radikalen, fortschrittlichen Mittelschichten
- kritisierte die Regierung und insbesondere den Kabinettschef Atanasof,
der Anfang der Woche bereits ein hartes Vorgehen gegen die piqueteros
angekündigt hatte, scharf. Elisa Carrio - die Führerin der
links-bürgerlichen ARI (Allianz für eine Republik der Gleichen) - kam am
Tag zuvor, unmittelbar nach den Morden, zum Plaza de Mayo. Der
inoffiziell bereits begonnene Wahlkampf erfordert eben vollen Einsatz
seitens der 'progressiven' PolitikerInnen.
CTA in der Zwickmühle
Von besondere Bedeutung war die Teilnahme der CTA. Ursprünglich rief ihr
Führer de Gennaro zwar einen 24-stündigen Generalstreik aus, verweigerte
jedoch die Unterstützung und Teilnahme an der Demonstration. Die Gründe
dafür waren die Furcht der Gewerkschaftsbürokratie, in einen sich
radikalisierenden Kampf hineingezogen zu werden, der eventuell in neuen
jornados revolcionarios endet. (Bekanntlich verweigerten alle
offiziellen Führungen sowohl der Gewerkschaften als auch der
Arbeitslosenverbände ihre Unterstützung für den Aufstand des 19./20.
Dezember 2001). Diese Sorge wurde dadurch bestärkt, daß die
Massendemonstration des 27. Juni von der CTA-Bürokratie weder einberufen
noch kontrolliert wurde. Der Führer der mit der CTA verbundenen
Arbeitslosenorganisation Federación de Tierra y Vivienda (FTV), Luis
D'Elía, sprach dies offen aus: "Wir nehmen nicht an etwas teil, was wir
nicht führen können."
Vor Demonstrationsbeginn schickte die Regierung den ganzen Tag über
EmissärInnen in das Hauptquartier der CTA, um diese von einer Teilnahme
am Marsch zum Plaza de Mayo abzuhalten - darunter auch Carlos Vila, der
Stellvertreter des Staatssekretärs für Sicherheit Juanjo Alvarez.
Doch die Basis hatte wenig Verständnis für das bornierte bürokratische
Kalkül der Führung. Unter dem enormen Druck von unten erklärte
schließlich der CTA-Verband der Hauptstadt, daß er unter allen Umständen
teilnehmen werde und mobilisierte eine Kolonne von mehreren tausend
GewerkschafterInnen, die den Abschluß des Zuges bildete. Schließlich
ließ sich auch de Gennaro blicken, während D'Elía dem Marsch fernblieb.
Diese Entwicklung zeigt, wie groß der Widerspruch zwischen dem Willen
der Basis, gegen die "Regierung des Hungers und des Mordens" zu kämpfen,
und dem bornierten Starren der Bürokratie auf einen warmen Platz unter
der kleinen Sonne des bürgerlichen Regimes, um diesen - sprich Posten
und Einfluß in Regierung, Sozialversicherungswesen usw. - zu ergattern,
ist. Doch die Bürokratie kann die Basis nicht vollkommen ignorieren,
will sie nicht ihre Kontrolle über sie verlieren.
Perspektiven
Auch wenn es wenige Tage nach den Morden an den beiden piquetero zu früh
ist, eine endgültige Bewertung der Ereignisse vorzunehmen, so lassen
sich doch einige erste Schlüsse ziehen.
Die Schüsse des 26. Juni kamen nicht aus heiterem Himmel. Die Regierung
Duhalde versucht, die Arbeitslosenbewegung - die seit fünf Jahren den
kämpferischsten Sektor der Widerstandes gegen das neoliberale
Sozialmassaker verkörpert - zu spalten. Die reformistischen
piquetero-Organisationen wie v.a. die maoistische CCC und die der CTA
nahestehende FTV sind Teil der consejos consultivos, der
Beratungsremien, welche auf Initiative der katholischen Kirche und der
UNO Anfang des Jahres gebildet wurden und ein Instrument zur Integration
der offiziellen ArbeiterInnenorganisationen sind. Die Regierung verteilt
über diese Organisationen 1,2 Millionen kurzfristige Jobs mit einem
Hungerlohn (150 Pesos).
Dieses bescheidene Zuckerbrot wollte die Regierung jetzt durch die
Peitsche für die radikaleren piquetero-Organisationen ergänzen.
Kabinettschef Atanasof - der im übrigen der korrupten
Gewerkschaftsbürokratie der CGT Daer entstammt - kündigte bereits zwei
Tage zuvor an, daß von nun an die cortas de rutas nicht mehr toleriert
werden können. Wir wissen nicht, ob Polizeikommissar Franchiotti und
seine Mordbuben in Uniform auf höheres Geheiß handelten oder ihren
eigenen niederen Instinkten folgten. Aber wir können mit Sicherheit
sagen, daß die Ankündigung der Regierung, eine Politik der "harten Hand"
zu verfolgen Signalwirkung für die reaktionärsten Elemente im
Repressionsapparat hatte.
Dies ist umso mehr der Fall, als innerhalb der Regierung eine
offensichtsichtliche Spaltung existiert. Außenminister Ruckauf wurde in
der Presse zitiert, daß er sich unter RegierungskollegInnen mit seiner
Rolle in der rechts-peronistischen Regierung von Isabella Peron 1975
brüstete, als er mit einem Dekret die Sicherheitskräfte zur "Auslöschung
der linken Rebellen" ermächtigte. Heute, so meint er, würde er dies
wieder tun. Auch Sicherheitschef Alvarez spricht sich innerhalb der
Regierung für ein "härteres Vorgehen" gegen die sozialen Proteste aus.
Kurzfristig scheinen die Ereignisse in einer politischen Niederlage für
die Regierung zu enden. Die beabsichtigte Einschüchterung der
kämpferischen Sektoren der ArbeiterInnenbewegung ist offensichtlich
nicht gelungen. Der Aufschrei der Mittelschichten und der Medien ist
groß. Die Regierung ist in der Defensive und muß nun Untersuchungen über
das Vorgehen der Polizei einleiten. Nicht nur der Polizeichef der
Provinz Ricardo Degastaldi und sein Stellvertreter Edgardo Beltracchi,
sondern auch der Sicherheitsminister der Provinz Buenos Aires Luis
Genoud mußten zurücktreten. Der Mörder Franchiotti wurde bereits
verhaftet, auch wenn die Anklage gegen ihn und seine KollegInnen nicht
auf Mord, sondern 'nur' auf Totschlag lautet. Mehr als hundert
PolizistInnen, die an den Exzessen beteiligt waren, wurden suspendiert.
Wie wir wiederholt ausführten, zeichnet sich die Regierung Duhalde durch
eine strukturelle Schwäche aus. Sie ist Ausdruck der organischen Krise
des argentinischen Kapitalismus. Eine Krise, die sich durch den
wirtschaftlichen Kollaps und die Todesagonie des politischen Regimes -
welches das Land in den beiden letzten Jahrzehnten beherrschte -
auszeichnet. Dieses politische Regime bestand im wesentlichen aus der
strategischen Kollaboration der beiden traditionellen bürgerlichen
Parteien - der PeronistInnen und der Radikalen , einer begrenzten,
höchst korrupten bürgerlichen Demokratie und einer brutalen Offensive
gegen die ArbeiterInnenklasse im Rahmen einer völligen Unterordnung
unter den Imperialismus.
Die Regierung Duhalde hat bislang nur überlebt, weil die herrschende
Klasse zerstritten, ihre OpponentInnen innerhalb des bürgerlichen
Establishments schwach und diskreditiert sind und
Gewerkschaftsbürokratie die Radikalisierung der Massen so sehr fürchtet,
daß sie es vorzieht, dem Hungern und Morden eher tatenlos zuzusehen als
einen aktiven Generalstreik zu organisieren. Und das ist noch der
'bessere' Teil dieser BonzInnen, denn die CGT-Daer unterstützt die
Regierung Duhalde offen!
Vor diesem Hintergrund der organischen Krise des Regimes und einer
schwelenden sozialen Explosion versucht die herrschende Klasse die
Aufmerksamkeit der Massen auf die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen zu
lenken. Dies soll vom Kampf auf der Straße und in den Betrieben ablenken
und Hoffnungen in einen "friedlichen, institutionellen Systemwandel"
wecken.
Es ist daher kein Wunder, daß in den letzten Tagen wieder in den Medien
über vorzeitige Neuwahlen (reguläre Wahlen sind erst für September 2003
geplant) spekuliert wurde. Auch wenn sich natürlich keine genaue
Prognose über den Zeitpunkt der Wahlen machen läßt, so können wir wohl
unter dem gegebenen Klassenkräfteverhältnis folgendes politisches
Parallelogramm aufstellen. Unter den Bedingungen einer gespaltenen
herrschenden Klasse, einer feindlich gesonnenen Mittelschicht und einer
höchst labilen Regierung wird die Frage von Neuwahlen im Prinzip von
zwei Faktoren bestimmt, die zwar miteinander zusammenhängen, jedoch eine
gewisse Unabhängigkeit voneinander besitzen:
1) Verfügt die Bourgeoisie über ein klares Konzept zur Stabilisierung
ihrer politischen Herrschaft und der Lösung der Wirtschaftskrise auf
Kosten der ArbeiterInnenklasse und besitzt sie auch eine tatsächliche
politische und personelle Alternative zur schwachen Regierung Duhalde?
2) Droht der wachsende Widerstand des beschäftigten und
beschäftigungslosen Proletariats und der ihrer Ersparnisse beraubten
Mittelschichten die Regierung in einem neuerlichen Dezemberaufstand
hinwegzuschwemmen und können daher Neuwahlen den Kampf von der Straße
und den Betrieben hin zur Wahlurne lenken?
Unter den heutigen Bedingungen können wir daher die Hypothese
aufstellen, daß Neuwahlen umso wahrscheinlicher werden, je rascher der
politische Klärungsprozeß innerhalb der Bourgeoisie voranschreitet
und/oder je heftigere Formen der Klassenkampf annimmt. Sollten sich
jedoch die Krise weiter dahinschleppen, die Fraktionskämpfe innerhalb
der herrschenden Elite weitergehen und die traditionellen Führungen der
ArbeiterInnenbewegung es schaffen, die Bereitschaft der Massen zur
Revolte erneut - wie nach den Dezember-Tagen - einzulullen und zu
kanalisieren, dann kann sich das schlingernde Schiff Duhalde eventuell
noch eine Zeit lang über Wasser halten.
Droht eine erneute Spirale der Repression wie in den 1970er Jahren?
Steht eine Welle der Repression gegen die Linke und die kämpferischen
Sektoren der ArbeiterInnenbewegung unmittelbar bevor? Zweifellos
zeichnen sich die Morde an den beiden piqueteros durch eine besondere
Unverfrorenheit seitens der Polizei aus. Nicht, daß die Ermordung linker
AktivistInnen in Argentinien etwas neues wäre. Armee und Polizei haben
in den vergangenen Jahrzehnten darin reichlich Erfahrung gesammelt. Erst
vor einem halben Jahr - während der jornados revolucionarios - fielen
über 30 DemonstrantInnen dem Polizeiterror zum Opfer.
Aber das bemerkenswerte ist die ungenierte Exekution von Santillán und
Costeki am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit. Dies kann nur
bedeuten, daß sich die MörderInnen in Uniform äußerst sicher, sprich,
daß sie sich "von oben" gedeckt fühlten. Und wie wir gezeigt haben,
existiert tatsächlich in der Regierung eine Fraktion - und wir können
davon ausgehen, daß sie einen Teil der herrschenden Klasse
repräsentiert, die zunehmend eine Politik der "harten Hand" gegen die
"soziale Gewalt", sprich die Proteste der Entrechteten und Armen,
befürwortet.
Das bedeutet nicht, daß eine massive Welle der Repression unmittelbar
bevorsteht. Kurzfristig gesehen ist dies sogar unwahrscheinlich - zu
schwach ist das Regime, zu groß der Widerstand der Massen. Gruppen wie
die linkspopulistische CTD Anibal Veron irren, wenn sie heute vom Beginn
einer systematischen Repressionswelle gegen die Avantgarde sprechen. Das
gleiche gilt für die - wohl mit Blick auf die kommenden Wahlen
formulierte - Aussage der ARI-Führerin Elisa Carrio, die meinte: "Wir
sind in die Repressionsphase des Regimes eingetreten". Ein Regime wie
jenes von Duhalde, daß keine ausreichende Klassenbasis in der
Gesellschaft besitzt, ist zu schwach, um einen solch offen
konterrevolutionären Kurs zu verfolgen.
Allerdings ist es durchaus möglich, daß eine Fraktion der herrschenden
Klasse zunehmend auf die Karte des selektiven Terrors gegen die Linke
und die ArbeiterInnenbewegung setzt, ähnlich wie das in den 1970er
Jahren mit der AAA der Fall war.
Die Bedeutung der Morde des 26. Juni liegt jedoch auch darin, daß sie
einen Ausblick auf zukünftige Ereignisse geben. Die Dynamik einer jeden
revolutionären Periode - und in einer solchen befindet sich Argentinien
seit den Dezember-Tagen - besteht darin, daß sie auf eine Konfrontation
zwischen Revolution und Konterrevolution hinausläuft. Die Bourgeoisie
selber ist sich der Gefahr einer neuerlichen revolutionären Situation
durchaus bewußt. Eines der finanzkapitalistischen Blätter - der Buenos
Aires Herald - vermerkte in einem Kommentar: "Das ganze ist ein Wettlauf
mit der Zeit. Mit über der Hälfte seiner 36 Millionen umfassenden
Bevölkerung in Armut und über 24% seiner Arbeitskräfte ohne Job, gleicht
Argentinien einem sozialen Kochtopf." (30.6.)
Eine herrschende Klasse kann auf die Dauer nicht einen solch chaotischen
Zustand, wie er gegenwärtig im Lande existiert, hinnehmen. Sie muß und
wird wieder versuchen, "Ordnung zu schaffen".
Die zunehmenden Bemerkungen und Andeutungen seitens bürgerlicher
PolitikerInnen und KommentatorInnen über die Möglichkeit eines
neuerlichen "harten Durchgreifens gegen das soziale Chaos" deuten nicht
so sehr auf einen unmittelbar bevorstehenden Putsch hin, sondern auf
eine bewußte Einschüchterungstaktik und eine längerfristig ausgerichtete
Aufbereitung des Bodens für einen solchen Kurs. Um noch einmal den
Buenos Aires Herald zu zitieren: "Sollten die Dinge wirklich unangenehm
werden, dann könnten sie deren Ersetzung (der Duhalde-Regierung, d.A.)
durch eine weit härtere Regierung fordern, welche in einer viel
weitreichenderen Form die Manöver wiederholt, die zur Übernahme der
Wirtschaftsverwaltung durch Domingo Cavallo geführt haben. (.) Wie
würden die fortschrittlichen Radikalen und Frepaso-Anhänger wohl
reagieren wenn sie sich zwischen einer Demonstration der Macht
entscheiden müßten und dem Versinken des Landes in die Anarchie? (.) (Es
fragt sich,) ob es wirklich weise von ihnen ist, die Tür für jemanden
wie Ruckauf zu öffnen, der - von viele begleitet, die diesen Prozeß
herbeigeführt haben, seinen (Duhalde's, d. A) Platz einnehmen könnte und
den Gegenschlag gegen die Problemverursacher aller Art in sehr ernster
Weise beginnen könnte vor dem Hintergrund einer Wirtschaftspanik, die
dann weitaus schlimmer wäre als vor einem Vierteljahrhundert (zum
Zeitpunkt des Militärputsches 1976, d. A). Das ist ein düsteres
Szenario, aber auch wenn uns - wie es gegenwärtig durchaus realistisch
erscheint - ein ökonomischer Kollaps und eine Diktatur mit einigen
demokratischen Merkmalen bevorsteht, so würde das nicht das Ende
Argentiniens bedeuten...." (20.6.)
Zentrale Voraussetzung für dieses Projekt der Bourgeoisie ist jedoch die
Wiederherstellung eines "herrschenden Block" (Gramsci) - also der
Formierung einer bürgerlichen politisch-gesellschaftlichen Allianz, in
der sich eine dominierende Fraktion des Großkapitals wichtige Sektoren
der Klein- und Mittelbourgeoisie sowie der Mittelschichten unterordnet
und hinter dem strategischen Projekt der bürgerlichen Krisenbewältigung
vereint. Auf Basis einer solchen Formierung eines herrschenden Blocks
ist das Losschlagen der offenen Konterrevolution nicht nur möglich,
sondern sogar im höchsten Maße wahrscheinlich.
Wann dies der Fall sein wird, läßt sich natürlich nicht sagen. Aber klar
ist, daß der argentinischen ArbeiterInnenklasse nicht unbegrenzt Zeit
zur Verfügung steht. Die Bourgeoisie wird wieder aus der Krise finden
und ein Klassengleichgewicht zu ihren Gunsten herstellen, wenn das
Proletariat nicht rechtzeitig eingreift. Als herrschende Klasse -
herrschend nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf politischer,
kultureller und sozialer Ebene - stehen ihr weit mehr Mittel zur
Verfügung als dem Proletariat. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit.
Entweder es bildet sich rechtzeitig eine neue, revolutionäre Führung
heraus, die die Aufgaben der gegenwärtigen Periode versteht, ein damit
korrespondierendes Programm in der ArbeiterInnenklasse verankert und den
Kampf für die soziale Umwälzung in Angriff nimmt - oder der herrschenden
Klasse gelingt es, ihre Macht erneut zu festigen.
Welche konkrete Form die Konterrevolution annehmen wird - das Repertoire
der lateinamerikanischen Bourgeoisie reicht von Pinochets Militärputsch
bis hin zu Fujimoro's 'legalem' Staatsstreich - und in welchem
Zeitrahmen wir uns diesen Szenarien nähern, läßt sich gegenwärtig nicht
sagen. Es ist durchaus möglich - einige Indizien sprechen gegenwärtig
sogar dafür, daß der Weg zu einer rechten, bonapartistischen
Konterrevolution zuerst den Umweg über eine 'demokratische'
Centro-Izquierda(Mitte-Links)-Etappe durchläuft. Aber die fundamentale
Alternative liegt auf der Hand - ArbeiterInnenmacht oder
Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung mit gewaltigen Opfern der
Volksmassen.
Die links-bürgerliche Sackgasse
Es verwundert kaum, daß die sogenannten Centro-Izquierda - die
reformistischen und links-bürgerlichen Kräfte von Elisa Carrio, über
Alicia Castro, de Generro bis zu Zamora - vehement auf Neuwahlen drängt.
Sie wollen in zivilisierter, sprich bürgerlicher, Form an die politische
Macht kommen und nicht auf dem Rücken eines Aufstandes der
ArbeiterInnenklasse. Würden sie von den starken Armen des Proletariats
auf das Podest der Macht gehoben werden, wären sie rasch Getriebene
statt AntreiberInnen und später wohl Gefallene.
Das soll jedoch nicht heißen, daß ihr Weg der Neuwahlen viel
realistischer ist. Es ist durchaus möglich, daß Carrio, Zamora&Co. die
nächsten Wahlen gewinnen, auch wenn die peronistische Parteimaschinerie
für Bestechungen und Manipulationen ihre ganze Routine mobilisieren mag.
Doch einmal an der Macht, wird sich der utopische Gehalt ihrer
reformistischen Tagträume schnell entblößen. Denn ihre Ziele einer
bürgerlichen Ordnung mit direktdemokratischen Mechanismen und eines
sozial gerechten Kapitalismus mit einem hohen Maß an staatlicher
Intervention sind in der gegenwärtigen Niedergangsperiode des
Kapitalismus weltweit und besonders in der halbkolonialen Welt eine pure
Illusion.
Wie sollen die Unterernährung, unter der 60% aller Kinder leiden, die
Armut, in der sich die Hälfte der Bevölkerung befindet und die
Massenarbeitslosigkeit erfolgreich bekämpft werden, wie sollen den
Mittelschichten ihre Ersparnisse zurückgegeben werden, ohne
entschädigungslose Enteignung jener kleine Gruppen von Banken,
multinationalen Konzernen und Großunternehmen, die in den vergangenen
Jahren Milliarden und Abermilliarden Dollar außer Landes geschafft
haben?! Wie soll die Korruption beseitigt und die Scheindemokratie durch
eine tatsächliche ersetzt werden, ohne die Machtausübung durch
direktdemokratische Versammlungen (assambleas wie es heute in
Argentinien heißt) der ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Mittelschichten?!
Nein, objektiv weist die Centro-Izquerda weder für die herrschende
Klasse noch für die Volksmassen einen Ausweg aus der Krise. Ihre
Funktion besteht gerade darin, daß sie der Bourgeoisie hilft, die
Volksmassen in einer revolutionären Periode einzulullen und vom
Klassenkampf abzulenken. Und gerade deswegen sind sie für letztere eine
große Gefahr.
Der Ausweg aus der Krise kann nur durch eine soziale Revolution erreicht
werden - dem gewaltsamen Umsturz der kapitalistischen Ordnung (oder
sagen wir besser dem Chaos und Verfall) durch die ArbeiterInnenklasse
und ihre Verbündeten.
Unmittelbare Aufgaben
Die Aufgaben der marxistischen RevolutionärInnen in Argentinien liegen
auf der Hand. Der Partido des los Trabajadores por el Socialismo (PTS),
mit dem unsere internationale Tendenz, die Liga für eine
revolutionär-kommunistische Internationale (LRKI), eng zusammenarbeitet,
verfolgt zurecht eine Orientierung auf die Verbreiterung des
Widerstandes auf die gesamte ArbeiterInnenklasse in den Betrieben -
sprich einen aktiven Generalstreik für den Sturz der Regierung Duhalde.
Die Erfahrungen der letzten Monate haben deutlich gezeigt, daß die
Gewerkschaftsbürokratie nicht bereit ist, einen Generalstreik zu
organisieren und wenn, dann beschränkt er sich auf einen Tag und
symbolische Aktionen. Doch was jetzt dringend nötig ist, das ist ein
militanter, landesweiter und unbefristeter Generalstreik. Nur die
Lahmlegung der Wirtschaft - wo das Herz des Kapitalismus schlägt - kann
die herrschende Klasse in die Knie zwingen. Diese werden die
Gewerkschaftsführungen jedoch nicht freiwillig organisieren - er muß
ihnen von der Basis aufgezwungen werden.
Dies macht die selbstständige Organisierung der Basis - der
organisierten und unorganisierten, beschäftigten und beschäftigungslosen
ArbeiterInnen - in Fabrikkomitees, regionalen assambleas, Räten usw.
unabhängig von der Bürokratie zu einer vordringlichen Aufgabe. Erst eine
solche breite direktdemokratische Organisierung der ArbeiterInnwenklasse
schafft die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen, um die
Gewerkschaftsspitzen zur Organisierung effektiver Massenstreiks zwingen
und schließlich deren Ersetzung durch eine wirkliche
ArbeiterInnenführung vorbereiten.
Die Aufgabe der Mobilisierung und Organisierung der ArbeiterInnenklasse
- v.a. in den Betrieben - ist umso dringlicher, als sie gegenwärtig den
wichtigsten Schwachpunkt im revolutionären Prozeß Argentiniens
darstellt. Der Terror der Arbeitslosigkeit und die lakaiInnenhafte
Politik der Gewerkschaftsbürokratie haben bisher verhindert, daß die
Betriebe eine zentrale Rolle im Kampf einnehmen. Stattdessen dominieren
gegenwärtig eher Straßenblockaden und Mittelschichtsdemonstrationen, die
jedoch dem Regime keinen entscheidenden Schlag versetzen können, solange
nicht ein Streik in den Fabriken die Führung übernimmt.
Trotz der Eskalation der Polizeigewalt ist der Verteidigungskampf der
ArbeiterInnenklasse in erster Linie ein politischer. Es geht darum,
durch die Einbeziehung der breitestmöglichen Massen des Proletariats -
sowohl in den Betrieben als auch der Arbeitlosen - der Politik des
Hungerns und Mordens entgegenzutreten. Denn eine zentrale Gefahr lautet
momentan, daß die Avantgarde - die wie der 27. Juni zeigte über eine
durchaus beachtliche Mobilisierungsfähigkeit verfügt - in Verkennung des
realen Kräfteverhältnisses die direkte Konfrontation mit dem
Staatsapparat sucht. Eine solche Konfrontation würde sie zwangsläufig
verlieren. Nein, die Aufgabe besteht darin, die Widerstandskraft durch
die Mobilisierung der breiten ArbeiterInnenmassen zu erhöhen. Und dazu
ist die Gewinnung jener Massen notwendig, die heute noch den etablierten
Führungen der CGT's, der CTA und der CCC sowie der Arbeitslosenverbände
folgen (wenn auch oft ohne Enthusiasmus).
Daraus ergibt sich wiederum die zentrale Bedeutung einer energischen
Anwendung der Einheitsfronttaktik gegenüber diesen Massenorganisationen
- also die Verbindung einer Politik der unabhängigen Organisierung der
ArbeiterInnen - über die engen Grenzen der Gewerkschaften hinaus - mit
einer Taktik der systematischen Denunzierung der traditionellen
Führungen und einem energischen Formulieren von an sie gerichteten
Forderungen. Nur eine solche Politik kann verhindern, daß die
BürokratInnen die gegenwärtigen Mobilisierungen totlaufen lassen und für
ihre eigenen Zwecke benutzen. Eine solche Taktik in der Hand einer
revolutionären Partei kann diese dazu befähigen, die Massen gegen die
Bürokratie zu mobilisieren und schließlich von ihr wegzubrechen.
So falsch die Interpretation der CTD Aníbal Verón über eine
bevorstehende Welle der Repression auch ist, so steht es mit dem - für
OpportunistInnen so typischen - Triumphalismus des Partido Obrero nicht
viel besser. Eine solche, sich in Sicherheit wiegende, Perspektive kann
nur zu einer falschen Einschätzung des Klassenkräfteverhältnisses führen
und in der politischen Taktik bei der Überschätzung der eigenen Kräfte
und der sträflichen Vernachlässigung der Einheitsfronttaktik gegenüber
den Massenorganisationen des Proletariats enden. Mit anderen Worten: der
sichere Weg in die Niederlage.
Es geht vielmehr darum, den gegenwärtigen Rückschlag der Regierung als
Atempause zu verstehen, um die proletarische Mobilisierungskraft für den
Kampf gegen Duhalde und den IWF zu verbreitern, zu vertiefen und zu
organisieren. Die Linke und die Avantgarde müssen jetzt für eine
energische Kampagne zur Gewinnung breiterer ArbeiterInnenmassen gewonnen
werden. Der kommende Aktionstag der CTA/CCC am 3. Juli war eine erste
und wichtige Gelegenheit dafür.
Weiters unterstreichen die Mobilisierungen der letzten Tage, der
öffentliche Aufschrei gegen die korrupte Polizei und die Offensive der
Centro-Izquierda für Neuwahlen und eine "politische Reform" die
Bedeutung der demokratischen Frage. Die erste bedeutende Frage ist die:
Wer soll die Untersuchung über die Verantwortlichkeit der Polizei für
die zwei Morde leiten? Wenig verwunderlich, daß die Regierung mit Juan
José González einen Untersuchungsbeamten eingesetzt hat, der aus genau
jenem Polizeiapparat entstammt, dessen Verbrechen er nun untersuchen
soll. Zurecht fordert der PTS die Einsetzung einer unabhängigen
Untersuchungskommission, die öffentliche Sitzungen durchführt und von
den betroffenen piquetero-Organisationen wie CTD Aníbal Verón, Bloque
Piquetero, Barrios de Pie und MIJD gemeinsam mit
Menschenrechtsorganisationen und Abgeordneten wie Luis Zamora geleitet
wird.
Aber in der gegenwärtigen Periode, in der die Frage der politischen
Reform sowohl von den Massen - im Sinne einer tatsächlichen
Demokratisierung - als auch von diversen bürgerlichen Kräften zwecks
Institutionalisierung der Massenproteste auf die Tagesordnung gestellt
wird, steht für MarxistInnen die Losung der revolutionären
verfassunggebenden Versammlung im Vordergrund. Eine solche darf jedoch
nicht das Resultat eines Manövers der herrschenden Klasse sein und unter
deren Kontrolle stehen, sondern muß von den Massen durch den
revolutionären Klassenkampf erzwungen und kontrolliert werden.
Eine solche Versammlung böte das Forum für eine demokratische Diskussion
über die Zukunft des Landes und stellt in diesem Sinne angesichts der
massiven demokratischen Illusionen der Massen und der
konterrevolutionären Manöver von Sektoren der Bourgeoisie eine korrekte
Taktik dar. Aber sie kann die Lösung der Krise nicht gewährleisten. Sie
kann die Machtfrage nicht lösen (wie dies diverse ZentristInnen wie der
Partido Obrero suggerieren). Nur eine ArbeiterInnen- und Volksregierung
kann dies mit einem Programm der Herrschaft von ArbeiterInnenräten, der
Verstaatlichung der in- und ausländischen Banken und Konzerne unter
Kontrolle der Beschäftigten und der Einführung eines staatlichen
Außenhandelsmonopols gewährleisten.
Schließlich sei noch auf eine letzte Lehre der tragischen Ereignisse vom
26. Juni 2002 hingewiesen. Der Kampf gegen den Hunger, gegen die Armut
und die Zerstörung der Ressourcen des Landes stößt unvermeidlich auf die
Gewalt des Staatsapparates. In einer außergewöhnlichen Schwächephase hat
sich die herrschende Klasse in den Monaten nach dem Massaker in den
Dezember-Tagen zurückhalten müssen. Doch die Geschichte Argentiniens -
wie auch vieler anderer Länder - zeigt, daß sie nicht davor
zurückschreckt, ihre Ordnung unter Anwendung massivster Gewalt wieder
herzustellen.
In den kommenden Auseinandersetzungen und erst recht bei entscheidenden
Konfrontationen wie Generalstreiks und militanten Straßenblockaden kommt
der Frage der organisierten Selbstverteidigung gegen den bürgerlichen
Staatsapparat ein bedeutender Stellenwert zu. Den diversen Linken im
Westen, die so gerne von der möglichen friedlichen Überwindung des
Kapitalismus phantasieren, sollten die Morde an den piqueteros eine
Lehre sein. Nur bewaffnet und organisiert - in
Selbstverteidigungseinheiten, die in einer revolutionären Situation zu
ArbeiterInnenmilizen weiterentwickelt werden können - kann das
Proletariat gegen die unvermeidliche Repression bestehen.
Die Ereignisse der letzten Tage unterstreichen den zutiefst explosiven,
revolutionären Charakter des politischen Prozesses, den Argentinien
gegenwärtig durchläuft. Dieser kann und wird nicht unbegrenzt anhalten.
Früher oder später muß eine der beiden gesellschaftlichen Hauptklassen -
Bourgeoisie oder Proletariat - das eine Entscheidung zu ihren Gunsten
erzwingen. Damit die ArbeiterInnenklasse aus diesem Kampf als Siegerin
hervorgeht, bedarf sie einer revolutionären Partei, die eine
realistische Perspektive mit einem den Notwendigkeiten des
Klassenkampfes entsprechenden Aktionsprogramm für den revolutionären
Sturz des Kapitalismus verbindet. Dem Kampf des PTS für den Aufbau einer
solchen Partei kommt dabei zentrale Bedeutung zu und die LRKI
unterstützt sie dabei so weit wie möglich.

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10 86 Tage Schubhaft bis zur Einvernahme vor dem Bundesasylamt
From: SOS-Menschenrechte Österreich <ecker@sos.at>
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86 Tage Schubhaft bis zur ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt
Blinder Sparkurs auf Kosten der Asylwerber nicht akzeptabel
Asylwerber müssen unzumutbar lange auf ihre Einvernahme beim Bundesasylamt
warten, viele von ihnen in Schubhaft. Steht die personell stark
unterbesetzte und finanziell schlecht dotierte Behörde zum 10. Geburtstag
vor dem Kollaps? SOS-Menschenrechte ortet einen massiven Mangel, der die
Durchführung fairer Asylverfahren untergräbt, und fordert eine akzeptable
Ausstattung des Bundesasylamtes, damit dieses seinem Auftrag auch nachkommen
kann.
Am 4. Mai wurden die Asylwerberinnen Marina R. und Tatjana S. (beide 23)
wegen illegalem Grenzübertritt in Schubhaft genommen. Auf mehrfache
Intervention von SOS-Menschenrechte haben die russischen Staatsbürgerinnen
nun endlich einen Termin für eine erste Einvernahme vor dem Bundesasylamt
erhalten. Am 29. Juli - nach 86 Tagen Schubhaft - werden Marina und Tatjana
erstmals ihren Asylantrag begründen können.
Unter den 63 Schubhäftlinge, die am 3. Juli 2002 im Polizeianhaltezentrum
Linz angehalten wurden, waren 57 Asylwerber im laufenden Verfahren. Nur ein
einziger Asylwerber befand sich im Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen
Bundesasylsenat (UBAS), bei 56 Asylwerbern war hingegen das erstinstanzliche
Verfahren vor dem Bundesasylamt noch nicht abgeschlossen, zumeist noch nicht
einmal wirklich begonnen, denn:
Von den 56 Asylwerbern haben unseren Informationen zufolge erst 11 einen
ersten Einvernahmetermin beim Bundesasylamt erhalten. So werden etwa zwei
Iraker nach 22 bzw. 25 Tagen, zwei Georgier jedoch erst nach 71 Tagen
einvernommen. Die durchschnittliche Wartezeit von Asylwerbern in Schubhaft
auf einen Einvernahmetermin beim Bundesasylamt beträgt zur Zeit 56 Tage.Bundesasylamt vor dem Kollaps?
Personelle und finanzielle Aufstockung dringend notwendig
In Kürze wird das Bundesasylamt 10 Jahre alt. Ursprünglich auf etwa 10.000
Asylverfahren jährlich ausgelegt, muss diese Behörde heute eine deutlich
höhere Zahl von Asylanträgen bewältigen:
Jahr Jänner bis Mai insgesamt
2000 6.395 Asylanträge 18.280 Asylanträge
2001 12.850 Asylanträge 30.134 Asylanträge
2002 14.189 Asylanträge
Für das gesamte Jahr 2002 ist mit 32.000 bis 35.000 Asylanträgen zu rechnen.
Die deutlich gestiegene Zahl an Asylanträgen finden keinerlei Niederschlag
in zusätzlichem Personal und Budgetmittel bei den Bundesasylämtern. Im
Gegenteil: Das Asylwesen wird personell und finanziell ausgetrocknet,
Karenzurlaube und andere Abgänge werden nicht nachbesetzt.
Viele MitarbeiterInnen des Bundesasylamtes unternehmen erhebliche
Anstrengungen, damit das Asylsystem nicht kollabiert, auch wenn die
Rahmenbedingungen für eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung der
Asylbegehren vielfach als unzumutbar zu bewerten sind. Wenn Asylwerber
jedoch aufgrund der Überbelastung der Referenten bis zu drei Monate in
Schubhaft angehalten werden, ehe sie erstmals ihre Asylgründe darlegen
können, ist das ein inakzeptables Beispiel für eine Budgetsanierung auf dem
Rücken der Asylwerber.
SOS-Menschenrechte fordert daher Bundesminister Dr. Ernst Strasser auf, den
rigiden Sparkurs, der eine Bedrohung für faire Asylverfahren in akzeptabler
Dauer ist, zu beenden und für eine ausreichende personellen und finanziellen
Ausstattung des Bundesasylamtes mit seinen regionalen Außenstellen zu
sorgen.
Die politisch diskutierte und auch von SOS-Menschenrechte grundsätzlich
gewünschte Verkürzung der Asylverfahren kann ohne ausreichende personelle
und finanzielle Dotierung des Bundesasylamtes nur zu Lasten
menschenrechtlicher Mindeststandards gehen, was entschieden abgelehnt wird.--------------- ecker@sos.at ---------------
SOS-Menschenrechte
Tummelplatz 5/2
A-4010 Linz
Austria
Tel.: ++43/732/ 777 404
Fax-Dw. 4 Geschäftsführung, Menschenrechtserziehung
Fax-Dw. 7 Schubhaftbetreuung
Internet: http://www.sos.at
e-mail: ecker@sos.at

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11 Vermummungsverbot im Innenausschuss beschlossen, Polizisten
müssen Dienstnummern nicht sichtbar tragen
From: Conte di Ferro <conte.di.ferro@aon.at>
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Quelle : http://derstandard.at/standard.asp?id=1000244
03. Jul, 2002 - 17:09:00
Vermummungsverbot im Innenausschuss beschlossen
Bis zu ein Jahr Haftstrafe - Grüner Antrag, Polizisten müssten Dienstnummern
sichtbar tragen, abgelehnt
Vermummungsverbot nimmt erste parlamentarische Hürde Bei Verstoß drohen bis zu
sechs Monate Haft, im Wiederholungsfall sogar ein Jahr
Wien - Nach dem Fremdenpaket wurde am Mittwoch auch das Vermummungsverbot für
Demonstranten im Innenausschuss des Parlaments mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ
beschlossen. Der Entwurf sieht ein generelles Vermummungsverbot, sowie ein
Verbot des Mitführens von gefährlichen und zur Vermummung bestimmten
Gegenständen vor. Verstößt jemand gegen beide Verbote, ist eine Geldstrafe bis
zu 360 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten vorgesehen. Im
Wiederholungsfall sogar bis zu einem Jahr. Die Opposition lehnt den Entwurf
entschieden ab.
Der Abstimmung war ein Expertenhearing vorangegangen. Die Regierungsparteien
sahen sich danach in ihren Positionen nur bestätigt. Die Opposition lehnt ein
generelles Vermummungsverbot hingegen ab. Nach den Vorstellungen der SPÖ soll
ein Verbot nur bei Bedarf von der Exekutive ausgesprochen werden können, so
Sicherheitssprecher Rudolf Parnigoni. Ein generelles Verbot sei auch fast nicht
durchsetzbar. Außerdem würde dadurch die Gefahr einer Eskalation nur erhöht.
Manche Demonstrationen seien sogar nur möglich, wenn sich die Teilnehmer
unkenntlich machen würden. Als Beispiel nannte er iranische
Kundgebungsteilnehmer vor der iranischen Botschaft. Wenn diese erkannt würden,
hätten sie mit Repressalien zu rechnen, so Parnigoni.
Der ÖVP-Abgeordnete Werner Miedl verteidigte hingegen den VP/FP-Entwurf. Das
Expertenhearing habe seine Ansicht gestärkt, dass die Gewaltbereitschaft bei
Demonstrationen mit Vermummten größer sei als bei Demos ohne Vermummte. Den
Regierungsparteien gehe es um den Schutz von Demonstranten, von unbeteiligten
Personen, aber auch um das Recht der Polizisten, ihre Gegenüber erkennen zu
können.
FP-Sicherheitssprecherin Helene Partik-Pable meinte, dass Österreich beim
Vermummungsverbot international sogar spät dran sei. Das Verbot sei jetzt aber
nötig, weil "die Linke" in den letzten zwei Jahren Demos benützt hätte, um das
Versammlungsrecht zu unterlaufen und weil immer öfters Gewalt eingesetzt worden
sei.
Polizei muss Dienstnummern nicht sichtbar tragen
Die Grünen lehnen ein Vermummungsverbot grundsätzlich ab. Wie
Sicherheitssprecher Peter Pilz betonte, gebe es auch Demonstranten, die wegen
einer Protestteilnahme mit Nachteilen zu rechnen hätten. Die Grünen verlangten
in ihrem Antrag, der wie der SP-Antrag keine Mehrheit fand, dass Polizisten ihre
Dienstnummer offen tragen sollten und dass Videos oder Fotos von Demos nicht
gespeichert werden dürften, wenn keine Straftaten vorliegen.
Bei den Strafen plant die Regierung, dass von einer Festnahme von Personen, die
den Verboten des Versammlungsgesetzes, insbesondere dem Vermummungsverbot,
zuwider handeln, abgesehen werden kann, wenn andere - gelindere - Mittel den
gleichen Zweck erreichen können, wie die Wegweisung des Störers oder die
Sicherstellung von Sachen. Die bloße Vermummung oder das bloße Mitführen von
gefährlichen Gegenständen wird als Verwaltungsübertretung nach dem
Versammlungsgesetz mit Geldstrafen bis zu 720 Euro bedroht. Wenn jedoch eine
Person gegen beide Verbote verstößt, kommt das Strafrecht zur Anwendung.
Die neuen Regelungen sollen nur für politische Kundgebungen gelten.
Traditionelle Umzüge, wie Faschingsumzüge, sollen davon nicht betroffen sein.
(APA)

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12 Abfangjäger/Euro-Armee/Stellungnahme/KPÖ
Von: KPÖ Steiermark [mailto:kpoe_stmk@hotmail.com]
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KPÖ Steiermark
Lagergasse 98a
8020 Graz
Mittwoch, 3. Juli 2002
Presseinformation der KPÖ Steiermark
Abfangjäger-Typenentscheidung:
Einstiegsgeschenk für die Euro-Armee
Die Regierung hat sich nun für den Eurofighter des EADS Konzerns
entschieden. Die Wahl fiel damit auf den teuersten Abfangjäger. Der
Eurofighter ist technisch allerdings noch nicht ausgereift und existiert
derzeit nur in Form eines Prototyps. Auch über die Höhe der laufenden
Betriebskosten gibt es keine Erfahrungswerte. Tatsachen die belegen, dass
bei der Typenentscheidung nicht finanzielle Fragen die Hauptrolle gespielt
haben.
Mit dem Kauf des Eurofighters wird der europäischen Rüstungsindustrie auf
die Beine geholfen. Das wurde vom EU-Mitglied Österreich ganz einfach
erwartet. Der Eurofighter wird in Zusammenarbeit der deutschen, britischen,
italienischen und spanischen Rüstungsindustrie gebaut. Mehrmals wurde schon
überlegt das teure Projekt einzustellen. Nun wurde Österreich als erster
Kunde, neben den Herstellerländern, an Land gezogen.
Der Magna Konzern ist einer der größten Lieferanten der
EADS-Muttergesellschaft DaimlerChrysler. Finanzminister Grasser war, bevor
er in die Politik gewechselt ist, Presse-Manager bei Magna und hat auch ein
Rückkehrrecht in den Konzern. Auch die Tatsache, dass die Werbeagentur von
Ex-FPÖ-Funktionär Gernot Rumpold mit der Werbekampagne für den Eurofighter
betraut wurde, wird bei der Entscheidung wohl kaum ein Nachteil gewesen
sein.
Der Eurofighter ist auch ein Eintrittsgeschenk Österreichs für die
Euro-Armee, die gerade entsteht. Der Eurofighter kann doppelt so viele
Waffen aufnehmen wie die F-16 oder der Grippen und soll nach Wunsch der
Hersteller zum leistungsfähigsten Kampfflugzeug der Welt werden. ÖVP und FPÖ
würden unsere Neutralität lieber heute als morgen endgültig über Bord werfen
und Mitglied in einem Militärbündnis werden. Der Eurofighter ist da eine
willkommene Morgengabe.
Obwohl die Bevölkerung diesen teuren Rüstungswahnsinn bezahlen muss, obwohl
die Menschen in unserer Region die Belastungen des Flugbetriebs tragen
müssen, haben nur 200 Demonstranten an der Protestdemonstration vor dem
Fliegerhorst Zeltweg teilgenommen. Kein einziger Bürgermeister war anwesend.
Schimpfen allein ist zuwenig, um den Abfangjägerkauf zu verhindern, oder die
angekündigten Einsparungen bei den ÖBB und viele andere Verschlechterungen.
Jetzt geht es darum eine Volksabstimmung über den Abfangjägerkauf zu
verlangen. Eine weitere Möglichkeit des Protests ist eine breite
Unterstützung des Anti-Abfangjägervolksbegehrens in der Eintragungswoche vom
29. Juli bis 5. August.
Ing. Pacher Renate
KPÖ-Gemeinderätin in Knittelfeld
Nachfragehinweis. Tel.: 03512 82240
KPÖ-Steiermark
Lagergasse 98 a
8020 Graz
Tel.: 0316 71 24 36
Fax 0316 71 62 91
email: kp.stmk@kpoe-graz.at; kpoe_stmk@hotmail.com

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13 ÖBB/Aufnahmestopp/Protest/GLB
From: Helmuth Zink <glb-zink@apanet.at>
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Widerstand gegen Personalabbau!
Utl.: GLB: Regierungspolitik wird zum Sicherheitsrisiko =
Wien ( OTS ) - "Schon jetzt sei eine halbwegs akzeptable
Aufrechterhaltung der Kundenbetreuung und die strikte Einhaltung der
Sicherheitsbestimmungen kaum mehr zu verwirklichen. Im Fall einer weiteren
massiven Personalreduktion bricht dieses System zusammen." So lautet die
Beurteilung der neuerlichen Sparpläne des ÖBB-Vorstandes durch den
gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) in der Eisenbahnergewerkschaft. Der
Vorsitzende der GLB-Eisenbahner, Theo Schneider, verlangt daher den
sofortigen Stopp des Personalabbaus und ein generelles Umdenken in der
Verkehrspolitik.
Theo Schneider verweist auf die unhaltbare Situation im Unternehmen:
personelle Unterbesetzung, ausufernde Überstundenleistungen und eine
unzulängliche Freizeitgewährung prägen das Bild. Die zunehmende
Arbeitsbelastung gefährdet die Qualität der Dienstleistung, was vor allem in
den Bereichen Kundenbetreuung und Sicherheit zu fatalen Auswirkungen führen
kann. Schneider: "Wer in dieser angespannten Situation auf weiteren
Personalabbau setzt, gefährdet das ganze System. Der Vorstand täte gut
daran, sich gemeinsam mit der Gewerkschaft der Rotstiftpolitik der Regierung
zu widersetzen und klarzumachen, dass die Konkurrenzfähigkeit der Bahn mit
der Qualität der Dienstleistung und der Sicherheit steht und fällt!", Die
GLB-Eisenbahner verurteilen die Sparpolitik der Regierung im Fall der Bahn
als "kurzsichtig, ignorant und in letzter Konsequenz sogar gefährlich".
Für Theo Schneider stellt die Absicht, weitere 7.000 Dienstposten
einzusparen, den Beweis dar, dass die politisch Verantwortlichen nichts aus
der Misere der bisherigen Verkehrspolitik gelernt haben: "Anstatt durch ein
hochqualitatives Angebot eine Verlagerung der Verkehrslasten von der Straße
auf die Schiene zu gewährleisten, wurde und wird auf Kosten der Qualität
eingespart. Dabei wäre jeder in die Bahn investierte Euro gut angelegtes
Geld, das sich auch in der Zukunft rechnet. Mit neoliberalem
Konkurrenzdenken und Sparen am falschen Platz werden jedoch die Grundlagen
einer funktionierenden Volkswirtschaft nachhaltig geschädigt!", sagt
Schneider und verlangt von der Regierung und der EU eine "grundlegende
Änderung der Verkehrspolitik".
Der GLB appelliert an die Gewerkschaftsführung, die Sparpläne nicht nur zu
verwerfen, sondern aktiv zu bekämpfen: "Wir handeln im Interesse der
Bevölkerung, wenn wir diesen neuerlichen Anschlag verhindern. Dazu sollte
uns jedes gewerkschaftliche Mittel - bis hin zum Streik - recht sein!",
meint der Vorsitzende der LinksgewerkschafterInnen der ÖBB - "Handeln statt
Reden" sei jetzt gefragt.
Rückfragehinweis: Gewerkschaftlicher Linksblock in der GdE
Tel.: 0676 777 07 25
mailto: theo.schneider@telering.at
http://www.glb.at
OTS0122 2002-07-03/11:44

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14 Red Newsletter 34
From: ASt-LRCI <ast-lrci@utanet.at>
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Red Newsletter 34
Informationsdienst des ArbeiterInnenstandpunkt, 02. Juli 2002
INHALT
(1) Neuerlicher Streik beim Postbus - wir waren dabei!
(2) Termine
(3) AdressenDie website des ArbeiterInnenstandpunkt:
http://www.arbeiterinnenstandpunkt.org/Neuerlicher Streik beim Postbus - wir waren dabei!
Ein Bericht von Martin Seelos
48 Stunden lang streikten die 3.000 Beschäftigten bei der Postbus AG am
25. und 26. Juni 2002. So lange wurde in Österreich schon seit
Jahrzehnten nicht mehr gestreikt. Dem Unternehmen entgingen durch den
Streik 1,5 Millionen Euro. Dieser zweite Warnstreik wurde organisiert,
weil auf den ersten, 24-stündigen Warnstreik vom 29. Mai kein Einlenken
der Regierung folgte. (Über den ersten Warnstreik haben wir schon früher
im Red Newsletter berichtet.) Für den Herbst stellte Betriebsratsobmann
Wurm einen unbefristeten Warnstreik in Aussicht. Wir werden jetzt den
KollegInnen eine Kampagne vorschlagen, die den ÖGB-Bundesvorstand dazu
zwingen soll, dafür grünes Licht zu geben.
Um was geht's?
Die Regierung möchte den Postbus zusammen mit dem ÖBB-Bus privatisieren.
Die Nahversorgung in vielen abgelegenen Gebieten und die Arbeitsplätze
beim Postbus wären damit gefährdet. Finanzminister Grasser möchte
innerhalb der nächsten Legislaturperiode die gesamte ÖIAG auflösen
(sprich: privatisieren oder zusperren). Der Regierung geht es aber nicht
nur um eine neoliberale Abmagerung des Öffentlichen Dienstes, nein,
Schüssel/Grasser/Riess-Passer haben auch politische Motive.
Der jetzige Postbus-Vorstand (Hermine Goldmann) soll durch den Streik
als führungsschwach desavouiert werden, der FPÖ-Verkehrssprecher auf den
Vorstandschefsessel des zukünftigen Bundesbusses gehievt werden und
damit auch in den ÖBB-Aufsichtsrat kommen. Dann werden auch bei der ÖBB
andere Verhältnisse einkehren. Eine Pensionssteigerung über die
Anrechnung von Zulagen - wie unlängst von der GdE durchgesetzt - wird es
unter blauen Verhältnissen nämlich nicht mehr geben.
In einem vertraulichen Regierungspapier heißt es ungeniert: "Es ist
notwendig, den Postbus noch vor den Nationalratswahlen zu verkaufen, um
dies politisch im Sinn verwerten zu können (...) - Zusammenführung
beider Busdienste gelungen!". Mit der an sich sinnvollen Fusion von
Postbus und ÖBB-Bus soll verschleiert werden, dass es in Wirklichkeit um
eine Privatisierung geht. Dr. Richard, Blaguss und SAB werden schon seit
längerer Zeit bei regierungsnahen Kreisen (wie etwa beim
ÖIAG-Vorsitzenden Michaelis) vorstellig, um endlich die profitablen
Postbuslinien einstreifen zu können - und natürlich nur diese. Aber auch
große BusbetreiberInnen aus Deutschland und Frankreich haben schon den
Braten gerochen: Hier lässt sich Geld machen.
Das sollen die HacklerInnen ausbaden?
Sind einmal 30% der Linien privatisiert, bedeutet dies insgesamt (also
privat und öffentlich) weniger Busse und befahrene Strecken.
Dünnbesiedelte und abgelegene Gegenden mit vielen Fahrkilometern pro
BenutzerIn werden dann nicht mehr bedient. Gerade dort ist aber der
Postbus bislang die einzige Alternative zum PKW. In Wien ist das kaum
bekannt, aber der Großteil Österreichs ist nur vom Postbus erschlossen.
Und es bedeutet auch insgesamt (also privat und Bundesbus) weniger
Arbeitsplätze, da es dann weniger Linien und weniger Busse gibt. Die
Gewerkschaft befürchtet den Verlust von mindestens 1.000 Arbeitsplätzen.
Wenn allerdings der Bundesbus schwarze Zahlen schreiben soll, dann
müsste beim ÖBB-Bus der Rotstift noch stärker als beim Postbus angesetzt
werden.
Und es bedeutet auch schlechtere Arbeitsbedingungen (bei den privaten
als auch beim Bundesbus; bei den Angestellten, wie den BeamtInnen), da
die Verschärfung der Konkurrenz zwischen den einzelnen BusbetreiberInnen
den Kostendruck erhöht. Eine gemeinsame starke Branchengewerkschaft wäre
(für die KollegInnen beim Postbus, ÖBB-Bus und Dr. Richard&Co) die beste
Antwort, um den vergleichsweise guten Post-Kollektivvertrag (KV) auf die
gesamte Branche auszudehnen. Geht es nach den PrivatisiererInnenn, dann
soll genau das nicht Wirklichkeit werden. Ein aktuelles Beispiel: Laut
Verkehrsminister Reichhold kommen BeamtInnen und Angestellte des
heutigen Postbus in einen "Pool" und werden bei Bedarf den privaten
Busunternehmen zur Verfügung gestellt. Nach dem Motto: "Heute drei Mann
hoch Dienstantritt in Mistelbach, morgen in Wiener Neustadt". Auf den
Einwand des Betriebsratsobmannes, dass es gesetzlich gar nicht möglich
ist, BeamtInnen zu 'verleasen', erwiderte der Herr Minister, dass
notfalls das Gesetz geändert werde.
Es reicht!
Die Postbus-Leute haben völlig Recht sich zu wehren. Ihnen geht es um
ihren Job und um ihren Betrieb.
Am 25. Juni standen wir in der früh in der großen Werkstätte in Erdberg
in Gruppen herum und debattierten über die Zukunft des öffentlichen
Verkehrs und den Streik. Ein Kollege brachte es auf den Punkt: "Wir
haben genug geopfert! Was bei uns schon alles eingespart wurde! Wir
haben nichts mehr zu verlieren, deswegen ist der Streik unsere letzte
Chance!"
Der Kampf gegen die Privatisierung hat allerdings nur dann eine Chance,
wenn der Streik ausgeweitet wird. Selbst wenn 3.000 Postbusleute drei
Tage lang streiken, wird die Regierung nicht nachgeben. Wir vom
ArbeiterInnenstandpunkt haben uns daher mit einem ca. jede zweite Woche
aktualisierten, der Situation und dem Stand des Kampfes angepassten,
Flugblatt am Kampf beteiligt. Von Anfang an sagten wir den KollegInnen
die Wahrheit: Den Streik AUSWEITEN: Unbefristeter Streik bis der
Privatisierungsauftrag der Regierung an die ÖIAG vom 14. Mai 2002
zurückgezogen wird; AUSWEITEN bedeutet auch: Gemeinsamer Arbeitskampf
mit dem ÖBB-Bus und der Gewerkschaft der EisenbahnerInnen (GdE).
Wir gehen davon aus, dass eine unkritische Solidaritätsresolution am
Streiktag à la "Wir wünschen Euch bei Eurem Arbeitskampf viel Erfolg
..." ungenügend ist. So etwas wird - wie es der Betriebsratsobmann für
Wien, Niederösterreich und Burgenland, Johann Gradwohl, auf meine
Nachfrage treffend formulierte - als "symbolische Solidarität"
wahrgenommen, nicht aber als reale Unterstützung des Kampfes. Eine reale
Unterstützung des Kampfes heißt in diesem Fall: Die von der
Personalvertretung und Gewerkschaftsführung auferlegte
Selbstbeschränkung zu durchbrechen, den STREIK AUSWEITEN! Das können
nicht wir vom ArbeiterInnenstandpunkt, aber wir können die KollegInnen
von dieser Perspektive und den dafür notwendigen einzelnen Schritten
überzeugen. Denn die breite Masse der einfachen KollegInnen hat im
Gegensatz zur Gewerkschaftsspitze ein wirkliches Interesse an der
erfolgreichen Verteidigung ihrer Lebensinteressen - unabhängig davon,
wie sich dies auf die Interessen der Gewerkschaftsspitze (Posten,
Privilegien und gute Gesprächskontakte zum Establishment) auswirkt.
Die Leute von Mauerbach
Beim ersten Warnstreik am 29. Mai verteilten wir Flugblätter vor der
Postbusstelle Erdberg. Die KollegInnen kamen aus der Werkstätte heraus
zur Einfahrt und holten sich von uns Flugblätter ab; der Betriebsrat und
die KollegInnen akzeptierten unser mitgebrachtes Transparent. Auf diesem
stand: "Streik gegen das FPÖVP-Sparpaket". Passte nicht ganz - wie auch
die Postbusleute bemerkten, aber immerhin: Für Streik, gegen die
Regierung, also gut. Die offiziellen Transparente der Gewerkschaft der
Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) machten z.T. auf
Betriebspatriotismus: "... das nächste traditionelle Unternehmen soll
zerstört werden". Andere GPF-Transparente waren besser: "Wir lassen uns
unsere Arbeitsplätze nicht zerstören". Wie auch immer: Unser Transparent
flatterte einen Streiktag lang quer zur Erdberger Lände.
Eine Woche später kamen wir wieder in der Früh zur Einfahrt von Erdberg.
Wir trafen einige KollegInnen, die mit dem PKW ins Betriebsgelände
fuhren. Während sie warteten, bis der Schranken bei der Einfahrt
hochging, boten wir Flugblätter an. Sie kurbelten das Fenster runter,
meinten "Gibt's wieder was?" und erklärten sich bereit, auch für die
KollegInnen Flugblätter mit zu nehmen. In dem Flugblatt nach dem ersten
Warnstreik ging es um dessen Einschätzung, den Aufbau einer
Solidaritätsbewegung und Vorschläge, wie der Streik ausgeweitet werden
kann. Uns ging es aber nicht bloß darum, die Wahrheit und gute
Vorschläge zu verbreiten, sondern mit diesen auch am Bewusstsein der
Leute anzusetzen. Das eine ohne das andere ist wie ein Gulasch ohne
Bier. Wir wollten uns mit den KollegInnen selbst auseinandersetzen, mit
ihnen diskutieren, wenn nötig gegen ihre Vorurteile angehen, aber auch
von ihnen lernen.
Mitte Juni fuhr ich nach der Arbeit zusammen mit einem Post-Kollegen zur
Postbusstelle Mauerbach. Der erste Postbus-Lenker, den wir in Hütteldorf
antrafen, war eigentlich ziemlich skeptisch: "Glaube nicht, dass der
Streik was bringen wird. Ich muss auch an meine Fahrgäste denken. Wir
müssen für den Fahrgast zuverlässig bleiben. Man hätte schon früher
beginnen müssen, den Postbus in die schwarzen Zahlen zu bringen:
Parallelfahrten mit dem ÖBB-Bus gehören abgeschafft, 'Geisterfahrten'
(also nahezu leere Linienbusfahrten) gehören vermieden. Das kann man
machen, indem die Fahrer über Funk die Fahrgäste aufsammeln wo sie
wirklich sind (etwa wie ein Sammeltaxi)". Wir antworteten: "Ja, der
Streik wird nur Erfolg haben, wenn er ausgeweitet wird. Da hat aber die
Gewerkschaftsbürokratie etwas dagegen, aber auch so werden wir ihn
unterstützten. Es ist richtig, sich zu wehren".
"Die FPÖ ist ein Unternehmerpartei - das ist amtlich!"
Der Lenker: "Na, Streikbrechen werde ich auch nicht. Ich möchte nicht
unkollegial sein. Da muss man zusammenhalten, aber der Wurm ist erst
dann für mich ein Gewerkschafter, wenn er es zustande bringt, dass
Postbus, ÖBB und Wiener Verkehrsbetriebe gleichzeitig streiken, dann
o.k., dann ist er wirklich ein Gewerkschafter! Dann geht nix mehr und
dann werden die Leute denen im Parlament die Tür einrennen und sie
zwingen, alles rückgängig zu machen." Und: "Dann liest man das auch im
Ausland in der Zeitung und die Leute werden sich denken: bei denen ist
das auch so wie bei uns. Da muss gestreikt werden, so wie in
Deutschland, Frankreich, ... Wenn das im Ausland bekannt wird, das wirkt
hier, das macht Eindruck". Abschließend: "Die Regierung möchte ich mal
vor meinem Bus haben, denen fahr ich über den Kopf!"
Während wir mit dem Lenker redeten, versäumten wir drei Busse nach
Mauerbach. Mit dem vierten fuhren wir dann mit. Auch dieser Kollege war
an einem Gespräch interessiert: "Bei den nächsten Wahlen sind die eh
weg. Ich gebe es zu: Ich hab bei den letzten Wahlen auch die FPÖ
gewählt. Die SPÖ war schon zu abgehoben, die hat einen Denkzettel
verdient. Man kann die Leute ja nicht einfach anlügen, wie der Edlinger
- 'ist das Defizit jetzt 20 oder 30 Millionen, ich weiß nicht so genau',
aber dann waren es 70 Millionen. So was kann man nicht machen. Man muss
den Leuten die Wahrheit sagen. Aber jetzt ist das amtlich: Die FPÖ macht
nix für den kleinen Mann. Das ist eine reine Unternehmerpartei. Das ist
der Unterschied. So wie ich denken viele. Wir kommen ja mit den Leuten
zusammen." Wir: "Auf die Wahlen zu warten ist zuwenig, weil dann ist es
zu spät. Was schon privatisiert ist, wird dann auch von einer
SPÖ-Regierung nicht mehr geändert". "Na, das stimmt! Wenn was
privatisiert ist, dann ist es vorbei - es gehört schon gestreikt, aber
ordentlich, nicht a bissl".
"Alles verkaufen, wo führt das hin, was machen die, wenn sie alles
verkauft haben? So geht's auch nicht, als nächstes kommt das Wasser
dran. Oder wie in England die Eisenbahn mit den vielen Unfällen, weil
die privaten nicht in die Sicherheit investieren" - "Genau. Na so geht's
nicht. Man kann nicht alles für die ArbeiterInnen und die kleinen Leute
zusammenhauen".
Dieser Lenker kam aber immer wieder auf die Regierungszusammensetzung
zurück und mit welchen SpitzenkandidatInnen der SPÖ die FPÖ am besten
abgewählt werden könne. Er wollte auch genau wissen, wer wir sind, und
unsere Flugblätter, die er - wie nun offenbar üblich - auch für andere
KollegInnen entgegennahm. Den Fehler, vom Regen (SPÖ) in die Traufe
(FPÖ) zu geraten, wollte er nicht noch mal machen: "Wo sind jetzt
eigentlich die anderen Fraktionen? Arbeiten wir nicht zusammen in der
Gewerkschaft? Wo sind die jetzt alle? Ich höre und sehe von denen nix!".
Er meinte damit die Gewerkschaftsfraktionen von ÖVP (FCG) und FPÖ (FA).
Während der erste Lenker sehr hohe Ansprüche an Wurm stellte, war dieser
Lenker an einer Kritik an der Streikführung von Personalvertretung und
ÖGB interessiert. Gegen die Mängel in der Streikführung gab's für ihn ja
eh ein Standard-Mittel: "Bei den nächsten Wahlen ist die Regierung weg!"
Streikvorbereitung
Im Betriebsgelände Mauerbach trafen wir auf einen "Abrechner" bei der
Arbeit vorm PC, Fahrtenschreiber stapelten sich an der Wand. Er hatte
nichts dagegen, dass wir Flugblätter im Pausenraum deponierten. Ein
dritter Lenker meinte dann zu uns: "Das gehört gemacht wie in
Frankreich, wo alle auf der Straße waren und der ganze öffentliche
Dienst gestreikt hat, wann war das ... " - "1995". Ein Jahr lang auf die
Wahlen warten, wollte dieser junge Kollege, der Optimismus,
Kampfbereitschaft und Entschlossenheit ausstrahlte, allerdings nicht
mehr. Er war für Ausweitung des Streiks, aber gleich radikaler, also
nicht auf den ÖBB-Bus beschränkt, sondern vor allem mit den KollegInnen
der Wiener Verkehrsbetriebe - mit denen haben die Postbusleute von
Mauerbach einfach mehr zu tun. Er war am klarsten für eine Ausweitung
der Kampfmassnahmen - der Garant dafür, wie überhaupt für einen
erfolgreichen Arbeitskampf, heißt für ihn ... Robert Wurm. Wir erzählten
ihm, dass die KollegInnen vom ÖBB-Bus (Südtirolerplatz und Wien Mitte)
noch am Tag vor dem Warnstreik beim Postbus völlig uninformiert waren.
Der Betriebsratsobmann erzählte uns am 24. Juni, dass die Mauerbacher
seine treuesten Leute sind. Denen brauche er nicht einmal zu sagen,
weshalb gestreikt wird. Die machen das auf sein Kommando hin. Erst bei
der Aktion braucht er ihnen zu sagen, um was es geht. Wir hingegen
glauben, dass dies nicht so ganz den Tatsachen entspricht. Die Kollegen
von Mauerbach waren eigentlich für eine Ausweitung des Streiks (wie
wir); Robert Wurm meinte hingegen am 24. Juni auf unsere diesbezügliche
Frage: "Der ÖGB ist noch nicht so weit, die GdE igelt sich ein". Da mag
ein gutes Stück Wahrheit dabei sein. Tatsache ist aber, dass von Seiten
der Post-Gewerkschaftsführung keine erkennbaren Initiativen ausgingen,
den Streik auszuweiten. Auch die Personalvertretung beim Postbus hindert
ja niemand daran, etwa die KollegInnen von der GdE anzurufen und zu den
Betriebsversammlungen einzuladen. Was die KollegInnen (auch die
"Mauerbacher") hingegen noch nicht verstehen, ist: Mensch muss
Personalvertretung und Gewerkschaftsführung (etwa mit
Abstimmungs-Anträgen bei Betriebsversammlungen) auf die Zehen steigen,
damit der Streik ausgeweitet wird.
Um auch einen konkreten Beitrag dazu zu leisten, formulierten wir eine
entsprechende Resolution (gemeinsamer Arbeitskampf Postbus mit ÖBB-Bus,
gemeinsame Betriebsversammlungen). Die GLB-BetriebsrätInnen bei der ÖBB
unterstützten diese Resolution - einziger Wehrmutstropfen: Sie sammelten
unter den ÖBBlerInnen, die nicht beim GLB dabei sind, keine
Unterschriften. Wir formulierten auch eine Solidaritätserklärung, in der
gefordert wird ... "für einen unbefristeten Streik ... für eine
Beteiligung der Gewerkschaft der Eisenbahner ... letztlich ÖGB-weiter
Generalstreik". Diese haben einige uns bekannte BetriebsrätInnen aus GPA
und GÖD, sowie - eigentlich zu unserer Überraschung - die unabhängige
Bildungsgewerkschaft (UBG) unterzeichnet.
Der 25. Juni
Wir fuhren um 5 Uhr 30 nach Mauerbach, um Flugblätter zu verteilen. In
diesen warben wir u.a. für Streikkomitees der Basis, damit die
KollegInnen notfalls den Streik auch gegen Rückzieher von Seiten des ÖGB
zum Erfolg bringen können. Streikkomitees könnten die Ausweitung auch
viel leichter organisieren als die etablierte Vertretung, auch wenn es -
gemessen an der großen Achtung, welche die KollegInnen vor allem Robert
Wurm entgegenbringen - ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass
Streikkomitees von der Basis durchgesetzt werden. Es aber geht auch
darum, a) den KollegInnen die Wahrheit zu sagen, was eigentlich Not tut,
um diesen Kampf zu gewinnen und b) für die Zukunft vorzubauen - wenn
etwa einige KollegInnen die Streikführung der heutigen
Gewerkschaftsspitze hinterfragen wollen, um aus der Niederlage gegen die
Regierung zu lernen.
Am 25. Juni - zu Beginn des zweiten Warnstreiks - war es jedenfalls
nicht leicht, dies in Mauerbach mit den KollegInnen zu bequatschen. Sie
verwiesen auf den anwesenden Betriebsratsobmann Wurm. Wurm wollte bei
dieser Gelegenheit recht genau wissen, wer der ArbeiterInnenstandpunkt
ist. Etwas anders war es in Erdberg, wo wir ab 8 Uhr Flugblätter
verteilten. Diesmal hatten wir ein neues Transparent, das weit besser
als jenes vom ersten Warnstreik passte: "Streik gegen Privatisierung und
gegen die Regierung". Ich fragte wieder Johann Gradwohl, ob wir das
Transparent draußen am Zaun angelehnt lassen dürfen; dies ging o.k., ja
Leute vom Postbus selbst montierten es sogar mit einen Strick direkt auf
dem Einfahrtstor zum Betriebsgelände.
Während die KollegInnen in der großen Werkstatthalle auf das Eintreffen
der Busse aus Mauerbach (mit Wurm) warteten, wurde in kleinen Gruppen
getratscht, geraucht und wir nahmen die Gelegenheit wahr mit den
KollegInnen über den öffentlichen Verkehr, den Postbus, die Regierung
und den Streik zu debattieren. Über die Regierung war man sich schnell
einig, auch über die Frage, wie ein öffentlicher Verkehr aussehen
sollte. Mitunter fiel das Argument, dass noch ein Streik - wiewohl
vielleicht als Kampfmittel notwendig - der finanzielle Ruin für den
Postbus wäre. Das sagt eigentlich auch Hermine Goldmann
(Vorstandsvorsitzende vom Postbus). Wir sehen das nicht so, weil die AG
ja noch immer im Besitz der Republik ist. Und selbst wenn, dann müssten
die KollegInnen halt den Betrieb (zuerst besetzen und dann) selbst
weiterführen.
Man merkte an dieser Stelle sehr deutlich, dass die KollegInnen für
"ihren" Betrieb schon zu vielen Opfern bereit waren und noch immer sind.
Es wäre für Leute, die vor zwei Jahrzehnten bei der Post angefangen
haben, nicht gerade leicht am Arbeitsmarkt. Gleichzeitig wird durch
massive Einsparungen der Arbeitsplatz immer "unmöglicher" gemacht,
krankheitsbedingte Ruhestände nehmen zu - für das Unternehmen auf dem
Weg in die Privatisierung ein bequemer Weg der Personaleinsparung. "Und
dann ..." wird einer der Kollegen in der Halle wieder treffend "und dann
schicken die dir den Staatsanwalt hinterher!". Andere Fragen betrafen
die Streikführung und die Notwendigkeit seiner Ausweitung. Ein
anwesender zentraler Betriebsrat sprach sich dagegen aus, dass wir da
mit einer Kritik an der Führung der GPF Unruhe hereinbrächten. Am
Streiktag müsse man zusammenhalten. Ich konnte den KollegInnen aber die
Notwendigkeit der Ausweitung erklären. Einer meinte zu mir, dass wir
recht hätten, aber eigentlich ja mit unseren Flugblättern zu den anderen
Gewerkschaften (GdE, GdG) gehen sollten, denn "die müssten ja bei uns
mitmachen". Das hat was für sich.
Probefahrt vor das Parlament
Als "die Mauerbacher" samt Robert Wurm als Postbus-Lenker in Erdberg
einfuhren, gab's zuerst mal eine Streikversammlung. Dabei sprach auch
der Vorsitzende der Postgewerkschaft, Gerhard Fritz, der vor den
ORF-Kameras die Unterstützung des Arbeitskampfes erklärte. Man hatte
(nicht nur an dieser Stelle) den Eindruck, dass der Streik von der
Personalvertretung des Postbus geführt wird, und die Gewerkschaft ihn
bloß unterstützt. Die Unterstützung des ÖGB musste der
Betriebsratsobmann nämlich im Vorfeld durch ziemlich deutliche Drohungen
("man könnte ja auch die Betriebsratsumlage anders verwenden ...")
gegenüber ÖGB-Chef Verzetnitsch durchsetzen. Das war finanziell wichtig,
denn die Postbus AG entschied sich ja, im Gegensatz zum ersten
Warnstreik, diesmal ernst zu machen und die Streikstunden vom Gehalt der
Angestellten abzuziehen. BeamtInnen (etwas mehr als die Hälfte der
Beschäftigten beim Postbus) dürfen drei Tage dem Dienst fernbleiben -
hier kann der Betrieb die Streikenden nicht sanktionieren. Noch nicht,
denn Riess-Passer kündigte anlässlich des Streiks gleich an, das
BeamtInnendienstrecht (BDG) zu ändern.
Von wegen BDG: Gerhard Fritz hob bei seiner Rede hervor, dass heute
schon die KollegInnen durch Wechsel der Dienststelle so lange
schikaniert werden können, bis sie von selbst gehen. Ein Kollege vom
Werkstätten-Innendienst kam nach den Reden zu mir und wollte wissen: "Du
bist doch von der Post. Wie ist das bei der neuen Briefumleitung? Wenn
einer kein Auto hat, wie kommt der dann hin? Könnte es solche Schikanen
auch bei der Post geben? ... ". Offiziell wurde bei dieser
Streikversammlung auch die Unterstützung durch die GPF und die
Personalvertretung bei der Post AG verkündet: Betriebsversammlungen bei
der Post und in Telekom-Dienststellen. Wohl deswegen war auch der Obmann
des Personalausschuss Post Wien, Niederösterreich, Burgenland Gerhard
Jindra anwesend. Allein, hier hat wohl der Gewerkschaftsapparat bloß
geprahlt, denn in Wirklichkeit gab es bei der Post keine unterstützenden
Betriebsversammlungen. Schade!
Robert Wurm erläuterte noch, was am nächsten Tag auf dem Streikprogramm
stand und schloss mit den Worten: "So und jetzt fahren wir alle mit den
Bussen zum Ring!". Aktionen nach außen hin sind auch völlig richtig! Der
Betriebsratsobmann hatte hier auch den richtigen Instinkt: Denn
tatsächlich war dieser Arbeitskampf ausgesprochen politisch (gegen das
Regierungsprogramm; weniger gegen den Postbus-Vorstand): Es stimmt, dass
daher etwa das Parlament ein passender Ort für Aktionismus, Kundgebungen
und Demonstrationen darstellt. Die spontane Postbusfahrt hatte auch den
Zweck, die Reaktion der Polizei zu testen. Wir parkten also mit etwa
vier Bussen vor dem Parlament - so lange bis hektisch telefonierende
PolizistInnen ihren Chef riefen und dieser dann bei den Postbus-Leuten
die Abfahrt der Busse erreichte.
Wir fuhren mit dem Bus der Innendienst-KollegInnen von Erdberg mit, was
eine gute Gelegenheit war, sich besser kennen zu lernen. Einer meinte zu
Recht, dass Plakate an den Scheiben der Busse angebracht sein sollten.
(Das wurde übrigens am nächsten Tag auch gemacht). Bei dem Gespräch
wurde deutlich, wie viel beim Postbus im Zuge der Ausgliederung aus der
ehemaligen PTA schon weggespart wurde. Manche Darstellungen sprechen von
3.000 Arbeitsplätze. Heute stehen betriebliche Anlagen einfach ungenutzt
herum. KollegInnen mit einer hohen betriebsinternen Qualifikation dürfen
diese nicht mehr anwenden. Es wird einfach viel vergeudet. Angst und
Sorge um die eigene Zukunft (und die der Familie) nehmen zu. Es kommt
nun der Punkt, wo die Gewerkschaften mehr zusammenarbeiten müssen und
nicht jede nur auf ihren Bereich schauen kann.
Der 26. Juni
Um 9 Uhr ging's los: ca. 35 Postbusse parkten in mehreren Spuren vor dem
Parlament. KollegInnen aus ganz Niederösterreich waren mit den Bussen
direkt von ihren jeweiligen Dienststellen gekommen. Dann fuhren wir im
Schritttempo den Ring entlang zum Infrastrukturministerium. Und dann von
diesem zum Stadtpark (ÖIAG-Gebäude). Das war die totale Blockade des
Verkehrs in der Innenstadt! Samt symbolischer Kranzniederlegung und
Reden vor Parlament, Infrastrukturministerium, ÖIAG und
Finanzministerium dauerte das ganze bis mittags. Die Blockade-Aktion war
als solche durchaus gelungen - aus dem ersten gescheiterten Versuch am
6. Juni, als Sondereinheiten der Polizei eine Blockade der Kantgasse
(Sitz der ÖIAG) durch vier Busse verhindern konnten, wurde anscheinend
gelernt. Am 26. Juni waren wir bis zu Mittag stündlich in den
Nachrichten. Wir sahen kaum Leute, die sich über diese massive
Verkehrsbehinderung beschwerten. Am Schwedenplatz lasen gar zwei junge
Frauen die Transparente der vorbeischleichenden Postbusse und
applaudierten dann und zeigten mit dem Daumen nach oben.
Nach der Rede vor dem ÖIAG-Gebäude, als die Postbusleute eine
Kurz-Demonstration zum Finanzministerium unternahmen, kam es zu
folgender Szene: Einige (ältere) KollegInnen vom Postbus sprachen Robert
Wurm befremdet an, weshalb hier eine rote Fahne mitgehe - das war die
vom GLB. Offensichtlich hatten KollegInnen Vorurteile, dass sich hier
"KommunistInnen" dran hängen, im Bus mitfahren und in der Öffentlichkeit
ein "rotes" Bild abgeben. Ein hoher Betriebsrat versuchte folgendermaßen
auszugleichen: Bei einer Demonstration können sich nun mal verschiedene
Gruppierungen beteiligen (Verteidigung der Teilnahme von Linken),
abschließend und abschätzig: "Das sind ja Berufsdemonstranten!"
(Abgrenzung von der Linken). Letztlich aber waren die ArbeiterInnen -
verglichen mit ihren Vorurteilen - in der Praxis ziemlich offen, und
nahmen alle Linken, die mitfahren wollten, im Streikbus mit
Das Verhältnis zwischen Linken und ArbeiterInnen wäre aber besser
gewesen, wenn die Linken mit den ArbeiterInnen mehr geredet, auf sie zu
gegangen wären. So aber erschienen sie im ArbeiterInnenheer ziemlich
isoliert, was vielleicht auch das Ergebnis einer kleinbürgerlichen,
"zivilgesellschaftlichen" Orientierung der Linken (vor allem der KPÖ)
ist: Anti-Regierungsproteste (z.B. die Donnerstagsdemonstrationen) und
Gewerkschaftsproteste fanden in den letzten zwei Jahren nur selten
zusammen und dieselbe Sprache. Es war vor allem der
ArbeiterInnenstandpunkt, der bei den Anti-Regierungsprotesten für eine
Orientierung auf Klassenkampf, Streik und Gewerkschaften drängte und
gleichzeitig bei Gewerkschaftsprotesten auf eine Politisierung (etwa
durch den Slogan: "Sturz der Regierung durch Generalstreik".
Bei der Abschlusskundgebung vor dem Parlament dankte immerhin der
Zentralsekretär der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten
(Robert Sommer) den Gruppen, die nicht zum Postbus gehören, für ihre
Teilnahme. Die Abschlussrede von Betriebsratsobmann Wurm war abwiegelnd:
"Danke, dass Ihr mit den Bussen gekommen seid. Hoffen wir, dass jetzt
Vernunft einkehrt, dass man sich zusammensetzt ..."
Tags darauf
Zuerst, nach der Streik-Pressekonferenz von Robert Wurm am 24.6.: Kurier
(25.6.): "Postbus droht sogar unbefristeter Streik". Die Presse (25.6.):
"... Sollte das nicht passieren, droht die Gewerkschaft mit einem
geordneten Streik nach deutschen Vorbild. Dieser soll dann so lange
dauern, bis die Regierung einlenkt".
Dann, einen Tag nach dem Streik, nach einer Sitzung der ÖGB-Spitze: Die
Presse (27.6.): "Verwirrung gab es um die Streikziele. Ursprünglich
hatte ... Robert Wurm gefordert, dass die Regierung ihren Plan, Post-
und Bundesbus ... teilzuprivatisieren, zurücknehmen müsse. Zu Beginn des
Streiks hatte er dann öffentlich und ausdrücklich nur noch eine
ministerielle Arbeitsplatzgarantie für den Postbus und die nächsten fünf
Jahre verlangt. Aber auch dies, so ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch am
Mittwoch, sei Wurm nur von Verkehrsminister Mathias Reichhold 'in den
Mund gelegt worden' - es sei klar, so Verzetnitsch, dass es solch eine
Arbeitsplatzgarantie nicht geben könne". Der Standard (27.6.): "ÖGB-Boss
... grünes Licht für einen unbefristeten Streik gibt es nicht".
Angesichts dieser Aussagen ist offensichtlich, dass nun der Kampf
innerhalb des ÖGB eine schärfere Gangart annehmen muss, wenn der Kampf
der Postbusbeschäftigten um ihre Arbeitsplätze und die Nahversorgung
nicht umsonst sein soll.
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