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uns bitte eure Nachrichten, Meldungen und Ideen. Im
MUND findet Ihr eine Rubrik, die eine Konsequenz aus der redaktionsinternen
Debatte um die Notwendigkeit, sexistische, antisemitische und rassistische
Beiträge nicht zu veröffentlichen, einerseits, die Problematik von
Zensur andererseits versucht: unter "B) Eingelangt, aber nicht aufgenommen"
wird - in anonymisierter Form - auf angehaltene Beiträge hingewiesen
und eine kurze Begründung der/des Tagesredaktuers für die Nichtaufnahme
geliefert. Die AbsenderInnen werden hiervon informiert.
Quelle: www.popo.at Und für nächsten Donnerstag: Das Rechtshilfe-Manual ...und was mache ich eigentlich gegen rassisten? online-diskussion
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01 Radio: Zionismus, Kommunismus, Schwulenbewegung, Antisemitismus
From: Stephan Grigat <stephan.grigat@reflex.at>
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Radio Context XXI
Montags 13 Uhr auf Radio Orange 94.0 in Wien
& Radio Helsinki 92,6 in Graz
Montags 23 Uhr auf Radio Agora 105.5 in Klagenfurt
Mittwochs 18 Uhr auf Radio FRO 105,0 in Linz
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Montag 08.07.2002 bzw. Mittwoch 11.07.2002:
Zionismus und Kommunismus
Simone Dinah Hartmann und Joachim Bruhn über das Elend der real-existierenden
Linken und über den Zionismus als Politik gewordenes Katastrophenbewußtsein.
Eine Sendung von Café Critique
Montag 29.07.2002 bzw. Mittwoch 31.07.2002:
Die Transformation der Schwulenbewegung (Wh.)
Tjark Kunstreich über den Wandel von Gesellschaftskritik in Community-Denken.
Eine Sendung von Café Critique
Montag 05.08.2002 bzw. Mittwoch 07.08.2002
Antisemitismus und Warengesellschaft
Stephan Grigat über den Zusammenhang von kapitalistischer Vergesellschaftung
und antisemitischer Ideologie
Eine Austauschsendung der Kooperative Haina
http://contextXXI.mediaweb.at
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MELDUNGEN UND KOMMENTARE
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02 Diesem Mann fehlt es nicht an Moral!
From: Günther Rusznak <rusznak@religionsfreiheit.at>
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Diesem Mann fehlt es nicht an Moral!
Einem anderen schon!
Kronenzeitung / Krone-bunt vom 7.7.2002 Seite 3
Bild der Woche / Opium für den Westen
Ich weiß nicht wer sich hinter der Abkürzung d.k. verbirgt, ich will
es auch gar nicht wissen. Ein Meinungsmanipulierer aber alle Mal. In einer Dreistigkeit
wie sie wohl kaum mehr zu überbieten ist, schüttet er seine journalistischen
Dreckkübel über die Afghanen, über den Islam und über die
Moslems. Die Zutaten für diesen Drecksbrei sind recht simpel. Afghanischer
Bauer, mit Turban natürlich, da wissen wir dann schon wo er hingehört,
inmitten eines blühenden Mohnfeldes. Das könnte eigentlich schon genügen
für eine gepflegte Meinungsbildung. Aber nein es muss ja noch
schriftlich ein Schäuferl nachgelegt werden. Eben von diesem d.k. Das
stopft keine hungrigen Kindermünder und der Bauer wird zufrieden
sein lesen wir da. Der Bauer wäre schon zufrieden und würde
sicher lieber Weizen anbauen, hätte er nur einen winzigen Bruchteil jener
Ausgleichszahlungen oder Direktzahlungen welche da an seine europäischen
und amerikanischen Kollegen, geleistet werden. Damit sie dann auf Teufel komm
raus produzieren und den Weltmarktpreis ruinieren können. Der Preis für
ein Kilo Rohopium wird von diesem seltsamen Journalisten mit dem Preis von einem
Kilo Weizen verglichen. Na dann! Sehr geehrter d.k! Dieser afghanische Bauer
erhält weder für das Rohopium noch für den Weizen einen gerechten
Preis, sofern dies für Opium überhaupt möglich ist. Die Geier
der nächsten Produktions- und Handelsstufe verdienen sich die goldenen
Nasen. Und die sitzen dann schon längst nicht mehr in Afghanistan.
Dem Mann im Bild ist der Hunger und die Entbehrung ins Gesicht geschrieben.
Nicht die Hab- und Geldgier. Ein paar Euro oder Dollar würden das Problem
lösen. Warum ist es den Vereinten Nationen einmal gelungen, die damaligen
Talibanmachthaber zum Nichtanbau des Mohns zu überreden? Aha,
mit brutalen Mitteln haben es Bin Laden & Co. ihren Bauern verboten, lesen
wir. Na dann muss ja der Anbau jetzt wieder fröhliche Urständ
feiern. Denken Sie nicht, recherchieren Sie nicht? Es geht ums Überleben.
Kennen Sie das vielleicht: Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral!
Eben! Doch dem Mann im Bild fehlt es nicht an Moral.
Und warum ich den Islam, die Moslems als Beleidigte verstehe? Sie schreiben
ja recht vorsichtig: Die Taliban legten den Koran so aus, dass sie auf
die Drogen für die Ungläubigen steuern erheben konnten. Also
kann man den Koran auslegen, so auslegen, so wie es gerade genehm
ist u.s.w. Ja das kommt an. Ich höre schon das Gemurmel beim reich gedeckten
Frühstückstisch: Typisch, wirklich typisch! Was noch nach
kommt soll lieber verschwiegen werden.
Seltsamerweise kommt es in der allgemeinen wie speziellen Berichterstattung,
so gut wie niemals zu einer Verknüpfung des Glaubens mit dem zu Berichtenden,
außer es betrifft den Islam. Islamische Terroristen, islamische Flugzeugentführer,
islamische Bauern und, und, und. Denken Sie nicht einmal auch an katholische
Terroristen im Baskenland und in Irland, an katholische/evangelische
Schlägertrupps der Rechten in vielen Ländern, den buddhistischen
und erzkatholischen Drogenringen in Fernost und in Südamerika,
der superkatholischen Mafia in Italien und in den USA? Das könnte
beliebig fortgesetzt werden. Jeder Mensch hat irgendwelche Glaubenswurzeln,
doch diese werden in der Regel und weil es außerdem nicht relevant ist,
in der Berichterstattung nicht genannt. Mit Ausnahme der Menschen mit islamischen
Glaubenswurzeln. Und da auch nur im Zusammenhang mit Untaten und Verbrechen.
Da wird selbst ein Hendldieb, zum muslimisch/islamischen Hendldieb.
Das es die Kronenzeitung in dieser Art der Berichterstattung zur Meisterschaft
gebracht hat, dürfte bekannt sein. Warum weiß ich wirklich nicht.
Geht es um Leserzahlen? Wollen/sollen die Leser wirklich so manipuliert werden?
Aber einen Vorschlag hätte ich noch an d.k.: Nächste Krone bunt. Ein
Bild eines österreichischen Weinbauern, dick, aufgedunsen, eventuell mit
Sepplhut inmitten seines Weingartens. Zur Not könnte auch Manfred Deix
das Bild machen. Obwohl dieser Bauer nicht verhungern würde, wenn er zum
Beispiel nur Traubensaft (nichtalkoholisch) produzieren würde, vergiftet
er stellvertretend rund 500.000 Österreicher (so viele sind alkoholabhängig)
und gefährdet rund eine Million Österreicher, so viele sind nämlich
gefährdet. Da es nur sehr wenige Tabakbauern in Österreich gibt und
ich nebenbei so schnell keine Zahlen von Toten, Todkranken Süchtigen und
Gefährdeten beschaffen kann, empfehle ich Ihnen, lieber d.k.,
sich auch das Bild eines amerikanischen Tabakfarmers vorzustellen. Und wenn
Ihnen dann noch immer nicht graust, ist Ihnen wohl nicht mehr zu helfen.
Günther Ahmed Rusznak
Schriftsteller
7. Juli 2002
Zur Veröffentlichung freigegeben.
Günther A.Rusznak
rusznak@mail.com
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03 Off with her head
From: trustram/ernstbrunner <hx65@dial.pipex.com>
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From: http://www.guardian.co.uk/Archive
Off with her head
John O'Farrell
Guardian
Saturday July 6, 2002
This government have finally lost touch. They have finally gone native. Somebody
knocks the head off the statue of Lady Thatcher and they somehow try to suggest
that this is a bad thing. I completely agree with them that Paul Kelleher should
not have removed the head of Thatcher's statue. He should have decapitated the
original.
It all could have been handled so differently. Tony Blair should have come out
into Downing Street looking excited and proud: "I would like to pass you
over to our minister for culture as she has some news I think you might like
to hear."
The minister would then have stepped forward trying not to look too smug and
read from the prepared statement: "Be pleased to inform her majesty, that
at approximately 12.00 hours GMT, a lone anti-capitalist protester entered the
Guildhall art gallery in London and knocked Mrs Thatcher's block off! God the
save the Queen!"
Above the cheers of the waiting crowds the excited journalists would have fired
dozens of questions only to be chastised by the prime minister. "Just rejoice
at that news! And congratulate Paul Kelleher and Guildhall's security!"
Instead, the condemnation was universal. "Politics is about persuading
people through reason," said Lady Thatcher to the sound of a million jaws
dropping. Of course whacking heads with cricket bats is not something that should
be encouraged, even if it was a technique that Thatcher herself used to persuade
stubborner members of her cabinet from time to time.
Foreign commentators have asked why the assailant was not stopped by security
when he entered the building carrying a cricket bat. They have to understand
that in England, if someone's in possession of a cricket bat it's presumed that
they'll never hit their target.
Perhaps this new feature should be incorporated into the English national game;
it would certainly liven up Test Match Special: "And Atherton steps out,
swings his bat high, misses the ball completely but it doesn't matter because
he's knocked the head off the Thatcher statue! Marvellous, just listen to that
applause! But, oh dear, the wicketkeeper has managed to catch the head, and
Atherton is out!"
Having failed to remove the head with a cricket bat, Kelleher used one of the
metal poles supporting the fancy bit of crimson rope that is supposed to prevent
people from getting too close to the statue. So that worked well then. You have
to ask questions about the security system in operation here.
Those dark red bits of rope have never been much of a deterrent to a really
determined trespasser. In 1940 when Hitler was looking for the weak spot in
France's famous Maginot line, he identified the section near the Ardennes which
consisted of a few poles linked together with twirly red rope as offering the
least resistance to the Wehrmacht's tank divisions.
If I'd been the security guard on duty at the Guildhall art gallery, I would
have just stuck the head back on with a bit of Araldite and hoped nobody would
notice.
"Hang on! What's that crack round the neck with gluey stuff dripping out
of it?"
"Honestly! It's supposed to be like that, you philistine. That is the artist's
message, about the nature of, er ... nothingness."
"Oh right, yeah."
It has to be said that as a work of art the original statue was a pretty vapid
effort. If it had been eight inches high it would have been the sort of bland
statuette that middle-class ladies place in back-lit corner units, on the little
shelf above the crystal gondola.
Exactly the sort of bland art that Lady Thatcher herself might have gone for
in fact. But with the head lying at her feet, it suddenly feels like a deeply
symbolic and ironic statement. The leader who divided British society lies in
two pieces herself. For a woman who lost her marbles years ago, it all seems
wonderfully appropriate.
The empty plinth in the House of Commons now looks set to remain unoccupied
for years to come. If they want, they can borrow the old Spitting Image puppet
of her that I have in my office and stick that in the empty space. It is a far
better representation and it might stop the kids who come for sleep-overs to
our house having nightmares.
The artist is said to be deeply saddened by what has happened. So would you
be if you had to meet up with her all over again for another half dozen sittings.
But if a replacement is to be commissioned, shouldn't it be more in keeping
with the more radical end of the Brit-Art scene? How about Lady Thatcher's unmade
bed - with empty Glenfiddich bottles and chain-mail knickers strewn across the
sheets? Or how about a glass tank containing one of Mrs Thatcher's lungs pickled
in formaldehyde? All right, so it might cause onlookers to recoil in disgust
and nausea. But not as much as having an eight-foot high realistic likeness
staring down at you.
comment@guardian.co.uk
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04 Wahlmanöver in Argentinien
From: ASt-LRCI <michael.proebsting@utanet.at>
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Liebe MUND-Readktion!
Bitte veröffentlicht diesen Text in der nächsten MUND-Ausgabe.
Danke, Michael Pröbsting
Wahlmanöver in Argentinien: Eine neue Etappe hat begonnen!
Von Michael Pröbsting (ArbeiterInnenstandpunkt, österreichische Sektion
der LRKI))
Seit Wochen und Monaten wurde darüber spekuliert. Nun ist es eine Tatsache
geworden: Argentiniens Übergangspräsident Duhalde rief am Abend des
3. Juli Neuwahlen für den März nächsten Jahres aus. Dies stellt
einen wichtigen Einschnitt im revolutionären Prozeß Argentiniens
dar und eröffnet eine neue Etappe.
In unserem letzten Artikel vor wenigen Tagen (Die Ermordung von Santillán
und Costeki und die Krise der Duhalde-Regierung, 2.7.) legten wir die
Ursachen der organischen Krise der bürgerlichen Herrschaft in Argentinien
dar. Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Kollaps des argentinischen Kapitalismus,
der sich im Würgegriff des Imperialismus befindet, der beispiellosen Verarmung
der Volksmasse inklusive großer Teile der Mittelschichten
und der Jornadas Revolucionarias (des Massenaufstandes am 19./20.
Dezember vergangenen Jahres) , die zum Sturz von vier Präsidenten innerhalb
weniger Wochen führte, steht die Macht der Bourgeoisie auf höchst
wackeligen Beinen.
Wir schrieben:
Vor diesem Hintergrund der organischen Krise des Regimes und einer schwellenden
sozialen Explosion versucht die herrschende Klasse die Aufmerksamkeit der Massen
auf die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen zu lenken. Dies soll vom Kampf
auf der Straße und in den Betrieben weglenken und Hoffnungen in einen
friedlichen, institutionellen Systemwandel wecken.
Es ist daher kein Wunder, daß in den letzten Tagen wieder in den Medien
über vorzeitige Neuwahlen spekuliert wurde (reguläre Wahlen sind erst
für den September 2003 geplant). Auch wenn sich natürlich keine genaue
Prognose über den Zeitpunkt der Wahlen machen läßt, so können
wir wohl unter den gegebenen Klassenkräfteverhältnissen folgendes
politisches Parallelogramm aufstellen. Unter den Bedingungen einer gespaltenen
herrschenden Klasse, einer feindlich gesonnenen Mittelschicht und einer höchst
labilen Regierung wird die Frage von Neuwahlen im Prinzip von zwei Faktoren
bestimmt, die zwar miteinander zusammenhängen, jedoch eine gewisse Unabhängigkeit
voneinander besitzen:
1) Verfügt die Bourgeoisie über ein klares Konzept zur Stabilisierung
ihrer politischen Herrschaft und zur Lösung der Wirtschaftskrise auf Kosten
der ArbeiterInnenklasse und besitzt sie auch eine tatsächliche politische
und personelle Alternative zur schwachen Regierung Duhalde?
2) Droht der wachsende Widerstand des beschäftigten und beschäftigungslosen
Proletariats und der ihrer Ersparnisse beraubten Mittelschichten die Regierung
in einem neuerlichen Dezemberaufstand hinwegzuschwemmen und können daher
Neuwahlen den Kampf von der Straße und den Betrieben hin zur Wahlurne
ablenken?
Unter den heutigen Bedingungen können wir daher die Hypothese aufstellen,
daß Neuwahlen umso wahrscheinlicher werden, je rascher der politische
Klärungsprozeß innerhalb der Bourgeoisie voranschreitet und/oder
je heftigere Formen der Klassenkampf annimmt.
Die Demonstration des 3. Juli
Diese Prognose hat sich schneller bewahrheitet als wir dachten. Am Abend des
3. Juli verkündete Präsident Duhalde in einer kurzen Fernsehansprache
die Abhaltung von vorgezogenen Neuwahlen. Die gesetzlich vorgeschriebenen inner-parteilicher
Wahlen der Präsidentschaftskandidaten sollen am 24. November stattfinden,
die Präsidentschaftswahlen selber am 30. März und eventuelle Stichwahlen
am 29. April 2003. Ob gleichzeitig auch Wahlen für den Kongreß und
die Provinzparlamente stattfinden sollen wie es von vielen gefordert wird
ist noch unklar.
Das Polizeimassaker des 26. Juni hat in der Tat einen Zyklus des neuerlichen
Aufschwunges des Klassenkampfes ausgelöst, der in der Massendemonstration
des 3. Juli einen Höhepunkt fand. 30-40.000 Menschen marschierten zum Plaza
de Mayo nachdem bereits am 27. Juni ein Protestgeneralstreik und eine
Demonstration mit 30.000 TeilnehmerInnen stattfand. Auch in anderen Städten
des Landes fanden Massendemonstrationen statt: in Córdoba, Mar del Plata,
Rosario, Jujuy, Tucumán und Neuquén. Aus Angst vor einer Wiederholung
der Dezember-Ereignisse ordnete die Regierung der Polizei absolute Zurückhaltung
an. Es kam daher zu keinen Zwischenfällen.
Interessant dabei ist auch die Tatsache, daß neben den zahlreichen kämpferischen
piquetero-Organisationen wie der CTD Anibal Veron, dem Bloque piquetero, der
MIJP usw. auch die Gewerkschaftsföderation CTA eine zentrale Rolle bei
der Organisierung dieser Aktionen spielte. Dies geht klarerweise weniger auf
einen grundlegenden Gesinnungswandel der bürokratischen Führung zurück
diese arbeitet seit Beginn des Jahres in den von Regierung, Kirche und
UNO eingesetzten Beratungs- und Schlichtungsgremien Consejos Consulktivos
mit , sondern auf den Radikalisierungsprozeß an der Basis.
Diese Druck war jeden ausschlaggebend dafür, daß am 3. Juli nicht
nur demonstriert wurde, sondern die CTA/CCC in verschiedenen Sektoren einen
Streik ausrief. In der Provinz Jujuy traten über 90% der Staatsangestellten
in den Streik und schlossen sich den Demonstrationen gegen die Polizeirepression,
für Arbeitsplätze und die Auszahlung der ausständigen Löhne.
In Córdoba wurden Straßenblockaden errichtet. Auch in Tucumán,
Rosario und Neuquén folgten die öffentlich Bediensteten dem Streikaufruf
der CTA. In vielen Provinzen blieben die Schulen geschlossen, da die zur CTA
gehörende LehrerInnengewerkschaft CTERA zu einem 24-stündigen Streik
aufrief.
Angst der Herrschenden vor neuen Jornadas Revolucionarias
Damit verlor die Regierung Duhalde ihre einzige Legitimität in den Augen
der Bourgeoisie. Wenn sie schon nicht die notwendigen Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse
durchsetzen und die benötigten Kredite vom Internationalen Währungsfond
(IWF) einholen kann, so konnte sie doch immerhin über fast ein halbes Jahr
den sozialen Frieden und damit die Vermeidung einer neuerlichen
explosiven Situation gewährleisten.
Dieses für die verunsicherte herrschende Klasse wichtige Attribut hat Duhalde
mit den Morden an den piqueteros und den darauffolgenden Massenprotesten verloren.
Duhalde stellt wie man in Argentinien sagt nur noch eine limon
exprimido, eine ausgequetschte Zitrone, dar. Der Mohr hat seine Schuldigkeit
getan, der Mohr kann gehen.
Das wichtigste Sprachrohr der Bourgeoise Argentiniens, die Tageszeitung La Nacion,
brachte die Ängste und Beweggründe der herrschenden Klasse unverhohlen
auf den Punkt:
Seine (Duhaldes) Entscheidung wurde durch die ausweichende und herablassende
Haltung des IWF sowie die Proteste und Toten auf den Straßen Avellanedas
beeinflußt. Und weiter: Die piquetero-Proteste der vergangenen
Woche haben drei Signale ausgesendet: Das erste ist die beginnende, schnelle
Entstehung einer revolutionären Bewegung, die nach der Macht strebt. Diese
umfaßt nicht die gesamte piquetero-Bewegung (...), aber sie weist - zum
ersten Mal seitdem der soziale Konflikt so weitreichende Dimensionen angenommen
hat - auf die Existenz einer turbulenten, rebellischen Tendenz hin. (3.7.)
Es ist in diesem Zusammenhang auch erwähnenswert, daß Zeitungsmeldungen
zufolge der IWF in den Verhandlungen Tags zuvor mit dem Wirtschaftsminister
Lavagna die Ausrufung von Neuwahlen zu einer der Bedingungen für die Gewährung
eines neuen Kredites machte. Ganz offenkundig befürchten auch die führenden
Zirkel in den imperialistischen Staaten, daß die politische Krise in Argentinien
eine revolutionäre Zuspitzung, mit für das Finanzkapital in der ganzen
Region gefährlichen Folgen, erfahren könnte.
Bekanntlich beschränken sich die z.T. aufstandsartigen Massenproteste gegen
die neoliberale Offensive mittlerweile nicht mehr nur auf Argentinien, sondern
sind auf Paraguay und Peru übergesprungen, wo jeweils die Regierung gezwungen
war, ihre Privatisierungsprojekte vorläufig fallen zu lassen. Hinzu kommt
die neue Zuspitzung des Bürgerkrieges in Kolumbien, der gescheiterte pro-imperialistische
Putsch in Venezuela sowie die Unsicherheiten in den imperialistischen Kreisen
angesichts des möglichen Wahlsieges Lulas bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen
in Brasilien. Mit anderen Worten: Lateinamerika ist in eine Phase der ökonomischen
und politischen Krise eingetreten, die von einem Aufschwung des Klassenkampfes
bis hin zu offen (vor)revolutionären Situationen führt.
Demokratisch-konterrevolutionäre Etappe
Zweifellos ist der de facto Rücktritt der Regierung Duhalde ein Teilsieg
der Massenbewegung und ein Zeichen der Schwäche der herrschenden Klasse.
Er ermöglicht den kämpferischen Sektoren der ArbeiterInnenklasse zumindest
eine Atempause von der drohenden Repression. Wollte man einen analytischen Schnappschuß
des gegenwärtigen Klassenkräfteverhältnisses machen, könnte
man die Lage in etwa so charakterisieren: Die herrschende Klasse ist zu schwach,
um die notwendigen sozialen und politischen Angriffe gegen die ArbeiterInnenklasse
und die Mittelschichten durchzuführen; die unterdrückten Klassen wiederum
verfügen nicht über eine entspreche Perspektive und Führung,
um die Bourgeoisie zu stürzen. Eine Art Pattsituation also.
Aber es wäre falsch, ja fatal, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Im
Gegenteil, die Vorverlegung der Wahlen ist ein aus dieser Defensive heraus geborenes
Manöver der herrschenden Klasse, um die potentiell revolutionäre Situation
in konstitutionelle, friedliche sprich harmlose Bahnen zu lenken.
Die Aufmerksamkeit von der Straße und den Betrieben weg zu lenken, weg
von der kämpferischen Selbsttätigkeit der Massen hin zum Warten auf
die Wahlurne und dadurch ein Verpuffen der revolutionären Energien zu erleichtern
das ist das eigentliche Kalkül der Bourgeoisie hinter der Ausrufung
von Neuwahlen.
Natürlich hat dies einen Preis für die Bourgeoisie: Die bereits völlig
diskreditierte Regierung Duhalde hat nun noch weniger politische Autorität,
irgendwelche Austeritätsprogramme durchzupeitschen. Sollte sie dies dennoch
versuchen, könnte dies rasch zu einem neuerlichen Kippen der Situation
führen.
Aber es erscheint gegenwärtig wahrscheinlicher, daß die Bourgeoisie
dieses Risiko nicht eingehen wird. Die Lage in Argentinien 2002 ist deutlich
anders als die von sogenannten Übergangsregierungen in anderen Situationen.
In der Tschechischen Republik beispielsweise übernahm nach dem Sturz der
konservativen Regierung Klaus Ende 1997 durch ArbeiterInnenmassendemonstrationen
eine technokratische Übergangsregierung unter Tosovsky die
Macht. Angesichts des weitaus niedrigeren Niveaus des Klassenkampfes und des
unbefleckten Charakters des Regierung konnte diese wichtige Angriffe
gegen die Massen durchsetzen. Duhalde der in der Bevölkerung sowohl
verhaßt ist als auch verachtet wird besitzt nicht die geringste
Macht und Autorität, um auch nur annähernd ähnliche Schritte
zu setzen, will er nicht neue revolutionäre Explosionen provozieren.
Die Gefahr für das Proletariat liegt hingegen anders wo. Erstens bedeuten
8 oder 9 Monate Warten, schlichtweg ein weiteres dreiviertel Jahr des Voranschreitens
der katastrophalen Wirtschaftskrise. Die sich ausbreitende Arbeitslosigkeit
und Armut zerren an den Kräften und Energien der Klasse und wenn dies mit
einer elektoralen Perspektive des Wartens auf Wahlen verbunden wird, kann das
die ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Mittelschichten für die kommenden Schlachten
wehrloser machen.
Darüber hinaus wird die Bourgeoisie nun alles daran setzen, um eine neue
politische Führung herauszubilden. Kandidaten wie der dem IWF nahestehende
peronistische Gouverneur der Provinz Santa Fe, Carlos Reutemann, stehen bereits
in den Startlöchern. Ebenso der rechte, peronistische Ex-Präsident
Menem, der für eine Abschaffung der Landeswährung und die Übernahme
des US-Dollars eintritt.
Wie wir bereits im letzten Artikel erklärten, werden auch die losen links-bürgerlichen
Formationen versuchen, die Diskreditierung des traditionellen Establishments
zu ihrem Vorteil auszunutzen.
Und genau hierin liegt auch die große Gefahr, daß das Proletariat
passiv abwartet, während sich der Klassenfeind sei es der offene,
wie die pro-IWF-Peronisten oder der verdeckte, wie Elisa Carrios ARI
formieren, Allianzen bilden und festigen.
Die direkte Konterrevolution also der entscheidende Schlag der Bourgeoisie
zur Beendigung des im vergangenen Dezember begonnenen revolutionären Prozesses
droht wahrscheinlich nicht vor, sondern erst nach den Wahlen, wenn eine
neue Regierung mit politischer Legitimität an der Macht ist.
Revolutionäre Taktiken
Die zentrale Aufgabe der argentinischen ArbeiterInnenklasse besteht jetzt darin,
diesen Manövern der Bourgeoisie umgehend entgegenzuwirken. Nicht abwarten,
bis die Bourgeoisie aus den Wahlen gestärkt hervor geht, sondern ihre Manöver
hier und jetzt durchkreuzen das ist die Losung des Tages.
Die vom PTS aufgestellte Losung der revolutionären verfassungsgebenden
Versammlung behält ihre volle Gültigkeit. In weiten Kreisen wird nicht
nur die Legitimität der Regierung Duhalde in Frage gestellt, sondern das
gesamte korrupte bürgerlich-demokratische System überhaupt.
Schluß mit den Manöver ungewählter Büttel der Reichen und
des IWF! Nicht bloß Neuwahl noch dazu erst in einem dreiviertel
Jahr, in dem tausende Kinder an den Folgen der kapitalistischen Plünderung
des Landes sterben werden! sondern umgehende Wahlen für eine verfassungsgebende
Versammlung, in der alle Fragen der Gesellschaft diskutiert werden können.
Die Bourgeoisie wird eine solche Versammlung nicht einfach herschenken. Sie
muß durch einen massiven, aktiven Generalstreik wenn nötig bis hin
zum Sturz der Regierung Duhalde erkämpft werden!
Die zentrale Aufgabe lautet also nun, die Initiative nicht den Herrschenden
zu überlassen, sondern den Kampf für den Sturz der Regierung Duhalde
und gegen den IWF mit einer Ablehnung des Wahlmanövers zu verbinden und
die radikalste demokratische Losung im Rahmen des Kapitalismus aufzustellen
die revolutionäre verfassungsgebenden Versammlung!
Es versteht sich von selbst, daß revolutionäre Marxisten keinerlei
Hoffnung hegen, das kapitalistische System mittels einer verfassungsgebenden
Versammlung überwinden zu können. Dies kann nur eine durch die sozialistische
Revolution an die Macht gekommene ArbeiterInnen- und Volksregierung. Aber beim
gegenwärtigen, von demokratischen Illusionen gekennzeichneten, Massenbewußtsein,
wäre ein Ignorieren revolutionär-demokratischer Losungen ein Schuß
ins eigene Knie.
Ob die Präsidentschaftswahlen im März dann boykottiert werden
wie es bereits Elisa Carrio für den Fall, daß keine Wahlen für
die anderen Institutionen stattfinden, androht oder nicht, ist eine taktische
Frage, die aufgrund des konkreten Kräfteverhältnisses bestimmt werden
muß.
Die Wahlen weisen aber auch auf eine der größten Schwächen der
argentinischen ArbeiterInnenklasse hin: dem Fehlen einer eigenen, unabhängigen
Klassenpartei. Deren Angriff müssen marxistische Revolutionäre in
Argentinien zumindest in der Agitation und Propaganda und exemplarischen
Initiativen in Angriff nehmen. Das Feld der Politik und der Wahlen darf
nicht der Bourgeoisie und dem gebildeten Kleinbürgertum überlassen
werden. Kämpferische ArbeiterInnenschichten wie jene Zanon oder Bruckman,
diverse oppositionelle Sektoren in den Gewerkschaften sowie die piquetero-Organisationen
sind sicherlich der erste Ansprechpartner für die Formierung einer ArbeiterInnenpartei.
Aber auch die Gewerkschaften müssen von der Basis her gezwungen werden,
ihre Verbindungen zu den offenen Parteien des Klassenfeindes abzubrechen und
den Aufbau einer ArbeiterInnenpartei zu unterstützen. Insbesondere die
CTA deren Bürokratie gegenwärtig sicherlich am meisten unter
Druck dem Basis steht, muß von einem Maschinengewehrfeuer der Agitation
eingedeckt werden. Für den Bruch jeglicher politischen Allianzen mit Sektoren
der Bourgeoisie!
Klare Taktiken und kühne Initiativen der marxistischen Revolutionäre
sind die besten Antworten auf die Manöver der Bourgeoisie. Duhalde und
der IWF wollen sich angesichts der Gefahr neuer Jornadas Revolucionarias eine
Atempause verschaffen und zum Gegenschlag ausholen. Dies zu unterbinden und
das Proletariat politisch und organisatorisch auf die kommenden Klassenkämpfe
vorzubereiten das ist die Aufgabe der Stunde.
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LINKS / VERWEISE / HINWEISE
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05 Fotoreportage CSD Protest gegen Nazi-Hetze
From: arbeiterfotografie <reportage@arbeiterfotografie.com>
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Liebe Leute,
es gibt eine neue Reportage:
Protest gegen (abgesagten) Neonazi-Aufmarsch gegen den Christopher Street Day
Köln, 6.7.2002
Die Reportagen sind zu finden unter:
http://www.arbeiterfotografie.com/reportage
Über das rote i rechts über den Bildern gibt es Hintergrundinformation.
Ihr könnt die Bilder für nicht kommerzielle Zwecke gerne kostenlos
verwenden, für Flugblätter, Zeitungen, Internet,... (bei Autorenangabe
'arbeiterfotografie.com' und Mitteilung über die Verwendung bzw. Zusendung
eines Belegexemplars).
Mit besten Grüßen
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Arbeiterfotografie - Forum für Engagierte Fotografie
Anneliese Fikentscher
Andreas Neumann
Merheimer Str. 107
D-50733 Köln
Tel: 0221/727 999
Fax: 0221/732 55 88
eMail: arbeiterfotografie@t-online.de
Web: www.arbeiterfotografie.com
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06 Red Newsletter 36
From: ASt-LRCI <michael.proebsting@utanet.at>
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Red Newsletter 36
Informationsdienst des ArbeiterInnenInnenstandpunkt, 07. Juli 2002
INHALT
(1) Argentinien: Wahlmanöver in Argentinien: Eine neue Etappe hat begonnen!
(2) Termine
(3) Adressen
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Die website des ArbeiterInnenInnenstandpunkt: http://www.arbeiterinnenstandpunkt.org/
Redaktionsschluss:
6. Juli 2002, 23:30 Uhr
Diese Ausgabe hat rainer <widerstand@no-racism.net>
zusammengestellt
Fehler möge frau/man mir nachsehen!