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Powered by public netbase t0 -- please sign Wie der MUND entsteht ....Schickt uns bitte eure Nachrichten, Meldungen und Ideen. Im MUND findet Ihr eine Rubrik, die eine Konsequenz aus der redaktionsinternen
Debatte um die Notwendigkeit, sexistische, antisemitische und rassistische
Beiträge nicht zu veröffentlichen, einerseits, die Problematik von
Zensur andererseits versucht: unter "B) Eingelangt, aber nicht aufgenommen"
wird - in anonymisierter Form - auf angehaltene Beiträge hingewiesen
und eine kurze Begründung der/des Tagesredaktuers für die Nichtaufnahme
geliefert. Die AbsenderInnen werden hiervon informiert.
Quelle: www.popo.at Und für nächsten Donnerstag: Das Rechtshilfe-Manual ...und was mache ich eigentlich gegen rassisten? online-diskussion
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01 Prozessnachlese Teil 5
From: http://www.no-racism.net/racismkills
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Prozess gegen die 3 Fremdenpolizisten
... oder doch gegen Marcus Omofuma?
Prozessbericht vom 6. März 2002 (Teil 2)
3.Zeuge Gerhard P. (Bundespolizeidirektion Schwechat)
P. war 99 Beamter der "Kranich"-Einheit. Diese Einheit begleitet das
Fahrzeug
mit den Schubhäftlingen sowie den mitfliegenden BeamtInnen vom
Flughafengebäude zum Flugzeug.
Der Zeuge betont, dass Omofuma sich außerordentlich aggressiv verhalten
habe.
Er habe geschrieen, sich und andere gefährdet. "So widersetzt, so
was habe
ich noch nicht gesehen, und ich hoffe, dass ich so etwas auch nicht mehr
erlebe. Weil das war nicht normal." Die Schreie seien nicht Ausdruck von
Schmerz, sondern von Agression. Im Auto habe er einen der Angeklagten einen
Satz mit Beißen sagen hören. Genaueres kann dazu nicht sagen. Ein
Beißen von
Seiten Omofumas habe er aus seiner Position (er saß direkt hinter ihm)
nicht
gesehen, bloß entsprechende Bewegungen.
Der Zeuge unterstützte das Argument, dass der Pilot zu entscheiden habe,
welche Maßnahmen getroffen werden.
Beim Hinauftragen in das Flugzeug habe Omofuma sich ruhig verhalten.
Den Stationsmanager Kostov kenne er nicht. Ob einer der Angeklagten mit
diesem Kontakt gehabt hatte, könne er nicht sagen.
Der Anwalt der Omofuma Familie fragt, ob es möglich gewesen wäre mit
dem
dermaßen verschnürten Marcus Omofuma zu kommunizieren. Der Zeuge
bleibt die
Antwort schuldig. Auf die Frage, warum denn ein Abbrechen der Abschiebung
nicht einmal in Erwähnung gezogen worden war, wenn es doch dermaßen
krass
zugegangen wäre, meint er: "Das ist nicht meine Verantwortung. Verantwortlich
sind die Beamten (die 3 Angeklagten) bzw der Pilot.
Verteidiger Rifaat fragt, ob Atemnot feststellbar gewesen wäre. Der Zeuge
antwortet mit nein. "Unser erstes Gebot lautet, dass der Abzuschiebenden
keinen Kratzer bekommt, weil sonst müsste die Abschiebung abgebrochen werden.
Dann hätte er einen Erfolg gehabt."
Verteidiger Ofner kommt zu Wort und meint, dass der Staat ja vollzugsunfähig
wäre, würden die BeamtInnen die Versuche der Schubhäftlinge,
die Abschiebung
zu vereiteln, keine effektive Stategie entgegensetzen würden. Er warf ein,
dass "Abzuschiebende" in manchen Fällen Rhizinusöl einsetzen,
um die
Abschiebung zu verhindern. Solchem "Einfallsreichtum" müsse definitiv
entgegengewirkt werden.
4. Zeuge Ivan K. (Angestellter der bulgarischen Fluglinie)
Die Aufgabe des Zeugen war es, die Passagierliste an Bord zu bringen.
1 oder 2 Mal pro Monat haben laut. K. Problemabschiebungen mit seiner
Fluglinie stattgefunden.
Der Zeuge beruft sich auf seinen Arbeitsauftrag: " Ich habe meine Arbeit
gemacht". Auf die Frage, ob er angeordnet habe, der Gefangene dürfe
nicht
schreien, antwortet K., er habe Omofuma nicht schreien gehört. Er habe
keine
"Anweisung" (die drei Angeklagten wären nicht weisungsgebunden
gewesen, da
Kostov kein Vorgesetzter ist) in diese Richtung gegeben.
Im Unterschied zu der einhelligen Aussage der drei Angeklagten, sagt K., dass
er Omofuma nie gesehen hat. Beim Gate habe er aus einiger Entfernung bloß
dessen Umrisse im Auto wahrgenommen. Er habe nicht hinein geblickt. "Nein,
keinen Moment habe ich ihn gesehen."
Ofner erreicht mit suggestiven Fragen die Antwort Ks., dass die Verantwortung
der Flugkapitän habe.
K. gibt an, dass er um keine Fesselung des Gefangenen ersucht habe, da das
die Aufgabe der österreichischen Behörden sei.
Laut Aussagen einer Stewardess und des Co-Piloten habe Kostov Angaben über
den Zustand Omofumas gemacht. Er verneint dies.
Ofner erreicht durch weitere Suggestivfragen die Zustimmung K.s zu folgender
Aussage: "Wenn der Schubhäftling renitent wird, müssen die Beamten
alles tun,
was in ihrer Macht steht, um die Sicherheit der Passagiere nicht zu
gefährden" und zusätzlich: "im Rahmen dessen, was der Kapitain
vorgibt- er
gibt die Grenzen vor". Welche Mittel dazu angewandt werden, sei nicht seine
(K.s) Sache.
Ofners Konzept ging allerdings an dem Punkt nicht auf, als er den Zeugen
fragte, was zu tun sei, wenn der Schubhäftling randaliere oder auf eine
zu
gefährliche Weise störe. K. antwortete nämlich, dass in solch
einem Fall das
Flugzeug umkehren oder erst gar nicht abheben sollte.
Ende des 2ten Prozesstages.
Weitere Verhandlungstage sind der
18.3., zur Vernehmung des ehemaligen Innenministers Schlögl, (Mit Kundgebung)
8.4., zur Vernehmung zweier Passagierinnen aus den Niederlanden,
10.4., zur Vernehmung des ersten medizinischen Sachverständigen,
11.4., zur Vernehmung des zweiten medizinischen Sachverständigen,
15.4., zur Vernehmung des dritten medizinischen Sachverständigen und
Urteilsfällung.
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TEXT DES TAGES
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02 Dank an Chirac - Zwischen Paris und Wien während der Sanktionen der
EU-14
Von: "Danny Leder" <danny.leder@mailclub.net>
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Dank an Chirac
Zwischen Paris und Wien während der Sanktionen der EU-14
von Danny Leder
> Der folgende Text erschien in der jüngsten Ausgabe der
Jahreszeitschrift "Das Jüdische Echo" und basiert auf einem im
Republikanischen Club in Wien gehaltenen Referat. Es handelt sich um eine
umfassende Analyse der politischen Dynamik, die der Sanktionsentscheidung
der französischen Staatsspitze (als treibender Kraft) zugrundelag, ihrer
Rahmenbedingungen und Folgewirkungen in einem komplexen polithistorischen
Spannungsfeld in und zwischen den beiden Ländern. In den Text flossen auch
persönliche Erfahrungen und Fragestellungen des Autors ein: er wuchs in
einer jüdischen Familie in Wien auf, er ist seit 19 Jahren Korrespondent
des KURIER in Paris, seine Mutter überlebte die NS-Ära versteckt in
einem
katholischen Kloster in Frankreich.
> Untersucht werden im Einzelnen: Rolle und Motive von Jacques Chirac
als Hauptinitiator der Sanktionen, die zum Teil unterschiedlichen
Positionen innerhalb der französischen Linksregierung, Gewicht und Rolle
jüdischer Persönlichkeiten in Frankreich, österreichische Reaktionen
(darunter ein flagrante Falschmeldung). Dazu Vergleiche zwischen Haider und
Le Pen, zwischen der NS-Periode in Österreich und der Kollaborationphase
in
Frankreich, der Dimension der Judenverfolgung in beiden Ländern und der
beidseitigen "Vergangenheitsbewältigung", ergänzt durch
eine
Gegenüberstellung von "französischem Nationalismus" und
"österreichischem
Pazifismus". Schließlich wird die Frage der Legitimität des
Anti-Haider-Engagements von Chirac angesichts seiner Skandal-Serie erörtert.
> Aktuelle Conclusio, in Hinblick auf die bevorstehenden französischen
Präsidentenwahlen: Es ist Chiracs großes Verdienst, die Mobilisierung
gegen
Haiders Griff zur Macht auf ein gesamteuropäisches, staatliches Niveau
gehoben zu haben. Und er ist genau wegen dieses Engagements zum Feindbild
eines beträchtlichen Teils der österreichischen Öffentlichkeit
geworden,
die seine etwaige Wahlniederlage bejubeln würde. Aber jenseits dieses
verdienstvollen Einsatzes gegen Österreichs schwarzblaue Regierung sind
die
inneren Affären, die Chirac aus seiner vormaligen Amtszeit als Pariser
Bürgermeister belasten, schwerwiegend genug, um seine Abwahl zu wünschen
-
im Interesse der rechtsstaatlichen Hygiene Frankreichs und der EU.
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An einem heißen Samstagvormittag, im Sommer vor vier Jahren, hatte ich
in
meinem Pariser Wohnviertel ein markantes Erlebnis. In meiner Nachbarschaft
war eine Kundgebung angesagt, bei der eine Erinnerungstafel für einen
jüdischen Résistancekämpfer, Maurice Feferman, an der Fassade
des Gebäudes
enthüllt werden sollte, vor dem er im Alter von 21 Jahren gefallen war.
Das
war eigentlich nichts Besonderes, weil es bereits Dutzende solcher Tafeln
in der Umgebung gab. In der Nähe der Pariser «Gare de l'Est»
(Ostbahnhof),
noch heute ein Migrantenviertel, lebten vor dem Krieg zahllose jüdische
Einwandererfamilien aus Osteuropa. Die meisten arbeiteten in den hier
konzentrierten Kürschner- und Lederwerkstätten. Aus ihren Reihen kamen
nach
dem Einmarsch der deutschen Besatzer die allerersten Widerstandskämpfer
auf
französischem Boden, die sich mit lächerlicher Bewaffnung (gestohlenen
Pistolen, selbstgebastelten Sprengsätzen und Hämmern) in eine hoffnungslose
Schlacht warfen.
An der Gedenkfeier nahmen Gemeinderäte teil, Abordnungen der
französischen Armee und ihrer Veteranenverbände mit Bannerträgern,
Freunde
des Gefallenen. Gleichzeitig aber hasteten auf dem gegenüberliegenden
Gehsteig jüdische Gläubige im Lubawitscher Outfit vorbei, offensichtlich
auf dem Weg in eine nahe Synagoge (es war ja Schabbat), ohne auch nur einen
Augenblick lang bei der Zeremonie innezuhalten. Mehr noch: Aus dem Gebäude,
in dem fast nur jüdische Familien wohnen, kamen weitere, feiertäglich
gekleidete Juden und bahnten sich, sichtlich verärgert, einen Weg durch
die
kleine Schar.
Unter den Zuschauern oder Teilnehmern, so genau konnte man das nicht
unterscheiden, stand ein Mittdreißiger mit Bürstenhaarschnitt, seinen
kleinen Sohn auf den Schultern. Ob er absichtlich gekommen sei, fragte ich.
«Ja», antwortete er, «dieser Bursch ist doch für unsere
Freiheit
gestorben.» Was er beruflich sei? «Gendarm.»
Das gefiel mir: In einem Land, in dem Juden achtlos an einer
Gedenkfeier für einen getöteten jüdischen Widerstandskämpfer
vorbeihasten
können, während ein nichtjüdischer Gendarm in seiner Freizeit
zu so einer
Kundgebung geht, kann man entspannter leben, sagte ich mir, im Vergleich an
Österreich denkend.
Ich war in einer jüdischen Familie in Wien aufgewachsen und kam
1982, als 27jähriger, nach Paris. In den Jahren zuvor hatte ich mich
erstmals mit vollem Bewußtsein der familiären Verfolgungsgeschichte
gestellt. Ich nahm daraufhin unsere gefühlsmäßige Isolierung
in Österreich
verstärkt wahr. Das war zwar nicht der Grund für meinen Auszug gewesen,
in
Frankreich konnte ich aber Distanz zu dieser Thematik finden.
Mit dem Antritt der schwarz-blauen Regierung wurde ich aber von dem
in Österreich hinterlassenen emotionalen Strudel wieder erfaßt. Als
Korrespondent einer österreichischen Tageszeitung in Paris saß ich
an einer
Schnittstelle. Nirgendwo sonst hatten die Medien so heftig auf den Erfolg
von Haider reagiert. Und ohne die Initiative des französischen Staatschefs,
des Gaullisten Jacques Chirac, wären die Sanktionen der EU-14 gegen
Österreichs Regierung wohl nie zustandegekommen. Weil der bürgerliche
Chirac als erster gegen Haiders indirekten Griff zur Macht mobilisierte,
konnten die übrigen, überwiegend linken EU-Staatsmänner nur noch
folgen (so
wie Frankreichs SP-Premier Lionel Jospin). Weil der französische Präsident
agierte, wurde auch der kleine Rest seiner politischen Gesinnungsfreunde
unter den EU-Staatsmännern mitgerissen. In der Folge avancierten Frankreich
und Chirac zu Feindbildern der österreichischen Öffentlichkeit.
Während ich Dankbarkeit gegenüber Chirac empfand, wuchs bei Kollegen
in Wien, nach einer ersten Schockphase, das Unverständnis und der Ärger
über die Haltung Frankreichs. Bei aller Ablehnung der Haider-FPÖ,
für die
diese Kollegen glaubwürdig einstanden, fühlten sie sich doch durch
die
Maßnahmen der EU-14 mehr oder weniger tief verletzt. Obwohl nicht
intendiert (die diplomatischen Sanktionen sollten ja nur die Regierung
isolieren), sahen sich, schon allein durch das begleitende Medienecho und
unangenehme Fragen auf Auslandsreisen, weitaus mehr Österreicher an den
Pranger gestellt, als für die FPÖ gestimmt hatten.
Mir war das im Grunde genommen recht. Ich mußte dabei an die
unsäglichen Verbrechen der NS-Ära denken, denen sehr wohl ein kollektiver
Konsens, ja ein kollektiver Taumel zugrunde lag. Das wußte ich allein
aufgrund der Familiengeschichte und meiner persönlichen Begegnungen in
Österreich, lange bevor Historiker, wie etwa zuletzt Evan Burr Bukey, dies
dokumentarisch nachwiesen.(1) Ich dachte an die unglaubliche, politisch in
Österreich aber wohl unvermeidbare Nachsicht gegenüber etlichen
NS-Verbrechern, kaum waren die Alliierten weg. Was man ja gar nicht
«Nachsicht» nennen kann, weil das in Wirklichkeit auf dem vormaligen
Einverständnis zwischen breitesten Teilen der Bevölkerung und den
Angeklagten beruhte. Ich verspürte wieder Bitterkeit angesichts des
außerordentlichen Wohlstands und der Stabilität, in der die Enkelkinder
der
Tätergeneration gedeihen konnten, das Erbe ihrer Familien antretend, zwar
nicht unbedingt in übereinstimmender, aber doch liebevoller Zuwendung zu
ihren Großeltern. Und dazu noch die oftmalige Entrüstung über
Israel, wo
ihre Großeltern die Juden hingewünscht hatten («Juda raus nach
Palästina»
hieß der Schlachtruf der NS-Studenten). Eine verspätete europäische
Siedlerkolonie, in der Überlebende des Holocausts Zuflucht und
Selbstwertgefühl zu finden glaubten, und wo deren Enkelkinder jetzt in
einem Teufelskreis aus Repression und Terror gefangen sind.
Gemessen an all dem, erschien und erscheint es mir doch als eine
verhältnismäßig harmlose Belastung, wenn nachgeborene Österreicher
zu
dieser Geschichte, die Haider punktuell zu rehabilitieren sucht, mal öfters
Rede und Antwort stehen müssen.
Aber so läuft das natürlich nicht. Auch gutmeinende nichtjüdische
Österreicher nerven die ausländische Fragerei, die Verdächtigungen,
der
Rechtfertigungszwang. Das kann ich verstehen, weil sogar ich bei
aggressiven Fragern (auf die ich aber in Frankreich kaum stieß) in die
Rolle des «angeschossenen» Österreichers gerate.
Dazu kommt, daß so manches von der Kritik an «Haiders Österreich»
an
der Vielschichtigkeit der Materie zerbröselt. Die Auseinandersetzung mit
dem rasenden Verwandlungskünstler Haider erfordert eine Feineinstellung,
zu
der ausländische Beobachter kaum imstande sind: Wer Haiders einschlägige
Erklärungen aus ihrem Kontext einer pazifizierten und durchaus resistenten
Wohlstandsdemokratie reißt, wird übers Ziel schießen (also
etwa: «Neonazis»
in Wien am Ruder). Wer die symbolische Tragweite und Tiefenwirkung seiner
Wortspiele nicht erfassen kann, wird die Sprengkraft des Haiderschen
Projekts und seine Zielstrebigkeit unterschätzen (nach dem Motto: Es gibt
ja keine pöbelnden FPÖ-Aufmärsche, keine brennenden Synagogen,
also ist
Haider bloß ein demagogischer Wendehals).
Auch die historische Verankerung der FPÖ im Herzen der
österreichischen Institutionen ist für Ausländer verwirrend.
Der liberale
Schwenk der FPÖ-Führung der siebziger Jahre wurde von Haider ungeniert
bei
der Imagepolierung im Ausland genützt, obwohl er ja selber diese liberale
Führung eliminiert hatte. Die FPÖ war nun mal Regierungspartner der
SPÖ
gewesen. Eine hervorragende Startposition im Vergleich zu dem etwa im
selben Zeitraum in Frankreich aufgestiegenen Rechtstribun Jean-Marie Le Pen.
Thematisch und sogar in ihren Formulierungen glichen sich die
Kampagnen der FPÖ und des französischen Front National. Aber Le Pen
war von
Anfang an, als Führer einer ursprünglich außerparlamentarischen
Sekte, per
Definition ein Geächteter, der auch während seiner Hochblüte
den Sprung zur
Salonfähigkeit im Zentralgewebe der französischen Institutionen nicht
schaffen sollte. Während im Fall des FPÖ-Chefs die Beweislast immerzu
auf
seiten seiner Gegner lag. Diese mußten erst nachweisen, daß er wieder
mal
die Grenzen des demokratisch-antinazistischen Konsens überschritten hatte
und daß es sich nicht bloß um einmalige Ausrutscher handelte. Haider
setzte
zwar seine Salonfähigkeit immer wieder aufs Spiel, konnte sie aber durch
verbales Getrickse und Wahlerfolge immer wieder zurückerobern - bis hin
zu
dem auswärts gänzlich unverständlichen Du-Wort zwischen Haider
und dem
SPÖ-Kanzler Klima vor laufenden TV-Kameras.
Umso höher war das Verdienst der Wortführer der Sanktionen, die
diesen österreichischen Finessen zwar nicht gewachsen waren, aber durch
ein
grobes Resümee trotzdem zu einer richtigen Einschätzung Haiders gelangten.
Wie bei einem Puzzle: Haiders Hartkost-Sprüche als zusammenhanglos
herumliegende Puzzlestücke, weil zeitlich verstreut und vom konsensuellen
österreichischen Verwaltungsalltag relativiert, können in Österreich
eher
als gelegentliche, atmosphärisch bedingte Ausrutscher mehr oder weniger
absichtlich mißverstanden werden («Bierzelt-Reden»). Während
sie, aus der
Ferne filterlos betrachtet und zur Zitatensammlung aufbereitet, ein
vollständiges Puzzle ergeben, das man als Proto-Programm verstehen kann
(von daher die schwarz-blauen Versuche, Haiders Image durch die Zerstreuung
des Puzzles wieder zu normalisieren. Indem man also Haiders Zitatenkatalog
durch xenophobe Äußerungen anderer europäischer Politiker aufzuwiegen
sucht
und dabei die Seltenheit derartiger Vergleichszitate, die nun wirklich
einer opportunistischen «Bierzelt-Logik», aber keiner Programmatik
entspringen, unterschlägt).
Zwei Ziele schälten sich bei Durchsicht der Auftritte Haiders
heraus, die die Alarmglocken in Paris läuten ließen, weil beide am
westeuropäischen und vor allem franko-deutschen Nachkriegskonsens sägen:
die Teilrehabilitierung der deutsch-österreichischen NS-Vergangenheit und
die ansatzweise Kristallisierung eines nordeuropäischen
Wohlstands-Separatismus.
> Der erfundene Hinauswurf des österreichischen Botschafters
Über die vorläufige Bilanz der Sanktionen läßt sich streiten.
Die
Heftigkeit des Engagements der EU-14 verlieh in einer allerersten Phase
nach dem schwarz-blauen Regierungsantritt der österreichischen
Protestbewegung den nötigen Rückenwind für ihr massives Sichaufbäumen.
Aber
entgegen der im Umkreis Chiracs gehegten Annahme, die Koalition werde unter
diesem vielfältigen Druck schnell platzen, erstarrten die Fronten. Je
länger diese Polarisierung zwischen Wien und den EU-14 anhielt, desto
stärker griff in Österreich das Gefühl der nationalen Demütigung
um sich,
das die Regierung für sich zu nutzen verstand.
Das war wohl kaum vermeidbar, so sehr auch etwa Paris um einen
präzisen, auf bilaterale Regierungskontakte und diplomatische Exerzitien
beschränkten Boykott bemüht war. In einer ersten Phase hatte es
vereinzelte, spontane Reaktionen in Frankreich gegeben. Einige wirkten
verständlich, wie etwa die Forderung von französischen Gemeinderäten
an die
Amtskollegen ihrer Partnerstädte, sie mögen über ihr Verhältnis
zur FPÖ
Auskunft geben. Andere Maßnahmen hatten eine problematische Schlagseite,
wie etwa der Abbruch von Austauschprogrammen zwischen Schulen. Das war aber
extrem selten und wurde sehr schnell in Frankreichs Öffentlichkeit, allen
voran von den antirassistischen Organisationen, scharf kritisiert. Diese
Bewegungen konzentrierten ihre Propaganda auf die Gleichsetzung zwischen
Haider und Le Pen, betonten ihre Solidarität mit ihren österreichischen
Gesinnungsgenossen und vermieden jede pauschale Attacke gegen Österreich.
Als sich die spontanen Begleitreaktionen in Frankreich längst gelegt
hatten, gingen in Österreich noch immer, quasi im Leerlauf, die Wogen über
vormalige antiösterreichische Vorfälle hoch. Einiges war aufgebauscht,
einiges glatt erfunden. Auf ein besonders krasses Beispiel stieß ich bei
der Durchsicht österreichischer Zeitungen noch im Frühjahr 2001. Ein
Amerikaner, Leonard Mulford, hatte im September 1999 eine Prostituierte in
Wien ermordet, war anschließend nach Paris geflüchtet und dort festgenommen
worden. Seine Auslieferung nach Österreich erfolgte im Oktober 2000.
Während des Prozesses in Wien, im April 2001, behauptete der Richter, die
lange Auslieferungsdauer sei auf die Sanktionen zurückzuführen. Dabei
verstieg er sich sogar zu der Behauptung, Österreichs Botschafter in Paris
sei bei dem Versuch, die Auslieferung voranzutreiben, «hinausgeworfen»
worden.(2) Vor allem letzteres wäre ein unglaublicher Affront gewesen.
Bei
einer Nachrecherche unter Österreichs Vertretungsbehörden in Paris
stieß
ich nur auf heftigste Dementis. Als ich den Richter dazu befragte,
schwächte dieser ab: Möglicherweise habe es sich «nicht um den
Botschafter,
sondern um den Konsul gehandelt», und dieser wäre auch möglicherweise
«nicht hinausgeworfen», sondern nur «abgewiesen» worden.
Aber auch dafür
fand ich nicht den geringsten Anhaltspunkt. Es ist schon bezeichnend, daß
die ursprüngliche Behauptung des Richters überhaupt für plausibel
gehalten
wurde.
Aber diesem Klima war wohl, solange die Sanktionen anhielten, kaum
beizukommen. Wohingegen ihre Aufhebung das Wiedererstarken der Opposition
rund um die Sozialpolitik der Regierung zumindest erleichterte.
Andererseits begrenzten die Sanktionen durch ihren Holzhammereffekt
den Aktionsradius von Haider. Die dermaßen konkretisierte europäische
Empörung untergrub auch in Österreich, zumindest vorerst, seine
Führungsambitionen. So schufen die Sanktionen ein Kräfteverhältnis,
von dem
auch Wolfgang Schüssel bei seinem innerkoalitionären Dauerduell mit
Haider
profitierte (was vielleicht nicht mehr der Fall gewesen wäre, wenn die
Sanktionen noch weiter gedauert hätten). Wie lange dieser
Anti-Haider-Effekt wirkt, nun, da die Sanktionen (seit September 2000)
aufgehoben sind, läßt sich nicht vorhersagen. Können doch die
durch äußeren
Druck vermittelten Tabus in einer radikal veränderten sozialen Situation
aufs neue auf die Probe gestellt werden.
So berechtigt der Anspruch auch sein mag, die französische Haltung
an ihrem taktischen Effekt zu messen, so wenig erschöpft sich damit die
Frage nach der Legitimität dieser Haltung. Ich hatte da einen
aufschlußreichen Dialog mit einem Wiener Kollegen. Es ging um eine
Ratstagung der EU-Sozialministerinnen und Sozialminister in Paris zu Beginn
des französischen EU-Vorsitzes. Die Sanktionen waren noch in Kraft, galten
aber ausschließlich den bilateralen Regierungskontakten. In allen
EU-Angelegenheiten achtete Frankreich darauf, Österreichs Repräsentanten
in
keinster Weise zu benachteiligen. Also diskutierte die französische
Sozialministerin Martine Aubry mit ihrer Amtskollegin Elisabeth Sickl ganz
manierlich. Allerdings verweigerte Aubry - «aus Gewissensgründen»,
wie sie
betonte - das Gruppenphoto mit der FPÖ-Ministerin. Ich dachte, solch eine
minimale Manifestation moralischer Ablehnung müßte auf Verständnis
bei
meinem Kollegen stoßen, der sich als Haider-Gegner zu erkennen gegeben
hatte. Aber dieser reagierte mit einer abweisenden Frage: «Was hat das
denn
für einen Sinn?» Ich entgegnete, da habe Aubry ihre persönliche
Betroffenheit geäußert - mehr nicht. Aber der Dialog blieb stecken.
Für
meinen Kollegen waren sogar solche Gesten überflüssig, nachdem sich
die
Sanktionen bereits ihrem scheinbar erfolglosen Ende näherten.
Auch ich halte die Frage nach der taktischen Wirksamkeit der
Sanktionen für legitim, ihre Beantwortung gibt aber noch nicht über
deren
politisch-moralischen «Sinn» Auskunft. Letzten Endes weiß
ich nicht, ob der
Kollege mit seiner leicht verärgert vorgetragenen Frage nach dem taktischen
Sinn des Protests von Aubry nicht gleich auch den grundsätzlichen Sinn
(also die Berechtigung) der aus Frankreich kommenden Kritik an der
FPÖ-Regierungsbeteiligung meinte.
> Austro-Pazifismus gegen Franko-Nationalismus?
Ich hatte bereits in der Vergangenheit mehrmals überschäumende,
klischeehafte Attacken auf Frankreich erlebt. Lange bevor ich Journalist
wurde, stieß ich immer wieder auf diese Haltung in Österreich. Einer
meiner
Schulprofessoren, ein deklarierter Rassist und NS-Nostalgiker, konnte sich
in endlosen Tiraden über den «französischen Nationalismus»
ergehen.
Tranceartig lallte er vor der Klasse «la France, la France», um
den
vorgeblich ekstatischen Nationalismus der Franzosen zu veranschaulichen -
eine phonetische Metapher, auf die ich überdies kürzlich in einem
der vor
Haß triefenden Gedichte von Wolf Martin in der «Kronen Zeitung»
wieder
stieß (14.7.2001).
Später, als Frankreichkorrespondent deutschsprachiger Zeitungen, machte
ich
die unangenehme Erfahrung, daß Redaktionskollegen meine Artikel fast schon
routinemäßig mit Titeln versahen, in denen die «Grande Nation»
aufschien -
ein Begriff, den ich in Frankreich niemals gehört hatte (außer in
einem
Dokumentarstreifen, in dem eine NS-Wochenschau von 1940 gezeigt wurde. Da
benützte der Nazipropagandist den Begriff, um in Lumpen gehüllte tanzende
afrikanische Soldaten der geschlagenen Armee Frankreichs verächtlich zu
machen).
Mit dem Beschluß von Chirac 1995, eine letzte Serie von Atomtests im
Pazifik zu starten (nachdem sein Vorgänger François Mitterrand sie
gestoppt
hatte), sollten sich die Schleusen des antifranzösischen Ressentiments
nochmals breit öffnen. Nicht daß ich die Entscheidung Chiracs für
richtig
hielt, aber die Dimension der österreichischen Proteste (über zehn
Prozent
der Bevölkerung Österreichs unterschrieben eine von der «Kronen
Zeitung»
unterstützte Erklärung - ein Weltrekord) machte mich doch stutzig.
Natürlich spielten die Nachwehen der Bewegung gegen das AKW
Zwentendorf eine Rolle. Aber das reichte als Erklärung nicht aus. Konnte
es
sein, fragte ich mich, daß dabei das tradierte Feindbild und der Neid
auf
Frankreichs «autorisierten Patriotimus» von seiten jener Generationen
mitschwang, die mit ihrem deutschnationalen Elan Schiffbruch erlitten hatten?
In meinen Artikeln versuchte ich damals den relativ breiten Konsens
in Frankreich rund um die Atombewaffnung in seinem historischen Kontext zu
situieren. Zwar gab und gibt es eine bedeutende antimilitaristische
Tradition in der französischen Gesellschaft. Sie laboriert aber noch heute
an dem Fiasko der Beschwichtigungspolitik der letzten
Zwischenkriegsregierung und der Niederlage der mangelhaft gerüsteten
französischen Armee von 1940. Der in der Zwischenkriegszeit in Frankreich
tonangebende Pazifismus sollte etliche linke Antimilitaristen in die
Kollaboration treiben - darunter auch den Vater von Jospin. Hingegen erwies
sich, wenn man es überspitzt formulieren will, der «Kriegstreiber»
Charles
De Gaulle, der Frankreich zum Weiterkämpfen anstachelte, als Bewahrer der
Menschlichkeit.
Der mächtige Pazifismus der achtziger Jahre im deutschsprachigen
Raum war eine ambivalente Angelegenheit: Zweifellos ging es um eine weitere
Abwendung von Traditionen, die im Nationalsozialismus gipfelten. Aber die
Proteste gegen den NATO-Nachrüstungsbeschluß (über 60.000 Demonstranten
in
Wien 1982) hatten auch eine andere Komponente. Die vornehmlich gegen die
USA, also die demokratische Siegermacht des Zweiten Weltkriegs, gerichtete
Friedensbewegung bot jungen Menschen Gelegenheit für einen versöhnlichen
Brückenschlag zu den NS-geprägten Generationen. Ihr integraler Pazifismus
hüllte die Teilnahme am NS-Krieg in einen tröstenden Dunst, aus dem
sich
nur mehr das bequeme Motto «Krieg ist übel» herausschälte.
In Österreich
konnte diese Bewegung obendrein nahtlos an die Neutralitätsideologie
anschließen, die wohl auch eine Schonphase für die Bevölkerung
nach der
NS-Ära darstellte. Wie oft hatte ich von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen
die Erklärung gehört: «Es war ja Krieg. Und beide Seiten verübten
Kriegsverbrechen» - so als ob das NS-Kriegsziel nicht per se ein einziges
Verbrechen gewesen wäre.
Auf ein entferntes Echo des zwiespältigen Austropazifismus stieß
ich
bei einem Zusammentreffen mit jungen österreichischen Journalistinnen und
Journalisten, die im Mai 2000, im Rahmen des Besuchs des SPÖ-Vorsitzenden
Alfred Gusenbauer, nach Paris gekommen waren. Sie waren einen Tag vor ihm
eingetroffen und wunderten sich darüber, daß der 8. Mai in Frankreich
ein
Feiertag sei. Als ich erklärte, da würde der Kapitulation
Hitlerdeutschlands gedacht, entrüstete sich eine Kollegin eines
Zeitgeistmagazins: «Das ist typisch französischer Nationalismus.
Da wird
uns und den Deutschen unsere Niederlage in Erinnerung gerufen.»
Mir kamen dabei die immensen Opfer und der phänomenale militärische
Kraftakt in den Sinn, die notwendig waren, um die alles verschlingende
NS-Maschinerie niederzuringen. Sollte dieser Opfer mit Rücksicht auf
deutsch-österreichische Befindlichkeit nicht mehr gedacht werden?
Sicherlich hat der 8. Mai 1945 in Frankreich eine «nationale» Schlagseite.
Die wohl unvermeidliche nationalistische Begleitmusik der Befreiung von der
deutschen Besatzung lieferte 1945 den atmosphärischen Rahmen für die
gleich
darauf einsetzenden Feldzüge Frankreichs gegen die aufbegehrenden Völker
der Kolonien, von Madagaskar über Indochina bis Algerien.
Im Schatten nationalistischer Verbrämung verschwanden auch die
Konturen der Judenverfolgung unter Frankreichs Kollaborationsregime. «Mort
pour la France» («Für Frankreich gefallen») hieß
es auf Schildern für die
eingangs erwähnten Résistancekämpfer. Da hatte diese Formel
auch durchaus
ihre Berechtigung - nicht aber auf den Mahntafeln für die aus Frankreich
als Juden deportierten Menschen. Deren unvergleichliches Schicksal wurde
durch das alleinige «Mort pour la France» bis zur Unkenntlichkeit
verwischt.
Diese Spurenverwischung hielt bis in die sechziger Jahre. Die Rolle
des hausgemachten französischen Antisemitismus und die breite Implikation
des französischen Behördenapparats blieben weitgehend tabu.
> Die Rettung der Mutter
Aber diesen Zustand, den Kommentatoren in Österreich und Deutschland noch
immer notorisch evozieren, gibt es längst nicht mehr. Frankreichs
Öffentlichkeit hat seit mindestens zwei Jahrzehnten mit diesen Tabus
aufgeräumt. So wie im übrigen auch die herkömmliche deutsch-österreichische
Lesart der französischen Kollaboration einen untauglichen Versuch zur
Schuldentlastung darstellt.
Wohl stimmt es, daß 76.000 Juden aus Frankreich in die deutschen
Vernichtungslager des Ostens deportiert werden konnten, weil ein
beträchtlicher Teil des französischen Behördenapparats, namentlich
Justiz
und Polizei, den NS-Besatzern beflissene Hilfe leistete. Auch hatte das
Kollaborationsregime von Philippe Pétain, gestützt auf eine lange
antijüdische Tradition der katholischen Bevölkerungsmehrheit, leichtes
Spiel, erste Diskriminierungsmaßnahmen zu ergreifen - noch bevor dies
von
den deutschen Besatzern verlangt wurde. Außerdem gingen 3000 Juden in
französischen Internierungslagern zugrunde.
All dem steht freilich gegenüber, daß drei Viertel der Juden auf
Frankreichs Boden überleben konnten - einer der höchsten Prozentsätze
an
Geretteten in Europa, wie der Anwalt Serge Klarsfeld, der konsequenteste
Betreiber der juristischen Aufarbeitung der Judenverfolgung in Frankreich,
nicht müde wird zu betonen. Dabei stammte die Mehrheit der Juden aus dem
Ausland, war also leicht etwa an ihrem Akzent zu erkennen. Die meisten
konnten den Häschern trotzdem entkommen, weil es eben doch -
verhältnismäßig - wenig Denunziationen gab. Auch konnten Frankreichs
Faschistengruppen keine auch nur annähernd mit dem Klima in Österreich
und
Deutschland vergleichbare antijüdische Massenhysterie erzeugen. Diese
Fakten fand ich auch durch die Erfahrungsberichte der mir persönlich
bekannten jüdischen Exilanten bestätigt, darunter meiner eigenen Mutter,
die auf der Flucht aus Österreich mit ihrer Familie 1939 nach Frankreich
gelangt war.
Mehr noch: Ein Teil des zutiefst antijüdisch geprägten katholischen
Klerus, der anfänglich die Diskriminierung der Juden sogar begrüßt
hatte,
änderte 1942 seine Haltung. Als sich die Razzien auf die sogenannte «freie
Zone» (das südöstliche Viertel Frankreichs, bis November 1942
unbesetzt und
von Pétain allein verwaltet) ausdehnten, legten die Erzbischöfe
von Lyon
und Toulouse Protest ein. In den Kirchen wurden Hirtenbriefe verlesen, die,
wenn man sie zur selben Zeit von den deutschsprachigen Kanzeln im Herzen
des NS-Reichs vernommen hätte, möglicherweise zahllose Leben gerettet
hätten.
Diese Reaktionen waren umso bedeutsamer, als der katholische
Klerikalismus zum ideologischen Kern des Regimes von Pétain gehörte
(ähnlich wie bei der Ständestaat-Diktatur in Österreich).
Ohne Anspruch auf Verallgemeinerung halte ich doch die Erlebnisse meiner
Mutter, Renée Wittels, für erwähnenswert: Sie war als 18jährige,
in
Begleitung eines meiner Onkel (damals fünf Jahre) und meiner Großmutter,
nach der Flucht aus Österreich durch Frankreich geirrt, bevor sie 1942
in
Thonon-les-Bains, knapp vor der Schweizer Grenze, von einem
Gendarmerietrupp aufgegriffen wurde. Der befehlshabende Offizier
verzichtete aber, unter großem persönlichem Risiko, auf die Auslieferung
an
die deutschen Besatzer und übergab sie der Obhut eines jungen Richters.
Dieser sollte sich in der Folge als frommer Katholik zu erkennen geben, der
unter Berufung auf seinen Glauben die Judenverfolgung als Sünde
bezeichnete. Der Richter brachte die Flüchtlinge in einem katholischen
Kloster unter, nachdem er sie vorher ausdrücklich gefragt hatte, ob sie
das
«nicht stören» (!) würde. Bis knapp vor der Befreiung
blieben sie in dem
Kloster versteckt. Als in den letzten Kriegstagen deutsche Truppen das
Gebäude beschlagnahmten, verteilten sich die Ordensschwestern mit ihren
Schützlingen in den Häusern der Nachbarn, wobei bis zuletzt alle
involvierten Personen beträchtliche Gefahren auf sich nahmen.
Bei der protestantischen Minderheit, die sich traditionell der
Anfeindungen der klerikal-katholischen Rechten erwehren mußte und schon
deswegen dem Pétain-Regime mißtrauisch gegenüberstand, gewährten
ganze
Dörfer in Südfrankreich Tausenden Juden Unterschlupf.
Die Haltungsänderung eines Teils der katholischen Kirche beruhte auf einer
Welle der Entrüstung in der Bevölkerung. Ab August 1942, so geht aus
damaligen Behördenberichten hervor, kippte in allen Regionen der - noch
-
unbesetzten Zone die Stimmung von Mißtrauen und Indifferenz gegenüber
den
Juden zugunsten eines manifesten Mitgefühls, in dem sich die eigene Wut
auf
die deutschen Machthaber mit der moralischen Empörung über die brutalen
Festnahmen jüdischer Familien vermengte. Man kann nur zu Tränen gerührt
sein, wenn man die damaligen an Pétain gerichteten Lageberichte der
Präfekten liest. Da ist von «tiefster Empörung der Mehrheit
der
Bevölkerung» die Rede, von «plötzlichem Mitleid der meisten
Einwohner für
die Israeliten», von «Gefühlsduselei der Masse, die die Gegner
der
Regierung (Pétains) ausschlachten».(3) Man kann darüber in
Wut geraten, daß
all diese Dokumente der Menschlichkeit immer wieder in Artikeln
österreichischer und deutscher Zeitungen über Frankreichs Kollaboration
nicht einmal erwähnt werden - so wieder zuletzt in einer fünfseitigen
Abhandlung des Frankreichkorrespondenten des «Spiegels» (Romain
Leick:
«Tabu Vichy», Spiegel Nr. 38/15.9.2001).
Der Stimmungsumschwung und die kirchlichen Proteste hatten
einschneidende Folgen: Pétains Behörden widersetzten sich ab September
1942
dem Druck der deutschen Besatzer, die ständig nach mehr Juden für
ihre
Vernichtungslager gierten. Es wurden aber immer weniger Juden aufgegriffen.
Um das Deportationsprogramm wieder anzukurbeln, beorderte Adolf Eichmann im
Juni 1943 seinen Landsmann Alois Brunner mit einer ganzen Gruppe weiterer
perfektionierter österreichischer Judenmörder nach Paris. Die in der
Fachliteratur als «Wiener Spezialisten» bezeichnete Gruppe um Brunner
versuchte durch frenetischen Eifer die Passivität der französischen
Behörden wettzumachen.
In weiterer Hinsicht muß man, bei allen Vergleichsversuchen, den
fundamentalen politgeschichtlichen Unterschied zwischen Österreich und
Frankreich fixieren. Die NS-Bewegung hatte in Deutschland, aber wohl noch
mehr in Österreich, nach Ausschaltung der sozialdemokratischen
Arbeiterbewegung 1934, einen politischen Triumphzug angetreten. Der
psychosoziale Angelpunkt dieser Massenbewegung war der Judenhaß. Die in
Österreich halbspontane «braune Revolution» legte den Grundstein
für eine
Form der allerbreitesten Massenloyalität, die der reine Terror von oben
nicht zustande gebracht hätte. Der Raub an den Juden und die schier
unwiderstehlichen militärischen Anfangseroberungen festigten diese
Loyalität. Als sich das Kriegsglück wendete, sahen sich viele, aus
Angst
vor einer Generalabrechnung für die im Namen einer
völkisch-eliminatorischen Ideologie begangenen Verbrechen, auf Gedeih und
Verderb an das NS-Regime gebunden. Die Niederlage wurde von etlichen
Österreichern als Schlußpunkt eines kollektiven Traums und Notlösung
akzeptiert, die sich schrittweise als gangbare Alternative entpuppen sollte.
Frankreichs Geschichte präsentiert sich im Vergleichszeitraum quasi
spiegelverkehrt. Wohl gab es in der Zwischenkriegszeit expandierende
faschistische Bewegungen, sie konnten aus eigener Kraft aber keine
siegreiche Dynamik entfalten. Diese Kreise empfanden die Niederlage
Frankreichs, mit den Worten eines ihrer Ideologen, als divine surprise
(göttliche Überraschung), die ihnen erst den Griff zur Macht ermöglichte.
Tatsächlich gelangte der greise Feldmarschall Pétain ans Ruder,
nachdem ihm
die Mehrheit der Parlamentarier, unter dem Schock des militärischen
Zusammenbruchs, Sondervollmachten überantwortet und sich selber
ausgeschaltet hatte. Aber Pétain war als General in Verdun im Ersten
Weltkrieg populär geworden. Da er für einen schonenden Einsatz der
Soldaten
eingetreten war, genoß er das Vertrauen der linken Pazifisten. Daß
er
mittlerweile in faschistischen Geheimbünden verkehrte und eine «nationale
Revolution» anstrebte, wußten nur die wenigsten. Für die allermeisten
Franzosen präsentierte sich die Kollaboration als Notlösung und Arrangement
mit einem Sieger.
> Verdrängung in Frankreich - NS-Erinnerungskultur in Österreich
In Österreich schien mir der Begriff der «Verdrängung»
immer schon
unangemessen: Die Tätergeneration, auf deren Repräsentanten ich in
meinen
Jugendjahren traf, rechtfertigte ja eher ihre Teilnahme am NS-Krieg und
wahrte sie oft in stolzem Andenken - von Kameradschaftsbünden über
«Landser»-Hefte und Gefallenendenkmäler (auf denen Widerstandskämpfer
und
hingerichtete Deserteure nicht aufscheinen) bis hin zu Kurt Waldheims
Bekenntnis «Ich habe nur meine Pflicht getan».
Auf eine treffende Kritik an der These von der österreichischen
«Verdrängung» stieß ich überdies in einem Aufsatz
von Rudolf Burger in den
siebziger Jahren. Burger schrieb damals sinngemäß (ich zitiere aus
dem
Gedächtnis): Nicht die Täter, sondern die Opferfamilien würden
«verdrängen», um ihre weitere Existenz zu bewältigen.
Die NS-Ära oder zumindest einige ihrer Aspekte wurden als intimes,
nach außen aber nicht vermittelbares Familienvermächtnis gepflegt.
Bei
einem kürzlichen Wien-Aufenthalt stieß ich wieder darauf: «Der
Haider soll
nicht über den Krieg reden, damit kommen wir im Ausland nicht durch»,
meinte ein ehemaliger Schulkollege bei einem Klassentreffen. Auch das
Schlagwort «vernadern» beinhaltet ja keine Klage über eine
Verleumdung,
sondern das Eingeständnis, daß ein sehr wohl stattgefundenes Vergehen
nicht
nach außen getragen werden soll.
Wenn irgendwo der Begriff der «Verdrängung» zutrifft, dann
wohl in
Frankreich: In den Nachkriegsjahren wurde, in der öffentlichen Diktion,
die
Kollaboration als das alleinige Werk einer Clique von - abgeurteilten -
«Landesverrätern» dargestellt. Der innerfranzösische Bürgerkrieg
zwischen
den Sicherheitskräften (Polizei, Gendarmerie und «Milice»)
des
Pétain-Regimes und den Gruppen der Résistance wurde ausgeblendet.
Wo
französische Beamte oder Milizionäre gegen die Résistance gewütet
hatten,
war nur mehr von den deutschen Okkupanten die Rede. Auch die
Judenverfolgung wurde als das alleinige Werk der deutschen Besatzer
dargestellt - Photos, auf denen französische Gendarmen als Bewacher von
Internierungslagern zu sehen waren, wurden nachretuschiert.
Allerdings hatte es knapp vor, während und nach der Befreiung eine
überschäumende und teilweise willkürliche Säuberung von
unten gegeben.
Diese wurde von der überwältigenden Volksbewegung getragen, die die
Résistance umgab und die in den letzten Kriegsjahren eine vergleichbare
-
politische - Dynamik entwickelt hatte, wie eben die NS-Bewegung in
Österreich rund um den «Anschluß».
Was in Frankreich historisch nachretuschiert wurde, war nicht die reale
Massensympathie für den Widerstand, sondern der Zeitpunkt ihres Beginns
als
organisierende Kraft eines zahlenmäßig bedeutsamen Potentials und
ihre
militärische Effizienz. Tatsächlich setzte ein starker Zustrom von
kampfbereiten jungen Männern erst ein, als Ende 1942 die Besatzer
darangingen, ganze Jahrgänge zur Zwangsarbeit nach Deutschland (und
Österreich) zu verschleppen und es ein Teil davon vorzog, in die Wälder
abzutauchen. Die militärische Schlagkraft der Résistance dürfte
nur gegen
Schluß knapp an die der Kollaborateure herangereicht haben.
Der heroisierende, antinazistische Gründungsmythos
Nachkriegs-Frankreichs war aber nicht primär für den Außenbedarf
angelegt,
er wurde zum entscheidenden Kitt der nationalen französischen
Post-Kriegs-Identität. Die Bevölkerung adoptierte diesen Mythos realiter
und betrachtete dies nicht bloß als Tarnrhetorik gegenüber einem
Sieger.
Der Kult um die Résistance und die Exilstreitkräfte von General
De Gaulle
begrub bis ins letzte Dorf jeden Anflug von Erinnerungskultur an das
Pétain-0Regime. Damit war aber auch in der Gefühlswelt der Franzosen
vorerst einmal klargestellt, wo Gut und Böse gestanden hatten - und damit
konnte und mußte eine Phase der konsensuellen Verdrängung und Beruhigung
im
Interesse des demokratischen Wiederaufbaus Frankreichs einsetzen.
Unterdessen hat aber das Pendel in Frankreichs öffentlicher
Selbstdarstellung längst wieder in eine andere, selbstkritische Richtung
ausgeschlagen - ein Faktum, das deutschen und österreichischen Beobachtern,
die noch immer von «nicht aufgearbeiteter französischer Vergangenheit»
faseln, entgangen ist.
Massenmedien, Historiker und Justiz zerren seit Ende der siebziger
Jahre vor allem die Rolle des Beamtenapparats bei der Judenverfolgung ans
Rampenlicht. Die Verantwortung der Beamten war das eigentliche Tabu. Der
sozialistische Präsident François Mitterrand (selber bis 1942 ein
Beamter
des Pétain-Regimes) warf seine ganze Autorität in die Waagschale,
um
Prozesse gegen hohe Staatsdiener zu verhindern.
> Chirac mutiger als Schüssel und Vranitzky
Chirac war da anders. Gleich nach seinem Amtsantritt, 1995, hielt der
gaullistische Präsident eine Rede bei einer Gedenkzeremonie für jene
13.000
Juden, die im Juli 1942 - im Auftrag der deutschen Besatzer, aber
ausgeführt durch die französische Polizei - festgenommen und in ein
Radstadion gepfercht worden waren, um später deportiert zu werden.
«Frankreich hat an jenem Tag eine nie wieder gutzumachende Tat begangen»,
erklärte Chirac. Die Teilnahme an der Judenverfolgung würde «für
immer die
Geschichte der Nation besudeln». Gegenüber den Opfern gebe es eine
«untilgbare Schuld».
Im Vergleich dazu wirkt die von Wolfgang Schüssel wiederaufgewärmte
österreichische Opfermär geradezu würdelos. Aber auch die - zu
Recht als
historischer Durchbruch gefeierte - Rede von Franz Vranitzky vor dem
Nationalrat im August 1991 erscheint leicht euphemisierend im Vergleich zu
Chiracs nationalem Schuldbekenntnis. So lauteten die Kernsätze von
Vranitzky: «Viele (Österreicher) haben Widerstand geleistet. (...)
Aber wir
dürfen nicht vergessen, daß es nicht wenige Österreicher gab,
die im Namen
dieses Regimes großes Leid über andere gebracht haben.»
Chiracs Mut zeigte sich aber vor allem darin, daß er mit einem
Glaubenssatz des Gaullismus brach, an den sich sein linker Vorgänger
Mitterrand noch geklammert hatte. Dieser lautete: Frankreichs Republik habe
mit dem Kollaborationsregime aufgehört zu existieren, ihre nach der
Befreiung auferstandenen Institutionen könnten für die in der Zwischenzeit
erfolgten Vergehen französischer Beamter nicht verantwortlich gemacht
werden. Das ist - vor dem Hintergrund der deutschen Besatzung - auch nicht
von der Hand zu weisen, außer daß eben das Parlament durch seine
Selbstausschaltung Frankreich in die Hände von Pétain gelegt hatte
und daß
der vor- und nachmalige Behördenapparat der Republik auch dem Pétain-Regime
gedient hatte. Gemessen aber an den zuvor geschilderten Reaktionen auf die
Judenverfolgung, erscheint die kollektive Schuldzuweisung an «Frankreich»
durch Chirac überzogen.
Trotzdem erklärten sich bei einer Umfrage 72 Prozent mit der Formel
von Chirac über «Frankreichs Verantwortung für die Deportation
der Juden»
einverstanden. Polizei- und Gendarmerieverbände folgten mit
Reueerklärungen. 1997 gab die französische Bischofskonferenz eine
«Sühne»-Erklärung ab, weil die katholische Kirche - trotz
der Proteste
gegen die Razzien - sich der antijüdischen Ideologie des Pétain-Regimes
kaum widersetzt hatte.
Höhepunkt dieser kollektiven Einkehr war der Prozeß gegen Maurice
Papon. Als hoher Beamter unter der deutschen Besatzung in Bordeaux hatte er
die Deportation von 1690 Juden organisiert. Nach dem Krieg fand er, wegen
Hilfsdiensten für die Résistance, bei den Gaullisten Aufnahme und
wurde
später sogar Minister. Erst in den achtziger Jahren wurde seine einstige
Rolle publik. Das gegen ihn angestrengte Verfahren wurde aber ständig
hinausgezögert. 1998 kam er dann doch in Bordeaux vor Gericht, wo der
89jährige zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.
Der sechsmonatige Prozeß wurde zu einem Geschichtskurs für die
Nation. Die Öffentlichkeit nahm breitesten Anteil, Dutzende Schulklassen
saßen abwechselnd im Gerichtssaal, alle Aspekte der Judenverfolgung wurden
von Historikern im Zeugenstand detailliert aufgerollt. Papon umgab ein
Klima der Ächtung, das schuldbeladenere NS-Verbrecher im deutschen Raum
nie
erlebt hatten: Erst fand er kein Hotel, das ihn beherbergen wollte (er
stand während des Prozesses auf freiem Fuß), und als er ins Gefängnis
eingeliefert wurde, empfingen ihn die Insassen mit Buhrufen.
Chiracs zuvor erwähnte Erklärung trägt seine ungestüme Handschrift,
sie war aber auch der symbolische Ausdruck dieser umfassenden kollektiven
historischen Introspektion. Natürlich spielten dabei auch die Juden
Frankreichs (rund 700.000, die zahlenmäßig bedeutendste jüdische
Bevölkerung Westeuropas) eine wichtige Rolle, ihr immer selbstbewußteres
Auftreten nach der schrittweisen Lösung aus der bleiernen Atmosphäre
der
Nachkriegsjahre.
Parallel dazu vollzog sich der Aufstieg und Fall des Front National
(FN) von Le Pen. Gegen ihn hatte Chirac den wohl prägendsten Kampf seiner
politischen Laufbahn auszufechten. Im Verlauf der fast zwanzigjährigen
sozialen Krise Frankreichs in den achtziger und neunziger Jahren (mit einer
Arbeitslosenrate von bis zu 13 Prozent) war der FN in urbanen Krisenzonen
und historisch vorbelasteten Regionen auf über zwanzig Prozent
hochgeschnellt. Le Pens Partei kam im Landesschnitt aber nie auf mehr als
15 Prozent. Mit den Erfolgen der Haider-FPÖ (die in einer sozial
unvergleichlich weniger belasteten Situation weitaus stärker expandierte)
konnte sie nie gleichziehen. 1998 wurde der FN durch eine Spaltung zwischen
dem Parteipatriarchen Le Pen und seinem ungeduldigen Möchtegern-Nachfolger
Bruno Megret aus der Bahn geworfen.
Dieses innere Zerwürfnis des FN ist auch das Verdienst von Jacques
Chirac. Seine unerbittliche Ausgrenzungspolitik gegenüber dem FN blockierte
seine Entfaltungsperspektiven und beschleunigte seine Implosion. Bei zwei
wichtigen Wahlgängen, darunter den für ihn verheerenden Parlamentswahlen
1997, nahm Chirac, durch das Ausschlagen jeglicher Absprachen mit dem FN,
Niederlagen bewußt in Kauf. Das sollte dem FN das Genick brechen.
So sehr dieser Überlebenskampf Chiracs gegen Le Pen auch von
taktischem Kalkül geprägt war, so sehr hatte dieses schlußendlich
erfolgreiche Duell für Chirac auch eine identitätsstiftende Rolle.
Indem er
alle Brücken nach rechtsaußen abbrach, traf er auch eine nachhaltige
strategische Kurswahl.
In diese Zeitspanne fallen auch die Gespräche mit Vertretern der ÖVP,
die
Chirac immerzu versicherten, sie würden genauso mit der FPÖ verfahren,
ein
Bündnis sei ganz ausgeschlossen. Chirac unterhielt zu Alois Mock und
Andreas Khol ein freundschaftliches Verhältnis. Beide bekamen von ihm 1996
die Mitgliedschaft in der Ehrenlegion verliehen. Schüssel sparte auch nicht
mit derartigen Versprechen. Die spätere Wut Chiracs über Schüssels
Schwenk
zur FPÖ erklärt sich nicht zuletzt aus diesem Gefühl, hintergangen
worden
zu sein.
Chirac konnte die Abwehrschlacht gegen den FN aber auch gewinnen,
weil Le Pen, wie eingangs ausgeführt, bis zu einem gewissen Grad ein
historisches Erbe verkörperte, das Frankreichs nationaler
Nachkriegsidentität zuwiderlief. Es gab zwar auch vereinzelte
Résistance-Veteranen im FN, und Le Pen schwadronierte über seine
eigene -
höchst zweifelhafte - Teilnahme am Widerstand als Halbwüchsiger. Auch
versuchte Le Pen eine Zeitlang, ebenso vergeblich wie Haider bei seinem
Ritt nach Kanada, in Synagogen und jüdischen Gemeindenzentren empfangen
zu
werden. Aber zum historischen Kern des FN gehörten vor allem Veteranen
der
total marginalisierten ultrakollaborationistischen Kräfte. Le Pen mußte
daher ständig gegen einen mächtigen Strom in der Bevölkerung
schwimmen.
Auf historisch bedingte Loyalitäten mit Massencharakter konnte Le
Pen nur in Südostfrankreich zählen. Eine relevante faschistische
Vorkriegstradition und vor allem eine starke Präsenz von aus Algerien
vertriebenen Franzosen ergaben dort zusammen einen Wählerpolster, der den
FN schneller als anderswo auf ernstzunehmende Stimmenhöhe katapultierte.
Eine ähnliche Bedeutung als primäres Wählertrampolin für
Le Pen hatte auch
noch das Elsaß mit seiner phasenweise deutschnationalen Geschichte.
Der diesbezügliche Unterschied zur FPÖ liegt auf der Hand: Hatte er
einmal die Prämissen für die altneue Rechtsorientierung der Partei
gelegt,
konnte sich Haider, im Gegensatz zu Le Pen, auf ein viel breiteres und
gleichmäßiger verteiltes historisches Startpotential stützen.
Nicht nur,
daß die FPÖ altbraune Wähler neu mobilisierte, die zuvor oft
in die
Enthaltung gerutscht waren. Viel bedeutender war die postnazistische
Erinnerungskultur, die von Haider sowohl wieder bestärkt als auch genützt
wurde. Umfragen zeigen seit Ende des Kriegs kontinuierlich, daß über
vierzig Prozent der Österreicher darauf beharren, daß der
Nationalsozialismus «sowohl Gutes als auch Schlechtes» gebracht
habe. Bei
Aufschlüsselung nach Parteipräferenz merkt man, daß unter den
FPÖ-Anhängern
weitaus mehr (über sechzig Prozent) diesem - teilweisen und getarnten -
Lob
für das NS-System zustimmen, so wie das eben Haider punktgenau vor- und
nachexerziert.
Diese postnazistische Massenidentität umfaßt nicht nur die
aussterbende Kriegsgeneration, die eben durch Krieg, Niederlage und
Erinnerung an ursprünglich andere Politsympathien oft innere Hemmschwellen
vor einem Rückfall entwickelte. Wichtiger dürfte die Rolle jener
Generationen sein, deren Kindheit oder Jugend unter der Totalindoktrination
des NS-Regimes erfolgte - ein Phänomen, das noch zuwenig erforscht wurde.
Da liegen die Wurzeln für die nachhaltige Präsenz starker antijüdischer
und
deutschnationaler Strömungen an Österreichs Hochschulen bis in die
sechziger Jahre. Diese Generationen stellen noch heute einen Teil der
Bildungs- und Wirtschaftseliten Österreichs.
Schließlich wurde in Familien, in Freizeitvereinen (Stichwort ÖTB)
oder im Wirtshaus eine teilweise rechtfertigende bis positive
Interpretation der NS-Ära an die jüngsten Generationen weitergereicht.
Wie sehr diese Denkmuster noch immer präsent sind, wurde mir erst
wieder schmerzhaft durch ein Gespräch mit einem österreichischen Freund
in
Paris in Erinnerung gerufen. Zuvor hatte ich ihn als sensiblen
Diskussionspartner schätzen gelernt. Umso überraschter war ich, als
er
(noch vor den Wahlen von 1999 und den Sanktionen) bei einem privaten Dialog
sein Verständnis für den Aufschwung Haiders folgendermaßen bekundete:
SPÖ
und ÖVP würden, so meinte er, bei ihrer Schuldzuweisung an die
Kriegsgeneration «zu weit gehen». Da sei es nicht erstaunlich, daß
immer
mehr Wähler für Haider stimmten. Da ich nicht genau wußte, was
er nun damit
meinte, fragte ich, ob die Erklärung Vranitzkys von 1991 schon «zu
weit»
gehe. «Ja, wahrscheinlich», antwortete er nach einigem Zögern.
Um mich
anschließend auch noch darüber aufzuklären, daß Juden
nach dem Krieg in dem
Bundesland, aus dem er stammt, sich «sowieso» wieder als allzu erfolgreiche
Geschäftsleute etabliert hätten.
Was vielleicht noch erwähnenswert ist: Während der Sanktionsphase
nahmen wir beide an einer Diskussion eines französischen TV-Senders teil,
und da erklärte derselbe Freund, die Wähler hätten für Haider
nicht wegen,
sondern trotz dessen einschlägiger Äußerungen gestimmt.
Zweifellos wäre es absurd, die Wahlerfolge Haiders auf sein Verhältnis
zur
NS-Vergangenheit zu reduzieren. Aber mein Bekannter hatte in seiner nicht
für die Öffentlichkeit gedachten Interpretation die diesbezügliche
Attraktionskraft des FPÖ-Tribuns richtig resümiert: Haider konnte
die
Grundstimmung eines Teils der Bevölkerung für sich mobilisieren, eben
weil
ihre Erinnerungskultur zunehmend in Bedrängnis geraten war.
Das ist nun aber auch das Verdienst neuer Generationen von
österreichischen Journalisten, Lehrern und Forschern, die der
NS-Vergangenheit so massiv wie nie zuvor zu Leibe gerückt sind. Dahinter
steckt wohl ein soziales Phänomen: die Entfaltung einer neuen, urbanen,
gebildeten und weltoffenen Mittelschicht, die ansatzweise an die Rolle der
jüdischen Mittelschicht der Zwischenkriegszeit erinnert, aber nun der
katholischen Mehrheitsbevölkerung entstammt. Der Wandel ist wohl an den
Unis am greifbarsten. Die Resultate der letzten Hochschülerschaftswahlen
sind trotz der - traditionell - geringen Beteiligung signifikant: Der einst
mächtige Ring Freiheitlicher Studenten sackte auf ein einziges ÖH-Mandat
ab.
> «Moscovici - Rabinovici»
Es ist genau dieses neue Mittelschichtspotential, an dem in den
westeuropäischen Gesellschaften wohl keine politische Kraft vorbeikommen
kann und an dem auch in Frankreich Le Pen scheiterte. Damit sind wir bei
der Rolle der französischen Juden angelangt. Obwohl diese sich auf fast
alle sozialen Gruppen verteilen, ist ihr Gewicht im urbanen
Mittelschichtsmileu am stärksten. Viele kommen aus Familien, die aus
altösterreichischen Gebieten stammen oder direkt aus Österreich 1938
geflüchtet sind, andere wurden von den NS-Besatzern in österreichische
Lager deportiert. Nicht alle Erfahrungen mit Österreichern waren negativ,
aber viele haben die Erinnerung an den rabiaten Judenhaß österreichischer
Prägung bewahrt. Da schwärte eine seelische Wunde, die durch die
einschlägigen Affären, von Kreisky/Peter über Frischenschlager/Reder
und
Waldheim bis zu Haider, ständig aufs neue aufgerissen wurde.
Gleichzeitig führte das seit Jahren anwachsende Interesse der
französischen Bildungsschichten für die österreichische Kultur
der
Jahrhundertwende und Zwischenkriegszeit, die ja vom offiziellen Österreich
als Visitenkarte hochgehalten wurde, notgedrungen auch zu erhöhter
Aufmerksamkeit für das politische Rahmenklima.
Vor allem aber wurde in Frankreich die Durchleuchtung der eigenen
Verstrickung in den Holocaust, die Neubewertung und erst in den letzten
Jahren vollends erfaßte Dimension dieses Zivilisationsbruchs, wie in allen
westlichen Staaten, zum Angelpunkt des fundamentalpolitischen
Selbstverständnisses gerade der neuen Mittelschichten.
Dabei ist der Einfluß von Persönlichkeiten, die mit dem jüdischen
Schicksal familiär verbunden sind, wohl nur ein Faktor unter vielen, die
die Heftigkeit der französischen Reaktion auf Haider erklärt. Das
ist auch
anhand der unterschiedlichen Positionen der Regierungsmitglieder
illustrierbar. Insgesamt wollte und konnte die Linksregierung nicht
gegenüber dem vorpreschenden bürgerlichen Präsidenten zurückstehen.
Aber
inoffiziell gab es diverse Einstellungen zu den Sanktionen. Ein bestimmter
Typus österreichischer Journalisten biß sich am Europa-Minister Pierre
Moscovici fest, der aus einer jüdischen Familie stammt. Dessen Name mußte
bei Wolf Martin in der «Kronen Zeitung» für einen seiner infamen
Schüttelreime herhalten, in dem er «Moscovici» und (Doron)
«Rabinovici»
verband (15.9.2000).
Aber andere Kabinettsmitglieder, ohne jüdischen Familienhintergrund,
waren in ihrer Ablehnung der Wiener Koalition deutlicher: etwa Martine
Aubry, damals Sozialministerin und Tochter des Ex-EU-Bosses und engagierten
Katholiken Jacques Delors. Dasselbe galt für die Justizministerin Elisabeth
Guigou. Umgekehrt befürwortete Finanzminister Laurent Fabius, der aus einer
jüdischen Familie stammt, die rasche Aufhebung der Sanktionen.
Die diesbezüglichen Bruchlinien in Frankreichs Regierung folgten
also keinem Schema Jude/Nichtjude, sondern anderen Kriterien: Frauen
empörten sich heftiger über Schwarz-blau, die Kommunisten und die
grüne
Umweltministerin mauerten naturgemäß gegen die Wiener Koalition,
bemühten
sich aber besonders um Kontakte zu Österreichs Zivilgesellschaft.
Die deutlichste Trennlinie lautete aber: Jene Ministerinnen und
Minister, die sich am weitesten in Sachen EU-Integration und
Souveränitätsverschränkung vorwagten und die auch gegenüber
den regionalen
Minderheiten in Frankreich am liberalsten waren, also genau jene, die dem
Klischee von «Frankreichs Nationalismus» am wenigsten entsprachen,
waren
auch diejenigen, die sich am weitesten in Sachen Österreich hinauslehnten.
Eben weil sie die EU als zusammenwachsende Politunion verstanden. Die
gegenüber der EU-Integration vorsichtigeren Regierungsmitglieder (etwa
Außenminister Hubert Vedrine) oder gar EU-feindlichen «Souveränisten»
waren
von den Sanktionen am wenigsten angetan. Ex-Innenminister Jean-Pierre
Chevènement, der aus Ablehnung eines Autonomieplans für Korsika
inzwischen
zurückgetreten ist und mit dubiosen antideutschen Pauschalierungen gegen
die EU Stimmung machte, war in der Regierung der deutlichste
Sanktionsgegner gewesen. Chevènement schmeichelte seinem österreichischen
Amtskollegen bei EU-Ministerräten, indem er ihn an seiner Seite plazierte.
Bei der Motivation Chiracs für seinen Sanktionsvorstoß haben wir
bereits drei ineinandergreifende Faktoren ausgemacht: die neue
Positionierung gegenüber dem Holocaust im Geschichtsbild der Nation, die
identitätsstiftende Schlacht gegen Le Pen und die Wut über den als
Verrat
empfundenen Schwenk der ÖVP zur Koalition mit der FPÖ.
Diese drei Faktoren erscheinen wiederum in das Selbstverständnis der
neuen Mittelschichten eingebettet, das auch für Chirac wegweisend wurde.
Seine Berater kommen oft aus der linken Mitte. Er verkehrt regelmäßig
mit
Sprechern antirassistischer Organisationen und mit Intellektuellen, die vom
Mai 1968 geprägt sind.
Darunter befinden sich selbstredend auch Juden. Von daher auf eine
«jüdische Lobby» zu schließen, die Chirac die Sanktionsentscheidung
diktiert hätte, wäre aber absurd. Nicht alle jüdischen Intellektuellen
nahmen dazu dieselbe Haltung ein. Und wie gering der Einfluß organisierter
jüdischer Gemeindevertreter auf Chirac ist, läßt sich an ihrem
zentralen
Anliegen, der Unterstützung für Israel, ermessen. Mit seinem
propalästinensischen Engagement wurde Chirac zum Buhmann vieler
französischer Juden. Hingegen konnte er damit bei den französischen
Moslems
punkten und seinen Rivalen für die Präsidentschaftswahlen, Jospin,
ausstechen.
Diese Rivalität mit Jospin war ein weiterer Faktor für Chiracs
Initiative gegen Österreichs Regierung. Chirac ging es auch darum, den
bedächtigeren Jospin durch einen schnellen Vorstoß in links konnotierte
Politgefilde unter Zugzwang zu setzen und ihm Anhänger streitig zu machen.
Dabei konnte sich Chirac gleich auf beide Varianten der französischen
Erinnerungskultur stützen: die neuere, selbstkritische und
Holocaust-zentrierte Vision, aber auch auf die traditionelle gaullistische
und - wenn man so will - nationale Opferthese. Hatte doch Haider mit seinem
Lob für die SS einen zentralen Gedächtnisnerv Frankreichs getroffen:
die
Erinnerung an das SS-Massaker von Oradour.
Deshalb fand Chirac auch die Unterstützung der meisten bürgerlichen
Persönlichkeiten, darunter jene des Christdemokraten François Bayrou.
Dieser Zentrumspolitiker, der sich als innerbürgerlicher Kritiker von
Chirac profiliert, wird bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn antreten.
Aber während der Sanktionen schlug sich Bayrou, an der Seite Chiracs,
innerhalb der EVP, der Dachorganisation der europäischen
Mitte-rechts-Parteien, mit Bravour gegen die vereinten Bemühungen von CDU
und ÖVP, die Wiener Koalition zu verharmlosen.
Es ist bemerkenswert, daß in Österreich dieses Engagement der
französischen Christdemokraten kaum zur Kenntnis genommen wurde. Das dürfte
wohl daran gelegen sein, daß man Bayrou schwerlich mit antijüdischen
Untergriffen angehen konnte. Auch paßte er nicht in die österreichische
Verdrehungsformel, die da hieß: Ein arroganter Chirac würde sich
eine
Machtdemonstration auf Kosten eines harmlosen Kleinstaats leisten.
In Wirklichkeit konnte sich Chirac dermaßen engagieren, weil die
Entwicklung in Österreich tiefsitzende Ängste in Frankreich geweckt
hatte.
Eben erst war nach langem und zähem Ringen Le Pen gestopt worden, da griff
eine Art Doppelgänger in Wien zur Macht - als Vorbote nationalistischer
Einpeitscher unter den EU-Beitrittskandidaten in Osteuropa, als möglicher
Wegbereiter eines alldeutschen Separatismus in der EU, begleitet von der
Rückkehr völkischer Gemetzel an den Pforten der EU, in Ex-Jugoslawien.
Haider erschien als Brandstifter an den einstweilen befriedeten
Nahtstellen zwischen den Kernstaaten der EU, als potentieller Katalysator
von Neubündnissen entlang der Bruchlinien zwischen deutschen und
romanischen Sprachgebieten - in Kombination mit einem nordeuropäischen
Absetzprozeß und Wohlstandsseparatismus gegenüber Südeuropa
- man denke nur
an sein ursprüngliches Naheverhältnis zu Umberto Bossi und seinen
«Es lebe
Padanien»-Ruf.
> Wiegen Chiracs Affären Haiders Sprüche auf?
Weil der Vorstoß der EU-14 aber die Handschrift von Chirac trug, hatte
er
von Anfang an auch seine Schwächen und Stärken. Einer der Freunde
Chiracs
sagte über ihn: «Chirac ist wie ein Fußballer, der bis zum
gegnerischen Tor
vorstürmt und erst dann merkt, daß er den Ball vergessen hat.»
Es ist
wahrscheinlich, daß sich Chirac nicht allzuviele Gedanken machte über
die
weiteren Folgen. In seinem Umkreis setzte man auf ein schnelles Platzen der
Koalition. Für ein anderes Szenario war nicht vorgesorgt. Allerdings hätte
sich eine überlegtere Persönlichkeit möglicherweise zu gar keiner
Reaktion
durchgerungen.
Womit wir wieder bei der Frage angelangt wären, wie in so einem Fall
das Kräfteverhältnis in Österreich und in der Koalition ausgeschaut
hätte.
Die Verteidiger der Koalition verweisen auf das Ausbleiben relevanter
Eingriffe im Bereich der demokratischen Grundrechte sowie im Umgang mit
Migranten, ja daß diese Regierung einen Durchbruch bei den Restitutionen
gebracht habe. Aber es wäre naiv anzunehmen, daß die Dinge ohne äußeren
Druck ebenso verlaufen wären. Dieser Teilerfolg der Sanktionen, inklusive
des formalen Führungsrücktritts Haiders, führte aber gleichzeitig
zur
internationalen Entwarnung. Die Wirksamkeit der Sanktionen sorgte also auch
für ihre Delegitimierung.
Frankreichs Entscheidungsträger konnten sich dieser Erkenntnis
ebensowenig entziehen wie den immer eindringlicheren Appellen der
österreichischen Opposition gegen den Fortbestand der Sanktionen. Auch
hatte in der Öffentlichkeit Frankreichs, seit dem Anfangsschock über
das
Phänomen Haider, das Interesse an Österreich nachgelassen, parallel
zur
zuvor beschriebenen «Entwarnung».
Französische Diplomaten, die die Sanktionen stets als einen Verstoß
gegen
die guten Sitten empfunden hatten, warteten schon ungeduldig auf die
erlösende Rückkehr zum alten Trott. Der sich abzeichnende Wahlsieg
der
Rechtsallianz in Italien stellte die Sanktionsbefürworter obendrein vor
ein
unlösbares Problem (auch wenn Chirac ursprünglich für diesen
Fall, kopfüber
wie immer, Sanktionen gegen Italien angekündigt hatte).
Als dann, zeitgleich zur französischen EU-Präsidentschaft, der
Zerfall der 14er-Front immer schärfere Konturen annahm und sich mit den
übrigen EU-internen Gegensätzen (klein versus groß, Souveränisten
versus
Integrationisten) zu vermischen drohte, blieb Frankreichs Staatsführung
nichts anderes mehr übrig, als der Aufhebung der Sanktionen zuzustimmen.
Trotzdem kann von einer Pattsituation gesprochen werden. Auf
EU-Gremien-Ebene wurde die Kodifizierung jener Grundwerte in Angriff
genommen, die die Bandbreite des demokratischen und menschenrechtlichen
Konsenses gegenüber ihren potentiellen Gegnern effizient abstecken soll.
Auf der Ebene der Öffentlichkeit wirkt das Tauziehen mit dem
Nationalpopulismus à la Haider einstweilen eingefroren.
Aus österreichischer Sicht kann allerdings das Duell zwischen Chirac
und Haider über einen Umweg eine Fortsetzung finden. Zum Zeitpunkt der
Fertigstellung dieses Artikels gilt Chirac, laut Umfragen, als
aussichtsreichster Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im April
2002.
Er ist aber auch in eine Reihe von Skandalen um Pfründe, Korruption,
illegale Parteienfinanzierung und Manipulation von Wählerlisten verwickelt,
die auf seine Amtszeit als Pariser Bürgermeister (1977- 1995) zurückgeht.
Frankreichs Justiz und Medien setzten Chirac beharrlich zu,
scheiterten aber an formalrechtlichen Schachzügen des Präsidentenamts.
Chiracs zumindest bisher intakte Popularität beruht darauf, daß etliche
Franzosen seine schlichte Direktheit inklusive der damit verbundenen
Fehlleistungen als Volksnähe empfinden. Wobei seine Affären als Regelfälle
im Politmilieu abgetan werden.
Sein Überlebensgeschick muß aber nicht ewig währen. Für
Frankreichs
rechtsstaatliche Hygiene wäre das Ende der Karriere von Chirac
wünschenswert. Diese Feststellung schmälert in keinster Weise sein
persönliches Verdienst in der europäischen Mobilisierung gegen Haider.
Wie auch immer aber Chiracs politische Zukunft verlaufen mag, in
Österreich werden Kommentatoren, wie bereits bisher, Chirac gegen Haider
aufwiegen, die Affären des einen gegen die Politik des anderen. Aber kann
man das, wofür Haider mit seinen einschlägigen Sprüchen steht,
egal, ob er
sie nun in real-aktuelle Taten umzusetzen vermag oder nicht, überhaupt
mit
den illegalen Winkelzügen eines Chirac vergleichen? Zeugen solche
Aufrechnungen nicht bereits von moralischer Verwirrung?
Anmerkungen:
(1) Evan Burr Bukey: Hitlers Österreich. Hamburg/Wien 2001, S. 216: «In
Österreich bildete der Antisemitismus (...) das integrative Element für
die
NS-Herrschaft. Er war das unwiderstehliche Leitmotiv.»
(2) Berichte über den Prozeß gegen L. Mulford erschienen in den Wiener
Tageszeitungen am 4. und 5.4.2001.
(3) Serge Klarsfeld: Vichy - Auschwitz. Paris 1983, 1. Bd., S. 163.
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AKTIONEN UND ANKÜNDIGUNGEN
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03 04 AKG/Filmvorfuehrung/Primocic
From: neuwahlen
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Wer für ein Ende von Schwarzblau ist, kann hier was tun:
!!!! BürgerInnen-Initiative Neuwahlen !!!!!
s. www.neuwahlen.at
am 15.2. gegründet, haben wir unser Anliegen "Unverzügliche Neuwahlen"
am
5.3. 2002 nach einer Pressekonferenz im Parlament eingebracht.
Wir sammeln sofort weiter, denn:
WIR WOLLEN SO VIELE UNTERSCHRIFTEN WIE MÖGLICH!!!
(Angesichts Integrationsvertrag, eklatanten Verfassungsbrüchen, die
hingenommen werden und überhaupt ...)
Bericht und Pressematerial auf:
s.www.neuwahlen.at >> Termine>>
dort auch Infos und Formulare zum Unterschreiben und selbersammeln
außerdem ist die BI bereits auf parlament.gv.at >> Liste der Bis
zu finden. -
ein guter APA/Kurier-Bericht ebenfalls auf der home-page
Gewerkschafter und Kabarettisten, PensionistInnen und SchriftstellerInnen,
Univ.profs und Angestellte zählen zu den ProponentInnen
Wir sammeln bereits weiter Unterschriften; je mehr sich aktiv beteiligen,
desto mehr Menschen erfahren davon und können unterschreiben, wenn sie
wollen.
nächsten offenen Treffen der BI: * Freitag, 15. März:, 17h Amerlinghaus
Rückmeldungen, Meinungen, Ideen, willkommen
Finanzielle Unterstützung bitte auf:
bawag (blz 14.000), Kontonummer 05310031161, w.t.,
Verwendungszweck: BI Neuwahlen
lg f.d. Org.gruppe
chr
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04 Niemals zum Objekt machen...lassen
From: Listsender <listmaster@opentheory.org>
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Annette Schlemm <annette.schlemm@t-online.de> hat ein neues
Projekt aktiviert!
Link:
http://www.opentheory.org/subjekt/text.phtml
Projekt-Titel:
Niemals zum Objekt machen...lassen
Beschreibung:
Was lässt sich für eine emanzipative Vision und Strategie aus einem
Standpunkt ableiten, der konsequent von Menschen als Subjekten ihrer
Selbstentfaltung ausgeht?
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05 veranstaltungshinweis
Von: "grauzone spam" <grauzone@catbull.com>
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An: <widerstand@no-racism.net>
Datum: Sat, 16 Mar 2002 21:25:06 +0100
::::::::: GRAUZONE und K.U.U.G.E.L. laden ein :::::::::::::
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PLAKAT MACHT POLITIK
Ein bewegter Diaabend mit ausgewählten politischen Plakaten,
dem neuen Plakatbuch "VORWÄRTS BIS ZUM NIEDER MIT".
Vortrag und Diskussion mit Markus Mohr von HKS 13
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Donnerstag 21. März 2002 @ Bierstindl
Beginn: 20:30
NACHSCHLAG:
Broken Arm Soundsystem
Terrorkitchen
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VORWÄRTS BIS ZUM NIEDER MIT
30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen
HKS 13 (Hg.) / Verlag Assoziation A
Nach dem großen Erfolg des ersten Plakatbuchs HOCH DIE KAMPF DEM hat die
Herausgebergruppe HKS 13 weitere 4.000 Plakate recherchiert und
fotografiert. VORWÄRTS BIS ZUM NIEDER MIT werden ca. 500 politische
Plakate der unterschiedlichsten Bewegungen abgebildet und kritisch
kommentiert. Darüber hinaus werden insgesamt 7.000 Plakate auf beiliegenden
CD-ROM zugänglich gemacht.
VORWÄRTS BIS ZUM NIEDER MIT soll der Reflexion der linken
außerparlamentarischen Bewegungen dienen: Plakate können als
Quellen
manchmal mehr über Sinn und Unsinn politischer Positionierungen sagen
als
jeder noch so gute Text. Die Zusammenstellung alter Plakate hat für
zeitgenössische AktivistInnen als »Erinnerungsalbum« zudem
einen sozusagen
romantischen Gebrauchswert. Darüber hinaus soll es politische AktivistInnen
von heute und morgen ermuntern, Plakate nicht gedankenlos als »verlängerte
Flugblätter« zu mißbrauchen.
Das Buch enthält Beiträge und Plakate zu folgenden Themen:
Solidarität und ihre Metaphern; Armut Arbeitslosigkeit Reichtum;
Imageverschmutzung; Antisemitische Stereotype und visuelle Gegenstrategien;
Gen- und Biotechnologie; Plakatkultur in der »linksradikalen Provinz«;
Anti-Apartheid-Bewegung; Chile-Solidarität; schwule und Queer-Plakate;
Plakate der APO; Plakate der ML-Parteien; »Eine kleine Waffenkunde«
- zur
plakativen Darstellung von Militanz; Knastplakate; Revue politischer Plakate
weltweit. Layoutleitfaden: Wie mache ich ein gutes Plakat.
Weitere Rezensionen:
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/sanis/aktuell/buecher/index.htm#1
http://www.graswurzel.net/246/hochdie.shtml
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Wie immer: der Rest und mehr auf
http://www.catbull.com/grauzone
und
http://kuugel.redefreiheit.net
><<>><<>><<>><<>><<>><<>><<>><<>><<>><<>><<>><
MELDUNGEN UND KOMMENTARE
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06 Subject: US Nukleardoktrin auf meiner Home Page
von: Georg Schoefbaenker <schoefbaenker@aon.at>
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Werte InteressentInnen,
ich schmarotze hier von der email-Adressen-Liste des Friedensbüros Salzburg
und
möchte bekannt geben, daß die in den Medien in letzter Zeit diskutierte
"neue
Nuklearstrategie" der USA, die auch den Einsatz von substrategischen
Kernwaffen
enthält, nun auf meiner Home Page unter
http://members.aon.at/oisr/terror_krise/nuke_posture_review_8_01_02.pdf
nachzulesen ist (19 Seiten, pdf). Einige Bemerkungen zur Entstehung dieses
Dokumentes, seiner politischen Interpretation und wie es an die Öffentlichkeit
gelangte.
1) Die Überarbeitung der Nuklearpolitik der USA wurde vom Kongress beauftragt
(an die Regierung) und war seit langem abzuarbeiten. Schon im Wahlkampf 2000
hatten sich der jetzige Präsident Bush Junior und ihm nahestehende
Strategieberater für eine Reduktion der "großen", also
strategischen
Kernwaffenbestände ausgesprochen und diesen Reduktionsplan zwar eingehalten,
Aufwuchskapazitäten vorbehalten.
2) Schon vor den Terroranschlägen des 11. Sept gegen die USA war eine
Nuklearplanung festzustellen, die auch Nicht-Kernwaffenstaaten mit Kernwaffen
bedrohte und vor allem auch nicht staatliche Akteure und als Abschreckung
gegen
B-und-C-Waffen-Bedrohungen dienen sollte (kompliziert, kann ich hier nicht
näher
ausführen)
3) Diese sog. Nuclear Posture Review ist ein politisches Grundlagen- und
Planungsdokument und als solches diskussionswürdig. Es bildet aber nicht
die
konkreten militärischen Planungen ab, wofür es wesentlich differenzierte
Quellen
gibt. Auszüge davon wurden zuerst zitiert in der Los Angeles Times vor
ca
einer
Woche, von Bill Arkin, ein ganz alter Hase, der mit Co-Autoren Grundlagen und
Standardwerke seit den 80er Jahren zur US-Nuklearstrategie geschrieben hatte.
Danach hatte die New York Times offenbar ein Exemplar und gestern habe ich
eines
bekommen und es natürlich auch gleich ins Netz gestellt. (Die
Erstveröffentlichung liegt bei John Pike, auch einer "alter Hase",
vormals bei
der Federation of American Scientists und nun mit eigenem Forschungsbüro
unter
www.globalsecurity.org). Don Rumsfeld, der Verteidigungsminister meinte
vorgestern, Pike's Erst-Veröffentlichung sein ein Verstoß gegen verschiedene
Bestimmungen des US-Militärstrafrechts. Pike wird das wenig stören,
mich auch
nicht. Was im Netz steht, kann nicht mehr rückgänig gemacht werden.
4) Ganz kurz zur Medienreaktion (Siehe etwa Standard-Cartoon vom 15.3). In der
Tat ist der Zeitpunkt, an dem dieses Dokument in Auszügen die Öffentlichkeit
erreichte, interessant, weil wir uns gerade in einer Vorkriegsphase USA gegen
Irak befinden und dieses Dokument als Abschreckungslektion gelesen werden
kann.
Inhaltlich ist aber nicht wirklich etwas Neues daran, dieser Aspekt der
US-Militärplanung hat lediglich eine größere Öffentlichkeit
erreicht und das
ist
natürlich gut so.
5) Ich kann leider per email keine Fragen beantworten, weil mein Zeitbudget
dafür nicht ausreicht, stehe jedoch etwaigen Einladungen vor Vorträgen
zu
diesem
Thema recht positiv gegenüber.
Sorry für Tipfehler in der Eile und mit Bitte um eine Weiterverbreitung
dieser
Nachricht.
Georg Schöfbänker
15.3.02
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07 § 209: HOSI Wien fordert sofortiges Verurteilungsmoratorium
Von: "Kurt Krickler" <office@hosiwien.at>
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Medienaussendung der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien vom 16. März
2002
Homosexuelle/§ 209/Verfassungsgerichtshof/HOSI Wien
Nach weiterer Verzögerung der Aufhebung des § 209 durch den VfGH:
HOSI Wien fordert Verurteilungsmoratorium
"Es ist uns unbegreiflich, warum der Verfassungsgerichtshof die ohnehin
unausweichliche Aufhebung des menschenrechtswidrigen Paragraphen 209 weiter
hinauszögert und damit weitere Opfer bewußt in Kauf nimmt",
kommentiert
HOSI-Wien-Obmann Christian Högl den Umstand, daß der VfGH diese Woche
seine
Entscheidung auf die nächste Session vertagt hat, "denn der Ausgang
der
Sache ist von internationalen Menschenrechtsorganen wie der Europäischen
Menschenrechtskommission und dem UNO-Ausschuß für Menschenrechte
ohnehin
bereits vorweggenommen worden. Alles andere als die Feststellung der
Menschenrechts- und Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung würde die
Blamage des VfGH nur vergrößern. Die Sache ist längst entschieden
und daher
auch für den VfGH entscheidungsreif."
Keine Urteile in 209er-Verfahren mehr bis zur endgültigen Aufhebung
"Wir appellieren daher an Österreichs Richter und Richterinnen",
erklärt
Högl weiter, "bis zur endgültigen Aufhebung des § 209 StGB
durch den VfGH
keine Urteile in 209er-Verfahren mehr zu fällen. Angesichts dieser nicht
nachvollziehbaren Verzögerung sind Österreichs Richter und Richterinnen
jetzt aufgefordert, sich der Haltung des Oberlandesgerichts Innsbruck
anzuschließen, das sich wegen verfassungsmäßiger Bedenken geweigert
hat, §
209 anzuwenden. Es geht darum, den Menschenrechten zum Durchbruch zu
verhelfen. Wer jetzt noch neue Opfer produziert, macht sich doppelt
schuldig!"
Machtwort des Justizministers nötig
"Wir erwarten uns auch entsprechende Schritte Justizminister Dieter
Böhmdorfers", meint Högl weiter. "Durch Weisungen an die
Staatsanwaltschaften soll er für ein Anklage- und Verurteilungsmoratorium
in
Sachen § 209 bis zur Entscheidung des VfGH sorgen." Die HOSI Wien
wird noch
dieses Wochenende ein diesbezügliches Schreiben an Böhmdorfer faxen.
Nicht ohne Gesichtsverlust
"Das jetzige Zaudern des VfGH hängt wohl ursächlich auch damit
zusammen, daß
er sein eigenes, skandalöses Fehlurteil aus 1989, mit dem er § 209
für
verfassungskonform erklärte, umstoßen muß", ergänzt
HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler, "aber ein weiteres Festklammern
an
dieser menschenrechtswidrigen Bestimmung verschlimmert die Sache bloß.
Das
beste, was der VfGH in der jetzigen Situation tun und wodurch er sein
beschädigtes Ansehen wiederherstellen kann, ist, die Fehlentscheidung aus
1989 einzubekennen und sich bei allen Opfern offiziell zu entschuldigen.
Jeder Jusstudent im ersten Semester kann anhand der Unterlagen des
Verfahrens vor dem VfGH im Jahre 1989 das Fehlurteil objektiv analysieren.
Wir wissen doch alle, daß die sogenannte Prägetheorie, die ohnehin
nie mehr
als eine höchst unwissenschaftliche These war und auf die sich
der VfGH
1989 noch berief, nicht erst in den letzten dreizehn Jahren widerlegt worden
ist, sondern schon damals längst obsolet war."
Vergangenheitsbewältigung
Die HOSI Wien hat auf ihrer diesjährigen Generalversammlung im übrigen
für
die Zeit nach der Aufhebung des § 209 ein umfassendes Manifest zur
Aufarbeitung der staatlichen Verfolgung von Lesben und Schwulen in
Österreich in den letzten 100 Jahren verabschiedet (vgl. OTS0107 vom
3.3.02). Diese Resolution steht auch auf der HOSI-Wien-Homepage
(www.hosiwien.at) zum Nachlesen bzw. Download bereit.
Gezeichnet: Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien - 1. Lesben- und
Schwulenverband Österreichs.
Rückfragehinweise: Christian Högl: 06691-18 11 038; Kurt Krickler:
545 13 10
oder 0664-57 67 466; office@hosiwien.at; www.hosiwien.at
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08 Brasilien: Proteste gegen Konferenz der Interamericen Development
Bank
Von: "Heinz Nessizius" <heinz@hwness.com>
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IADB Ignites Demonstrations
first published Indymedia - http://indymedia.org
Since the weekend, the Interamerican Development Bank has been meeting in
Fortaleza, a beach town in northeast of Brasil. From NGOs to unions to
direct action groups, the full spectrum of Brazil's left-wing turned out to
protest while Brasil?s president Fernando Henrique Cardoso and over 40
ministers of finance from countries around the world attended the official
IDB activities. Complete coverage is available from IMC-Brasil
(http://www.midiaindependente.org/):
http://www.midiaindependente.org/front.php3?article_id=19761&group=webcast
Read a report in English:
http://brasil.indymedia.org/front.php3?article_id=19683&group=webcast
The state government deployed over 3,000 police officers on the streets,
plus 1,500 military in a security operation coordinated by the army, leading
to violence and injuries during the protests. But the night ended up with a
Manu Chao acoustic performance organized by People?s Global Action.
Manu Chao:
http://www.midiaindependente.org/front.php3?article_id=19755&group=webcast
People?s Global Action:
http://www.agp.org/
The IADB has been funding social projects in Brazil without taking into
account the social and environmental impacts, motivating protests that began
months ago.
Info about protests:
http://www.midiaindependente.org/front.php3?article_id=19152&group=webcast
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09 US-Analyse: Bush kürt Staatssekretär für
Lateinamerikapolitik
Von: "Heinz Nessizius" <heinz@hwness.com>
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Published on Friday, March 15, 2002 by Common Dreams
http://www.commondreams.org/
Would Latin America Be Better Off If Washington Left It Alone?
by George Kourous
"If you want to know what my ideology is, you need not go far. Just drive
a
few blocks from here to the Jefferson Memorial. Inscribed in the largest
letters at the highest point of the inside of the monument is a quotation
>>from that great Virginian and first Secretary of State: 'I have sworn
upon
the altar of God eternal hostility against every form of tyranny over the
mind of man.' That is where my American ideology is founded. As Thomas
Jefferson's words remind us, our struggle against tyranny is not finished.
Since September 11, exactly 6 months ago today, we are more determined and
indivisible than at any time since World War II. Whether they are terrorists
in Afghanistan or Colombia, or despots in Baghdad or Havana, anyone trying
to impose tyranny over the mind of man has earned our eternal hostility."
Otto Reich -- Swearing-In Ceremony as Assistant Secretary of State for
Western Hemisphere Affairs , March 13, 2002
It looks as if Latin America hasn't dropped off the U.S. foreign policy
agenda, after all.
Consider some promising recent developments.
On March 12, the U.S. House of Representatives passed an immigration measure
benefiting certain Mexicans in the United States without documentation. It
doesn't come close to the "whole enchilada" that Mexico was pushing
for
before 9-11 bumped U.S.-Mexico relations onto the backburner, but at a
minimum the measure sets a positive tone for Bush's upcoming visit to
Monterrey.
Also, on March 8 Democratic leaders Tom Daschle and Dick Gephardt sent
President George W. Bush a letter urging him to "re-engage Mexico"
on
"mutual policy goals."
And next week Bush kicks off a state visit to Latin America, starting in
Mexico, where he'll meet with that country's embattled leader, Vicente Fox.
>From Mexico Bush will travel to El Salvador and then to Peru, where he will
meet not only with that country's president but also with the presidents of
neighboring Latin nations.
For observers concerned with U.S. policy in the Americas, these signs that
Latin America is drifting back onto the White House radar screen should be
bienvenidos, right?
The chronic problem with Washington's relations with its hemispheric
partners, since just about forever, has been on-again, off-again
policymaking. Given that reality, recent developments at least present a
window of opportunity, albeit finite, in which to nudge things forward, no?
Or would Latin America be better off if Washington just left it alone?
Consider the following:
Security concerns will overshadow all other issues in this next period of
North-South rapprochement. Entrenched problems, such as poverty, social and
economic inequities, and unsustainable development -- themselves key factors
underlying more immediate and visible problems, such as migration and the
drug trade -- will likely go untouched, despite the upcoming UN conference
on development financing in Monterrey. More to the point, there are serious
problems with what then promises to be the main thrust of U.S. policy in the
region: anti-terrorism, increased militarization, and trade pacts that leave
key structural issues un-addressed.
Add to that this hard-to-swallow pill: Washington's point man in the
Americas is Otto Reich, who in an earlier spin around the revolving door was
a key player in the Reagan administration's ill-considered anticommunist
crusade in Latin America.
On March 11 -- as the entire decade of the 1980s rolled over uneasily in its
grave -- Reich was sworn in as assistant secretary of state for Western
Hemisphere affairs at a State Department ceremony.
In recent years, Reich worked as director of the Center for a Free Cuba, a
Washington-based special interest group obsessed with one issue: toppling
Fidel Castro. He has lobbied consistently to tighten the economic embargo on
the island, hoping one day to provoke an uprising. Not only has the policy
of isolating Cuba and punishing its people helped breed discontent with U.S.
diplomacy in Latin America, as a strategy for removing the Castro regime it
has a lousy 40-year track record.
One of the players behind the notorious Helms-Burton Act, Reich not only
opposes easing trade sanctions with Cuba, he opposes all forms of contact.
He even denounced the Baltimore Orioles-Cuba baseball match, comparing it in
the St. Petersburg Times to "playing soccer in Auschwitz."
As a corporate lobbyist, Reich has been involved with the Bacardi rum
company (which lost assets in Cuba during the revolution there) and the
U.S.-Cuba Business Council, a nonprofit organization backed by Bacardi. In
addition to lobbying for Bacardi, Reich has represented the British-American
Tobacco Company. He also assisted the Lockheed Martin Corp. in its attempt
to sell F-16 fighter planes to Chile, breaking a 20-year policy of U.S.
restraint in keeping high-tech military equipment out of Latin America.
Reich is also vice-chairman of the Worldwide Responsible Apparel Program
(WRAP), an apparel industry front group widely viewed as a PR vehicle used
by clothing importers to avoid serious scrutiny of their factories in
developing countries and counter citizens awareness campaigns by the
anti-sweatshop movement.
And of course, Reich's appointment invokes older ghosts. During the early
1980s, when the Reagan administration waged its covert wars in Central
America, Reich headed a propaganda department in the State Department called
the Office of Public Diplomacy. This unit was staffed with CIA and Pentagon
psychological warfare specialists and reported to Oliver North. It's job: To
mislead the American public by disseminating false information, discrediting
reporters viewed unfavorably by the Reagan administration, and exploiting
other propaganda tactics normally used to confuse and manipulate the
populations of enemy countries. Congressional probes of the Iran-contra
scandal later identified numerous illegalities and led to the closure of the
Office of Public Diplomacy.
(One of Reich's pilot new initiatives in his new role as undersecretary is
to combat corruption in Latin America by denying dirty officials visas for
entry to the United States. Looking back at his record in the 1980s, one
can't help but wonder how far south of the border he would get if the tables
were turned.)
Sadly, Reich's comments at his March 12 swearing-in ceremony confirmed
rather than allayed most observers' concerns about him. Instead of using the
occasion to bury hatchets, build bridges, lay fears to rest, or simply set
an even-handed tone for his tenure, Reich came off as unrepentant, gloating,
and antagonistic.
Among those thanked in Reich's opening remarks: His " unindicted
co-conspirators" from the Reagan years. And the body of his speech was
peppered with references to "totalitarian" Cuba, "God,"
the Cold War and,
yes, the "Evil Empire." Reich even managed to work in a quote from
George
Orwell's Animal Farm -- "All animals are equal but some are more equal
than
others" -- in a cryptic reference to those associates who (apparently)
gave
him their full support in winning his appointment and those (one assumes)
who didn't do enough.
All in all, Reich's speech revealed a man with little remorse for past
mistakes, no regard for the human costs or political legacy of the Reagan
administration's policies in Central America, and with no small chip on his
shoulder.
For example, when referring to critics who have raised red flags regarding
his unmistakably rabid anti-Castro stance, Reich noted: "They said that
I
can't make rational decisions because of my ideology! Well, they are not
saying that anymore, because I had them all arrested this morning!" At
best,
this off-color joke suggests that Reich has questionable taste. At worst, it
points toward a disturbing lack of judgement.
Reich seems to have totally discounted the fact that the president who
nominated him came to office with no overwhelming popular mandate and that
his own nomination was highly controversial -- that, in fact, it was only
possible thanks to an executive end run around congressional authority: Bush
waited until Congress recessed to appoint Reich, thereby avoiding hearings
on the matter.
Indeed, Reich displays little penchant for peacemaking -- something one
might expect from someone in his position. Instead, his March 12 discourse
painted the picture of a man with strong, unmovable, and deeply ideological
views. It showed a man with little regard for diplomacy; someone with little
time for dialogue, debate, or brainstorming; someone who knows it all.
On top of these shortcomings, there are serious concerns related to Reich's
past links to anti-Castro activities. State Department cables show that
while ambassador to Venezuela in the late 1980s, Reich closely monitored the
case of Orlando Bosch, a Cuban-American terrorist who was jailed in
Venezuela for the 1976 bombing of an Air Cuba plane. The Venezuelan
government released Bosch while Reich was ambassador, and George Bush, Sr.,
pardoned the anti-Castro terrorist shortly afterwards.
Installing someone who has, even if only verbally, supported terrorist
attacks against another country at a time when the United States is waging a
global war against terrorism sends mixed messages at best -- and reeks of
hypocrisy and double standards at the worst.
With rising popular discontent over the inability of democratic and
neoliberal reforms to produce tangible results across all Latin America,
upsurgent instability in Venezuela, Argentina's financial crisis, and the
collapse of peace talks in Colombia, Reich's shortcomings stand out in stark
relief. As his March 12 speech showed, Reich is the wrong man, with the
wrong instincts, pursuing the wrong interests.
Maybe Latin America would do better if it stayed off Washington's radar
screen -- at least while Otto Reich holds the reins of U.S. regional policy.
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10 Ecuador: INTERNATIONAL CAMP AGAINST FTAA & PLAN COLOMBIA
Von: "Heinz Nessizius" <heinz@hwness.com>
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INTERNATIONAL CAMP AGAINST FTAA & PLAN COLOMBIA
first published in http://indymedia.org/
A mobilization is underway in Ecuador to protest two of the largest
neo-liberal programs in the western hemisphere -- Plan Colombia and the
proposed
Free Trade Agreement of the Americas.
Plan Colombia:
http://www.zmag.org/CrisesCurEvts/Colombia/colombiatop.htm
Free Trade Agreement of the Americas
http://www.stopftaa.org/
>From March 14 to March 20, people from more than 20 countries are converging
in
Quito, Ecuador, for the International Permanent Camp for Social Justice and
the
Dignity of People to protest Plan Colombia and the proposed FTAA agreement.
Both Plan
Colombia and FTAA are being heavily pushed by the U.S. government in the
western
hemisphere but are being met with increased resistance.
Organizers say the objective of the is to show the correlation between
free trade agreements like FTAA and military intervention, like that which
has come
along with Plan Colombia.
camp:
http://www.camp-ecuador.de.vu/
As part of the camp, protests and direct actions will be held this weekend
at the U.S. military base in Manta, which is a central base for Plan
Colombia, and in Lago Agrio, where the oleoducto de crudos pesados oil
pipeline is located. Organizers say
the military base represents the military intervention of Plan Colombia, and
the oil
pipeline -- plus a second one that is being proposed -- are symbols of the
exploitation and environmental devastation that come with "free trade"
agreements.
U.S. military base
http://www.twnside.org.sg/title/1931-cn.htm
oleoducto de crudos pesados oil pipeline:
http://www.amazonwatch.org/megaprojects/ocp_ecuad.html
The camp includes educational forums, workshops on building
sustainable alternatives, networking between campesinas, indigenous, and
international activists, and will conclude with a major demonstration in
Quito on March 19.
link to indigenous org:
http://tawantinsuyu.com/">indigenous
Schedule of events in:
Quito
http://www.campesinos-fmlgt.org.ec/c/campamento/quito.htm
Manta
http://www.campesinos-fmlgt.org.ec/c/campamento/manta.htm
Lago Agrio
http://www.campesinos-fmlgt.org.ec/c/campamento/lago.htm
Organizers for the protests in Washington, Equador and Barcelona have
released a joint declaration against Plan Colombia
Washington:
http://www.soaw.org/colombiaMobilization.html
Equador
http://www.camp-ecuador.de.vu/
Barcelona
http://otromundoesposible.org/uebarcelona.htm
joint declaration:
http://www.soaw.org/declaration.htm
Indymedia Colombia's coverage of the Camp
http://colombia.indymedia.org/campamento.php3
International Camp Website
http://www.camp-ecuador.de.vu/
Campesinos del Ecuador
http://www.campesinos-fmlgt.org.ec/
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LINKS / VERWEISE / HINWEISE
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11 Links zu AntisemitInnen
Von: OEKOLI_Wien@gmx.net
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Auf einer der wichtigsten rechtsextremistischen Internetsites Österreichs,
der Wiener Nachrichten Online (WNO): www.wno.org befinden sich schon seit
Monaten Aufrufe zur Solidarität mit "dem palästinensichen Volk".
Auf der
Startseite sind dabei folgende Links zu antisemitischen Organisationen und
Personen
angegeben:
Aula - das freiheitliche Magazin
Österreichische Landsmannschaft
Palestinian Information Center
Ichkeria - for a democratic chechnya
Serbiainfo
Störtebeker-Netz
Signal - Das Patriotische Magazin
Dr. Klaus Nordbruch
Rolf-Josef Eibicht
Franz Schönhuber
Horst Mahler
Burschenschaft Olympia
Frank Rennicke
Patria-Versand Gmbh
Antiimperialistische Koordination (AIK)
Die sich selbst als "links" verstehende AIK wird ihr Link zwar vielleicht
nicht selbst auf die WNO-Site reinreklamiert haben, sie hat sich aber wohl mit
ihren antisemitischen Inhalten dazu angeboten in dieser Gesellschaft verlinkt
zu werden.
--
Ökologische Linke (ÖKOLI)
Schottengasse 3a/1/4/59
A-1010 Wien
e-milio: oekoli_wien@gmx.net
Visite our Website: http://www.oekoli.cjb.net
Ökoli Vorarlberg: http://PolitiX.cjb.net
Wenn ihr an unseren spanischen/französischen/englischen
Aussendungen
interessiert seid, um Infos weiterzuverbreiten, meldet euch!
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*********
don't forget to say hello to echelon:
abhoermethoden, bombe, cia ,datenklau, echelon, freak, grundrecht,
hacking, iridium, joint, kommunismus, lauschangriff, mailbombing,
oecalan, pgp, querulant, rasterfahndung, besetzung, behörde
shell, tristero, urheberrechtsverletzung, wanze, geld, asyl,
ausländer, zukunft, nigeria, ahim, widerstand
LEAVE BUSINESS AND JOIN DEMONSTRATION
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12 www.sturm18.de
von: "Manfred Büttner" <mbuettner@netcomcity.de>
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(siehe Beitrag von gestern, Anmerkung d. Tagesred)
Berichtigung: Der angekündigte HNA-Bericht steht auf einer anderen Seite:
Heute in der HNA:
http://www2.hna.de/index.php?page=a-region&command=setvar:module-content-search:filename='/www/htdocs/hna/content/ressorts/region/06314/index.php'
Wer hat nähere Informationen über Bernd Töther ?
Auch das kommt aus Kassel: . http://na-wi.tripod.com/
Manfred Büttner
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Redaktionsschluss:
16. März 2002, 24:00 Uhr
Diese Ausgabe hat rainer
zusammengestellt
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