Donnerstag, 23.05.2002

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01 Rektorat untersagt Auffuehrung "Vergessene Opfer" an Uni
Von: Peter Grabher <a8701463@unet.univie.ac.at>
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AKTIONEN UND ANKÜNDIGUNGEN
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02 DIE VORARLBERGER STREIKERINNEN KOMMEN
Von: auge@ug-oegb.at
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03 widerstandslesungen - programm mai/juni
- jubiläum: 150. lesung
Von: Traude Korosa <widerstandslesung@gmx.at>
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04 Heute 20 Uhr Foucault-Diskussion
Von: Stephan Grigat <stephan.grigat@reflex.at>
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05 Foucault-Veranstaltung
Von: Basisgruppe Politikwissenschaft <bagru.powi@gmx.at>
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06 GATS Aktion morgen
Von: Niki Kowall <niki.kowall@aks.at>
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07 EINLADUNG, Fr. 24. Mai, 19h
Von: Jo Schmeiser <vor.red@sil.at>
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08 mo 27.5. kinokis mikrokino:
ARBEITER MACHEN FERNSEHEN

Von: Peter Grabher <a8701463@unet.univie.ac.at>
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09 AKSwien-Terminaviso: Vermummungsverbot
Von: aks wien office <wien@aks.at>
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10 Dienstag, 4. Juni 2002:
Prozess gegen den Polizisten, der Imre B. erschoss
Von: illegalisiert@t0.or.at <illegalisiert@t0.or.at>
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11 "Der verhält sich aber komisch" -
Das Kompetenznetzwerk Schizophrenie und die Suche
nach möglichen Risikopersonen
Von: <aktuell@nadir.org>
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12 Einladung zur Buchpräsentation
Von: asylkoordination <asylkoordination@t0.or.at>
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13 Tipp: 27/5 "Warum bin ich illegal?"
Von: Transdanubien gegen Schwarzblau
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14 Das steinerne Archiv
Von: MandelWien@aol.com
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15 Nein zum Europa der Konzerne und Generäle
Von: Nein zur EU <nein-zur-eu@servus.at>
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16 Zurück in die Zukunft? -
Genetische Diagnostik und das Risiko der Eugenik

Von: <aktuell@nadir.org>
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KOMMENTARE - MELDUNGEN
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17 Jean Ziegler - Globalisierung ist tödlicher Terror
Von: Verein Stadtteilzentrum Simmering
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18 Unigesetz/Reaktion/KPÖ/Kahr
Von: Parteder Franz <Franz.Parteder@stadt.graz.at>
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19 Ein "nationaler" Sozialdemokrat
Von: trustram/ernstbrunner <hx65@dial.pipex.com>
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20 ICA Newsletter Mai 2002
Von: InstCultAutr@aol.com <InstCultAutr@aol.com>
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DISKUSSION
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21 Zensur in der Maske der "Neutralität"
Von: Richard Koller
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INTERNATIONALE SOLI
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22 Unzensuriert aus dem Todestrakt von Texas 19
Von: Sabine Hauer <no.conditions@teleweb.at>
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*REDAKTIONELLES:
Für diese Ausgabe nicht aufgenommen: junk mail,
einige doubletten. mail mit anhang, unaktuelle beiträge,
ein beitrag, der nichts mit widerstand zu tun hat.

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Wie der MUND entsteht ....

Schickt uns bitte eure Nachrichten, Meldungen und Ideen.
E-Mail-Adresse der Redaktion:

widerstand@no-racism.net

Im MUND findet Ihr eine Rubrik, die eine Konsequenz aus der redaktionsinternen Debatte um die Notwendigkeit, sexistische, antisemitische und rassistische Beitrδge nicht zu verφffentlichen, einerseits, die Problematik von Zensur andererseits versucht: unter "B) Eingelangt, aber nicht aufgenommen" wird - in anonymisierter Form - auf angehaltene Beitrδge hingewiesen und eine kurze Begrόndung der/des Tagesredaktuers fόr die Nichtaufnahme geliefert. Die AbsenderInnen werden hiervon informiert.
Ihr kφnnt Euch die Beitrδge extra schicken lassen:
Mail an widerstand@no-racism.net genόgt.

 




Quelle: www.popo.at


Und für nächsten Donnerstag:
Das Rechtshilfe-Manual
...und was mache ich eigentlich gegen rassisten?
online-diskussion

Editorial
Für den Inhalt verantwortlich: Ihr.
Die Beiträge werden von verschiedenen Redaktionsteams zusammengestellt.

Bitte weitersagen:
Für Personen ohne Internetzugang gibt es aktuelle Terminankündigungen
unter der Rufnummer 589 30 22 12 (Demoforum)
 

 


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01 Rektorat untersagt Auffuehrung "Vergessene Opfer" an Uni
Von: Peter Grabher <a8701463@unet.univie.ac.at>
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Liebe FreundInnen des Dokumentarfilms! Liebe Leit (Zitat: Peter
Grabher)! Liebe Kinoki!
Auf diesem Wege wollen wir Euch ueber einen Sachverhalt informieren. Wir
bitten Euch, beim Rektor zu protestieren:
Rektor O.Univ.Prof. Dr. Georg Winckler, Buero des Rektorenteams,
Rektorat Buero A, Tel. +43 (0)1 4277/10010, Fax +43 (0)1 4277 9100.
E-mail war aus der Uni-Homepage keine ersichtlich (www.univie.ac.at).
Mit lieben Gruessen, Kinok ulli fuchs
Wir dokumentieren folgenden Text der FilmemacherInnen der Filmreihe
"Vergessene Opfer":
-------
Vorfuehrung der Filmreihe "Vergessene Opfer" an der Universitaet Wien
untersagt
Fuer diesen Donnerstag, den 23. Mai, wurde von 12.00 - 19.00 Uhr in
der Aula der Universitaet Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 1, 1010 Wien,
der Filmtag "Vergessene Opfer" in Zusammenarbeit mit der
Oesterreichischen Hochschueler/innenschaft (OeH) geplant.
Aus der gesamten filmischen Reihe "Vergessene Opfer" von Angelika
Schuster und Tristan Sindelgruber sollten an diesem Tag folgende
Teile gezeigt werden:
Teil 1: Kaerntner Slowen/innen 1 - Aussiedlung (104min.)
Teil 2: Ueberleben im Versteck (120min.)
Teil 4: Wiener Rom (64min.)
Teil 5: Desertion aus der Deutschen Wehrmacht (142min.)
Die juengsten Auseinandersetzungen rund um den allwoechentlichen,
jeden Mittwoch stattfindenden, Farbenbummel der deutschen
Burschenschaften in der Aula der Universitaet Wien im Bereich des
Siegfriedskopfes, veranlassten jedoch das Rektorat der Uni Wien dazu,
unseren schon seit laengerem geplanten Filmtag im Bereich der Aula
der Universitaet Wien zu untersagen.
Ort und Zeitpunkt der Veranstaltung wurden und werden seitens der
Universitaet als "unguenstig" erachtet.
Bei dem geplanten Filmtag handelte es sich um die geplante
Erstauffuehrung mehrerer Teile der Gesamtreihe im oeffentlichen Raum.
Wir nehmen diese Entscheidung seitens des Rektorats unter Protest zu
Kenntnis und werden in Zusammenarbeit mit der OeH nach einem
Ersatzort und -termin auf universitaerem Gelaende suchen.
Gleichzeitig moechten wir aber anmerken, dass sich unserer Ansicht
nach diese Untersagung seitens des Rektorats geradezu nahtlos in den
jahrzehntelangen offiziell ueblichen Umgang mit den "vergessenen
Opfern" des Nationalsozialismus einreiht: Verschweigen, verdraengen,
vertuschen, behindern, ...
Wir werden den neu zu findenden Vorfuehrtermin und -ort so bald als
moeglich bekannt geben.
Weitere Informationen rund um die filmische Reihe "Vergessene Opfer"
finden sich auf unserer homepage unter:
http://go.to/standbild
Wir verbleiben mit der Bitte um Weiterleitung dieser Aussendung,
Sindelgruber Tristan, Angelika Schuster

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AKTIONEN UND ANKÜNDIGUNGEN
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02 DIE VORARLBERGER STREIKERINNEN KOMMEN
Von: auge@ug-oegb.at
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DONNERSTAG, 30. Mai 2002
"DemoZug für mehr Investitionen in die Bildung - in die Zukunft" von
Vorarlberg bis zum Wiener Minoritenplatz
500 Vorarlberger LehrerInnen nehmen am 30. Mai, Fronleichnam, eine
16-stündige Bahnfahrt auf sich, um ihren Protest gegen die aktuelle
Bildungspolitik in die Bundeshauptstadt zu tragen (siehe
www.bildungsgewerkschaft.at).
Die KollegInnen aus Vorarlberg haben mit ihrem Streik am 2. Mai 2002
bewiesen, dass in Österreich auch außerhalb und ohne Sanktus von ÖGB / GÖD
ein Streik durchgeführt werden kann (s.
www.kreidekreis.net/neugebauer-stemer.htm)
Das muss uns allen Respekt abverlangen.
Zeigen wir unsere Solidarität und investieren auch wir einige Stunden dieses
Feiertages!
Zeigen wir der Bundesregierung, dass wir mit ihrer Bildungs-Sparpolitik
nicht einverstanden sind und dass wir bereit sind, unseren Protest laut und
deutlich zu artikulieren.
DONNERSTAG, 30. Mai 2002
"DemoZug für mehr Investitionen in die Bildung - in die Zukunft"
von Vorarlberg bis zum Wiener Minoritenplatz
"Gegen die neoliberale Sparpolitik auf dem Rücken der Bildung!"
"Bildung ist öffentliche Aufgabe und Verantwortung!"
13:00 Auftaktkundgebung beim Westbahnhof
Demonstration über die Mariahilferstraße zum Bildungsministerium
14:00 Kundgebung am Minoritenplatz
· für volle Inflationsabgeltung und deutlichen Reallohnzuwachs
· für kleine Klassen - KlassenschülerInnenhöchszahl 25
· für die Wiedereinrechnung von Klassenvorstand, BildungsberaterIn,
Kustodiat, der Korrekturarbeiten an Pflichtschulen -
Rücknahme der Verschlechterungen durch Budgetbegleitgesetz (BBG) und
Landeslehrerdienstgesetz (LDG), z.B. auch bei
Überstunden- und Supplierbezahlung.
· Volle Bezahlung der Maturaklassen und Abschlussjahrgangsklassen
· für die Anhebung der Anfangsbezüge und des Aktivbezuges
· Sicherung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses und des
kostenlosen öffentlichen Schulwesens
· für eine demokratische, zukunftsorientierte Bildungspolitik, die allen
Kindern und Jugendlichen ihr Menschenrecht auf
Bildung garantiert
Bildung kostet. Bildung braucht motivierte LehrerInnen.
Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt.
Gemeinsam sind wir stark. Wir lernen im Gehen.
Wer sich jetzt nicht wehrt, der lebt verkehrt.
Die Österreichische LehrerInnenInitiative (ÖLI-UG)
Die Unabhängigen GewerkschafterInnen (UGÖD)
Alternative und Grüne GewerkschafterInnen (AUGE/UG)
Wer an der Bildung unserer Kinder spart, ruiniert die Zukunft unseres
Landes.
(mehr infos ueber die WIENFAHRT unter www.bildungsgewerkschaft.at

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03 widerstandslesungen - programm mai/juni - jubiläum: 150. lesung
Von: Traude Korosa <widerstandslesung@gmx.at>
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den protest gegen blauschwarz in worte fassen
23. 5. 2002
145. widerstandslesung
Dieter Schrage
Andreas Pecha (Friedensbüro)
Marius Gabriel ( 2. Teil der Lesung aus den Protokollen des Prozesses um
den Tod von Marcus Omofuma)
Eugen Brochier (19. Teil der Lesung aus 'Morgengrauen' von Charles
Obiora Ofoedu)
und andere
30. 5. 2002
146. widerstandslesung
Günther Geiger
Marius Gabriel ( 3. Teil der Lesung aus den Protokollen des Prozesses um
den Tod von Marcus Omofuma)
Antschi, Paula, Manfred (Club der lebenden DichterInnen)
und andere
6. 6. 2002
147. widerstandslesung
Amir P. Peyman
Marius Gabriel (4. Teil der Lesung aus den Protokollen des Prozesses um
den Tod von Marcus Omofuma)
Eugen Brochier (20. Teil der Lesung aus 'Morgengrauen' von Charles
Obiora Ofoedu)
und andere
13. 6. 2002
148. widerstandslesung
Franz Schachtel und Hans von der Strassen ("Abschied von der
Arbeitswelt"
Marius Gabriel (5. Teil der Lesung aus den Protokollen des Prozesses um
den Tod von Marcus Omofuma) und andere20. 6. 2002
149. widerstandslesungMarius Gabriel (6. Teil der Lesung aus den Protokollen des Prozesses um
den Tod von Marcus Omofuma)
Eugen Brochier (21. Teil der Lesung aus 'Morgengrauen' von Charles
Obiora Ofoedu)
und andere27. 6. 2002
die 150. widerstandslesung
seit 24. 2. 2000 haben weit über 300 menschen am ballhausplatz gelesen,
gesungen, gespielt ...
die 150. widerstandslesung wird, wie schon die 100. letztes jahr, ein
großes fest werden.
mitwirkende:
Johannes Grenzfurther/monocrom
Gerhard Ruiss
Helga Pankratz
Claus Tieber
Peter Krobath
Christine Werner
Richard Weihs
Heidi Heide
Silvia Treudl
Thomas Nothoff
und andere
und viele gratulantInnen, blumen, sekt, girlanden, kuchen, alte und neue
texte, musik und vieles mehr
--
widerstandslesung jeden donnerstag von 17 bis 19 uhr bei der
botschaft der besorgten bürgerInnen, 1010 wien, ballhausplatz 1a.
http://www.awadalla.at/el/kalender

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04 Heute 20 Uhr Foucault-Diskussion
Von: Stephan Grigat <stephan.grigat@reflex.at>
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Heute, Donnerstag, 23. Mai, 20 Uhr
Michel Foucault. Zur Kritik einer unfreiwilligen Anthropologie
Neues Instituts Gebäude, Universitätsstraße 7, Hörsaal III
Vortrag und Diskussion mit
Manfred Dahlmann (Initative Sozialistisches Forum, Freiburg, ca ira -
Verlag)
veranstaltet von:
Strv Philosophie
Strv Politikwissenschaft

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05 Foucault-Veranstaltung
Von: Basisgruppe Politikwissenschaft <bagru.powi@gmx.at>
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Da der Ankündigungstext für die Veranstaltung
"Michel Foucault. Zur Kritik einer unfreiwilligen Anthropologie" für
Donnerstag, den 23.5 im HS III im NIG
offenbar nicht nur aufgrund seiner schlechten Form, sondern auch aufgrund
der darin nicht begründeten Kritik für Aufregung gesorgt hat, schließt jetzt
ein Text des Referenten Manfred Dahlmann an, in dem diese Kritik entfaltet
wird.
Das Rätsel der Macht
Michel Foucaults unfreiwillige Anthropologie
Bezeichnend für das Denken von Foucault ist dessen Leitfaden für das
Alltagsleben, den er nach der Lektüre des Anti-Ödipus von Deleuze/Guattari
zusammengestellt hat:
1. Befreie die politische Aktion von jeder vereinheitlichenden und
totalisierenden Paranoia!
2. Verweigere den alten Kategorien des Negativen (das sind Gesetz, Grenze,
Kastration, Mangel, Lücke), die das westliche Denken so lange als eine Form
der Macht und einen Zugang zur Realität geheiligt hat, jede Gefolgschaft! Gib
dem den Vorzug, was positiv ist und multipel, der Differenz vor der
Uniformität, den Strömen vor den Einheiten, den mobilen Anordnungen vor den Systemen!
Glaube daran, daß das Produktive nicht seßhaft ist, sondern nomadisch!
3. Denke nicht, daß man traurig sein muß, um militant sein zu können ˆ auch
dann nicht, wenn das, wogegen man kämpft, abscheulich ist! Es ist die
Konnexion des Wunsches mit der Realität (und nicht sein Rückzug in
Repräsentationsformen), die revolutionäre Kraft hat.
4. Gebrauche das Denken nicht, um eine politische Praxis auf Wahrheit zu
gründen ˆ und ebensowenig die politische Aktion, um eine Denklinie als bloße
Spekulation zu diskreditieren! Gebrauche die politische Praxis als
Intensifikator des Denkens und die Analyse als Multiplikator der Formen und Bereiche der
Intervention der politischen Aktion!
5. Verlange von der Politik nicht die Wiederherstellung der "Rechte" des
Individuums, so wie die Philosophie sie definiert hat! Das Individuum ist das
Produkt der Macht. Viel nötiger ist es, zu "ent-individualisieren", und zwar
mittels Multiplikation und Verschiebung, mittels diverser Kombinationen. Die
Gruppe darf kein organisches Band sein, das hierarchisierte Individuen
vereinigt, sondern soll ein dauernder Generator der Ent-Individualisierung sein.
Und schließlich:
6. Verliebe dich nicht in die Macht!
Weil es so etwas wie eine Zusammenfassung seines Selbstverständnisses ist,
sei noch eine längere Stelle zitiert:
Ich träume von dem Intellektuellen als dem Zerstörer der Evidenzen und
Universalien, der in den Trägheitsmomenten und Zwängen der Gegenwart die
Schwachstellen, Öffnungen und Kraftlinien kenntlich macht, der fortwährend seinen Ort
wechselt, nicht sicher weiß, wo er morgen sein noch was er denken wird, weil
seine Aufmerksamkeit allein der Gegenwart gilt; der, wo er gerade ist, seinen
Teil zu der Frage beiträgt, ob die Revolution der Mühe wert ist und welche
(ich meine: welche Revolution und welche Mühe), wobei sich von selbst
versteht, daß nur die sie beantworten können, die bereit sind, ihr Leben aufs Spiel
zu setzen, um sie zu machen.
Foucault also geht es um die Zerstörung von Evidenzen und Universalien. Sein
Motiv ist eindeutig: Diese Evidenzen und Universalien ˆ dazu zählt er etwa
die in den Wissenschaften produzierten Wahrheiten und Begriffe ˆ gelten ihm
als Orte, von denen aus die Macht ihre Herrschaft ausübt. Gegen diese, in
Allgemeinbegriffen repräsentierte Macht gilt es unter Einsatz des Lebens zu
kämpfen.
Der Machtbegriff von Foucault umfaßt zwei Ebenen: Die erste ist die
konzeptionelle, ist das "Analyseraster einer Mikrophysik der Macht". Hier geht es um
das Verhältnis der "lokalen Mächte zur allgemeinen Macht", um die Beziehung
der Mächte zu ihrem Außen ˆ den Körpern ˆ sowie um die Konsequenzen für die
Analyse, die in dieser Konzeption von Macht enthalten sind: vor allem um die
Subjektlosigkeit der Macht und um den Positivismus, den Foucault seiner
Mikrophysik der Macht zugrundelegt. Die zweite Ebene wäre dann die Mikrophysik der
Macht selber, also, wie man sich früher einmal ausgedrückt hat, die Analyse
der bürgerlichen Gesellschaft.
Macht und Mächte
Zuerst einmal wäre also zu klären, was Foucault eigentlich unter Macht
versteht. Hier gibt er freimütig zu, eigentlich nicht zu wissen, was die Macht
ist. Seit Marx wisse man zwar, was Ausbeutung sei, aber schon der Begriff
Herrschaft sei unklar, da keiner wisse, von wo aus sich die Macht bestimmt. Die
Tatsache allerdings, daß die Macht existiert, kann nicht geleugnet werden. Und,
so Foucault weiter, bevor wir wissen können, was die Macht ist, müssen wir
uns darüber verständigen, auf welche Art und Weise sie wirkt. Foucault geht es
um das "Wie" der Macht ˆ und erst in zweiter Linie erst um ihr "Was".
Dem Dilemma, Wirkungen analysieren zu wollen, ohne zu wissen, was die ihnen
zugrundeliegende allgemeine Ursache ist, entzieht sich Foucault mit einem
Verfahren, das so alt ist wie die Wissenschaft: Zur Anleitung der
Forschungspraxis wird eine Hypothese formuliert, um im Verlauf des Forschungsprozesses
herauszufinden, ob sich mit der Ausgangshypothese arbeiten läßt, ob sie
modifiziert oder von einer anderen abgelöst werden muß. Der Inhalt der
Ausgangshypothese ist für dieses Verfahren völlig ohne Belang. Etwa auch der Satz, daß der
Urbaustein der Materie aus grünem Käse besteht, kann, vom Prinzip des
kritischen Rationalismus aus gesehen, bekanntlich durchaus die Funktion erfüllen,
einen Forschungsprozeß sinnvoll anzuleiten.
Als eine solche Konstruktion ˆ Foucault nennt dies seinen Nominalismus ˆ
versteht er seinen Machtbegriff, und seine Arbeiten sollen den Einsatz zu einem
allumfassenden Spiel abgeben, einen Einsatz, der schließlich zeigen soll, "ob
man so denken kann".
Macht also ist, zuerst einmal, nichts weiter als ein Name, ist nicht mehr
als ein Zeichen, mit dem "komplexe strategische Situationen" belegt werden
sollen. Ein wichtiger Unterschied der Konstruktion von Foucault zu den gängigen
ist hier allerdings festzuhalten; und in diesem Unterschied liegt so etwas wie
ein Glanz verborgen, der in all dem Elend seiner Konzeption von Macht
steckt; denn im Gegensatz zum Wissenschaftsbetrieb heutzutage macht er mit seinem
Nominalismus ernst. Er problematisiert ein Verhältnis, das der Wissenschaft
schon lange kein Problem mehr ist: Äpfel und Birnen zusammengenommen heißen
Obst ˆ der Allgemeinbegriff Obst enthält, unter anderen, Äpfel und Birnen als
seine konkreten Bestimmungen in sich. In dieser Abstraktion vom Besonderen zum
Allgemeinen nun aber ein Problem zu sehen, das mit Macht, mit Herrschaft, mit
Ausbeutung auch nur im entferntesten zu tun hat, dies gilt der Wissenschaft,
seit sie die theologische Scholastik überwunden hat, nachgerade als
lächerlich.
Foucault dagegen erkennt, daß zumindest dort, wo es nicht um den
Allgemeinbegriff Obst, sondern um den der Macht geht, im Verhältnis der je besonderen
Kräfte zu ihrer Verallgemeinerung in einer einheitlichen Macht ein Problem
steckt, das mit dem Verweis auf die bloße Formalität von Abstraktion nicht in den
Griff zu bekommen ist.
Macht als Allgemeinbegriff ˆ als "nominale Konstruktion" ˆ ist also bei
Foucault erst einmal zu verstehen als "Vielfältigkeit von Kräfteverhältnissen,
die ein Gebiet bevölkern und organisieren". Mittels der, wie er sie nennt,
archäologischen Forschungen in abgelegenen Archiven, würde jedem Ereignis die
gleiche Bedeutung gegeben werden (hier hat im übrigen die poststrukturale
Beliebigkeit ihren Ausgangspunkt, eine Basis allerdings, die logisch natürlich
längst in der Warenform angelegt ist, das aber nur am Rande). Diese Archäologie
soll nun den Prozeß rekonstruieren, in dem es den einzelnen Mächten
schließlich gelingt, sich miteinander zu einer Einheit zu verbinden. Das Ergebnis wäre
dann die Mikrophysik der Macht, die deutlich werden lassen soll, daß das, was
als Errungenschaften der abendländischen Zivilisation gilt: Individualität,
Sozialität, Wahrheit, Wissenschaft, Technologie usw. nichts weiter ist als
das Resultat der Verkettung einzelner Mächte zu einer einheitlichen, den
modernen Gesellschaftskörper beherrschenden und ihn durchziehenden "Strategie der
Macht".
Bevor anhand der konkreten Analysen nachvollzogen werden kann, wie Foucault
dieses Konzept einlöst, wäre auch schon auf das Elend hinzuweisen, dem er
sich ausgeliefert hat, als er den Machtbegriff in dieser Form seinen
"nomadischen Untersuchungen" zugrundelegte. Dieses Elend ist, wie der Glanz, Resultat
derselben Konsequenz, mit der er seinen Nominalismus durchzuhalten bemüht ist:
Wo Allgemeinbegriffe wie Gesellschaft, Staat, Wahrheit, Natur etc.
ausschließlich als Resultate von Machtverhältnissen begriffen sind, ist es nur
konsequent, sich gegen jede Theorie zu wenden, die die herrschende Wirklichkeit in
ihrer Gesamtheit auf den Begriff bringen will. Der Hegelianismus etwa gilt
Foucault als das Grundübel abendländischen Denkens ˆ denn im hegelianischen
Diskurs (und damit auch dem marxistischen) hat die Macht sich laut Foucault
besonders effektiv zu einer einheitlichen Strategie verketten können. Und die
Konsequenz seines Nominalismus (und seiner in der Tradition der sprachanalytischen
Philosophie stehenden Weigerung, zwischen Namen/Begriff und Gegenstand zu
differenzieren (1)) zwingt ihn, von seinen Analysen zu behaupten, daß ihnen
kein einheitlicher, aufs Ganze zielender Charakter zuzusprechen sei. Wo jeder
Allgemeinbegriff das Resultat der Vereinheitlichung je besonderer Mächte zum
Zwecke der Steigerung und Effektivierung von Macht ist, dort muß derjenige, der
gegen diese allgemeine Macht kämpft, auf jede Theorie, auf den "allgemeinen
Diskurs" überhaupt, verzichten. Folgerichtig gehört das Bedürfnis nach
Theorie für Foucault noch zu dem System, "von dem man genug hat".
Foucault ist sich des Dilemmas, dem er sich mit seinem Machtbegriff
aussetzt, durchaus bewußt ˆ und mit einem Erfindungsreichtum, der seinesgleichen
sucht (und nur noch von seinen Plagiatoren übertroffen werden dürfte), versucht
er eine umfassende Mikrophysik der Macht vorzulegen, die sich beständig
dagegen sträubt, als eine einheitliche, ganzheitliche Theorie zu erscheinen, als
eine Theorie, der ein inhaltlicher Allgemeinbegriff, der ein reales Subjekt,
etwa die Macht, zugrundeläge.
Macht und Körper
Das Dilemma Foucaults ist die Bestimmung des Verhältnisses von besonderen,
lokalen Mächten zu ihrer Einheit als allgemeiner Macht. Als Einheit ist Macht
von ihm doppelt bestimmt: einmal bloß nominal, als Forschungshypothese, und
einmal real, als geschichtlich gewordene Einheitlichkeit der Macht in der
bürgerlichen Gesellschaft. Nun ist sich Foucault darüber klar, daß man Mächte
nicht voneinander unterscheiden kann, wenn es außerhalb dieser Mächte nichts
gibt, womit das Spezifische einer Macht bestimmt werden kann. Jede Analyse muß
auf mindestens einer Differenz, auf mindestens einer Verdopplung beruhen,
sonst bewegt sie sich in Tautologien. Es muß etwas geben, was außerhalb der
Mächte steht, etwas, das es überhaupt erst erlaubt, die eine Macht von einer
anderen zu unterscheiden.
Die Verdopplung, auf die Foucault sich beständig beruft, um Tautologien zu
vermeiden, ist, daß er den Mächten Körper gegenüberstellt. Körperlichkeit
steht bei ihm für all das, was nicht zur Ordnung der Macht gehört. Körperlichkeit
ist dabei zwar immer als das Außen der Macht gedacht: Macht und Körper sind
aber nicht als Gegensätze zu verstehen, als Gegensätzlichkeit in der Form,
daß "in den Körpern Freiheit stecke, in der Macht dagegen Zwang". Vor allem ist
diese Verdopplung nicht als bloße Umformulierung der alten philosophischen
Verdopplung in Subjekt (etwa: die Macht) und Objekt (hier: die Körper)
gedacht. Die Spaltung der Welt in Subjektivität, die üblicherweise für Freiheit,
Irrtum, Gefühl, Individualität oder anderes steht, und Objektivität, womit meist
Wahrheit, Natur, Gesetzlichkeit, Gesellschaftlichkeit oder auch Zwang
verbunden wird: all diese Verdopplungen und Gegensätze begreift Foucault als
Ausdruck spezifischer Machtstrategien, als Verfestigungen, als Dispositive, die in
einer je spezifischen Weise und an einem ganz spezifischen Ort eine
Verbindung mit den ihnen äußerlichen Körpern eingegangen sind. Weder die Macht noch
die Körper können unabhängig voneinander untersucht werden. Untersucht werden
kann immer nur die Art und Weise, in der Körper und Macht eine spezifische
Verbindung eingegangen sind. (So wie bei Marx Gebrauchswert und Tauschwert eine
Einheit in ihrer Differenz bilden und so den Wert konstituieren.) (2)
Von dieser für seine Mikrophysik grundlegenden Verdopplung der Welt in
Mächte und Körper meint Foucault nicht weniger, als daß er auf diesem Wege das
gesamte Denken der abendländischen Zivilisation vom Kopf auf die Füße stellen
kann. Diese Grundlegung soll es ihm erlauben, eine "politische Geschichte der
Wahrheit" zu schreiben, eine Geschichte, die ohne Wahrheitsbegriff auskommt,
die auf Metaphysik, Transzendenz und Ontologie verzichten kann, die sich also
ohne Rückgriff auf absolute, nicht weiter erklärbare, für evident gehaltene
Wahrheiten darstellen kann. Vor allem will sie nicht darauf angewiesen sein,
gegenwärtigen und vergangenen Prozessen ein allgemeines Subjekt unterstellen
zu müssen. Kein Gott, kein Gesetz, keine Natur, kein Souverän, keine Klasse
und erst recht kein Mensch ist Subjekt der Geschichte. Insbesondere aber ˆ dies
ist der eigentliche Zweck seiner nominalistischen Konstruktion von Macht ˆ
stellt auch die Macht selbst nicht das historische Subjekt dar. Die Geschichte
wird nicht regiert ˆ sie regiert sich selbst in einem ungeregelten, an sich
chaotischen Prozeß ohne Anfang und Ziel, einem Prozeß, der sich allerdings
für eine bestimmte Zeit wie der heutigen zu einer einheitlichen Strategie
verketten kann, ohne daß dieser Strategie aber ein Stratege als Subjekt
unterstellt werden müßte. Souveränität etwa ˆ die Abhängigkeit der Gesellschaft von der
Willkür eines allmächtigen Herrschers ˆ war eine solche vorübergehende
Verkettung von Macht im Mittelalter und im Absolutismus. Die bürgerliche
Gesellschaft dagegen sei vom Fehlen dieser Souveränität gekennzeichnet ˆ und dies
zeige, daß Macht sich vereinheitlichen kann, ohne daß dieser Macht ein Subjekt
unterstellt werden muß.
Der Körper ˆ und hierunter ist nicht etwa nur der menschliche Leib zu
verstehen, auch die Gesellschaft bildet unter Umständen einen Körper ˆ spielt in
Foucaults Konzeption dabei dieselbe Rolle für die Macht, wie das "Ding an sich"
bei Kant für die Vernunft. Er muß als existierend vorausgesetzt werden;
Aussagen über ihn können aber nur durch die Machtbeziehungen hindurch formuliert
werden. Damit ist auch schon der wesentliche Unterschied von Körper und "Ding
an sich" benannt: Kant zieht aus der Unerkennbarkeit des "Dinges an sich"
den Schluß, daß ihn dieses überhaupt nicht weiter zu interessieren habe. Er
wendet sich der Vernunft zu und überantwortet die Rätselhaftigkeit dieses
"Dinges an sich" den Theologen und anderen Okkultisten. Bei Foucault dagegen muß
das Rätsel der Körperlichkeit ˆ abstrakt als existierend vorausgesetzt werden
zu müssen, konkret aber nur durch Machtbeziehungen hindurch erkannt und
entdeckt werden zu können ˆ zum wesentlichen Gegenstand seiner Analysen avancieren.
Jeder von ihm entwickelten Kategorie wie etwa Zeichen, Dispositiv, Natur,
Vergegenständlichung, Diskurs, ja alle seine Begriffe, etwa die vom Sex, von
der Seele, von Gesellschaft, Staat, Lust, Gefühl sind nur zu verstehen, wenn in
ihnen die Verdopplung von Macht und Körper mitgedacht wird. Die Kategorien
von Foucault bezeichnen also nie Gegenstände, wie man etwa, scheinbar
problemlos, einen Tisch alltagssprachlich als einen Gegenstand begreift. Vielmehr
liegt jeder Kategorie eine Relation zugrunde, eine Beziehung zwischen Macht und
Körper. Seine Begriffe bezeichnen, wie Foucault sich ausdrücken würde, einen
Knoten in einem Netz, in dem beständig neue Knoten geknüpft und alte gelöst
werden.
Die Verdopplung in Mächte und Körper zeitigt für Foucaults Analysen eine
entscheidende Konsequenz: Wo es allein um ein historisches, subjektloses
Verhältnis der Mächte zu den "ihrer Objektivität entkleideten Körpern" geht, gibt es
kein subjektives oder objektives Kriterium mehr, das irgend etwas als
negativ, als schlecht, als böse, als häßlich oder sonstwie werten kann. Jede
Negation kann, wie das Subjekt/Objekt-Verhältnis selbst, wiederum nur als Ausdruck
eines spezifischen Machtverhältnisses betrachtet werden ˆ etwa als der
Widerstand der einen lokalen Macht gegen eine andere. Für die Analyse der Macht
heißt das, daß alle Kategorien des Negativen (vor allem der Begriff der Kritik ˆ
wie immer auch verstanden) am Problem der Macht vorbeigehen müssen. Wer wie
Foucault konsequenter Nominalist sein will und diesem Nominalismus die
Verdopplung von Macht und Körper zugrundelegt, der muß Positivist sein ˆ muß einen
Positivismus vertreten, der den empirischen Positivismus der
Naturwissenschaften, und mit ihm die Identitätslogik und Objektivitätswirkung des Geldes,
rigoros auf alle Phänomene und Ereignisse überträgt.
Die Norm und die Disziplinen
Dieser rigorose Positivismus macht die Faszination Foucaults für seine
Jünger aus: Gilt er doch der bürgerlichen Schicht, die im Kapitalismus die Rolle
zu erfüllen hat, die kapitalistische Wirklichkeit mit den Idealen zu
vermitteln, die das Kapital aus sich freisetzt ˆ also den Intellektuellen ˆ als einer,
der streng empiristisch, also mit dem unmittelbaren Verweis auf die Fakten,
argumentiert. Gerade die linke Fraktion des Berufsstandes der Vermittler ist
ja bekanntlich strikt antiintellektualistisch, theoriefeindlich ausgerichtet:
mit Foucault (und heute besonders Derrida) glaubt sie, jemanden gefunden zu
haben, der "die Differenzen" aus dem Korsett der allumfassenden Theorie
befreit habe. (3)
Die für die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft entscheidenden Mächte
sind Foucault zufolge die Disziplinarmächte. Ihre Wirkungsweise erscheint als
anonyme Strategie, die deshalb so erfolgreich sein konnte, weil die
Disziplinarmächte mit einfachsten Instrumenten unerschöpfliche
Gestaltungsmöglichkeiten entfalten können. Ihre Instrumente sind der Panoptismus und die Normierung.
Mittels dieser Instrumente wird jeder Körper immer enger an die neuen Mächte
gebunden, wobei den anderen Mächten immer mehr der Boden entzogen wird.
Die Verfahren der Disziplinarmächte arbeiten im wesentlichen nicht mit dem
Recht, sondern mit der Technik, nicht mit dem Gesetz, sondern mit der
Normalisierung, nicht mit der Strafe, sondern mit der Kontrolle und vollziehen sich
auf einer Ebene und in Formen, die sowohl über die Ökonomie als auch über den
Staat und seine Apparate hinausgehen.
Die von den Disziplinen bewirkte konkrete Dressur aller nutzbaren Kräfte
vollzieht sich somit hinter der großen Abstraktion des Tausches ˆ und nicht in
dieser. Und dem Gesellschaftsvertrag, als der idealen Grundlegung des Rechts
und der politischen Macht, gibt das Zwangsverfahren der Disziplinierung von
unten her seinen Inhalt. Die Aufklärung, welche die Freiheit entdeckt hat, hat
auch die Disziplinen erfunden.
Das juristische System staatlich garantierter Gleichheit und Freiheit der
Individuen ist nicht das Resultat ökonomischer Prozesse, sondern das Ergebnis
einer historischen Transformation der Machttechniken: ist Ergebnis der
Disziplinarmächte, die die Machttechniken, die dem feudalen Souveränitätsprinzip
entsprangen, ablösten. Das Kennzeichen dieser Disziplinarmächte ist, daß es
ihnen weniger um Ausbeutung als vielmehr um Synthese, weniger um Entwindung des
Produkts als um Zwangsbindung an den Produktionsapparat geht. Ziel dieser
Disziplinarmächte ist die Vermehrung der ihr eigenen Kräfte und die der
Gesellschaft ˆ und zwar so, daß die Gesellschaft nicht enteignet und deren Kräfte
nicht gefesselt werden.
Der Panoptismus ist die Lösung des Problems, die Macht steigern zu können
auch und gerade dort, wo sie sich selbst unsichtbar macht. Der feudale Souverän
konnte seine Macht nur ausüben, indem er die Körper unmittelbar in seine
Gewalt nahm. Er mußte den von ihm beherrschten Körpern die Zeichen seiner
Überlegenheit aufbrennen und diese Überlegenheit immer wieder neu beweisen. Als
unsichtbare Macht kann der Panoptismus auf die jähen, gewalttätigen und
lückenhaften Verfahren feudal-souveräner Machttechniken verzichten und dringt dennoch
bis in die elementarsten und feinsten Bestandteile der Gesellschaft ein.
Im Kerkernetz der Institutionen
Architektonisch, also gegenständlich wurde der Panoptismus im Gefängnis
entwickelt und erprobt. Die Körper der Gefangenen wurden auf einen einzigen Ort
hin ausgerichtet, von dem aus jeder Gefangene gesehen werden konnte ˆ die
Gefangenen selbst aber sahen den Aufseher nicht. Die Gefangenen wußten also
nicht, wann, und ob sie überhaupt beobachtet wurden ˆ sie wußten nur, daß sie an
jedem Ort und zu jeder Zeit, der Möglichkeit nach, gesehen werden konnten.
Dieses Zusammenspiel von Wissen und Nicht-Wissen ist die Grundlage, auf der die
Gefangenen ihre Körper nach außen hin disziplinieren, um den Aufsehern so
wenig wie möglich Gründe zum Eingreifen zu geben. Diese Disziplinierung ist aber
andererseits wiederum die Grundlage dafür, daß der Aufseher sich mittels
Beobachtung, Registrierung und Strukturierung ein Wissen von den Körpern der
Gefangenen und deren Verhaltensweisen aneignen kann, ein Wissen, das ihm die
Aufgabe der Überwachung immer mehr erleichtert.
Der allgemeine, den zeitgenössischen Gesellschaftskörper abstrakt
durchziehende Panoptismus ist das Ergebnis dieser vom Strafvollzug ausgehenden, sich
dann in anderen Disziplinareinrichtungen wie dem Militär, der Schule, den
Spitälern, den Irrenanstalten usw. verallgemeinernden, vielfältigen Beobachtungs-
und Registrierungsmechanismen, die nichts anderes verfolgen als zu
katalogisieren und zu strukturieren. Er gewinnt schließlich an Wirksamkeit und dringt
immer tiefer in das Verhalten der Menschen ein. Auf jedem Machtvorsprung ˆ
bildlich gesprochen in jedem Aufseher ˆ sammelt sich ein Wissen an und deckt an
allen Oberflächen, an denen sich Macht entfaltet, neue Erkenntnisgegenstände
auf. Ausgehend von vereinzelten, diskreten Verfahren verallgemeinern sich
historisch die Techniken der Disziplinarmächte und erzeugen den Effekt einer
einheitlichen Strategie.
Die Disziplinen, erprobt in den verschiedenen Modellen des Strafvollzuges,
welche im 18. Jahrhundert entwickelt wurden, dringen in die innerfamiliären
Beziehungen, in die Verwaltungsapparate und sonstigen Institutionen ein und
ändern den Charakter dieser Apparate selbst: Diese haben von jetzt an weniger
die Aufgabe, den Souverän zu repräsentieren, also zu verkörpern, sondern die,
die Disziplinierungstechniken im Gesellschaftskörper zu verallgemeinern. Sind
die Körper schließlich allseits diszipliniert, können die Mächte auf ihre
körperliche Präsenz verzichten: die Aufseher, und in ihrem Gefolge die
Souveränität selbst, können die Bühne verlassen.
Das Kerkernetz von Institutionen (vom Sparverein bis zur Arbeitersiedlung),
in denen hauptsächlich die Unterklassen dressiert wurden, oder genauer: die
darauf basierende Machttechnik, verdrängt andere, unproduktivere Mächte und
wird universell. Nicht alle alten Machttechniken werden dabei verdrängt: die
Disziplinarmacht tritt zu anderen, schon bestehenden hinzu, erzwingt aber neue
Grenzziehungen. Sie tritt hinzu zur Macht des Wortes und des Textes, zur
Macht des Gesetzes, zur Macht der Tradition.
In den Disziplinen kommt schließlich die Macht der Norm zum Durchbruch.
Dient der Panoptismus dazu, die Körper beobachten, registrieren und
differenzieren zu können, so stellt die Norm die Ersetzung des Aufsehers dar, auf den hin
die Körper differenziert werden. Jede Normalisierungsmacht ist doppelt
bestimmt: Einerseits zwingt sie zur Homogenität ˆ was seinen umfassendsten Ausdruck
im System der formellen Gleichheit findet ˆ, andererseits wirkt sie ˆ in
Verbindung mit dem Panoptismus ˆ individualisierend, da von ihr aus Abstände
gemessen, Besonderheiten fixiert und die Unterschiede nutzbringend aufeinander
abgestimmt werden können. Und das Hauptziel aller Verfahren der
Disziplinierung und Normalisierung ist die Individualisierung, die durch den Abbruch jeder
Beziehung, die nicht von der Macht kontrolliert oder hierarchisch geordnet
ist, hervorgerufen wird.
Von einer einheitlichen, also von der Macht darf erst gesprochen werden,
wenn sie als historisch gewordene Einheitlichkeit den gesamten
Gesellschaftskörper durchzieht. Einzelne lokale Mächte, denen gemeinsam ist, daß sie die
Körper disziplinieren, wo die anderen Mächte die Körper gewaltsam unterwerfen,
haben sich nun zu einer gemeinsamen Finalität, zu einer einheitlich wirkenden,
auf eine einheitliche Norm hin bezogenen Strategie verketten können. Und das
Kennzeichen dieser Strategie ist, daß es sich in ihr um Machtmechanismen
handelt, die nicht durch Abschöpfung oder Ausbeutung wirken, sondern durch
Wertschöpfung. An die Stelle des Prinzips Gewalt und Beraubung setzen die
Disziplinen Milde, Produktion und Profit.
Es stellt sich die Frage, wie in die Disziplinarmächte die
Zielgerichtetheit, die Finalität also, hineinkommt, die es erst erlaubt, überhaupt von
Strategie zu sprechen. In Interviews auf dieses Problem angesprochen, antwortete
Foucault immer wieder ausweichend: man wisse nicht, wer die Macht eigentlich
hat, aber man wisse, wer sie nicht hat: Es gibt keine Person und keine Klasse,
von der die Macht ausginge. Beispielhaft führt er dazu aus, daß etwa das
Gefängnis einen Effekt produziert, der im vorhinein absolut nicht vorgesehen war
und der nichts zu schaffen hat mit der strategischen List irgendeines meta-
oder transhistorischen Subjekts, das ihn geahnt oder gewollt hätte. Die
bürgerliche Klasse habe die Strategie der Disziplinierung auf jeden Fall nicht
erfunden und der Arbeiterklasse aufgezwungen. Die Bourgeoisie habe zwar durch alle
Arten von Mechanismen und Institutionen hindurch (etwa den Parlamentarismus,
die Informationsverarbeitung, die Verlage, die Handelsmessen, die
Universitäten usw.) groß angelegte Strategien erarbeiten können ˆ ohne daß es indessen
not täte, ihnen ein Subjekt zu unterstellen. Die massive Übernahme von
militärischen Methoden in die industrielle Organisation sei ein Beispiel dafür, wie
sich die neuen Mächte realisieren, ohne daß hier eine Klasse wie die
Bourgeoisie als Subjekt dieses Prozesses unterstellt werden müßte.
Die Priorität bei Foucault ist klar: Im Verhältnis einzelner Mächte
zueinander entwickelt sich eine Strategie, die dann von den Trägern des industriellen
Produktionsprozesses nutzbar gemacht wurde. Damit konnte die Bourgeoisie
ihre Macht steigern ˆ ohne sie jedoch zu besitzen. Darüber hinaus wird auch die
Bourgeoisie selber von diesen Mächten diszipliniert, wenn auch, dies gesteht
Foucault zu, in einer anderen Weise als das Proletariat.
Der Wissensdiskurs
Die Form, in der jede Macht ˆ ob als Disziplinarmacht oder als eine andere ˆ
es schafft, bis in die winzigsten und individuellsten Verfahrensweisen
vorzudringen, ist der Diskurs. Auf den Diskurs als ihren Träger sind alle Mächte
angewiesen. Die Diskurse sind die strategischen Elemente, mithilfe derer die
Mächte als Mächte erst erkennbar werden.
In den Diskursen der verschiedenen Disziplinarmächte wird, wie oben schon
gesehen, Wissen erhoben, erzeugt und formiert. Aus einer Kombination von
Panoptismus und Normalisierung wird das Prüfungsverfahren entwickelt, das die
Verallgemeinerung und vor allem die Objektivierung des in den Disziplinen
erzeugten Wissens erst ermöglicht.
Erst durch das Überziehen des Gesellschaftskörpers mit den verschiedensten
Prüfungsverfahren wird ein abrufbereites, allgemeines und daher objektiviertes
Wissen konstituiert. Mit den Prüfungen entstehen die Humanwissenschaften und
mit ihnen tritt man in das Zeitalter der unbegrenzten Überprüfung und der
zwingenden Objektivierung ein. Das oben schon angesprochene Kerkernetz bildet
das Arsenal des Komplexes aus Macht und Wissen, der die Humanwissenschaften
geschichtlich ermöglicht hat. Der erkennbare Mensch (seine Seele, seine
Individualität, sein Bewußtsein, sein Gewissen, sein Verhalten usw.) ist Effekt der
von den Disziplinen ermöglichten analytischen Erfassung der Körper.
Diesen neuen Wissenschaften vom Menschen ist gemeinsam, daß der Mensch nicht
mehr als Gattungswesen betrachtet wird, sondern als Individuum. Die
Aufzeichnungs- und Registrierungsverfahren, die Überprüfungsmechanismen, die
Formierung der Disziplinaranlagen, die Herausbildung eines neuen Typs von Macht über
die Körper, haben die Körper erst als Individuen in das Feld des Wissens
eintreten lassen. In jenen ruhmlosen Archiven, in denen das moderne System der
Zwänge gegen die Körper, die Gesten, die Verhaltensweisen erarbeitet worden
ist, hat sich die Geburt der Wissenschaften von den Menschen zugetragen. Zu
Recht weist Foucault darauf hin, daß die empirischen Verfahren, auf die sich
diese Wissenschaften wie auch die Naturwissenschaften stützen, in den
Gerichtsverfahren der Inquisition erarbeitet und entwickelt worden sind.
Das Besondere dieser Erarbeitung von Wissen ist nun, daß die Wissenschaften
vom Menschen beständig nach etwas Geheimem fragen, daß sie immer etwas
entdecken wollen, was hinter den besonderen, empirischen Erscheinungen steckt.
Foucault geht nun davon aus, daß es das, wonach diese Wissenschaften fragen, das
Geheime, das Wahre, das Wesen hinter den Erscheinungen gar nicht gibt.
Vielmehr seien es die Fragen der Wissenschaft selbst, die das produzieren, was sie
dann auch finden.
Individualität etwa ist demnach das Ergebnis der Fragen der Wissenschaft
nach Individualität, ist also nichts, was den Körpern von Natur aus eigen ist.
Ähnlich verhält es sich mit der Seele: sie entsteht als inneres Gegenstück zu
der den Körpern von außen aufgezwungenen Disziplin: Hier wird sie produziert,
um dann von den Psychologen für die Macht genutzt werden zu können.
Als Modellfall für dieses zirkuläre Wechselspiel der Produktion und späteren
Entschleierung von Geheimnissen gilt Foucault die Freudsche
Verdrängungshypothese, gegen die er seine Anti-Repressionshypothese entwickelt: Indem die
Psychoanalyse beständig nach dem Unbewußten fragt, indem sie ständig über das
Unbewußte redet, erzeugt sie es erst. Sie entdeckt im Unbewußten nicht das
wahre Sein des Subjektes, ebensowenig wie die Humanwissenschaften Individualität
als die Wahrheit der Körper entdeckt haben. Der hinter jedem Wissenwollen
steckende Wille zur Wahrheit, der in der Psychoanalyse einen seiner historischen
Höhepunkte feiert, ist ein Resultat der abendländischen Kultur ˆ und damit
der Macht.
Wahrheit und Macht
Diese Ordnung der Wahrheit ist für die Struktur und das Funktionieren der
heutigen Gesellschaft fundamental. Die Macht produziert Wahrheitswirkungen und
diese ihrerseits reproduzieren die Macht. Indem das Wissenwollen der
Menschheit auf Wahrheit zielt, befreit es sich nicht aus den Technologien der Macht.
Die Objektivität der Erkenntnis ist nicht der Ort der völligen Freiheit von
Macht ˆ sie ist ihr Zentrum.
Die gegenwärtige Ordnung der Wahrheit hat ihre Geschichte: Entstanden ist
die Einteilung der Diskurse in wahre und falsche mit der Vertreibung der
Sophisten bei den alten Griechen. Diese Teilung in wahr und falsch war neu, denn
der wahre Diskurs ist von nun an nicht mehr der kostbare und begehrenswerte
Diskurs, der an die Ausübung der Macht gebunden ist. Seit den Griechen wird im
Abendland das Objektive gesucht, wird das gesucht, was jenseits des Begehrens
und Wollens vermutet wird.
In der Marterung der Körper als Strafpraxis vorbürgerlicher Gesellschaften
ist die Verbindung von Macht und Wahrheit, ähnlich wie im philosophischen
Diskurs bei den altgriechischen Sophisten, noch unmittelbar: Durch die Marterung
vollzieht sich die Machtausübung über die Körper und das durch die Marterung
hervorgerufene Geständnis ist der Wahrheitsbeweis.
Mit der Entkörperlichung der Macht gewinnt ˆ auch wenn die Marterung als
Folter in der Strafpraxis nicht gänzlich verschwindet ˆ das Geständnis bei der
Suche nach Wahrheit immer mehr an Bedeutung, und zwar sowohl in der modernen
Strafpraxis, in der sich der Angeklagte mit dem Geständnis für die Wahrheit
der Untersuchung verbürgt, als auch in der Psychoanalyse, in der sich das
Geständnis der Wahrheit in das Herz all der Verfahren eingeschrieben hat, durch
die die Macht die Individualisierung betreibt.
Besonders in seinem letzten Projekt, unter der Überschrift: Sexualität und
Wahrheit, ging es Foucault darum, eine politische Geschichte der Wahrheit zu
schreiben. Mit ihr wollte er die traditionellen Linien der Philosophie
umkehren. Dieser traditionellen Philosophie schreibt Foucault folgende Erkenntnisse
zu: Das Geständnis befreit, die Macht zwingt zum Schweigen, die Wahrheit
gehört nicht zur Ordnung der Macht, sondern steht in einem ursprünglichen
Verhältnis zur Freiheit. Die politische Geschichte der Wahrheit dagegen hätte zu
zeigen, daß die Wahrheit weder von Natur aus frei noch der Irrtum unfrei ist.
Daß dies so ist, werde beim Geständnis wiederum am deutlichsten. In der
Forderung nach einem Geständnis des Wahren, ob bei der Aufklärung von Straftaten,
bei der Ermittlung von Pathologien in der Medizin oder bei der Preisgabe des
Unbewußten in der Psychoanalyse ist der Zusammenhang der Macht mit der Wahrheit
noch deutlich erkennbar.
Wahrheit wird von Foucault in ein "Dispositiv der Macht" verwandelt. Was in
der traditionellen Philosophie am Anfang steht: die Frage nach der
Möglichkeit der Erkenntnis von Wahrheit, steht bei Foucault am Ende: denn das, was wir
heute unter Wahrheit verstehen, soll das umfassendste Resultat der
geschichtlichen Techniken der Macht sein. Sexualität etwa ist kein Naturvermögen, ist
keine von der Wissenschaft entdeckte ewig-gültige Wahrheit des Mensch-Seins,
sie entsteht vielmehr als ein geheimes Wissen im strategischen und politischen
Zusammenspiel von Körper, Lust, Sex und Macht. Das gemeinsame aller von
Mächten erzeugten Wahrheitswirkungen ist nun, daß in diesen Wahrheiten Mächte am
Werk sind, die wirken können, ohne daß ein Aufseher, ein Mächtiger, ein
Souverän körperlich erscheint. Denn, und das ist das allgemeine Ergebnis der
Analysen Foucaults: je unsichtbarer, und, hinzuzufügen wäre, je einheitlicher eine
Macht auftritt, um so effektiver ist sie.
Form und Inhalt
Wahrheit, und hier liegt der entscheidende Fehler der Mikrophysik Foucaults,
ist aber nicht unabhängig von der Form zu denken, die eine jede Wahrheit
annehmen muß, will sie allgemein als solche anerkannt werden. Eine Technologie
der Macht etwa, für die zwei und zwei fünf ist, wird jeden Einfluß, und damit
jede Fähigkeit, Körper ihrem Willen gefügig zu machen, sofort verlieren. Von
dieser Formbestimmtheit einer jeden Wahrheit kann man aber nicht
abstrahieren, wenn man die Wahrheitswirkungen irgendeiner "Macht" analysieren will.
Wahrheit ist, zuerst einmal, nichts anderes als die allgemeine Anerkennung der
Geltung reiner Formen. Wenn Foucault Macht in der Wahrheit entdeckt, dann
entdeckt er einen bestimmten Inhalt in einer reinen Form. Der Archäologe, der
Positivist und Empiriker, dem nur das etwas gilt, was auch erscheint, dieser
Anti-Metaphysiker Foucault sieht in der Wahrheit ein Gespenst, das Gespenst der
Macht. In einer reinen Form einen Inhalt zu suchen, ist so okkult wie die
Absicht, ein Geldstück mit den raffiniertesten Verfahren chemisch zu analysieren,
um darin am Ende das gesellschaftliche Verhältnis zu finden ˆ das das Geld
aber seinem Wesen nach ist. Die Entstehung und die Geltung reiner
Formbestimmungen ˆ etwa die der Mathematik ˆ ist als ein gesellschaftsbedingter Prozeß nur
dann zu verstehen, wenn man diese Formen als das ansieht, was sie sind:
Formen, in denen Machtbeziehungen ˆ also Gesellschaftlichkeit im weitesten Sinn ˆ
nicht nur suspendiert scheinen, sondern auch suspendiert sind. Erst über die
Rekonstruktion der gesellschaftlichen Reproduktion, erst also, wenn man
einen Begriff von Totalität hat, ist die Bedeutung zu erkennen, die die
beständige Überbrückung des Gegensatzes von Form und Inhalt für den Zusammenhalt der
bürgerlichen Gesellschaft hat. Machtverhältnisse sind immer Resultate ˆ da hat
Foucault völlig recht. Und auch Wahrheitswirkungen mögen Resultate sein. Die
Frage ist nur: Resultat von was?
Trotz all seiner Beteuerungen, daß Macht nur lokal existiere, kommt Foucault
im Resultat nicht darum herum, ganz allgemein zu behaupten, daß Macht von
Macht erzeugt wird. In einer jeden Form, und sei es nur in der
sprachlich-nominalen Identität von Macht und Mächten fallen Anfang und Ende, Ausgangspunkt
und Resultat, Teil und Ganzes, Besonderes und Allgemeines zusammen. Von dieser
Vertracktheit seines Gegenstandes muß Foucault beständig abstrahieren und
wird diesem Gegenstand somit nicht gerecht. Zu sagen, Macht erzeugt Wahrheit
bzw. Wahrheit und Macht, ist dasselbe, wie zu sagen, Geld erzeugt Geld. Durch
die Gleichsetzung von Wahrheit und Macht muß Foucault die Macht zum
automatischen Subjekt der Geschichte machen: zur Wahrheit, die Wahrheit produziert. Die
moderne bürgerliche Gesellschaft mag als ein derart tautologisches Gebilde
erscheinen ˆ mit Foucaults Machtbegriff ist sie als eine solche Erscheinung
aber nicht erklärt, geschweige auf den Begriff gebracht. Eine solche Erklärung
wäre nur möglich, wenn gezeigt werden kann, wie aus der allgemeinen
Anerkennung reiner Formbestimmungen sich in der bürgerlichen Gesellschaft
Gewaltverhältnisse reproduzieren. Dies erfordert, neben einem Begriff von Totalität, auch
einen Begriff von negativer Vergesellschaftung und von Verkehrung. Auf dieser
Grundlage erweist sich der Machtbegriff Foucaults als Fetischisierung des
Kapitals.
Denn wenn diese Mächte körperlos, willenlos, also subjektlos sind, woher
sonst käme dann ihr Bestreben ˆ das ihnen allen ja gemeinsam ist ˆ sich zu
steigern, effektiver und unsichtbarer zu werden? Es mag ja noch angehen, daß ihre
Verkettung zu einer einheitlichen Strategie dem Zufall geschuldet ist ˆ oder
einem chaotischen Wechselspiel von Zufällen und Notwendigkeiten. Das
Bestreben jeder einzelnen Macht aber, nicht ineffektiv, sondern effektiv, nicht mehr,
sondern weniger Widerstandspunkte zu produzieren, dieses Bestreben muß
Foucault als Einheit, als allgemeine Wahrheit jeder einzelnen Macht voraussetzen.
Damit aber bricht seine Behauptung, das Allgemeine immer nur als Resultat der
Verkettung je besonderer Ereignisse analysieren zu wollen, in sich zusammen.
Das, was allen Mächten gemeinsam ist: das Bestreben, ihre Kräfte zu
vermehren, also ein sehr menschliches, anthropologisches Bedürfnis eigentlich,
bestimmt die Wirkungsrichtung der Macht: wie bei jeder traditionellen Philosophie
ist das Allgemeine hier Subjekt, das Besondere nur Ausdruck dieser
Subjektivität. Und in diesem Punkt: der Zielgerichtetheit der Mächte, wären die Analysen
Foucaults etwas, was sie am wenigsten sein wollen: Anthropologie.
Der Ideologe
An all das, was Foucault an konkreten Untersuchungen vorgelegt hat, wäre
zuerst einmal die Frage zu stellen, mit welchem Recht Foucault sich gegen
totalisierende Universalien und gegen systematische Theorien so vehement gewehrt
hat. Zugegeben sei, daß Foucault ohne Naturgesetzlichkeit, ohne
Geschichtsteleologie auskommt, daß er der Geschichte eine allumfassende Kausalität nicht
unterstellt. Fortschrittsmythen haben bei ihm keinen Platz. Wenn man außer acht
läßt, daß auch die Aussage, alles Sein ist Werden, ontologisch ist, so kommt
Foucault sogar ohne ahistorische Prämissen aus. Aber sein Konzept der Macht
dürfte, was Einheitlichkeit, Universalität und innere Konsistenz anbelangt,
sowohl methodologisch als auch in der inhaltlichen Ausgestaltung, als auch in
der sich daran anschließenden politischen Programmatik den Weltgeist
hegelianischer Prägung in jeder Interpretation weit in den Schatten stellen.
Zu streiten wäre nicht darüber, daß das, was Foucault an Ereignissen und
Strategien in den Archiven aufgestöbert hat, verglichen mit einem Marxismus, dem
der Machtanspruch im allgemeinen Wahrheits- und Objektivitätsbegriff gar
kein Problem ist, sehr viel brauchbarer ist. Auch dem Utopismus vermögen sie ˆ
in der Nachfolge Nietzsches ˆ sehr anschaulich vorzuführen, daß hinter ihm
dieselbe Macht steht, die auch das Kapital so mächtig macht. Wer, egal in
welcher Spielart, programmatisch von der bürgerlichen Gesellschaft verlangt, sie
solle die Subsumtion besonderer Interessen und Bedürfnisse unter eine
allgemeine Macht, ob diese nun Leben, Natur, Glück, Liebe, Arbeit, Wahrheit oder
sonstwie genannt wird, weiter treiben als sie es bisher schon treibt, der betreibt
tatsächlich genau das Geschäft des Kapitals. Das Richtige bei Foucault ist
nur zu retten, wenn man die positivistische Konstruktion der Macht
durchbricht. Geschieht dies nicht, dann landet man unweigerlich dort, wo noch deutlicher
als Foucault Derrida gelandet ist: bei Heidegger, das heißt bei einer
Vereinheitlichung aller Differenz in einem mystischen Sein (4) , d.h. politisch:
beim Führer.
Mystik der Wertform
Kritische Theorie kann hingegen den Machtpositivismus dechiffrieren. Was
Foucault die singulären, lokalen Mächte nennt, das läßt sich mit Marx sehr viel
genauer ˆ und von allen Mystizismen entkleidet ˆ als die Verausgabung
konkreter Arbeit im Produktionsprozeß beschreiben. Diese konkrete Arbeit wird
bekanntlich unter kapitalistischen Produktionsbedingungen in ihr Gegenteil
verkehrt: sie wird zu abstrakter Form, sie verwandelt sich in Wert. Dieser im
Produktionsprozeß erzeugte Wert wird auf dem Markt realisiert ˆ erscheint dort als
gerechter Preis und, okkult, als Geld, als sinnlich-übersinnliche Form. Was
Foucault mit der Universalisierung der Disziplinar- und Normalisierungsmächte
beschreibt, wäre hingegen nichts anderes als die Verallgemeinerung der Form
des Werts: die Wertform ist es, die das Denken und Verhalten der Individuen
kolonialisiert, und zwar hinter und in den Disziplinierungen. Ihres
metaphysischen Charakters als subjektlose Mächte entledigt, kann dann all das, was
Foucault mit den Kategorien von Disziplinierung, Panoptismus, Normalisierung und
Prüfung faßt, weitgehend sogar akzeptiert werden; allerdings mit der einen
wichtigen Einschränkung, die am Anfangsbeispiel von den Äpfeln und den Birnen
verdeutlicht werden kann: Die Disziplinen, von denen Foucault spricht, verlangen
von den Körpern nicht nur, daß diese den Allgemeinbegriff Obst als das
Gemeinsame in Apfel und Birne akzeptieren. Wenn bei Foucault von der Ausrichtung
der Körper auf eine einheitliche, allgemeingültige Norm die Rede ist, dann
bekommt er nur diesen Aspekt der Normierung im Abstrakten in den Blick. So
richtig dieser Aspekt der Disziplinierung auch gesehen wird: was die
Disziplinierung aber schließlich erreicht, ist, daß die Individuen den Widersinn
akzeptieren, daß zwei Äpfel genausoviel wert sind wie fünf Birnen. Und noch wichtiger,
aber um so schlimmer: daß acht Stunden private Abtretung von Lebendigkeit an
einen Kapitalisten dasselbe wert ist wie das, was in vier Stunden
gesellschaftlicher Tätigkeit produziert werden kann. Erst die Verallgemeinerung dieser
Real-Abstraktion ˆ auf dem Gebrauchtwagenmarkt ebenso wie auf dem
Arbeitsmarkt ˆ bringt das Verhältnis von Besonderem und Allgemeinen auf den Begriff.
Weil Foucault, wie jede Wissenschaft, nur Nominal-Abstraktionen kennt ˆ wie die
vom Obst, oder die von der Macht ˆ, muß ihm der für die Entstehung der
bürgerlichen Gesellschaft entscheidende Schritt entgehen: Daß nämlich vom
Kapitalismus erst gesprochen werden kann, wenn die Realabstraktion des Tausches auch
die Produktion erfaßt hat. Erst wo die Arbeitskraft selbst zur Ware geworden
ist, sie selbst wertförmig ist und auch so denkt, erst von diesem Zeitpunkt an
können sich die Disziplinierungen gesellschaftlich verallgemeinern, erst
jetzt kann das Kapital zu einer sich aus sich selbst heraus reproduzierenden
Macht werden. In der Verkehrung lebendiger Arbeit zu abstrakter Form im
Produktionsprozeß liegt die Grundlage, liegt das Subjekt, das Wesen all der Mächte
verborgen, von denen Foucault als angeblich subjektlosen spricht.
In dem Maße, in dem Individuen die Geltung der Wertform akzeptieren und als
allgemeingültige Denkform für alle Bereiche ihres Lebens verinnerlichen, in
dem gleichen Maße setzen sich in der Folge die von Foucault beschriebenen
disziplinierenden Mächte durch. Die vereinheitlichende Macht des Kapitals, dessen
Universalisierung, Anonymisierung, sowie das Wirken des Kapitals als
automatisches Subjekt ˆ in dem Macht Macht wie Geld Geld erzeugt ˆ ist somit das
Resultat eines historischen Prozesses, der dem Kapital selbst durchaus äußerlich
ist. Das Kapital als Macht, Ausbeutung also, ist geschichtliches Resultat
eines sozialen Verhältnisses, das vom Äquivalententausch beherrscht wird, einem
Tausch, in dem selbst weder ein Gramm Naturstoff noch irgendein Moment von
Ausbeutung, Herrschaft oder Macht enthalten ist, der eben reine Form, der
Erscheinung ist, in der ihr Wesen: auf Ausbeutung zu beruhen, nicht erscheint und
dennoch nur in eins mit ihm existieren kann. Wer in der Nachfolge Foucaults
bestreitet, daß dieses Wesen existiere, weil es nicht erscheine, ist dagegen
gezwungen, jedes Ereignis unmittelbar als Ausdruck von Macht zu begreifen.
Daß nämlich die Macht nicht das Wesen der Sache sei, sondern im Ereignis
unmittelbar erscheine, ist eine Schutzbehauptung, deren Unwahrheit und Widersinn
offen zutage liegt: Das Geld etwa hat eventuell "Macht" ˆ ist aber an sich
vollkommen machtlos, ist Ausdruck reiner Form und nichts anderes. Der Positivist
wird unweigerlich zum Ideologen, zum Vermittler, der der Kritik, die nur in
der Differenz von Erscheinung und Wesen existieren kann, den Kampf angesagt
hat.
"Übermensch" und Ent-Individualisierung
Wenn man davon ausgeht, daß der kapitalistische Produktionsprozeß die
Lebendigkeit der Individuen in das leblose Funktionieren einer abstrakten Form von
Vergesellschaftung verkehrt, wenn erkannt wird, daß dieses Subjekt der
Produktion zugleich deren Objekt ist, dann erweisen sich die positivistischen
Konsequenzen, die Foucault aus seinem Machtkonzept ziehen muß, eindeutig als
verkehrt.
Überall da, wo Foucault Mächte und Körper zu einer bruchlosen Einheit
zusammenzieht ˆ und dies ist bei ihm in jeder Kategorie der Fall ˆ muß eigentlich
immer schon von einer realen Verkehrung der Subjekt-Objekt-Verdopplung
ausgegangen werden. Der alte philosophische Subjekt-Objekt-Dualismus behält damit
seine Gültigkeit und mit ihr alle Kategorien des Negativen, die Foucault
abzulehnen gezwungen ist. Die Verdopplung in Mächte und Körper (oder,
medientheoretisch: die Verdopplung in totalisierende Theorie als dem Negativen und
vagabundierender Information als dem Positiven) erweist sich als x-beliebige
Hypothese, vergleichbar der vom grünen Käse als dem Urbaustein der Materie, die für
die Beschreibung der Realität des Kapitals vollkommen unbrauchbar ist ˆ und
deshalb der kritischen Theorie keinerlei Veranlassung geben kann, nicht
weiterhin das Kapital als Unwesen, als den Ausdruck negativer Vergesellschaftung zu
denunzieren. Die Begriffe Repression, Ausbeutung und vor allem der Begriff
der Kritik behalten nicht nur ihre Berechtigung, sondern sie sind
unverzichtbare Kategorien der herrschenden Realität. Auf der Basis dieser Kategorien wird
denn auch der in seiner Schlichtheit zu einer Reihe von Abstrusitäten
führende Charakter einer politischen Programmatik deutlich, die sich aus dem
Positivismus-, bzw. Nominalismuskonzept notwendig ergeben.
Wer, wie Foucault, Macht als beständigen Kampf einzelner Mächte
gegeneinander definiert, hat es sehr einfach, wenn es darum geht, zu bestimmen, was
Widerstand ist. Wo Macht ist, dort ist dann eben auch Widerstand. Und weil jeder
Knoten im umfassenden Netz der einheitlichen Macht für den Zusammenhalt des
ganzen Netzes gleich bedeutsam ist, reicht es dann aus, einen einzigen Knoten
aufzulösen, um das Ganze in die Luft zu sprengen ˆ auf diese einfache, und für
jede Erfahrung falsche Formel gerinnt die politische Programmatik bei
Foucault. Er kann aus seinem Machtkonzept keine weiteren Kriterien zur
Differenzierung der Politik entwickeln: Nimmt man diese Formel, so hat auch der Nazi, der
sich aus den disziplinierenden Zwängen der Schule, des Berufes etc. gelöst
hat, durchaus Widerstand geleistet.
Mehr noch: Am politisch fatalen Punkt seines Denkens scheut Foucault davor
zurück, die klare Sprache seines Vordenkers Nietzsche zu finden. In einer
Hymne auf diesen spricht Foucault etwa davon, daß die Regeln der Logik der
Machtbeziehungen in sich blind, gewalttätig und ohne Zwecksetzung sind. Sie könnten
diesem oder jenem unterworfen werden. Das große Spiel der Geschichte gehöre
dem, der in den komplexen Mechanismus eindringt und ihn so umfunktioniert,
daß die Herrscher von ihren eigenen Regeln beherrscht werden. Foucault
verschweigt, daß Nietzsche eindeutig sagt, wer es ist, der sich dieser blind
wirkenden Regeln bemächtigt: der Übermensch ˆ und das ist, politisch gesprochen, der
Souverän, der ˆ aus Foucaults Konzept der Macht heraus nicht erkennbar ˆ
hinter und in den Anonymisierungen und Verallgemeinerungen der Macht sein Unwesen
effektiviert und geduldig darauf wartet, wie der Phönix aus der Asche die
bürgerliche Gesellschaft auf ihren Begriff bringen zu können. Es kann sein, daß
Foucault über diese Problematik Bescheid wußte: aber seine Konzeption ließ
es nicht zu, sich über den Souverän der bürgerlichen Gesellschaft anders als
hinter der hohlen Hand zu äußern.
Der Positivismus von Foucault kann von Krise, Notstand, Ausnahmestaat,
Souveränität oder Führer nicht reden, wenn diesen Begriffen keine
real-existierende Person, kein Ereignis, kein Körper, kein aktueller Diskurs zugeordnet
werden kann. Dem Positivisten, der keinerlei Gesetzlichkeit mehr kennen mag, ist
etwa die Aussage, daß der Kapitalismus seine Krisen nur über die Zerstörung
von Kapital ˆ was gleichzeitig das elende Verrecken vieler Menschen zur Folge
hat ˆ wird lösen können, nur dann keine metaphysische, wenn dem in ihr
beschriebenen Ereignis ein empirisch-aktueller Vorgang zugeordnet werden kann. Wenn
Foucault von Faschismus spricht, muß er diesen Begriff synonym mit dem des
ganzheitlichen, totalisierenden Diskurses gebrauchen, muß er das Problem des
Faschismus zumindest solange lediglich als ein Problem des Denkens und Fühlens
begreifen, wie der wirkliche Faschismus sich real nicht durchgesetzt hat. Den
Positivisten à la Foucault ist es unmöglich, Faschismus, Souveränität oder
Krise als Realität zu verstehen, die die bürgerliche Gesellschaft auch dann
noch kennzeichnet, wenn ihr aktuell-empirisch nichts entspricht. Ohne die
Unterschiede verwischen zu wollen: daß demokratische Republik und Faschismus,
Volkssouveränität und Führertum zwei Seiten ein- und derselben politischen
Vergesellschaftung durch das Kapital sind ˆ dies zu erkennen muß jedem
Anti-Dialektiker unmöglich bleiben.
Derjenige etwa, der sich berufen fühlt, den Gulag medienwirksam anzuprangen,
weil er angeblich keinen totalisierenden Diskurs führt ˆ führt ihn
schließlich aber doch; gerade derjenige, der jeden, der sich auf Hegel oder Marx
beruft, als schuldig am Gulag verurteilt (und auch das unsägliche "Schwarzbuch"
ist von Autoren verfaßt, die in die Traditionslinie Foucaults gehören), ist ein
antitotalitärer Apostel der blindwütigen Totalität des sich verwertenden
Werts.
Ent-Individualisierung als Programm
Denn nicht nur im Verständnis des Souveräns rächt sich die positivistische
Konzeption Foucaults. Ganz gegen seine Absicht, keine universalistische
Theorie vorzulegen, hat sein Universalismus zu allen Teilbereichen der Gesellschaft
etwas zu sagen: zu
Staat/Ökonomie/Politik/Ethik/Ästhetik/Wissenschaft/Philosophie und vielem anderen mehr. Foucaults Universalismus ist aber ein
schlechter, weil er den empirischen Ereignissen nur eine einzige Ebene der
Abstraktion zugrunde legen kann: eben die der positiven, produzierenden,
wertschöpfenden Macht. Deswegen müssen seine Untersuchungen, trotz der Fülle des in ihnen
verarbeiteten Materials, viel zu sehr pauschalieren, bekommen sie die
wirklichen Differenzierungen der bürgerlichen Wirklichkeit, die auf sehr
verschiedenen, in sich vielfach abgestuften Abstraktionsebenen funktioniert, nicht in den
Griff. Deshalb wird schließlich von Foucault die Katastrophe, auf die die
bürgerliche Gesellschaft nicht erst zusteuert, sondern die sie schon längst
ist, zum politischen Programm erhoben. Der, der Gesellschaftlichkeit und
Individualität als die Gegner seines politischen Kampfes ausmacht, der muß den Tod
eigentlich als Erlösung betrachten: mal angenommen, die von Foucault
geforderte Ent-Individualisierung gelingt. Wer soll dann noch irgend etwas als
Differentes, Besonderes, Konkretes oder Singuläres gegen dessen Ausbeutung durch
eine verallgemeinernde Macht zur Geltung bringen? Die Verwirklichung des an sich
richtigen Ziels, das Besondere von seiner Beherrschung durch das Allgemeine
zu befreien, verbaut sich Foucault mit dieser seiner Forderung nach
Ent-Individualisierung. (Etwas ganz anderes wäre die Denunziation des
Subjektbegriffes; für diese Unterscheidung der kritischen Theorie zwischen Individuum und
Subjektkonstitution ist der Foucaultianismus aber genau so blind wie alle
wissenschaftlichen Theorien des Subjekts.)
Das politische Programm Foucaults, mag es auch noch so nichtssagend sein,
ist für sich genommen allerdings noch kein Einwand gegen die diesem Programm
zugrundeliegende Theorie. Eine Theorie ist nicht verkehrt, wenn sie der Praxis
keine Auswege aus der Misere weisen kann. Jeder Positivismus, Moralismus,
Utopismus und Idealismus steht vor dem Dilemma, Auswege konstruieren zu müssen,
die sich auf eine Analyse der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr stützen
können. An jede Theorie wäre aber, bevor man sich über Praxis unterhalten kann,
die Frage zu stellen, ob sie die reale Mystifikation des Kapitals als eines
sich selbst setzenden Subjekts kenntlich machen kann. Weil Foucault sich mit
dem Machtbegriff den Weg hierzu verbaut, ist sein Konzept gescheitert und all
seine ihm nachfolgenden Adepten sind damit von vornherein auf dem "Holzweg".
Seine politische Programmatik stellt somit eine Irreführung dar, die,
zumindest stellenweise bei ihm selbst schon, bei seinen Schülern allerdings zur
Gänze, auch noch gefährlich ist.
Manfred Dahlmann
Anmerkungen:
1) Auf der Grundlage dieser Leugnung der Differenz von Begriff und
Gegenstand kann Foucault natürlich ebenfalls einer vernichtenden Kritik unterzogen
werden: aber in dieser Kritik braucht man auf Foucault eigentlich gar nicht
gesondert einzugehen ˆ eine Kritik an Wittgenstein etwa wäre hier viel
produktiver und würde Foucault en passant mit erledigen. Dasselbe gilt für den
Strukturalismus vor Foucault: Mit der Abwendung von dieser Tradition hat er
keineswegs das strukturalistische "Paradigma" verlassen, sondern lediglich dessen
"Objektivismus" denunziatorisch konsequent gegen den "Subjektivismus" gewendet.
(Mit Foucault konnte so die spontaneistische Linke Anfang der 80er Jahre, so
etwa auf dem berühmt-berüchtigten Tunix-Kongreß, ihren Subjektivismus
objektivistisch anreichern. Dasselbe macht heute die kulturalistische Linke, wie sie
etwa von G. Jacob repräsentiert wird.) Mir geht es im folgenden um das, was
die Faszination von Foucault auf die Linke ausmacht: seine Originalität, die,
und das will diese Linke gar nicht wissen, so "originell" zwar gar nicht ist,
die sich aber, wie alles "Neue" in der Warenwelt, durch eine Besonderheit in
der Verpackung auszeichnet.
2) Diese Nähe seines Machtbegriffes zum Wertbegriff des Hegelianers Marx muß
der Antihegelianer Foucault natürlich leugnen: die explizierte Anerkennung
dieser Nähe würde sein gesamtes nominalistisches Konzept zum Einsturz bringen.
3) Jeder wirkliche Empirist kann da natürlich nur lachen: empirisch stimmt
bei Foucault nur selten etwas, sobald seine Darstellung über die reine
Faktizität hinausgeht: und das tut sie in jedem ihrer Momente (und das wiederum ist
erkenntnistheoretisch anders auch nicht möglich). Beispielsweise ist das
architektonische Modell, das Foucault als Grundlage für seinen "Panoptismus"
dient, tatsächlich nie gebaut worden. Aber das soll hier nicht weiter
interessieren: kritisierbar ist Foucault, wie jeder Empirist auch, allein in der den
Ereignissen zugrundegelegten, vereinheitlichenden und verallgemeinernden
Theorie.
4) Der Machtbegriff Foucaults folgt logisch-strukturell genau dem Muster des
Heideggerschen Seinsbegriffes; noch evidenter tut dies Derridas Begriff der
Gerechtigkeit. In dieser Begrifflichkeit ist die Rolle des faschistischen
Führers komplett antizipiert: in ihm personifiziert sich die anonyme,
subjektlose, im Hinter- (oder Unter-) Grund wirkende, allgegenwärtige Souveränität und
wird real. Der Führer ist, wie bei H. Arendt nachzulesen ist, nicht der
präkapitalistische, in eine Hierarchie eingebundene Tyrann, sondern der
Über-Vater, der seinen Willen in jedem Subjekt verankert hat. Wenn Heidegger (wie Carl
Schmitt) sich irgendwann nach 33 von den Nazis "innerlich" distanzierte, dann
nicht, weil er von nun an kein Nazi mehr war, sondern aus einem ganz anderen
Grund: weil er erkannte, daß Hitler sein Versprechen, Führer zu sein, nicht
konsequent genug hat einlösen können. Was die Adepten Heideggers als
Läuterung ausgeben, ist in Wirklichkeit nichts anderes als das konsequente Festhalten
an der nazistischen Ideologie. Wer den Grundbegriff seiner Analysen also
genau so faßt wie Heidegger, der affirmiert dessen Logik: wie er sich konkret
ausdrückt ist demgegenüber vollkommen gleichgültig. Die Logik ist jedenfalls
immer wirkungsmächtiger als der subjektive Wille ˆ das dürfte gerade Foucault
nicht bestreiten.

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06 GATS Aktion morgen
Von: Niki Kowall <niki.kowall@aks.at>
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22. Mai 2002
Aktionsankündigung der AKS Wien und der AKS Bundesorganisation
GATS: Bildungsausverkauf rechtzeitig stoppen !
Morgen
Ecke Mariahilferstraße Neubaugasse
10:30- 14:30
Straßenaktion mit Infowänden, Protestfax und Aktionismus
Photomöglichkeit

Bis zum 30 Juni müssen die Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation
(WTO) bekannt geben, in welchen Dienstleistungsbereiche die von den
anderen WTO-Staaten Liberalisierungen erwarten. GATS (General Agreemant on
Trade in Services) ist internationaler Vertrag der WTO zur Liberalisierung
des Bildungsbereiches. GATS ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt
und wird defacto hinter verschlossen Türen verhandelt. Das Zustandekommen
der Verträge resultiert aus einem nicht transparenten Geflecht aus Lobbys,
BeamtInnen und PolitikerInnen. GATS sollte in jedem Fall vor dem 30. Juni
öffentlich diskutiert werden. Dazu möchte die Aktion kritischer
SchülerInnen im Rahmen der ŽFreiheit in den Köpfen statt Freiheit für die
Kohle" beitragen und lädt die herzlich ein, am 23. Mai der Straßenaktion
beizuwohnen. Rückfragehinweis:
Niki Kowall (0699) 11 40 81 42 AKS Bundesvorsitzender
Lea Rennert (0699) 11 32 30 08 Vorsitzende der AKS Wien

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07 EINLADUNG, Fr. 24. Mai, 19h
Von: Jo Schmeiser <vor.red@sil.at>
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Klub Zwei
Simone Bader und Jo Schmeiser
Lehargasse 3/8 1060 Wien,
Tel+Fax: +43/ 1/ 319 05 61
email: klubzwei@t0.or.at, vor.red@sil.at
www.t0.or.at/šklubzwei----------------------------------
EINLADUNG
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Liebe FreundInnen, FörderInnen, AktivistInnen!
Klub Zwei zeigt:
zu unserem 10-jährigen Bestehen eine Auswahl von Plakat-, Foto- und
Video-Arbeiten rund um die (in A leider nach wie vor aktuellen) Themen Antisemitismus,
Rassismus, Sexismus.
Es gibt Live-Musik (es trommeln die Trommlerinnen, die ihr sicher von den Demos
kennt) und guten Wein.
Wir freuen uns auf euch und eure FreundInnen!
Viele Grüße,
Klub Zwei
Zeit: Freitag, 24. Mai ab 19h
Ort: 1100 Wien, Davidgasse 79/ Stiege 5/ Atelier Klub Zwei
Straßenbahnen: 62, 65 bis Station Davidgasse
Im Rahmen von: Offene Ateliers. Eine Ausstellung aller KünstlerInnen mit
geförderten Ateliers in der Davidgasse, siehe Attachments 1+2 (werden auf
Anfrage zugemailt).
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AKTUELLSTES KLUB ZWEI PROJEKT
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Things. Places.Years.
Jüdische Frauen in Wien und London
Ein Dokumentarfilm in process: A/GB 2003
Regie: Klub Zwei
Produktion: amourfou
"Things. Places. Years" versammelt Interviews mit Jüdischen Frauen, die als
Kinder, Jugendliche oder junge Frauen aus dem nationalsozialistischen Wien nach
London flüchten konnten. Im Film zu Wort kommen auch die Töchter und
Enkeltöchter der Emigrantinnen. Zentrales Thema ist die Erfahrung von
Vertreibung, Emigration und Holocaust. Es soll gezeigt werden, dass diese
Erfahrung von Generation zu Generation weitergegeben wird und wie sie im Leben
junger Jüdischer Frauen ˆ bis heute ˆ nachwirkt.
Wenn von Präsenz und Absenz die Rede ist, so bedeutet dies, je nach dem wer
davon spricht, Unterschiedliches. So sprechen die Nachkommen von Überlebenden
des Holocaust von "The Presence of the Absence" (Katherine Klinger) und meinen
damit die Präsenz des Verlusts ganzer Familien, des Verlusts der Muttersprache
ihrer Eltern, des Verlusts von Orten, die ihre Eltern geliebt haben und die
heute noch, unverändert, in Wien existieren. Was aber bedeutet "The Presence of
the Absence" für uns, als Nachkommen der TäterInnen- und
MitläuferInnengesellschaft? Es meint die Auseinandersetzung mit der
"Vergangenheit in der Gegenwart" (Ulf Wuggenig), das heißt, die Arbeit gegen
den aktuellen, alten und neuen Antisemitismus und Rassismus, mit dem
MigrantInnen, Jüdinnen und Juden in Österreich heute zunehmend konfrontiert
sind.
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LATEST KLUB ZWEI PROJECT
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Things. Places.Years.
Jewish Women in Vienna and London.
A documentary in process: A/GB 2003
Directed by Klub Zwei
Produced by amourfou
"Things.Places.Years." comprises interviews with Jewish Women of the first,
second and third generation after the Holocaust. The film‚s protagonists are
not only Women who escaped from Nazi Austria as young children, but also their
daughters and granddaughters who were born and brought up in the U.K. The film
shall show that experiences of emigration, diaspora and genocide are passed on
from generation to generation. And it will investigate the meaning of these
experiences in the present, the effects they have on the following generations
ˆ until today.
When talking about presence and absence, about lack and loss, this means
entirely different things ˆ according to who is speaking. Thus descendants of
survivors of the Holocaust speak of "The Presence of the Absence" (Katherine
Klinger) and thereby mean the presence of the loss of their whole family, the
loss of their parents‚s mother tongue, the loss of places their parents loved,
places that still exist in Vienna ˆ unchanged until today. But what does "The
Presence of the Absence" signify for us, as decendants of the perpetrator
society? It means to deal with "The Past in the Present" (Ulf Wuggenig), to
work against the old and new antisemitism and racism that Jews and Migrants are
confronted with in Austria today.

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08 mo 27.5. kinokis mikrokino: ARBEITER MACHEN FERNSEHEN
Von: Peter Grabher <a8701463@unet.univie.ac.at>
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KINOKIS MIKROKINO IM 7*STERN
Filmabende ca. 2x im Monat, jeweils montags, UKB 4 Euro
kinoki - Verein für audio-visuelle Selbstbestimmung. Kontakt:
kinoki@action.at
7*STERN - 1070 Wien, Siebensterngasse 31 (Ecke Mondscheingasse, >13A/49)
Einladung #74
Montag, 27. Mai, 20 Uhr
KINOKIS MIKROKINO PRAESENTIERT: VIDEOBEWEGUNG
ARBEITER MACHEN FERNSEHEN
Emailsplitter - Arbeitswelt in der Austria Email
S. Auer, P. Hueber, H. Kronberger, G. Dick. Prod.: Videoinitiative Graz,
A 1979, 50 Min.
Arbeiter machen Fernsehen
S. Auer, H. Kronberger, H.-H. Fabris. Prod.: Oesterr. Ges. für
Kommunikationsfragen.
A 1979, 30 Min., Video
Anschlieszend Gespraech mit Peter Hueber.
Ende der 70er Jahre drehte die Video Initiative Graz mehrere Videofilme
mit steirischen ArbeiterInnen. Bei den Vereinigten Edelstahlwerken
Muerzzuschlag-Hoenigsberg, der OeBB-Reperaturwerkstaette Knittelfeld und
der Austria Email Knittelfeld entstanden Videodokumentationen über die
Situation der ArbeiterInnen. Dieses "Projekt Arbeitswelt" wurde von den
Machern dann in dem Feature "Arbeiter machen Fernsehen" dokumentiert.
kinokis mikrokino im 7*STERN zeigt dieses Feature und den Film
"Email-Splitter" von 1979.
In Oesterreich hatte die Videobewegung 1976 begonnen, die Arenabesetzung
war ein Startschuss, dann wurden, wie in Deutschland, Medienwerkstaetten
gegruendet, die alternative Bilder produzieren sollten, die in den
herrschenden Medien nicht vorkamen: vom Leben der "Randgruppen", der
Friedensbewegung, der verschiedensten Kulturprojekte. Arbeitswelten
kamen da eher selten vor.
Dem "Projekt Arbeitswelt" der Grazer Videoinitiative von Peter Hueber,
Hans-Heinz Fabris, Sepp Auer uva. unmittelbar vorausgegangen war 1977
die Initiative "Lokales Fernsehen", die im Burgenland und in der
Steiermark Moeglichkeiten für "Buergerfernsehen" erprobt und
eingefordert hatte. Die Videomacher aus Graz hofften durch das Medium
Video, die unbekannte und vernachlaessigte Welt der betrieblichen
Arbeitswelt zu beschreiben und auch den Betroffenen damit
Handlungsmoeglichkeiten zu zeigen. Den Arbeitenden sollte Video in die
Hand gegeben und das Fernsehen so entzaubert werden.
Herbert P., Facharbeiter bei den VEW-Muerzzuschlag, aeußerte sich über
"Stahlsplitter", den ersten Film: "Ja, ich glaubŒ schon, machen kann den
Film jemand anderer auch, aber nicht mit dieser Wirkung, weil ja niemand
das Vertrauen hat. Ich glaube, es wuerde dann viel nicht gesagt werden
und vieles nicht gezeigt werden, weil ja wer anderer nicht weisz, wo die
Probleme liegen, wo es die Schwierigkeiten gibt. Und das ist am besten
aufgezeigt worden. Es geht gar nicht anders."
"Stahlsplitter" beschreibt den Tagesablauf eines Schichtarbeiters, eines
Blechwalzers und ist in Co-Regie mit den ArbeiterInnen gemacht. Der
zweite Film heiszt "Es werden Schritte unternommen" und zeigt Konflikte
zwischen Lehrlingen und Jugendvertrauensraeten. Es geht um
Arbeitsplatzsicherheit, Schmutzarbeit, mangelnde Lernmoeglichkeiten,
unqualifizierte Arbeit. Die Diskussion über die Filmarbeit wird in den
Film hineingenommen. In "Emailsplitter ˆ Arbeitswelt in der Austria
Email", ebenfalls aus dem Jahr 1979, bildet der Entstehungsweg eines
Heiszwasserspeichers den roten Faden des Films. Der Film beginnt mit
einer kurzen historisch-geographischen Beschreibung von Knittelfeld.
Verschiedene Arbeitsplaetze werden gezeigt, Frauen verrichten schwere
koerperliche Arbeit. Im Diskussionsteil geht es um Arbeitsplatzprobleme,
den Druck gegen kritische Meinungsaeuszerungen, die Sorge um die
Zukunft, usw.
SPOe-Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg erachtete das Projekt "als
einen wichtigen Schritt, bestimmte innerhalb der Arbeiterbewegung
entwickelte Formen der Medienarbeit für das neue Medium Video wieder
aufzugreifen." Das Projekt markierte den Beginn von
Medienkunstfoerderung, ein solcher Subventionstopf wurde eigens
gegruendet. Firnberg weiter: "In einem moeglichen kuenftigen lokalen
Kabel-Fernseh-Netz koennte ein derartiger Mediengebrauch, wie er hier
demonstriert worden ist, breiten Schichten der Bevoelkerung aktiven
Zugang zu den Massenmedien verschaffen." Auch die Volksstimme zeigte
sich angetan: "Dasz sie die Maschinerie des Fernsehens selbst bedienen
koennten, wenn man sie nur ließe, haben die Arbeiter mit einem
sendereifen Film bewiesen." (22.2.1980)
Wenn man sie nur ließe... Trotz der medien-utopistischen Begeisterung
der Beteiligten ist in den Filmen durchwegs die Atmosphaere
sozialpartnerschaftlich verwalteten Stillstands zu spueren. Auch die
etwas paternalistische Herangehensweise der Macher, und die integrative
Foerderpolitik des Staates scheinen eine antagonistischere Artikulation
schon im Vorfeld behindert zu haben. Von Klassenkampf ist weit und breit
nichts zu merken. Faschismus und die Geschichte der Zwangsarbeit in der
Region werden in den Filmen nicht thematisiert.
Trotzdem sind die Filme bemerkens- und sehenswert. Sie sind Belege gegen
die warenfoermige "Erinnerung" von Projekten wie "Wickie, Slime &
Paiper". Sie durchbrechen die Aversion des Kinos und des Fernsehens
gegen die Fabrik, die Maschinerie und Darstellung von Lohnarbeit. Auch
der Anspruch des Projekts, Medien tatsaechlich zu demokratisieren, ist
in Zeiten, in denen Quiz-Shows und Reality-TV diesen als Karikatur
realisieren, nicht aufzugeben.
Link: Verleih Medienwerkstatt Wien
http://www.t0.or.at/~medienwerkstatt/
*******
Vorschau:#75
Montag, 17. Juni, 20 Uhr
KINOKIS MIKROKINO PRAESENTIERT:
JENSEITS DES KRIEGES
Principiis obsta - Wehre den Anfaengen
Thomas Lindermayer, Prod.: UTV, A 2002, 20 Min., Video
Im April 2002 treten im blau-schwarz regierten Oesterreich Neonazis zum
ersten Mal seit 1945 am Heldenplatz auf. Waehrend die antifaschistische
Gegendemonstration kriminalisiert wird, erhalten die Neonazis
Polizeischutz und werden nicht daran gehindert >Sieg Heil<-groelend
durch die Wiener Innenstadt zu ziehen. Das Video-Feature dokumentiert
die Ereignisse rund um die Ausstellung >Verbrechen der Wehrmacht< im
Semper Depot. Zu Wort kommen AusstellungsbesucherInnen, PolitikerInnen
und ZeitzeugInnen.
http://utv.univie.ac.at
Jenseits des Krieges
Ruth Beckermann, A 1996, 117 Min., (35mm) Video
>Weiszgekachelte Raeume, Neonlicht; an den Waenden
Schwarzweiszphotographien der Ausstellung ,Vernichtungskrieg' ueber die
Verbrechen der Wehrmacht an der Ostfront. Vor diesem Hintergrund drehen
Ruth Beckermann und Kameramann Peter Roehsler eine Anhoerung ehemaliger
Soldaten ueber ihre Erfahrungen und Erlebnisse jenseits des ,normalen'
Krieges. In einer Mischung aus Hilflosigkeit, Ohnmacht, Scham,
Opportunismus und ungebrochenem Fanatismus berichten die Zeugen dieser
Zeit von Verbrechen wie den Erschieszungen russischer Kriegsgefangener,
der Ermordung der Juden und der Misshandlung von Frauen. Mit diesem Film
wird nicht allein die Zerstoerung des Mythos von der anstaendigen
Wehrmacht vorangetrieben, sondern die Gruendungsphase der Zweiten
Republik erhellt und eine Diagnose der Gegenwart gestellt. Die Bilder
dieses Krieges in den ,talking heads' - sie entstehen so eindringlich
wie selten in historischen Dokumenten oder Spielszenen. Der Film wurde
in Wien vom 19. Oktober bis zum 23. November 1995 in der Ausstellung
,Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944' gedreht.<
(Text: Berlinale 1997)#76
Montag, 24. Juni, 20 Uhr
KINOKIS MIKROKINO PRAESENTIERT:
AUFSTAND IN ARGENTINIEN
kanalB #13 spezial: argentinien
kanalB, D/Argentinien 2002, 60 Min., Video, dtF.
>Der Film informiert darueber, wie das Land vom US-Imperialismus und den
internationalen Finanzinstitutionen unter der Fahne der Neoliberalismus
und mit Hilfe einer korrupten einheimischen politischen Klasse
systematisch ruiniert wurde. Die gewaltsame Durchsetzung des
neoliberalen oekonomischen Modells begann mit dem Militaerputsch 1976
und endete moeglicherweise am 20. Dezember 2001. Der kompakte und
einmuetige Widerstand der Bevoelkerung bringt seitdem die Verhaeltnisse
langsam, aber unaufhaltsam ins Wanken: Die Leute organisieren sich in
Nachbarschaftsversammlungen, die Arbeitslosen blockieren Straszen,
Hungernde praktizieren ,proletarisches Einkaufen‚, Fabriken werden
besetzt und von den Arbeiterinnen weitergefuehrt, die straflos
gebliebenen Militaers (30.000 Verschwundene waehrend der
Militaerdiktatur) und Politiker werden auf offener Strasse angegriffen
und oeffentlich verurteilt. Es kommen die Armen zu Wort, die kein Haus,
keine asphaltierten Straszen, kein Geld für Essen haben, ein
Oekonomieprofessor, AktivistInnen, FabrikbesetzerInnen, die Leute, die
sich in den Versammlungen organisieren. Wie immer zeigen wir jene Seite
der Geschehnisse, die von den buergerlichen Medien systematisch
ignoriert werden.< (kanalB)
http://kanalB.de/spezial-argentinien2002/
For a New Cinema in a New Country (Por un nuevo cine un nuevo país)
ADOC Argentina, Argentinien 2002, 25 Min., Video, OFmenglU.
Dokumentation über die Ereignisse des 19. und 20. Dezember 2001 in
Argentinien, die sich kritisch mit der medialen Berichterstattung
nationaler und internationaler Medien beschaeftigt und an die Tradition
des argentinischen politischen Kinos erinnert.
Die Stunde der Feuer (La hora de los hornos)
Grupo Cine Liberación/Octavio Getino & Fernando Solanas. Argentinien
1968, 90 Min. (=Teil 1 von 3 Teilen), 16mm, OFmenglU.
Nach dem Militaerputsch 1966 wurde dieser Film in der Illegalitaet
gedreht. Er ist ein Manifest des lateinamerikanischen und des
sogenannten >dritten< Kinos. Der erste Teil mit dem Titel
>Neokolonialismus und Gewalt< ist formal durch seine spektakulaere
Montage besonders ueberzeugend. In 13 >Notizen< werden Geschichte und
Gegenwart Argentiniens und dargestellt.
>Umfassend und wirkungsvoll wie kein Film zuvor analysierte dieser erste
Teil von La Hora de los Hornos das System des Kolonialismus in der
Dritten Welt.< (Wilhelm Roth)*******
revolution will not be televised.
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09 AKSwien-Terminaviso: Vermummungsverbot
Von: aks wien office <wien@aks.at>
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Presseaussendung der Aktion Kritischer SchülerInnen Wien (AKS)Vermummen wir uns doch alle mal ein bißchen!
Utl.: Strafen statt Konfliktlösung? Die Verunsicherung der Bevölkerung
kann nur durch Schutz vor politisch motivierten Anschuldigungen bekämpft
werden.In Zeiten von Spitzelskandal und Datenmißbrauch besteht kein Bedarf nach
weiteren Placebos. Was die Regierung betreibt, nennt man üblicherweise
Symptombekämpfung ˆ dabei warten eine Reihe von Ursachen auf ihre
Beseitigung. Denn nur wo frau/mann sich Sorgen machen muß, daß gegen
regierungsseitig unliebsame MitbürgerInnen ungerechtfertigte Anzeigen von
Seiten der Polizei erhoben werden, nur dort werden Masken und Kostüme auf
Demonstrationen zu mehr als einer Randerscheinung, so die Meinung der
Aktion Kritischer SchülerInnen zum geplanten Vermummungsverbot.
ŽEin Vermummungsverbot ist nicht nur sinnlos, sondern vor allem ein
Indikator für die grundsätzliche Stoßrichtung dieser Regierung: Mehr
Rechte für den Staatssicherheitsapparat, weniger Schutz der Bevölkerung.
Das tatsächliche Problem liegt woanders", so die AKS-Vorsitzende Lea
Rennert.
Eine Deeskalation kann nur dadurch erreicht werden, daß unbewiesene
Vorwürfe gegen friedliche DemonstrantInnen zurückgenommen werden. Das
prominenteste Opfer dieser schon länger üblichen Vorgehensweise ist der
grüne Abgeordnete Karl Öllinger.
Daher die AKS-Vorsitzende weiter: ŽBei einer Regierung, deren eine Partei
sich andernorts eigene Bürgerwehren schafft, stellt sich ernsthaft die
Frage, ob es hier um Schutz der Bevölkerung oder um Schutz vor der
Bevölkerung geht."Aufmerksam machen darauf wird die Aktion kritischer SchülerInnen mit einer
Ansammlung von gläsernen Menschen, die einem schwarzen Block gegenüber
gestellt werden. ŽWir existieren nur in den Medien" trägt letzterer auf
einem Schild, die Realität hingegen sind überwachte BütrgerInnen in einem
Staat, der diese Form von ŽSicherheit" immer nötiger zu haben scheint.
(Photomöglichkeiten sind gegeben)Aktion zum Termin des geplanten Nationalratsbeschlusses:
Mittwoch, 22. Mai 2002; 11:00 bis 14:30
Ecke Mariahilferstraße/NeubaugasseRückfragehinweis: Lea Rennert, Vorsitzende AKS Wien, 0699/11323008

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10 Dienstag, 4. Juni 2002:
Prozess gegen den Polizisten, der Imre B. erschoss
Von: illegalisiert@t0.or.at <illegalisiert@t0.or.at>
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Plattform für eine Welt ohne Rassismus ˆ www.no-racism.netDienstag, 4. Juni 2002: Prozess gegen den Polizisten, der am 19. Mai 2000 Imre
B. erschossAntirassistische Kungebung vor dem Bezirksgericht Fünfhaus
1150 Wien, Gasgasse 1 - 7
Dienstag, 4. Juni 2002
9 ˆ 12 UhrIn den letzten Jahren sind in Österreich einige Menschen durch Polizeigewalt zu
Tode gekommen. Sie befanden sich entweder in Polizeigewahrsam oder fanden im
Rahmen einer Polizeiaktion den Tod. Mitte Jänner 1999 starb der aus dem Senegal
stammende Ahmed F. während seiner Festnahme im Rahmen einer Drogenrazzia. Am 1.
Mai 1999 erstickte Marcus Omofuma an Bord eines Flugzeuges im Zuge seiner
Abschiebung nach Nigeria - drei Beamte der Fremdenpolizei hatten ihn mit
Klebebändern an den Flugzeugsessel geschnürt. In der Nacht von 3. auf 4. Mai
2000 starb Richard Ibekwe in einem Gefängnis in Wien. Angeblich erstickte er an
Drogen, die er - Tage nach seiner Verhaftung ˆ verschluckt haben soll. Nach
Angaben eines Wohnungskollegen war er bei der Verhaftung brutal geschlagen
worden. Am 4. Mai 2000 starb Lubomir B. in einer Zelle des Kommissariats
Landstrasse. Angeblich an einer Mixtur aus Cannabis, Antidepressiva, Methadon
und Žanderen Suchtmitteln".
Die Gemeinsamkeit all dieser Todesfälle liegt darin, dass die an den
Todesfällen beteiligten PolizistInnen entweder nicht zur Verantwortung gezogen
wurden oder wie im Fall der drei Fremdenpolizisten, die am Tod Marcus Omofumas
schuld sind, mit einer Placebo-Strafe davonkamen (das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig). Die politisch Verantwortlichen für rassistische
Polizeiübergriffe wiesen in allen Fällen jede Verantwortung von sich. Die Anklage - der Prozess
Am 4. Juni findet im Bezirksgericht Fünfhaus (1150 Wien, Gasgasse 1 ˆ 7) der
Prozess gegen den Polizisten statt, der am 19. Mai 2000 in Wien Imre B. im Zuge
einer vermeintlichen Drogenrazzia erschoss. Die bisherige Vorgangsweise von
Polizei und Justiz ist von Widersprüchen gekennzeichnet, darüber hinaus war der
mutmaßliche Täter Mitglied der Rambo-Polizeitruppe SEK (Sondereinsatzgruppe
Kriminaldienst), die es mittlerweile nicht mehr gibt. Nachfolgeorganisation der
SEK ist die sogenannte ZK (Zentrale Kommandierung), über die es wenig
Informationen gibt. Angesetzt ist der Prozess am 4. Juni gerademal für 2
Stunden.
Der Staatsanwalt hatte zuerst Žfahrlässige Tötung" angeklagt, in der Wiener
Staatsanwaltschaft gab es grundlegende Unstimmigkeiten, das Verfahren war kurz
vor der Einstellung. Nun aber gibt es doch einen Prozess gegen den
Kriminalbeamten. Das Justizministerium gab schließlich doch grünes Licht für
einen Strafantrag wegen fahrlässiger Tötung.
Die Voruntersuchung gegen den Polizisten war in Richtung "fahrlässige Tötung
unter besonders gefährlichen Verhältnissen" gelaufen. Am Ende kam der
zuständige Staatsanwalt offensichtlich zum Schluss, dass dem Beamten keine
Schuld nachzuweisen ist: er schlug die Einstellung des Verfahrens vor. Die
Oberstaatsanwaltschaft konnte sich dieser Sichtweise allerdings nicht
anschließen. Nach genauer Prüfung der Sachlage wurde der
Vorhabensbericht "korrigiert" und dem Ministerium ein Entwurf vorgelegt,
weswegen sich der Beamte nun wegen fahrlässiger Tötung verantworten wird
müssen. Die "besonders gefährlichen Verhältnisse" wurden darin nicht
aufrechterhalten. Somit wurde der Strafrahmen von maximal drei auf höchstens
ein Jahr Haft reduziert.
Auch in diesem Prozess könnte - wie im Prozess gegen die Fremdenpolizisten, die
am Tod vom Marcus Omofuma schuld sein sollen - Ždie lange Verfahrensdauer" als
mildernd gewertet werden: der Prozess beginnt mehr als zwei Jahre nachdem der
34-jährige Imre B., der in Jugoslawien geboren wurde und österreichischer
Staatsbürger war, bei einer Drogenrazzia Žversehentlich" von dem
Kriminalbeamten erschossen.Die Erschießung
Imre B. saß in seinem Auto als der Polizist versuchte, die Chevrolet-Tür zu
öffnen. Sie klemmte, und als sie aufging, löste sich im ŽGreifreflex" der
Schuss aus der ungesicherten Waffe ˆ so die Version des Todesschützen. Die
Waffe war übrigens nicht die Dienst-, sondern die Privatpistole des Beamten
Anschließend ging der Schütze nicht, wie ihm geraten wurde, auf Urlaub, sondern
führte höchstpersönlich eine Zeugeneinvernahme in diesem Fall durch. Vernommen
wurde der Freund des Erschossenen, gleichzeitig der einzige zivile Zeuge des
Vorfalls, der neben Imre B. im Auto gesessen war. Der einzige Tatzeuge wurde
also vom Täter selbst einvernommen, bei der Ersteinvernahme sagte er, dass sich
der Schuss ohne Absicht gelöst hatte. Vor dem Untersuchungs-Richter gab er
später jedoch an, dass er und Imre B. sich vor dem Todesschuss durch erhobene
Hände quasi ergeben hätten.
Laut Innenminister Strasser war eine Betreuung des besagten Beamten eingeleitet
worden. Dem Mann sei es freigestellt worden, Dienst zu leisten oder nicht. Er
habe sich für Ersteres entschieden und so in der Tat Einvernahmen von Zeugen
der "verunglückten" Festnahme durchgeführt. "Aber nur in Bezug auf
Suchtgiftfragen", wie der Ressortchef betonte.
Wie das Wiener Magazin Falter unter Berufung auf einen "sachkundigen
Informanten" aus Polizeikreisen und einen Zeugen im Juni 2000 berichtete,
dürfte die Amtshandlung vollkommen anders abgelaufen sein als offiziell
dargestellt. Der Informant aus Polizeikreisen wird mit den Worten zitiert: "Da
wird den Medien eine Variante präsentiert, die so nicht stimmen kann ...
Glauben Sie mir, diese Sache stinkt. Der Mann ist nicht so gestorben, wie es
die Polizei schildert. Da wurde gepfuscht. Der Erschossene saß - linke Schulter
links, rechte Schulter rechts- ganz normal im Auto. Das wird ein ordentliches
Nachspiel bei Gericht haben." Der Zeuge habe die Abgabe des tödlichen Schusses
so geschildert: "Der Polizist hat gesagt: 'Bleib stehen Du Sau', auf das Auto
gezielt und dann abgedrückt", so der Falter.

Den Verteidiger des Polizisten, Werner Tomanek, interessieren Milderungsgründe
nicht. Er will einen Freispruch, denn der Todesschuss, so sagt er, sei Žein
Bedienungsfehler" gewesen. Er hatte bis zuletzt auf eine Verfahrenseinstellung
gehofft.
Tomanek: ŽDer Polizist hat das gemacht, was er gelernt hat." Er meint damit,
sein Mandant habe die Waffe nicht besser im Griff haben können, weil in
Österreich nur 250 Schuss pro Jahr zur Übung für PolizistInnen vorgeschrieben
sind. Mehr Schüsse sind Privatsache. Und diese mangelhafte Ausbildung könne
doch wohl nicht zu Lasten des Einzelnen ausgelegt werden. "Ihm ist nie
beigebracht worden, wie eine Waffe in gezogenem Zustand zu halten ist", so
Tomanek. Der Schuss habe sich unglücklicherweise gelöst, als der Beamte mit
seiner gezückten Dienstwaffe versuchte, die Tür des PKW zu öffnen, in dem der
Verdächtige saß und augenscheinlich flüchten wollte, argumentiert der
Verteidiger. Sein Mandant habe "sicher nicht willkürlich" die Waffe betätigt,
sondern in einem "Greifreflex" den Abzug betätigt, was der Anwalt auf
das "Ausbildungsdefizit" zurückführte.
Das Projektil hatte ˆ so der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl im Juni
2000 - den Türholm des Wagens durchschlagen, ehe es den am Steuer sitzenden
Imre B. traf. Zu dem "Unfall" (Stiedl) war es nach Darstellung der Polizei
gekommen, nachdem B. die Aufforderung zum Aussteigen missachtet hatte. Einer
der mit gezogenen Waffen dastehenden Beamten war dann von der sich unvermittelt
öffnenden Tür an der linken Schulter getroffen worden. Der Polizist geriet in
einen Drall und soll unabsichtlich den Abzug betätigt haben. Dass absichtlich
geschossen wurde, schloss Stiedl aus. "Die Situation bot keinen Grund für einen
Waffengebrauch. Die in solchen Fällen übliche Untersuchung ist anhängig."
Der Wiener Rechtsanwalt Herbert Pochieser erklärte schon im Juni 2000, es sei
ausgeschlossen, dass sich aus einer Glock 17 (der Dienstpistole der
österreichischen Polizei) versehentlich ein Schuss löse. Pochieser führt seit
1993 ein Amtshaftungsverfahren für einen Mandanten, der damals von einem
polizeilichen Projektil verwundet wurde, angeblich weil der Polizist gestolpert
sei.
Im Frühjahr 1999 sagte dazu Bundesheer-Divisionär Friedrich Dechant als
Sachverständiger aus: Bei der Glock 17 sei "eine Schussabgabe nur durch
Betätigen des Abzuges" möglich. Dechant selbst wirkte als Projektmanager an der
Entwicklung der Waffe mit: Bei "Tausenden Versuchen" habe sich "in keinem Fall"
selbsttätig ein Schuss gelöst. Einzige Einschränkung, laut Dechant: wenn das
Abzugsgewicht falsch eingestellt sei - nach der Verwundung von Pochiesers
Mandanten 1993 wurde es im Übrigen bei allen Wiener Dienstwaffen erhöht.
Major Walter Schermann, Leiter des Waffenreferates der Wiener Polizei,
ebenfalls im Juni 2000: Die Abzugsbügelsicherung der Glock 17 verhindere eine
Schussauslösung, "wenn man versehentlich seitlich am Abzug ankommt. Man muss
bewusst in den Abzug greifen". Schermann grundsätzlich: "Die wichtigste
Sicherung ist der Abzugsfinger. Man darf nur hineingreifen, wenn man schießen
will. Der Geist des Beamten muss richtig funktionieren - dann ist die Technik
schon fast sekundär."Die SEK ˆ Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst
Die Spezialeinheit SEK der Polizei, der der beschuldigte Beamte angehörte,
wurde kurz nach dem tödlichen Schuss auf Imre B. aufgelöst. Die Gruppe war
mehrmals durch Übergriffe in die Schlagzeilen geraten. Mitglieder der SEK
hatten bei einer Hausdurchsuchung im Jahr 2000 eine Frau schwer verletzt. Das
Opfer, die Lebensgefährtin eines Afrikaners, wurde zudem rassistisch
beschimpft.
Die SEK wurde am 1.2.2000 von den Kriminalbeamten Georg Rabensteiner und Roland
Frühwirth im Probebetrieb für vorerst 6 Monate gegründet. Besonderes
Einsatzfeld dieser Truppe war laut Eigenbeschreibung Žeine Mischung aus
Observation und Zugriff". Die SEK bestand aus 55 Beamten, die sich freiwillig
und unbezahlt für diesen Dienst meldeten und bereit erklärten, rund um die Uhr
auf Abruf bereit zu stehen. Laut Žprofil 13/2000" handelt es sich bei den SEK-
Beamten teilweise um Beamte, die wegen zu rabiaten Auftretens sogar aus der
ohnehin berüchtigten WEGA (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) geflogen sind.
Der Öffentlichkeit bekannt wurde die SEK durch ihr Auftreten während und nach
der Anti-Opernball Demo 2000. Die SEK-Beamten mischten sich verwahrlost
gekleidet und vermummt unter die DemonstrantInnen. Nach der Demonstration
überfielen diese Beamten Menschen, die bereits auf dem Heimweg waren. Vier
Menschen wurden von vermummten Beamten mit gezogener Waffe aus einem Taxi
gezerrt, in einen Hauseingang gedrängt und anschliessend verhaftet. Danach
wurde ihnen ŽWiderstand gegen die Staatsgewalt" vorgeworfen.
Kurz danach überfielen andere Beamte der SEK ebenfalls nach der Anti-Opernball
Demo 2000 eine junge Frau auf dem Heimweg, schlugen sie, stießen sie gegen eine
Hausmauer und versuchten, sie in ein Taxi zu zerren. Die Frau glaubte während
der ganzen Aktion an einen Überfall und schrie folgerichtig mehrmals
um ŽHilfe!". Erst nachdem sich PassantInnen einschalteten gaben sich die
Beamten als Polizisten zu erkennen. Die junge Frau wurde verhaftet und
ebenfalls wegen ŽWiderstand gegen die Staatsgewalt" angezeigt. Die SEK-Nachfolgeorganisation ZK ˆ Zentrale Kommandierung
Aus dem Kurier vom 23.2.2001:
"Beim ZK handelt es sich eigentlich nicht um eine Einheit, sondern um einen
Pool von freiwilligen Kriminalbeamten, die im Bedarfsfall bezirksübergreifend
die örtlichen Kollegen bei Amtshandlungen unterstützen sollen. Dies erklärte
Hofrat Leo Lauber, Präsidialchef der Wiener Exekutive. Seit Donnerstag,
22.2.2001 liegt der notwendige Erlass des Innenministeriums vor. Die ZK wird,
da es sich nicht um eine Einheit handelt, keinen Leiter haben. Zuständig für
die Kommandierung ist das Kriminalbeamteninspektorat - allerdings nur für die
personelle Zuteilung der Beamten. Verantwortlich für die Einsätze, an denen
Beamte der ZK beteiligt sind, ist der jeweilige örtliche Leiter."
VertreterInnen der Wiener Polizei bezeichnen die ZK als ŽFeuerwehr" für
Einsätze, bei denen die Dienststellen (z. B. ein Kommissariat) mit personellen
Ressourcen kein Auslangen findet. Alle Mitglieder der ZK sind Freiwillige.
Was ist vom Prozess zu erwarten?
Der Anwalt der beiden Kinder von Imre B., Thomas Prader, will erreichen, dass
Österreich Unterhalt für sie zahlen muss.
Auch in diesem Prozess soll ˆ ähnlich wie im Prozess gegen die drei
Fremdenpolizisten, die am Tod von Marcus Omofuma schuld sein sollen ˆ dem
verantwortlichen Polizisten die Verantwortung für sein Handeln abgenommen
werden. Die Vorschriften seien beispielsweise nicht genügend, er hätte mangels
Ausbildung nicht anderes handeln können, die Schuldumkehr soll wieder vollzogen
werden. Die politisch Verantwortlichen weisen natürlich jede Verantwortung von
sich. Offensichtlich soll ein Scheinurteil wie das gegen die drei
Fremdenpolizisten wiederholt werden.

mehr infos:
www.no-racism.net/staatsrassismus/20_mai_00_mord.htm
Informationen über den Prozess gegen die drei Fremdenpolizisten, die am Tod
Marcus Omofumas schuld sein sollen:
www.no-racism.net/racismkillsIm Juni 2000 brachten die Grünen eine parlamentarische Anfrage zu diesem
Vorfall und der Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst (SEK) ein:
Anfrage:
www.parlinkom.gv.at/pd/pm/XXI/J/texte/009/J00918_.html
Beantwortung der Anfrage vom 2. August 2000:
www.parlament.gv.at/pd/pm/XXI/AB/his/009/AB00914_.html

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11 "Der verhält sich aber komisch" -
Das Kompetenznetzwerk Schizophrenie und die Suche
nach möglichen Risikopersonen
Von: <aktuell@nadir.org>
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"Der verhält sich aber komisch" - Das Kompetenznetzwerk Schizophrenie und
die Suche nach möglichen Risikopersonen
Von : Thomas Lemke
Ort :
Datum: 22.05.2002 Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert seit 1999
mit jeweils bis zu 5 Mio. DM pro Jahr zwölf Großforschungsprojekte, die sich
mit speziellen Krankheiten mit einer hohen Morbidität oder Mortalität
beschäftigen. Diese sogenannten "Kompetenz-Netze in der Medizin" verbinden
die wesentlichen Einrichtungen der Spitzenforschung (horizontale Vernetzung)
mit qualifizierten Einrichtungen der Routineversorgung (vertikale
Vernetzung). Auf diese Weise sollen neue Kooperationsstrukturen geschaffen
werden, die den Wissenstransfer zwischen Grundlagenforschung, angewandter
Forschung und medizinischer Versorgung beschleunigen. Das Ziel der
Kompetenz-Netze besteht im Aufbau überregionaler medizinischer Netze zur
"Initiierung und Evaluation von aus Forschungs- und Versorgungskompetenz
zusammengesetzten Projektverbünden zur Bearbeitung von Fragestellungen aus
der Versorgungspraxis an repräsentativen Patientenkollektiven" (vgl.
www.kompetenznetz-schizophrenie.de; www.kompe!
tenznetze-medizin.de). Im folgenden möchte ich genauer auf die Ziele und
das Forschungsdesign des Kompetenznetzes Schizophrenie eingehen (andere
Netzwerke konzentrieren sich auf Rheuma, Hepatitis, Depression, Parkinson,
etc.) und die sich darin materialisierende Präventionslogik analysieren, in
der dem Rekurs auf genetische Risiken eine entscheidende Rolle zukommt. Das Kompetenznetz Schizophrenie besteht aus sogenannten
"Netzwerkpartnern": universitären und außeruniversitären Forschungsinstitute
sowie Versorgungseinrichtungen im Bereich schizophrener Psychosen. Am Netzwe
rk beteiligt sind 16 psychiatrische Universitätskliniken, 5 Kinder- und
jugendpsychiatrische Kliniken, 14 Landes, Bezirks-, und Fachkrankenhäuser
sowie 6 nervenärztliche und allgemeinärztliche Praxenverbünde. Weitere
Kooperationspartner sind u.a. Fachgesellschaften, Patienten- und
Angehörigenorganisationen sowie die Forschungsabteilungen der
pharmazeutischen Industrie, die auch Fördermittel zur Verfügung stellen (S.
24). Nach der Selbstdarstellung konzentrieren sich die
Forschungsschwerpunkte dieses Kompetenznetzes "auf Früherkennung und
Prävention vor der Erstmanifestation sowie auf Therapie und Rehabilitation
insbesondere bei affektiven, kognitiven und sozialen Defiziten eines
chronisch-rezidivierenden Erkrankungsverlaufs. [...] Ziel ist die
effizientere Diagnostik, P!
rävention, Therapie und Rehabilitation, die Verbesserung der
Lebensqualität einschließlich einer Optimierung der kooperativen Nutzung
vorhandener Ressourcen." (1) Die Forschungsstruktur gliedert sich in zwei grundlegende Projektverbünde,
die sich am Verlauf der Krankheit orientieren. Projektverbund I beschäftigt
sich mit der Phase der Frühsymptome, während die Phase während und nach der
erstmaligen akuten Krankheitsmanifestation den Gegenstand des
Projektverbundes II bildet. Die beiden Forschungsverbünde werden ergänzt
durch einen speziellen Projektverbund Molekulargenetik und ein weiteres
Bündel von Projekten, die sich mit Fragen der Gesundheitsökonomie (2),
Aus-Fort- und Weiterbildung, der Öffentlichkeitsarbeit, der
Qualitätssicherung etc. beschäftigen (S. 9). Während also der Projektverbund II vor allem rehabilitative Zielsetzungen
verfolgt, arbeitet der Projektverbund I an der Optimierung von Früherkennung
und Frühintervention. Nach Einschätzung der Netzwerk-Organisatoren kommen
die bestehenden medikamentösen und psychologischen Therapiemöglichkeiten in
der Regel zu spät zum Einsatz, nämlich erst Jahre nach dem ersten Auftreten
der Krankheitssymptome. Im Zeitraum der unbehandelten Psychose könnten
jedoch bereits bleibende kognitive und emotionale Beeinträchtigungen
entstehen. Diese Ausgangslage erfordere es, dass "Methoden der Früherkennung
von Personen mit einem erhöhten Risiko zur Entwicklung einer Schizophrenie
optimiert und Frühinterventionsstrategien bei Risikogruppen, die mit den
heute bereits vorhandenen Methoden identifizierbar sind, evaluiert werden." Eine strategische Rolle kommt in diesem Zusammenhang sogenannten
"Vorfeldeinrichtungen" zu. So sollen beispielsweise in Schulen,
Erziehungsberatungsstellen oder Hausarztpraxen (3) über Screening-Bögen
"mögliche Risikopersonen" ausfindig gemacht werden und diese "zur weiteren
Abklärung an im Aufbau befindliche Früherkennungszentren überwiesen" werden.
Weiter ist geplant ist, dass in diesen Früherkennungszentren "über ein
Früherkennungsinventar zur Prodromalsymptomatik (z.B. sozialer Rückzug,
Depressivität, Konzentrationsstörungen) und ein Interview zu weiteren
Risikoindikatoren (z.B. familiäre Belastung, Schwangerschafts- und
Geburtskomplikationen, schizotype Persönlichkeitsstörung) solche Personen
identifiziert und im Verlauf beobachtet [werden], die bereits psychoseferne
oder psychosenahe Prodrome aufweisen." Wie diese Suche nach möglichen
Risikopersonen konkret aussehen könnte, erläutert Wolfgang Gaebel, einer der
Initiatoren des Kompetenznetzes Schizophrenie und Präsident!
der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie: "Ein Lehrer sagt
über einen Schüler: Der verhält sich aber komisch'. Der Schüler muss dann
einen Fragebogen ausfüllen. Hat er einen auffälligen Score, wird er an das
Früherkennungszentrum überwiesen. Dort wird dann mittels EEG, bildgebenden
Verfahren, Klärung der genetischen Belastung und neurophysiologischen
Untersuchungen ein Risikoprofil erstellt" (zit. nach Kröger 2001, S. 4 f.). Aufbauend auf diesen Früherkennungsschritten und gestaffelt nach der
Schwere des jeweils diagnostizierten Risikos sind unterschiedliche
Interventionsstrategien projektiert. Der Schwerpunkt der Intervention soll -
so das vorgeschlagene Szenario - bei schweren Fällen bei pharmakologischen,
bei geringerem Risiko bei psychologischen Behandlungsformen liegen. Letztere
umfasse "die Anleitung zur Selbstregistrierung von Risikosteigerung sowie
problem- und symptombezogene psychologische Interventionen z.B. bei
Depression und Anhedonie, bei schulischen Problemen und kognitiven
Einschränkungen, bei sozialen Defiziten und sozialen Ängsten". Die zentrale Bedeutung des speziellen Projektverbundes Molekular- und
Pharmokogenetik (4) ergibt sich aus der Ausgangsannahme, die den
Forschungsaktivitäten des Netzwerks zugrunde liegt: "Schizophrene Psychosen
sind zu mindestens 50% genetisch bedingt, wobei nicht ein einzelnes
kausales, sondern wahrscheinlich mehrere - derzeit nur teilweise bekannte -
Gene in Interaktion mit Umweltfaktoren eine Rolle spielen".(5) Von der
genauen Identifizierung und Lokalisierung dieser sog. "Suszeptibilitätsgene"
(S. 20) sowie ihrer Interaktionsmechanismen mit der Umwelt verspricht sich
die Netzwerkorganisation die "Identifikation genetischer Determinanten für
die Prädiktion des Risikos, später an Schizophrenie zu erkranken (bei
Risikopersonen)". Gleichzeitig sollen auf diese Weise auch die Aussichten
eines Therapieerfolgs bzw. die Möglichkeit der Therapieresistenz präziser
eingeschätzt und den Nebenwirkungen von Medikamenten besser Rechnung
getragen werden. Zur Untersuchung dieser "Bedingu!
ngskonstellationen" (S. 9) von Genen und Umweltfaktoren werden
"Ressourcenzentren für DNA und Zelllinien" aufgebaut und für
molekulargenetische und pharmakogenetische Forschungsprojekte innerhalb (und
außerhalb) des Netzwerks, Zelllinien von Patienten angelegt werden, die an
den Therapie- und Verlaufsstudien des Kompetenznetzwerks teilnehmen.(6) Dieses Forschungsdesign impliziert zwei wichtige Veränderungen
hinsichtlich der anvisierten Präventionsstrategien. Erstens kontrastiert das
Präventionskonzept, das in dem Antrag des Netzwerks Schizophrenie skizziert
ist, deutlich mit "klassischen Ansätzen" wie sie etwa von Foucault in
Überwachen und Strafen geschildert werden. Foucaults These ist bekanntlich,
dass die Veränderung der Strafsysteme im 19. Jahrhundert darin bestand, dass
die Richter nicht mehr über das Verbrechen, sondern über die Person des
Verbrecher und seine "Seele" zu Gericht saßen. Wichtig war nicht die
Feststellung der Wahrheit des Verbrechens und die Zuordnung des Täters,
sondern die Antwort auf die Frage: "Wer ist dieser Mensch, der das
Verbrechen begangen hat, in Wirklichkeit? Es ging um das Problem: Wie kann
man den Kausalprozeß, der zur Tat geführt hat, einordnen? Wo ist sein
Ursprung im Täter selbst? Instinkt, Unbewußtes, Milieu, Erbanlage?'" (1977,
S. 29). Ein "wissenschaftlich-juristischer Komple!
x" (ebd.) wurde mobilisiert, um den Urheber der Tat in dem Subjekt, aber
gleichsam hinter dem Subjekt ausfindig zu machen. Legt man dieses Präventionskonzept zugrunde, gibt es im Antrag des
Kompetenznetzwerks Schizophrenie keine Schizophrenen mehr. Das heißt, es
gibt sie noch, aber sie haben ihre Natur geändert. Die hier kurz skizzierte
Präventionslogik zielt nicht darauf, die wahre Natur der Kranken oder den
Wesenskern der Subjekte zu isolieren und zu identifizieren. Dies ist ein
Unterfangen, das offenbar nicht nur unmöglich, sondern auch unnötig ist. Die
Wahrheit ist: Es gibt keine innere Wahrheit des Subjekts hinter den
Erscheinungen mehr. Es existieren jedoch Indikatoren und Faktoren,
"Suszeptibilitätsgene" und Risikopersonen, ja sogar - um die Virtualisierung
auf die Spitze zu treiben -: "mögliche Risikopersonen". Die klassischen
Präventionsstrategien bauten auf dem Wissen um die "Wahrheit" des Subjekts
auf: Dem Verbrechersubjekt ging sein Schatten voraus, mochte dieser Schatten
in einer schlechten Kindheit oder in schlechten Genen bestanden haben. In
dem oben skizzierten Präventionsparadig!
ma gibt es nur noch Schatten - ohne ein Subjekt dahinter. Das Subjekt ist
ein Schatten seiner selbst: ein Faktorenbündel und ein Risikokomplex in
einem Schattenreich (vgl. dazu Castel 1983). Das operative Vorgehen des Kompetenznetzwerks erinnert weniger an
polizeiliche Aufgaben der konkreten Gefahrenabwehr und Täterfeststellung als
an die verdeckte Praxis von Geheimdiensten: Die Genomanalyse funktioniert
hier als ein technisch-informationelles Wissen, das es ermöglicht, "dunkle"
Codes zu dechiffrieren und "unbekannte" Genorte zu lokalisieren. Im Rahmen
dieser Forschung ist prinzipiell jeder verdächtig, Träger von "riskanten"
Genen zu sein. Wir sind alle asymptomale Kranke oder - um noch einmal das
Geheimdienstvokabular zu bemühen -: "Schläfer". Scheinbar gesund verbergen
wir eine Vielzahl von Risiken, ja mehr noch: Wir sind diese Risiken.
Schizophrenie oder Depression liegen weder in unserer Natur oder in unseren
Genen noch sind sie in der Erziehung oder dem sozialen Umfeld begründet,
sondern sie manifestieren sich je nach Kontext und Konstellation - eine
Manifestation, die nicht mehr auf ein dahinter und zugrundeliegendes Wesen
verweist. Wir werden nicht von ei!
nem unklaren Innen-Leben gesteuert, das man aufdecken, therapieren oder
resozialisieren könnte, sondern wir sind reine Äußerlichkeit. Überspitzt
formuliert: Wir haben keine Symptome, die Symptome haben uns. Damit komme ich zum zweiten Punkt. Der verstärkte Rückgriff auf
Risikokalküle in der biomedizinischen Forschung impliziert eine Veränderung
im Konzept der genetischen Norm. Statt von einem menschlichen
"Standardgenom" wird im Kompetenznetz Schizophrenie von individuell
variablen genetischen Profilen ausgegangen, die für jeweils unterschiedliche
Wirkungen von Medikamenten oder die Entwicklung des Krankheitsverlaufs
verantwortlich sind. Allgemein ist in der biomedizinischen Forschung eine
Bewegung zu beobachten, die von der Annahme der genetischen Homogenität der
Bevölkerung zur Heterogenität, von Einheitlichkeit zu Variabilität führt.
Damit verändert sich auch die Bedeutung von "normal" und "pathologisch".
Eine bestimmte genetische Abweichung kann etwa Krankheitsrisiken herabsetzen
oder Empfindlichkeiten verringern, sie ist nicht per se pathologisch. Mit dieser "flexiblen" Repräsentation von Normalität (vgl. Martin 1994,
Link 1996,) verschieben sich die Formen der möglicher Intervention. Das
Interesse für Unterschiede und Variationen dürfte einerseits dazu führen,
dass eine rigide, disziplinäre Norm zunehmend verblasst, die jede Abweichung
problematisierte oder pathologisierte. Andererseits wird uns vermutlich in
Kürze noch nachdrücklicher wissenschaftlich bewiesen werden, dass
Ungleichheiten die natürlichste Sache der Welt seien. Zwar könnte es durch
Forschungserfolge im Bereich der Pharmokogenomik und ähnlicher Richtungen
der Genomforschung, die auf eine personalisierte oder maßgeschneiderte
Medizin abzielen, zu einer Verringerung von Allergien oder einer höheren
Verträglichkeit von Medikamenten kommen. Erwartbar ist jedoch auch eine
Akzentverschiebung, welche bei der Suche nach den Ursachen für unerwünschte
Neben- oder Wechselwirkungen nicht mehr bei Medikamenten oder sozialen
Problemen ansetzt, sondern bei den geneti!
sch definierten "Empfindlichkeiten" der Individuen: Hatte man bisher das
schädigende oder unwirksame Medikament verantwortlich gemacht, so in Zukunft
vielleicht die "unpassende" genetische Ausstattung der Kranken.
Literatur:
Castel, Robert. 1983: Von der Gefährlichkeit zum Risiko. In: Max Wambach
(Hg.), Der Mensch als Risiko. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Dumit, Joseph 1997: A digital image of the category of the person. PET
scanning and objective self-fashioning. In: Downcy, Gary Lee/Dumit, Joseph
(Hg.), Cyborgs and citadels: anthropological interventions in emerging
sciences and technologies. Santa Fe, New Mexico: School of American Research
Press, S. 83-102.
Feyerabend, Erika 2001: Im Netz der molekularen Vernunft. In: Bioskop Nr.
15, S. 8-10.
Foucault, Michel 1976: Überwachen und Strafen. Die Geburt des
Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Harris, Rodney/Harris, Hilary J. 1995: Primary care for patients at
genetic risk, in: British Medical Journal, Vol. 311, S. 579-580.
Jordan, Bertrand 2001: Depressionsforschung: Höhen und Tiefen. In:
Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 147, S. 6-9.
Kröger, Fabian 2001: Der Geist: Nur ein biologisches System? In:
Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 147, S. 3-5.
Link, Jürgen 1996: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert
wird. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Martin, Emily 1994: Flexible Bodies. Tracking Immunity in American
Culture - From the Days of Polio to the Age of AIDS. Boston: Beacon Press.
1
Alle Zitate sind - falls nicht anders vermerkt - der Selbstdarstellung des
Netzwerks "Schizophrenie" entnommen (www.kompetenznetz-schizophrenie.de).
Außerdem wurde eine vom Netzwerk erstellte Broschüre mit dem Titel Ein Netz
für den Menschen herangezogen, die unter der angegebenen Internetadresse zum
Herunterladen bereitsteht. Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf
diesen Text.
2
Dem Kompetenznetzwerk zufolge handelt es sich bei der Schizophrenie um die
teuerste psychische Erkrankung. Sie "belastet das Gesundheits- und
Sozialsystem der Bundesrepublik mit jährlich rund sieben Milliarden Mark"
(S. 7). Kosten-Nutzen-Analysen spielen innerhalb des Kompetenznetzes
insgesamt eine herausragende Rolle: "Der wirtschaftliche Aspekt soll in
nahezu allen Projekten berücksichtigt werden. Um festzustellen, welche
Kosten in welcher Höhe für welche Behandlungsformen anfallen, wird ein
generell einsetzbarer Leitfaden und Leistungskatalog erstellt" (S. 22).
3
Zur Rolle von Hausärzten als "gatekeeper" für PatientInnen mit genetischen
Risiken s. bereits Harris/Harris 1995: "For example, a family with a boy
with Duchenne muscular dystrophy will need, at different times, paediatric
and orthopaedic advice, respite care, and social services. Female relatives
who are at risk of bearing an infant with the disease may need to be
identified an offered genetic counselling; molecular diagnosis to see
whether they are carriers of the gene; and, a little later, prenatal
diagnosis involving obstetric and medical genetics services. General
practitioners, are however, the first point of contact and largely
responsible for coordinating these agencies and for the continuing care that
these patients need" (S. 579).
4
Die Pharmakogenetik bzw. -genomik verbindet die klassische Pharmaforschung
mit der Genomforschung. Diese Forschungsrichtung soll "maßgeschneiderte"
Medikamente liefern, die auf die individuelle genetische Ausstattung
zugeschnitten sind, so dass Neben- und Wechselwirkungen besser kontrolliert
werden können. Gesucht wird auch nach Antworten auf die Frage, warum ein
Medikament bei manchen Menschen wirkt und bei anderen nicht.
5
Das Interesse an der Untersuchung des Zusammenspiels zwischen biologischen
und psychologischen Faktoren ist nicht auf die Genomforschung beschränkt,
sondern auch auf dem Gebiet der Neurowissenschaften zu beobachten. Dies
zeigen beispielsweise die Ergebnisse der Feldstudien des Anthropologen Joe
Dumit, die er am Brain Imaging Center der Universität von Kalifornien in
Irvine durchführte. In einem Interview erklärt ein dort beschäftigter
Psychiater: "For me, I see the whole biological aspect as not being
contradictory or mutually exclusive form the psychodynamic aspect. I really
see it as complementary and synergistic with the dynamic aspect. There are
some people that see it as either/or. I see it more as a both/and type of
proposition." (zit. nach Dumit 1997, S. 96). Dumit ist der Auffassung, dass
der "sowohl/als auch-Ansatz" in der Neurobiologie auf ein verstärktes
Interesse stößt: "The both/and approach to psychiatry [] involves realizing
that the brain can be altered by th!
e social environment and by genetic developments and drugs. [] the brain
remains the bearer of mental illness, but has now become an intersection for
social and biological influences (Dumit 1997, S. 97; Hervorheb. im Orig.).
6
Diese herausragende Bedeutung der Molekular- und Pharmakogenetik ist keine
Eigenheit des Netzwerks Schizophrenie. Auch im Kompetenznetz Depression
spielt diese Forschungsorientierung eine entscheidende Rolle. Auch hier
wurde ein eigenes Teilprojekt für die Untersuchung genetischer Determinanten
der Depression eingerichtet: "Die Forscher suchen zum einen nach genetischen
Anlagen, die für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko hinsichtlich affektiver
Erkrankungen verantwortlich sind. Zum anderen wollen sie genetische Faktoren
aufspüren, die den medikamentösen Behandlungsverlauf beeinflussen. Dazu
müssen die Wissenschaftler die für die molekulargenetische und
pharmakogenetische Untersuchungen erforderliche große Anzahl an Patienten
und deren Familien untersuchen und die Daten mit einheitlichen Instrumenten
erheben. Das Kompetenznetz schafft die Voraussetzungen dafür"
(www.kompetenznetz-depression.de; vgl. auch Barondes 1998; eine kritische
Diskussion der Suche nach den genetischen Ursa!
che für manische Depression bietet Jordan 2001).
Im Juli 2001 fand in Berlin der "7. Weltkongress für Biologische
Psychiatrie" mit rund 6.000 TeilnehmerInnen aus mehr als 80 Staaten statt.
Auf der Konferenz war offenbar der Glaube ungebrochen, dass psychische
Störungen vor allem genetischen bzw. biologischen Ursprungs sind.. Die
Organisatoren des Kongresses zeigten sich überzeugt, dass sogar
Alkoholabhängigkeit "zu etwa 50-60% genetisch determiniert" sei - auch wenn
noch unklar sei, "welche Gene oder Genkombinationen im einzelnen an der
Entstehung der Suchtkrankheiten beteiligt sind" (zit. nach Feyerabend 2001,
S. 8).
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12 Einladung zur Buchpräsentation
Von: asylkoordination <asylkoordination@t0.or.at>
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Einladung
Der DRAVA-Verlag und die ASYLKOORDINATION ÖSTERREICH laden Sie herzlich
ein zur Präsentation des Buches
ÜBERLEBEN AM ABGRUND - PSYCHOTRAUMA UND MENSCHENRECHTE
herausgegeben von Klaus Ottomeyer (Universität Klagenfurt) und Karl
Peltzer
(Universität Sovenga, Südafrika)
Montag, 3. Juni 2002, um 11 Uhr
Café Landtmann (Landtmann-Saal)
Dr. Karl-Lueger-Ring 4, 1010 WienFolter, Krieg, Missbrauch, Katastrophen: das Thema Trauma wird heute
von den
Medien und in der Öffentlichkeit mit Interesse aufgegriffen, aber im
"Nahkontakt" mit den Betroffenen -- zum Beispiel Flüchtlingen -- wird
die
Trauma-Realität oft genug wieder bagattelisiert oder verleugnet.
Das Buch (mit Beiträgen von Paul Parin, Klaus Ottomeyer,
Brigitte Lueger-Schuster, Raija-Leena Punamäki, Barbara Preitler u. a.)
gibt
einen aktuellen Überblick über Aufgaben und Einsatzfelder der
psychologischen und therapeutischen Arbeit mit Opfern von Gewalt und
Trauma. Seine Präsentation nehmen wir zum Anlass, die Wahrung der
Menschenrechte von Traumaopfern in Österreich zur Diskussion zu stellen
und
den Stellenwert von Versorgungseinrichtungen und Traumaforschung in
unserem
Land an internationalen Standards zum messen.

Begrüßung: Dr.Helga Mracnikar, Drava-Verlag
Vorstellung des Buches: Univ.-Prof. Dr. Klaus Ottomeyer,
Psychotherapeut,
Obmann der Kärntner Trauma-Einrichtung "Aspis"
An der Diskussion nehmen teil:
Mag. Heinz Fronek, Asylkoordination Österreich; Dr. Brigitte
Lueger-Schuster,
Universität Wien, Autorin, Psychotherapeutin der Wiener
Trauma-Einrichtung
"Hemayat"; Mag. Barabara Preitler, Autorin, Psychotherapeutin bei
"Hemayat";
Ingrid Egger, Autorin, Psychotherapeutin der Grazer Trauma-Einrichtung
"Zebra"
Wir freuen uns auf Ihr Kommen und eine rege DiskussionKlaus Ottomeyer / Karl Peltzher (Hg.): Überleben am Abgrund.
Psychotrauma und
Menschenrechte
Drava 2002. Br., 368 Seiten
EUR 29.50 / CHF 50.40 ISBN: 3-85435-364-2
Drava Verlag
Tarviser Straße 16
9020 Kagenfurt/Celovec
Fon 0463 / 50 10 99 Fax-20
e-mail: drava@slo.at

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13 Tipp: 27/5 "Warum bin ich illegal?"
Von: Transdanubien gegen Schwarzblau
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Liebe Leute !
Heute möchten wir Euch wieder einmal auf eine Veranstaltung des IKF
(Integrationskreis Floridsdorf, http://www.ikf.at/ ) hinweisen.
Am kommenden Montag, den 27.5. um 18 Uhr findet eine Veranstaltung zum
Thema"Warum bin ich illegal?" - Ausländer in der Gesetzesmühle
im Kinosaal 1 des Shopping Center Nord (SCN, 31 Bahnsteggasse) statt.
Erst wird der Film "Gelbe Kirschen" zu diesem Thema (mit: Josef Hader,
Martin Puntigam, Sandra Bra Regie: Leopold Lummerstorfer, Buch: Leopold
Lummerstorfer, Franz F. Altmannmit) gezeigt, danach findet eine
Podiumsdiskussion mit Fremdenpolizei, Integrationsbeauftragten und
Betroffenen statt.
"Gelbe Kirschen" erzählt die Geschichte einer Liebe, die stärker ist als
alle Gesetze, Verordnungen und Landesgrenzen, die ihr entgegenstehen.
Zugleich schildert er lakonisch und nicht ohne Ironie die ganz
alltägliche Ausländerfeindlichkeit der Behörden und das schier
unerschöpfliche Arsenal kleinerer und größerer, bürokratisch genau
geregelter Schikanen gegen unsere ausländischen Mitbürger.
Der Eintritt für diese Veranstaltung ist natürlich frei !
Stefan
für Transdanubien gegen Schwarzblau

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14 Das steinerne Archiv
Von: MandelWien@aol.com
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Sehr geehrte Damen und Herren!
der Mandelbaum Verlag möchte Sie zu einer Buchpräsentation an einem
ungewöhnlichen Ort einladen:
Auf dem jüdischen Rossauer Friedhof im Wiener 9. Gemeindebezirk möchten wir
Ihnen ein Buch vorstellen, das die Geschichte des Friedhofs und die
Geschichten der Begrabenen behandelt: Traude Veran - Das Steinerne Archiv.
Der Rossauer Friedhof ist der älteste erhaltene Friedhof in Wien, seine Spure
reichen ins 13. Jahrhundert. Jüdische Friedhöfe erzählen durch ihre
Grabsteine eine Fülle von Geschichten und so dokumentiert der Friedhof und
das Buch auch einen guten Teil der Geschichte von Juden in Wien.
Die Autorin Traude Veran wird über den Friedhof führen und über seine
Geschichte berichten.
Anschließend gibt es ein kleines Buffet.
Zeitpunkt: 27.Mai 2002, 15 Uhr; Ort: Jüdischer Friedhof, Eingang
Pensionistenheim, Seegasse 11, 1090 Wien

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15 Nein zum Europa der Konzerne und Generäle
Von: Nein zur EU <nein-zur-eu@servus.at>
================================================Plattform Nein zur EU
Waltherstr. 15b
4020 Linz
Tel. 0732/771094
Fax 0732/797391
e-mail: nein-zur-eu@servus.at
Internet: www.servus.at/neinzureu
Internationale Konferenz
Gegen das Europa der Konzerne und GeneräleSamstag, 1. Juni 2002, 10 Uhr
Volkshaus Kandlheim, Edlbacherstr. 1, A-4020 LinzAnfang des Jahres 2002 hat sich die überparteiliche Plattform "Nein zur EU" in
Österreich gegründet. Die EU fährt mit Hochgeschwindigkeit in die falsche
Richtung: Aufrüstung, Militarisierung, Sozialabbau, Entdemokratisierung und
Umweltzerstörung. Es ist Zeit, Widerstand gegen das Europa der Konzerne und
Generäle zu entwickeln und über Alternativen nachzudenken. Mit dieser Konferenz
wollen wir einen Beitrag dazu leisten. Wir laden alle Interessierten recht
herzlich dazu ein.Programm:
10 Uhr
Begrüßung: Gernot Zeiler (Plattform "Nein zur EU")
10.15 bis 12 Uhr
EU-Militarisierung und österreichische Neutralität
Vom Euro zur Euro-Armee - Die EU auf dem Weg zur militärischen Supermacht
Gerald Oberansmayr (Friedenswerkstatt Linz)
Am Ende der Salami - was bleibt von der österreichischen Neutralität? ao.
Univ.-Prof. Dr. Erwin Bader (Institut für Philosophie an der Universität Wien,
Universitätszentrum für Friedensforschung)
Die Zukunft der Neutralität - Perspektiven der Friedensbewegung
Andreas Pecha (Wiener Friedensbewegung)
12 bis 13 Uhr
EU-Osterweiterung
Friedensprojekt oder Neokolonialismus?
Dr. Hannes Hofbauer (Historiker und Journalist)
Mittagspause
14.30 bis 15.30 Uhr
Entdemokratisierung und Sozialabbau
Der autoritäre Staat - Entdemokratisierung am Beispiel der Gemeinden
Werner Murgg (Gemeinderat in Leoben)
Der neoliberale Staat - Die EU als Motor zum Abbau sozialer Errungenschaften
Prof. Dr. Erwin Weissel (em.) (Institut für Wirtschaftswissenschaften)
15.30 bis 17 Uhr
Nationale und internationale Strategie(n) der EU-Opposition
Einleitungsreferate: Helle Hagenau (Generalsekretärin der norwegischen "Nein zur
EU"-Bewegung, Gründungsmitglied von TEAM - Europäische Allianz EU-kritischer
Bewegungen) Franz Stephan Parteder (Plattform "Nein zur EU")Wegbeschreibung zum Volkshaus Kandlheim in Linz:
Vom Hauptbahnhof: eine Station mit der Straßenbahn-Linie 3 bis zum
Blumauerplatz, dann umsteigen in die Straßenbahn-Linie 1 oder 2 stadtauswärts
bis zur Haltestelle Herz-Jesu-Kirche, rechterhand Dürrnbergstraße zum
Andreas-Hofer-Platz (ca. 100 m), das Kandlheim befindet sich direkt am
Andreas-Hofer-Platz, Edlbacherstraße 1.Weitere Informationen:
http://www.servus.at/neinzureu
Anmeldungen bitte unter: nein-zur-eu@servus.at

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16 Zurück in die Zukunft? -
Genetische Diagnostik und das Risiko der Eugenik
Von: <aktuell@nadir.org>
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Zurück in die Zukunft? - Genetische Diagnostik und das Risiko der Eugenik
Von : Thomas Lemke
Ort :
Datum: 22.05.2002 Nach Abschluss des Humangenomprojekts werden immer mehr und genauere
Kenntnisse über Struktur und Funktion des menschlichen Erbmaterials und
zunehmend differenziertere genetische Testmöglichkeiten verfügbar sein.
Dabei ist abzusehen, dass die Anwendung des neuen Wissens die
individuelle
Erfahrung von Schwangerschaft und Geburt ebenso verändern wird wie
gesellschaftliche Institutionen - etwa das Gesundheitssystem, das Rechts-
und das Versicherungswesen - und auch den kollektiven Umgang mit
Behinderung, Krankheit und Tod.
Trotz der weit reichenden technischen Möglichkeiten von Genomanalyse und
genetischer Diagnostik befindet sich die öffentliche Auseinandersetzung um
soziale Folgen und ethische Implikationen noch am Anfang. Von zentraler
Bedeutung ist dabei die Angst vor einer Neuauflage eugenischer Projekte.
In
den publizistischen Debatten wird, wie innerhalb der Geistes- und
Sozialwissenschaften, häufig die Auffassung vertreten, dass die
eigentliche
Bedeutung des Humangenomprojekts weniger in möglichen neuen biologischen
Erkenntnissen oder medizinischen Therapien liegt, sondern in einem
genetischen Determinismus, der schon in der Vergangenheit als
Erklärungsmodell für jede Form von sozialer und individueller Variabilität
diente. Dabei wird das gesellschaftspolitische Potenzial der Genomanalyse
in einer "Genetifizierung" der Gesellschaft bzw. der Ersetzung sozialer
durch gentechnologische Lösungen gesehen. Ein zentraler Stellenwert kommt
dabei der Kritik des genetischen "Reduktionismus" zu, der biologische,
psychologische und soziale Differenzen zwischen Individuen auf die
Unterschiede in ihrer DNA zurückführt. Gewarnt wird vor einen
"Genfatalismus", der die Selbstbestimmung durch das Schicksal der Gene
ersetzt und individuelle Entscheidungen als Resultat genetischer
Bestimmungsfaktoren betrachtet.
So berechtigt diese Kritik sein mag, sie reicht nicht weit genug. Ihr
entgeht ein entscheidendes Moment, das die gegenwärtigen humangenetischen
Praktiken von ihren Vorgängerinnen unterscheidet. Die gesellschaftliche
Bedeutung genetischer Information liegt heute weniger in der Kontinuität
eines genetischen Determinismus, sondern vor allem in der Konstruktion
genetischer Risiken. Denn die Analysemethoden und Verfahren der
genetischen
Diagnostik zielen gerade nicht auf die Produktion eindeutiger Kausalketten
oder die Reduktion aller möglichen Sachverhalte auf das Genom, sondern auf
die Steuerung von Wahrscheinlichkeiten, Möglichkeiten und Erwartungen -
nicht am Modell der Determination, sondern am Modus der Disposition
orientiert. Es ist erst diese "relative Offenheit" eines
Risikodispositivs,
die im humangenetischen Diskurses den Appell an Autonomie und
Eigenverantwortung ermöglicht: Statt kollektives Schicksal zu sein, werden
die Gene heute immer mehr unter der Perspektive individueller Potenziale
betrachtet, sie sind immer weniger Bestandteil einer biologischen
Vererbung
als Element von sozialen Strategien, die auf Optimierung des persönlichen
Humankapitals und der subjektiven "Lebensqualität" zielen.
Die Bedeutung von Risikodispositiven zeigt sich in den beiden
Anwendungsbereichen der genetischen Diagnostik. Ihr Haupteinsatzgebiet
liegt momentan in vorgeburtlichen Untersuchungsmethoden, in der
Pränataldiagnostik. Dabei fällt auf, dass mit der Ausweitung des
diagnostischen Angebots auch die Mitwirkungspflicht der Schwangeren an
pränataldiagnostischen Verfahren wächst: "Risikopaaren" wird eine
genetische Beratung nahe gelegt, und jede Schwangerschaft wird tendenziell
zu einer "Risikoschwangerschaft" bzw. "Schwangerschaft auf Probe", wobei
die Entscheidung für das Austragen des Embryos zunehmend vom Nachweis
genetischer Schadensfreiheit abhängt.
Daneben wird künftig die postnatale Diagnostik, also genetische Tests an
bereits geborenen Menschen, eine immer größere Rolle spielen. Die
Entschlüsselung des Genoms und die Isolierung von Genen, die mit
Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer in Verbindung gebracht werden, wird
es
ermöglichen, prädiktive genetische Informationen für viele Menschen
bereitzustellen. Schon jetzt hat der begrenzte Einsatz gendiagnostischer
Instrumente zur Produktion einer neuen Kategorie beigetragen: "Kranke ohne
Symptom" (Dorothy Nelkin), bei denen Risiken für Krankheiten
diagnostiziert
wurden, an denen sie vielleicht eines Tages, vielleicht aber auch nie
erkranken werden. In verschiedenen Ländern sind diese "Risikopersonen"
bereits mit realen Formen genetischer Diskriminierung konfrontiert, von
Problemen bei der Berufswahl bis hin zur Verweigerung des
Versicherungsschutzes.
Offenbar liegt die gesellschaftliche Bedeutung von Genomanalyse und
Gendiagnostik vor allem in der Herstellung eines "reflexiven"
Verhältnisses
von individuellem Risikoprofil und sozialen Anforderungen. Die Rede von
Eigenverantwortung und Selbstbestimmung in den Biowissenschaften ist dann
keine ideologische Täuschung, sondern verweist auf ein Risikodispositiv,
in
dem die Individuen mehr sind als Gefangene ihres Erbmaterials. Gäbe es
tatsächlich eine unmittelbare Beziehung zwischen Geno- und Phänotyp im
Sinne eines genetischen Determinismus, wäre der Appell an individuelle
Autonomie und Verantwortung - etwa für Kriminalität oder
Arbeitslosigkeit -
wesentlich schwerer aufrechtzuerhalten. Die Konstruktion von
Risikopersonen, Risikopaaren oder Risikoschwangerschaften erleichtert
hingegen die Moralisierung abweichenden Verhaltens und die Zuweisung von
Schuld und Verantwortung, ermöglicht die Entwicklung von Präventionsformen
auch in nicht-medizinischen Bereichen und erhebt die prädiktive
Gendiagnostik zum Modell einer sozialen Medizin.
Statt individuelle Verantwortung und Freiheit abzuschaffen, produziert die
genetische Aufklärung durch die Mittel der Gendiagnostik eine präzise
Vorstellung von "Mündigkeit", die an medizinische Informiertheit und an
die
Kenntnis des eigenen Codes gekoppelt ist. Zu fragen ist also, inwieweit
sich in den Diskursen der Bioethik und in den Praktiken der genetischen
Beratung eine "genetische Verantwortung" (Carlos Novas/Nikolas Rose)
materialisiert, die sich darüber bestimmt, dass ein Risikomanagement
betrieben und ein adäquater Lebensstil gepflegt wird. Dem Recht auf
Gesundheit stünde - wie der Medizinethiker Hans-Martin Sass fordert - ein
"Ethos der Pflicht" im Umgang mit genetischen Informationen gegenüber,
wobei die potenziellen Kranken im Rahmen einer "selbstbestimmten und
selbstverantwortlichen Patienten- oder Bürgerethik" auf die
Risikominimierung verpflichtet werden.
Aus der Konzentration auf genetische "Risiken" und "Dispositionen" folgt
allerdings nicht, dass dem Problem der Eugenik keine Bedeutung mehr
zukommt. Der Wissenschaftshistoriker Daniel Kevles versteht darunter die
"Gesamtheit der Ideen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die Qualität
der menschlichen Rasse durch die Manipulation des biologischen Erbguts zu
verbessern". Auf welche gegenwärtigen Ängste und erwartbaren Entwicklungen
in der Zukunft bezieht sich die Charakterisierung der aktuellen
humangenetischen Praktiken als "eugenisch"? Welche Parallelen und
Differenzen lassen sich gegenüber der nationalsozialistischen
Rassenhygiene
oder den US-amerikanischen Sterilisationsprogrammen des frühen 20.
Jahrhunderts ausmachen?
Beim Versuch einer Antwort muss man zwei komplementäre theoretische
"Fallen" vermeiden. Zunächst einmal scheint es problematisch, von einer
mehr oder weniger linearen Kontinuität der eugenischen Praktiken vom
Nationalsozialismus bis heute auszugehen, um von der Fortsetzung
eugenischer Traditionen auf einem neuen technologischem Niveau oder einem
Rückfall in alte Biologismen zu sprechen. Was diese Kontinuitätsthese
angeht, so ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die "Natur"
heute
- anders als in der Eugenik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht
mehr auf der Seite des Unveränderlichen anzusiedeln ist. Es ist daher kaum
haltbar, anzunehmen, die Debatte zwischen Vererbung und Umwelt sei zu
Gunsten der Erbanlage entschieden. Eher hat sich im Zeichen der
Gentechnologie die Debatte insgesamt verschoben - und mit ihr die beiden
Pole, die sie einmal konstituierten. Die Biologie operiert heute als
Informationswissenschaft, wobei die DNA als ein Code betrachtet wird, der
gelesen und umgeschrieben werden kann. Durch die gentechnologischen
Innovationen hat sich die Biologie selbst und die Relation zwischen
Biologie und Gesellschaft verändert. Es reicht daher offenbar nicht aus,
die "Biologisierung der Gesellschaft" zu konstatieren und/oder sie zu
kritisieren; vielmehr zeigen die Ergebnisse wissenschaftshistorischer und
-soziologischer Studien, dass die Dichotomie zwischen Natur auf der einen
und Gesellschaft/Kultur auf der anderen Seite immer schwieriger
aufrechtzuerhalten ist.
Heute von "Vererbung" oder "Genom" zu sprechen, signalisiert nicht mehr:
schicksalhaft und gesellschaftlicher Kontrolle entzogen, sondern verweist
im Gegenteil auf ein privilegiertes Interventionsfeld. Genetische Faktoren
stellen ebenso wie Umweltfaktoren Risiken dar - wenn auch in
unterschiedlicher Weise. Denn die genetischen Faktoren scheinen insofern
privilegiert, als sie vermeintlich leichter zu kalkulieren und
einzuschätzen sind, das heißt aber weder, dass alles genetisch noch dass
das Genetische unveränderbar sei. Die dient nicht der Feststellung eines
unabweislichen genetischen Schicksals, sondern ermöglicht Interventionen
zur Risikovermeidung oder -minimierung, von der Einnahme von Arzneimitteln
über den Lebensstil bis hin zu - bisher nur in seltenen Ausnahmefällen -
den Einsatz von Gentherapien.
Wenn also die Kontinuitätsthese auf eine Reihe von Einwänden trifft, wie
verhält es sich mit der Diskontinuitätsthese, der Annahme einer Zäsur
zwischen alter Eugenik und moderner Humangenetik? Die Vertreter dieser
These verweisen zum einen darauf, dass die genetischen Untersuchungen den
Nachweis erbrachten, dass Mutationen und genetische Anomalien innerhalb
der
Bevölkerung extrem verbreitet sind, so dass das Projekt einer "Reinigung"
oder "Verbesserung" des Genpools keinen Sinn mache. Eine zweite
Argumentationsfigur beruft sich auf die Veränderung von
"Motivationsstrukturen". Danach soll von Eugenik dann nicht mehr die Rede
sein, wenn an die Stelle einer kollektiven Sorge um den Genpool oder das
Projekt einer evolutionären Verbesserung der Menschheit individuelle
Reproduktionsentscheidungen treten, die selbstbestimmten Optionen und dem
Prinzip der Freiwilligkeit folgen.
Mit der zunehmenden Erosion der Grenzziehung zwischen Natur und
Gesellschaft und den biotechnologischen Möglichkeiten einer Diagnose und
Kontrolle der genetischen Zusammensetzung von Individuen, hat sich Problem
der Eugenik jedoch nicht "erledigt", sondern ist im Gegenteil
unausweichlich geworden. Wie etwa der Soziologe Armin Nassehi zeigt, ist
es
gerade die Tatsache, dass Fortpflanzung zum Gegenstand von individuellen
Planungen geworden ist, die diese Gesellschaft zu einer eugenischen macht:
"Die genetische Manipulierbarkeit des Menschen bringt die Reiche der
Freiheit und der Notwendigkeit durcheinander. Die Freiheit, Natur zu
manipulieren und Kopien zu erstellen oder Menschen nach genetischen
Konstruktionsplänen zu entwerfen, bringt zugleich die Notwendigkeit
hervor,
selbst unsere nicht-manipulierte Existenz einer Entscheidung zuzurechnen".
Ob wir wollen oder nicht: Selbst die scheinbar "nicht-eugenische"
Entscheidung gegen genetische Diagnostik und selektive Abtreibung wird zu
einer eugenischen, da auch ihr eine (normative) Entscheidung zugrunde
liegt: die Entscheidung, dass es besser sei, nicht zu entscheiden. Die
Auswahl einer "natürlichen" genetischen Ausstattung für ein Individuum ist
nur eine Option und ein "Selektionskriterium" unter anderen.
Wenn in den Gentests mit Risiken und Dispositionen und nicht mit einem
strengen Determinismus gearbeitet wird, so markiert dies ein wichtiges
Unterscheidungsmerkmal zur alten eugenischen Praxis. Diese Differenz ist
jedoch möglicherweise gerade die Bedingung für die Universalisierung der
Eugenik. Die Konzentration der medizinisch-sozialen Praktiken auf die
Analyse von genetischen Risiken könnte die Voraussetzung für eine
Umcodierung eugenischer Praktiken schaffen, die nicht mehr nur auf
identifizierbare Individuen und Kollektive zielen, sondern auf alle und
jeden einzelnen. Diese Eugenik wäre nicht mehr auf die Autorität des
Staates angewiesen, sondern könnte auf die Autonomie der Individuen
rekurrieren. An die Stelle staatlich verordneter eugenischer Programme,
die
vor allem auf repressive Mittel zurückgriffen und deren Gegenstand die
"Volksgesundheit" war, träte ein Risikodispositiv, das im Namen von
Selbstbestimmung, Eigenvorsorge, Verantwortung und Wahlfreiheit auf eine
produktive Optimierung des individuellen Humankapitals zielt. Daher reicht
es heute möglicherweise nicht mehr aus, allgemein auf das Risiko der
Eugenik hinzuweisen, sondern diese als eine spezifische Eugenik, als eine
Eugenik des Risikos zu dechiffrieren.
*** nadir-aktuell-abo -- Aboliste mit Nachrichten von http://www.nadir.org
*** Beitraege: nadir-aktuell@nadir.org / Redaktion:
nadir-aktuell-red@nadir.org

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KOMMENTARE - MELDUNGEN
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17 Jean Ziegler - Globalisierung ist tödlicher Terror
Von: Verein Stadtteilzentrum Simmering
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Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
folgende Rede von Jean Ziegler, Friedens- und Solidaritätsaktivist,
Universitätsprofessor, sozialistischer Nationalrat in der Schweiz habe ich
auf der sehr empfehlenswerten Homepage des Kasseler Friedensratschlages
www.friedensratschlag.de gefunden.
Sie ist ein wichtiges Zeitdokument, das uns alle zum Nachdenken und Handeln
auffordert.
Mit solidarischen Friedensgruessen / Alois Reisenbichler
GLOBALISIERUNG IST TÖDLICHER TERROR!
Rede auf der Abschlusskundgebung der Friedensbewegung in Berlin am 21. Mai
2002
*Jean Ziegler ist UN-Sonderberichterstatter "Für das Recht auf Nahrung" und
Professor der Universität Genf und der Pariser Sorbonne.Saint-Exupéry schreibt: "Il n`y apas de commune mesure entre la lutte libre
et l`écrasement dans la nuit." - Die einen kämpfen in Freiheit, die anderen
werden in der Nacht zerstört.
Wir sind heute hier versammelt in Freiheit, in der Hauptstadt der größten
Demokratie des europäischen Kontinents. Wir können in Freiheit reden,
denken, unsere Feinde benennen und die Welt bezeichnen so wie sie ist.
Unsere Aufgabe ist es die Stimme der Menschen ohne Stimme zu sein. Unsere
Aufgabe ist es für jene vielen Hunderte Millionen von Menschen zu reden, die
in der Nacht zerstört, ausgehungert, unterdrückt und ermordet werden, weil
sie wehrlos sind.
Globalisierung ist täglicher Terror. Alle sieben Sekunden verhungert ein
Kind unter zehn Jahren. Alle vier Minuten verliert ein Mensch das Augenlicht
wegen Mangel an Vitamin A. Über 100.000 Menschen sterben am Hunger oder
seinen unmittelbaren Folgen jeden Tag. 828 Millionen Kinder, Männer und
Frauen waren letztes Jahr permanent schwerstens unterernährt. Die FAO
errechnet: Die Weltlandwirtschaft könnte heute ohne Probleme 12 Milliarden
Menschen ernähren. Ohne Probleme heißt, jedem Menschen jeden Tag 2.700
Kalorien Nahrung zu geben. Die gegenwärtige Erdbevölkerung beträgt 6,2
Milliarden.
Es gibt keine Fatalität, nur imperiale Vernichtung und Arroganz. Wer heute
am Hunger stirbt, wird ermordet. Wer Geld hat, isst und lebt; wer keines
hat, wird invalid und/oder stirbt.
Für diese mörderische, absurde Weltordnung, deren einziger Motor die
grenzenlose Profitgier einiger Weniger ist, trägt das US-amerikanische
Imperium die Hauptverantwortung. Das amerikanische Imperium - nicht das
amerikanische Volk! Die amerikanische Finanzoligarchie beherrscht 24 Prozent
des Welt-Bruttosozialprodukts, 41 Prozent des Welthandelsvolumens und 53
Prozent des Weltenergiemarktes. Die amerikanische Kapitaloligarchie, welche
die Regierung Bush weitgehendst leitet, funktioniert gemäß einem Kodex, den
man den "Consensus of Washington" nennt. Seine vier heiligen Regeln sind:
Total-Liberalisierung der Kapital-, Waren-, Dienstleistungs- und
Patentströme,
Privatisierung des öffentlichen Sektors,
Deregulierung und
Flexibilisierung aller Sozial-, insbesondere der Arbeitsbeziehungen.
Dieser "Consensus" wird weltweit durchgesetzt von den Söldnerorganisationen
des internationalen, meist amerikanischen Finanzkapitals: der
Welthandelsorganisation (WTO), des Weltwährungsfonds (IWF) und der Weltbank.
Die amerikanische Finanzoligarchie ist zudem die weltdominierende
Militärmacht.
Vor über 2.000 Jahren schon schrieb Marc Aurel: Imperium superat regnum. Das
Imperium unterwirft sich alle anderen Mächte. Die Oligarchie des
amerikanischen Finanzkapitals beherzigt diese Lektion aufs Trefflichste. Die
amerikanische Präsidentschaft hat den Vertrag über das Verbot der
Herstellung und des Verkaufs von Anti-Personen-Minen abgelehnt. Sie hat das
Kyoto-Protokoll zur Kontrolle der Vergiftung der Luft mittels CO2-Ausstoßes
sowie den Kontrollvertrag über die interkontinentalen, ballistischen, mit
Atomsprengkörpern bestückten Flugkörper widerrufen. Sie weigert sich, das
Protokoll zur Kontrolle der biologischen Waffen zu unterzeichnen. Sie
bekämpft die OECD-Konvention zur Kontrolle der weitgehend kriminellen
Off-Shore-Märkte. Den internationalen Strafgerichtshof (Römer-Konvention von
1998) verwirft sie. Jede Art militärischer Abrüstung ist ihr ein Gräuel. Das
Imperium tätigt im Jahr 2002 42Prozent aller Militärausgaben der Welt.
Nichts und niemand kann den fürchterlichen Angriff auf die New Yorker
Zivilbevölkerung vom 11. September 2002 erklären, geschweige denn
rechtfertigen. Über 3.000 Menschen aus 62 Nationen sind innerhalb von drei
Stunden ermordet worden. Aber auch das schlimmste Verbrechen darf die
rechtstaatlichen Grundsätze einer zivilisierten Gemeinschaft, wie es die
amerikanische ist, nicht außer Kraft setzen. Die Terrorbombardements der
amerikanischen Luftwaffe auf die afghanischen Städte und Dörfer von Oktober
bis Dezember 2001, die menschenunwürdige Behandlung der Kriegsgefangenen
sowie die Weigerung, die Genfer Konvention in Afghanistan zu respektieren,
sind die Markenzeichen imperialer, menschenverwüstender Arroganz.
Bush und seine Akkoliten aus Texas definieren autonom - jenseits aller
Völkerrechtsgrundsätze -, wer ein Terrorist ist und wer nicht. Jedermann
kennt den Direkteinfluss der texanischen Ölmilliardäre auf die Familie Bush.
Der weltweite Krieg gegen den Terror hat einiges zu tun mit der
Profitmaximierung der Investitionen im internationalen, insbesondere
mittelöstlichen und zentralasiatischen Erdölgeschäft.
Unheimlich auch ist mir die Doppelzüngigkeit des Imperiums. Bush pachtet für
sich die menschliche Zivilisation, ihre Moral und deren Verteidigung.
Gleichzeitig unterstützt er Ariel Sharons Verbrechen in Palästina. Mit
großzügigem Schuldenerlass beschenkt er Vladimir Putin, der in
Tschetschenien die Zivilbevölkerung massakriert. Den türkischen
Folterschergen lässt er Waffen und Kredite in Milliardenhöhe zukommen.
Traurig als Europäer und Sozialdemokrat stimmt mich die unterwürfige
Lakaienmentalität, die so viele meiner Freunde und Freundinnen aus der
Sozialistischen Internationale dem stumpfsinnigen Weltherrscher-Aspiranten
in Washington gegenüber an den Tag legen. Gerhard Schröder und Anthony Blair
sind nicht die einzigen. Die europäische Untertanenmentalität muss ein Ende
haben. Wir dürfen uns nicht weiterhin wie blökende Schafe dem Diktat des
Cowboy-Häuptlings im Weißen Haus unterwerfen.
Artikel 1 der UNO-Menschenrechts-Deklaration von 1948 lautet: "Alle Menschen
sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und
Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen."
In Artikel 3 heißt es: "Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und
Sicherheit seiner Person." - So eine Welt wollen wir.
Ich kenne kaum ein faszinierenderes, vielfältigeres und kreativeres Volk als
die Amerikaner. In Greenwich-Village und and der Columbia-University habe
ich während vier Jahren mehr über die Menschen und die Welt gelernt als
während irgend einer anderen Zeit meines Lebens. Amerikanische
Gastfreundschaft und Warmherzigkeit sind mir unvergesslich.
Das amerikanische Imperium ist eine tödliche Gefahr für die Zivilisation, es
ist ein Feind der Freiheit und der Vernunft. Zusammen mit den Kräften des
Widerstands in Amerika, mit den amerikanischen Studenten,
Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern werden wir das Imperium besiegen und
die Welt der Vernunft, der versuchten Gerechtigkeit, der größeren Freiheit
für jeden erschaffen.
Es lebe die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Brüderlichkeit unter den
Menschen! Es lebe die Solidarität zwischen den Völkern!
Ich danke Ihnen.


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18 Unigesetz/Reaktion/KPÖ/Kahr
Von: Parteder Franz <Franz.Parteder@stadt.graz.at>
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PRESSEMITTEILUNG DES GRAZER KPÖ-GEMEINDERATSKLUBSDonnerstag, 16. Mai 2002
Unis: Nur die Fassade bleibt stehen
Elke Kahr (KPÖ): "Hochschulbildung wird dem Zugriff privater Finanzgruppen
geöffnet"
"Es kam, wie es von der blau-schwarzen Regierungsmehrheit schon in einigen
Fällen bekannt ist: Verfassungsbestimmungen eines Gesetzes werden umgangen,
um mit einfachgesetzlichen Mehrheiten neue Tatsachen zu schaffen: Diesmal
sind die Universitäten dran. In der gestern beschlossenen und schon heute
dem Parlament präsentierten Regierungsvorlage zum Universitätsgesetz 2002
werden alle Bestimmungen des bisher geltenden
Universitätsorganisationsgesetzes 1993 außer Kraft gesetzt, 'mit Ausnahme
der Verfassungsbestimmungen'! (Dies gilt ebenso natürlich für das
Kunstuniversitätsorganisationsgesetz und für das
Universitäts-Studiengesetz.) Die Zerschlagung der Universitäten zur
Schaffung von markt- und gewinnorientierten Lehr-, Forschungs- und
Krankenanstalten erfolgt vorbei an geltendem Verfassungsrecht: Wie bei
einem totalen Hausumbau wird das Gebäude entkernt; nur die Fassade und
einige Stützpfeiler bleiben stehen!" Das sagte die Grazer KPÖ-Klubobfrau
Elke Kahr am Mittwoch in einer ersten Stellungnahme.
'Es geht um eine moderne Autonomie für die Universitäten, es geht um die
Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen und dem globalen Bildungsmarkt!',
tönt die Regierung. Das ist eine grobe Täuschung! So wie bei der
Privatisierung der kommunalen Einrichtungen, von öffentlichem Verkehr über
Energieversorgung bis zum Wasser, Bildung und Gesundheitsversorgung sind für
diese Politiker Dienstleistungen, die dem Zugriff privater Finanzgruppen und
ihren Profitinteressen geöffnet werden sollen. Das sind die Vorgaben der
Welthandelsorganisation und der Europäischen Kommission, und danach handelt
die Regierung, flink und ohne Rücksicht auf die österreichische Verfassung,
auf die Ablehnung durch das wissenschaftliche und künstlerische Personal,
durch die Allgemeinen
Universitätsbediensteten und die Studierenden.
Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind eindeutig: Die
Regierungskoalition wird diese Vorlage beschließen, mit einigen
Modifikationen auf Wunsch des größeren, FP Koalitionspartners und einzelner
machtbesessenen Professoren. Die Verwirklichung des Gesetzes muss aber mit
Argumenten und Aktionen erschwert und verzögert werden! Nicht nur die
Studiengebühren, sondern das ganze Universitätsgesetz 2002 muss
zurückgenommen werden, um Bildung und Gesundheit nicht zum Privileg einiger
Begüterter und zum Spielplatz von Finanzspekulanten werden zu lassen.
Rückfragehinweis 872/2151================================================
Von: franz mayr <antisicherheitskonferenz@yahoo.com>
To: widerstand@no-racism.net <widerstand@no-racism.net>
Date: Wednesday, May 22, 2002, 7:31:34 AM
Subject: Kampagnenplan Sicherheitskonferemz
Files: message.htm
================================================

Stoppt den Krieg!
Wehren wir uns gegen die Sicherheitskonferenz!
13.-16.Juni
Die Kampagne gegen das Treffen der Kriegstreiber beginnt:

1) Auftaktveranstaltung
Di., 28.5.02, 19 Uhr
Hauptuni, Hörsaal 33, U2 Schottentor
mit: Leo Gabriel (Koordinator fur das European Social Forum)
Prof. Thomas Schönfeld (Österreich. Friedensrat
Irene Zavarsky (Österreichisceh HochschulerInnenschaft)
Sandra Breiteneder (Aktion Kritische SchülerInnen)
Moderation: Kerstin Andra (Linkswende)
anschliessend Film über die aktuelle Situation in Palästina (30 min.)
2) Wir machen mobil!
folgendes ist geplant:
Do., 6.6.02, 17 Uhr, Anti-Kriegs-Umzug mit Sirenen, Kriegslärm & "die-in"
vom Verteidigungsministerium zum US-amerikanischen Konsulat
Sa., 8.6.02, Anti-Kriegs-FLEX-Abend (mit Videos) & Infoständen
3) Kriegstreiber unerwünscht - Aktionen gegen die Sicherheitskonferenz vom
13.-16.6.02
folgendes ist geplant:
Do., 13.6.02: "Empfang" der Delegierten, bunte Belagerung
Fr., 14.6.02: nachmittags: workshops mit Themen von "Imperialismus", "Frauen &
Krieg" bis "Friedenbewegug & Gewaltfreiheit".
genaues Programm wird noch gestaltet.
abends: Gemeinsame Anti-Kriegs-Veranstaltung in Vorbereitung fur
die Demo am nächsten Tag
Sa., 15.6.02: DEMO, Treffpunkt: 12 Uhr, Stephansplatz
4) Antisicherheitskonferenz - Homepage gibts ab Montag, den 27.5.02
mit den neuesten Infos, dem neuesten Material zum loslegen und mobilisieren!
5) Mitmachen & mitmobilisieren - wie?
Wir haben uns eine ambitioniertes Programm vorgenommen - eine friedliche Welt
ist nötig! Deshalb wollen wir eine Einheit zwischen Aktion & Debatte in die Praxis
umsetzen. Dies wollen wir mit so vielen AktivistInnen wie möglich gemeinsam
gestalten
Deshalb:
* zum nächsten Koordinierungstreffen kommen: Mo., 27.5.02, 19 Uhr, Friedensbüro 3.
3. Kölblgasse 18/1
* Einen workshop am 14.6.02 anbieten und/oder mitgestalten
* Den gemeinsamen Aufruf mit unterstützen (siehe unten)
* Sich Infostände, kreative Aktionen für den Anti-Kriegs-Umzug und/oder
den Flex-Abend überlegen und machen!
* Mitflyern, mitplakatieren
* Alle Infos in eure Verteiler stellen!
* Weitere gute Ideen einbringen!
6) Infos & Material: antisicherheitskonferenz@yahoo.com und bald die homepage 7)
Der Aufruf Stoppt den Krieg! Wehren wir uns gegen die Sicherheitskonferenz am
13.-16.Juni in Wien! Vom 13. bis 16. Juni treffen sich auf FP-Minister
Scheibners Initiative Verteidigungsminister und "Höchstrangige Vertreter" aus
über 30 Ländern, sowie der NATO-Generalsekretär Robertson, in Wien. In einer
internationalen Konferenz für "International Security and the Fight against
Terrorism" (ISFAT) wollen sie schwerpunktmässig über "Terrorbekämpfung im
Mittleren und Nahen Osten beraten. Tatsächlich geht es den Repräsentanten der
führenden NATO-Mächte nicht um internationale Sicherheit, sondern um Absprachen
über derzeitige und künftige Militarinterventionen, die sie im Rahmen eines
einzigen "Krieges gegen den Terror" konzipieren. Der stellvertretende
US-Verteidigungminister Wolfowitz brachte das auf die Formel:" Die einzige
Verteidigung gegen den Terrorismus ist, den Krieg zum Feind zu bringen... die
beste Verteidigung ist ein gelungener Angriff". Die verheerenden Folgen für
Bevölkerung und Umwelt haben wir am Beispiel des Golfkrieges gegen den Irak, in
Jugoslawien und in Afghanistan gesehen. Diese Konferenz ist keine
Sicherheitskonferenz sondern eine Kriegskonferenz zur Planung der Durchsetzung
ökonomischer Interessen mit Waffengewalt im Rahmen des von der NATO und ihrer
EU-Verbündeten selbstgesteckten Zieles der "Aufrechterhaltung des freien
Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller
Welt".
Neutralität statt NATO!
Die Abhaltung einer solchen Konferenz in Wien bedeutet in
der Praxis einen weiteren Schritt auf dem Weg zur
Beseitigung der "immerwahrenden Neutralität" Österreichs,
wie sie in der Verfassung verankert ist. Die Konferenz ist
ein wichtiges Signal in Richtung NATO, EU-Militarisierung und der damit
verbundenen Aufrüstung. Eine Beteiligung an EU-Militäreinsatzen und einer
Euroarmee lehnen wir entschieden ab. Vielmehr treten wir für eine aktive Neutralitätspolitik ein, die gerechtigkeit als Basis für dauerhaften Frieden beachtet und in Konflikten vermittelnd wirkt. Der von der Regierung geplante
Ankauf von 24 neuen Abfangjägern um 1.82 Mrd. Euro wird
mit der Notwendigkeit von Sicherheitsmassnahmen zur
Beibehaltung der Neutralität argumentiert.
In Wirklichkeit geht es aber auch aus ökonomischen
Gründen um die Beteiligung des osterreichischen Militars an
Kriegen weltweit, nach dem Vorbild des Afghanistan-
Einsatzes.
Globaler Widerstand gegen Neoliberalismus,
Militarismus und Krieg!
Die antikapitalistische Bewegung, die sich weltweit
formiert, wendet sich mehr und mehr gegen den
militarischen Arm der Globalisierung. Die Erklärung der
sozialen Bewegungen des Weltsozialforums in Porto Alegre
steht unter dem Titel: "Widerstand dem Neoliberalismus,
dem Militarismus und Krieg: Für Frieden und soziale
Gerechtigkeit" Weiter heisst es: "Im Namen des Krieges gegen den Terrorismus
werden in der ganzen Welt zivile und politische Rechte verletzt. Mit dem Krieg
gegen Afghanistan, in dem ebenfalls terroristische Methoden angewandt wurden,
und mit den zukünftigen, bereits vorbereiteten Kriegen, befinden wir uns in
einem permanenten globalen Krieg. Seine Ausweitung wurde durch die Regierung der
USA und ihren Alliierten entfesselt, um ihre Herrschaft zu festigen. Dieser
Krieg enthüllt das brutalste und nicht akzeptable Gesicht des Neoliberalismus!"
Angesichts der brutalen Besatzung durch die Regierung und Armee Israels,
besteht eine dringliche Aufgabe unserer Bewegung darin, zur Solidarität mit
allen PalästinenserInnen und IsraelInnen, die für eine friedliche Lösung des
Konflikts eintreten, zu mobilisieren. Wir unterstützen die Forderung nach dem
Selbstbestimmungsrecht der PalästinenserInnen.
Es muss unser Ziel sein, weitere Kriege zu verhindern. Mit unseren Protesten
gegen die Sicherheitskonferenz vom 13.-16. wollen wir unseren Beitrag dazu
leisten und mit einer gemeinsamen Mobilisierung den Grundstein zu einer breiten
und starken Anti-Kriegs-Bewegung legen.
l NEIN zur NATO und EU-Militarisierung - Für aktive Neutralität!
l Stoppt Krieg & Militarisierung!
l Für Frieden und soziale Gerechtigkeit!
Bisherige UnterstützerInnen:
Wiener Friedensbewegung, Internationaler Versöhnungsbund, Friedenszentrum
Schlaining, Arge Wehrdienstverweigerung & Gewaltfreiheit, Österreichische
HochschülerInnenschaft, FeministATTAC, Aktion kritischer SchülerInnen, AJAK,
KPÖ, KJÖ, KSV, Linkswende Weitere Unterstützungserklärungen bitte bis Fr.,
24.5.02, 17 Uhr an: antisicherheitskonferenz@yahoo.com

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18 Ein "nationaler" Sozialdemokrat
Von: trustram/ernstbrunner <hx65@dial.pipex.com>
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Ein "nationaler" Sozialdemokrat
Von Karl Pfeifer
Unter dem Titel "Wehrmachtsausstellung und deren Folgen" läßt die Wiener
Wochenzeitung "Zur Zeit" (17.5.02) "zu Reemtsmas Wanderzirkus"einen
"Kärntner Sozialdemokraten" Stellung nehmen.
In diesem mit "Rudolf Tillian, Kärntner Landestagpräsident der
SPÖiR."(sic!) gezeichneten Text meint dieser:
"Unsere sehr verehrten Parteifunktionäre der SPÖ in Wien haben aus den
Fehlern einiger unserer Spitzenfunktionäre nichts gelernt. Kurt Waldheim
als Kandidat zum Bundespräsidenten wird als ehemaliger Offizier der
Deutschen Wehrmacht als Verbrecher hingestellt. Bundeskanzler Fred Sinowatz
war der Meinung, nicht Waldheim sei Mitglied der SA gewesen, wohl aber sein
Reitpferd. Die Österreicher, besonders aber die ehemaligen Soldaten der
Wehrmacht, haben Kurt Waldheim das Vertrauen gegeben, und so hat die SPÖ
nach 50 Jahren das höchste Amt in unserem Staat verloren.
Bundeskanzler Franz Vranitzky erklärte im Parlament Österreich für
mitschuldig (1938-1945), flog nach Israel und schenkte anläßlich seines
Besuches dem Staat Israel 300 Mio. Schilling an österreichischen
Steuergeldern."
Natürlich kann kein Bundeskanzler 300 Mio. Schilling schenken. Tillian
meint also, Franz Vranitzky wäre im Unrecht gewesen, als er verpackt in
einer Erklärung über Jugoslawien eine österreichische Mitschuld eingestand.
Nichts charakterisiert also die ersten Opfer des Nationalsozialismus so
sehr als lediglich die Pflicht in der Wehrmacht erfüllt zu haben, auf deren
Konto zahlreiche, in der von ihm beanstandeten Ausstellung dokumentierte
Verbrechen gehen und die erst den industriellen Massenmord an Menschen
möglich machte.
"Minister Rudolf Scholten bemühte sich, die Wehrmachtsausstellung,
ausgestattet mit Unwahrheiten (sic!), mit Verwendung von Steuergeldern nach
Österreich zu bekommen, und beleidigte damit die Kriegsteilnehmer sowie
deren Kinder und Enkel." Es folgt ein Ausfall gegen "Minister Caspar Einem"
der angeblich Ende August 1998 in der Kärntner SPÖ-Tageszeitung schrieb:
"Die heutige Generation Österreichs verdankt ihren Wohlstand den
"Verbrechen" der Großväter und Väter."
Dann folgt eine Aufzählung der Verluste der SPÖ und die dümmliche Erklärung
dafür:
"Einige unserer Funktionäre übernahmen den Ehrenschutz und die Finanzierung
aus Steuergeldern für diese sehr umstrittene Ausstellung."
Und Tillian weiß auch zu berichten: "Als Wolfgang Schüssel zum
Bundeskanzler gewählt wurde, hielt es unsere Parteiführung anscheinend für
notwendig, die 14 EU-Mitgliedsstaaten offiziell gegen Schwarz-Blau
aufzuhetzen."
Doch es kommt ja noch schlimmer: "In Kärnten übernahm unser Obmann Michael
Außerwinkler den Ehrenschutz und die Finanzierung (S 200.000.-) für diese
Ausstellung, und so verlor unsere Partei nach 44 Jahren die Funktion des
Landeshauptmannes sowie nach 50 Jahren die Funktion des Landtagspräsidenten."
Doch was in Kärnten der SPÖ schadet, könnte in Wien nützen, daher: "Ob die
angeführten Tatsachen für die Wiener Partei (sie hat die jetzige
Ausstellung mit S 700.000.- unterstützt!) als Anlaß zum Nachdenken über
solche Fehler für die nächste Wahl wirkt, kann ich nicht beurteilen."
Der Kärntner Landtagspräsident a.D. beendet seinen Text so: "Ich war über
vier Jahre Angehöriger der Wehrmacht, zwei Jahre am Balkan, dreimal in
Kriegsgefangenschaft und verurteilte diese fragwürdige Ausstellung,
finanziert von einem Kapitalisten aus Deutschland. Mich freute es, wenn das
Österreichische Fernsehen einmal den Mut hätte, noch lebende ehemalige
Angehörige der Deutschen Wehrmacht über ihre Erlebnisse an der Front und in
der Gefangenschaft zu befragen. Sollte sich einer der genannten Personen
beleidigt fühlen, bitte ich um Entschuldigung."
Herr Tilian ist ein freundlicher Kärntner, zuerst bespritzt er seine
Genossen mit brauner Jauche, dann bittet er sie noch um Entschuldigung.
PS: "Zur Zeit" scheint wie die Nazi etwas für Sippenhaftung übrig zu haben,
denn diesen Text des alten "nationalen" Sozialdemokraten illustriert sie
mit einem Inserat der Zigarettenfabrik Reemtsma und fügt folgenden Text an:
"Bilder einer Erfolgsgeschichte: Der damalige Wehrwirtschaftsführer und
Göring-Intimus Philipp Fürchtegott Reemtsma, Chef des Tabaksimperiums
Reemtsma, inserierte in fast allen NS-Organ,(sic!) so auch im offiziellen
Organ der SS namens "Das schwarze Korps"."
Zum Glück übernehmen viele Deutsche und Österreicher nicht die Ideen ihrer
Väter und Großväter.

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19 ICA Newsletter Mai 2002
Von: InstCultAutr@aol.com <InstCultAutr@aol.com>
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ICA Institut pour la Culture Autrichienne / Institut fuer oesterreichische
Kultur Association loi 1901 - Nantes, bureau: R. Fleck, J. Le Rider, F. Kaltenbeck,
P. Saliou
NEWSLETTER MAI 2002
Inhalt
1 ˆ www.autricheculture.org
2 ˆ Nach den franzoesischen Praesidentschaftswahlen
3 - Veranstaltung in Kassel, 6. Juni
4 - Oesterreichische Kuenstler in Frankreich : Ausstellungen Erwin WURM,
Peter FRIEDL, Aktuelles
5 ˆ Neuerscheinungen : Archives de la Critique d‚Art, Bourdieu, Le Rider
6 ˆ Informationsmoeglichkeiten/Datenbanken franz. Kunstbetrieb
7 ˆ Veranstaltungen in Frankreich
8 ˆ Nachtraege
Diesmal infolge der heissen Tage im franzoesischen Praesidentschaftswahlkampf
etwas verspaetet.
InstCultAutr@aol.com
www.autricheculture.org
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1 - www.autricheculture.org
Auf www.autricheculture.org:
- Auslandausstellungen oesterr. KuenstlerInnen und Kuratoren (Stand :
20/05/02)
- Aktuelle Ausstellungen in Oesterreich (Stand : 20/05/02)
- Reaktionen auf die Lage in Frankreich und die Entwicklung in Europa
- Ausstellungsberichte
- Internet-Hinweise
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2 - Nach den franzoesischen Praesidentschaftswahlen (05/05/02)
Wohl im Namen von vielen Menschen gilt es, ein groesses "Dankeschoen" an die
franzoesischen Waehler aussprechen.
Auf www.autricheculture.org finden sich Diskussionsbeitraege zu dieser Frage.
AKADEMIE DER KUENSTE BERLIN
Karin ADLER
Demos
Eric CORNE
PALAIS DE TOKYO
Jacques LE RIDER
Robert FLECK
Franz KALTENBECK
Elfriede JELINEK ˆ ihr Beitrag wurde in « Liberation » am Donnerstag vor dem
zweiten Wahldurchgang veroeffentlicht
Georg SCHMID
Jacques LEENHARDT
Gabriele STURM
La Lettre a Chirac
Le PLATEAU
Petition anonyme 24.04.02
Fuer viele franzoesische Waehler stellte der zweite Wahlgang am 5. Mai 2002
eine Grundsatzentscheidung dar. Das Ergebnis - weniger Stimmen fuer die
extreme und populistische Rechte als im ersten Wahlgang - bedeutet ein
Plebiszit fuer die demokratische Republik, die europaeische Einigung und
soziale und kulturelle Offenheit. Grosse Teile der franzoesischen Jugend
haben mit einem spontanen, zunaechst unabsehbaren Engagement gegen Le Pen ihr
Generationserlebnis durchgemacht.
Die franzoesischen Waehler haben mit ihrem Plebiszit fuer die Demokratie und
gegen den Populismus als erste in Europa die scheinbar unaufhaltsame Zunahme
an Einfluss der extremen und populistischen Rechten in den europaeischen
Laendern in die Schranken verwiesen. Die politischen Probleme sind damit noch
nicht geloest. Eine Regierungsbeteiligung der extremen und populistischen
Rechten wie in Oesterreich ist mittel- und langfristig nicht voellig
auszuschliessen.
Das ICA hat weder die Aufgabe noch die Kompetenz, Politik zu machen oder sich
in politische Diskurse einzumischen. Die Grundidee eines unabhaengigen
Kulturinstituts liegt in der Verteidigung der Rolle der Kunst in der
Gesellschaft und der freien kuenstlerischen Arbeit, und in der Ueberzeugung,
dass die Praesenz der extremen und populistischen Rechten in einer Regierung
auf die Dauer unvereinbar mit einem offenen Kulturstaat ist.
Die AKADEMIE DER KUENSTE, Berlin, hat auf Initiative von Jochen GERZ folgende
Erklaerung zur Situation in Frankreich und Europa veroeffentlicht, die auch
uber die franzoesische Nachrichtenagentur AFP verbreitet wurde.
« Akademie der Kuenste, Berlin, 27.4.02
Die Akademie der Kuenste mit ihren Mitgliedern aus allen Ländern unseres
Kontinents sieht in den Ergebnissen der ersten Runde der franzoesischen
Praesidentschaftswahl eine weitere Warnung vor dem drohenden Verlust des
demokratischen Zusammenhalts Europas.
Nach Oesterreich, Italien und Daenemark sind auch in Deutschland, in Belgien,
der Schweiz, Holland, Ungarn und jetzt für alle sichtbar in Frankreich
ernstzunehmende Kraefte am Werk, die auf das Herz der europaeischen
Demokratie zielen.
Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des 20. Jahrunderts und den hier
anstehenden Wahlentscheidungen sehen wir es als Aufgabe der Akademie der
Kuenste in Berlin an, zu politischem Engagement aufzurufen, ohne das die
Demokratie nicht lebensfaehig ist. Gleichgueltigkeit und Wahlabstinenz werden
den Vormarsch des rechten Populismus in Europa nicht stoppen. »
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3 ˆ Veranstaltung in Kassel, 06/06/02
Der Umstand, dass Le Pen in die zweite Runde der Praesidentschaftswahl kam,
hat unter franzoesischen KuenstlerInnen, KunstvermittlerInnen und
WissenschaftlerInnen eine anhaltende Welle des zivilen Engagements und
verschiedenste Initiativen ausgeloest. Diese Welle ist mit dem eindeutigen
Waehlervotum gegen Le Pen im zweiten Wahlgang nicht verebbt - in aehnlicher
Weise wie vor etwas mehr als zwei Jahren in Oesterreich und seither in
Italien und den Niederlanden schwillt sie im Gegenteil jetzt erst an.
Im Zuge dieses Engagements wurde von franzoesischen, niederlaendischen,
belgischen, deutschen, Schweizerischen, italienischen und anderen Kollegen
die Notwendigkeit unterstrichen, die verschiedenen Initiativen zur
Mobilisierung der Kunstwelt gegen den neuen Rechtspopulismus miteinander in
Verbindung zu setzen und eine Kommunikation aufzubauen.
Zu diesem Zweck findet in Kassel am Rande der Eroeffnung der « documenta 11 »
eine internationale Zusammenkunft statt.
Interessenten ersuchen wir um eine kurze Rueckmeldung unter
instcultautr@aol.com
An der « documenta 11 » ist Thomas Hirschhorn, Gruendungsmitglied des ICA,
vertreten.
In Oesterreich ausgebildete und/oder taetige KuenstlerInnen an der «
documenta 11 » : Ecke Bonk, Renee Green, Lisl Ponger (zu Ecke Bonk und Lisl
Ponger vgl. Weltpunkt Wien. Un regard sur Vienne : 1985, Ecke Bonk ˆ Cover,
Lisl Ponger ˆ Filmprogramm).
Oesterreichische TeilnehmerInnen bei « manifesta 4 », Frankfurt am Main :
Andreas Fogarasi, BLESS (Desiree Heiss, Ines Kaag), Florian Pumhösl, Hans
Schabus, Jun Yang
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4 ˆ Oesterreichische Kuenstler in Frankreich
Erwin WURM
Retrospektive im Centre National de la Photographie, Paris, 29/05/02-26/08/02
Einzelausstellung im Palais de Tokyo, Site de création contemporaine, Paris,
29/05/02-30/06/02
Einzelausstellung in der Galerie art : concept, Paris
Erstmals seit mehrehren Jahren ist ein zeitgenoessischer Kuenstler Gegenstand
paralleler Ausstellungen an drei wichtigen Kunstorten in Paris, darunter zwei
besonders einflussreichen Kunsthallen. Diese selbst in internationaler
Hinsicht aufsehenerregende Tatsache mag umsomehr ueberraschen, als ein
oesterreichischer Kuenstler Gegenstand dieser nachhaltigen Anerkennung ist,
naemlich Erwin Wurm. Das Werk von Erwin Wurm ˆ insbesondere seine Arbeit der
neunziger Jahre ˆ stieg in den letzten Jahren, vergleichsweise unbeachtet von
heimischen Zusammenhaengen, zu einem der Referenzwerke der zeitgenoessischen
Kunst auf, insbesondere durch seinen Einfluss auf die junge Szene. Kein
anderer Kuenstler aus Oesterreich neben Franz West und Peter Friedl hat in
den letzten zwei Jahren regelmaessig bedeutende Einzelausstellungen und
derart viele, weder abzuzaehlende noch dem Kuenstler selbst immer bekannte
Ausstellungsbeteiligungen rund um den Erdball gehabt. Wurm‚s Werk der
neunziger Jahre ist in den USA, Westeuropa und Asien in die breitere
Wahrnehmung der Kunstinteressenten getreten. Es wird als Schluesselwerk der
aktuellen Diskurse wahrgenommen und als selbstironischer, intelligenter und
letztlich pessimistischer Verweis ueber aktuelle Kunstdiskurse hinaus. So
ergibt sich auch rund um die Ausstellungen in Paris ein anekdotischer Anlass
: Im « Centre National de la Photographie » in Paris ist nun die
Retrospektive zu sehen, die von der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneaum
produziert wurde. Dabei kam deren Kurator Peter Weibel dem Vernehmen nach die
Idee zu einem Wurm-Ueberblick in Graz gerade in Paris, als er die
Schausammlung des Centre Pompidou besuchte und von der starke Praesenz von
Erwin Wurm ueberrascht war. Die Parallelausstellung im « Palais de Tokyo »
(rund um Wurms monumentale Arbeiten « Jakob/Jakob Fat », 1994, und das « Fat
Car », 2001) ergab sich aus diesem langjaehrigen Prozess, denn die neue
Internationale Kunsthalle « Palais de Tokyo » wird vom Kunstkritiker Jerome
Sans co-geleitet, der sich seit 1992 fuer das Werk von Erwin Wurm eingesetzt
hat. Aus den fruehen neunziger Jahren stammt auch die Zusammenarbeit des
Kuenstlers mit der Galerie art :concept, rue Louise Weiss, in der Olivier
Antoine (zunaechst mit seiner Galerie in Nizza ansaessig) seit den fruehen
neunziger Jahren aus einer kleinen Starter-Galerie einen der einflussreichen
Orte von Paris aufbaute. Die von art :concept bewerkstelligte,
kontinuierliche Praesenz von Erwin Wurm vor Ort ist eine Voraussetzung fuer
den nunmehrigen massiven Einsatz Pariser Institutionen fuer den Kuenstler.
An der Umzaeunung des Palais de Rothschild, das seit vierzig Jahren von der
Rothschild-Familie dem franzoesischen Staat geliehen wird und seit fuenf
Jahren unter Direktor Regis Durand als CNP-Kunsthalle fuer Fotografie und
medienbezogene Kunst erneut zu einem must-Ort in Paris wurde, ist waehrend
der Ausstellung eine neue Aussenarbeit von Erwin Wurm zu sehen, die von der
Caisse des Depots et Consignations ermoeglicht wurde. (Die Caisse des Depots
et Consignations ist als Verwahrungsinstitution des franzoesischen Banken-
und Notariatsgeldes eine ehrwuerdige und maechtige Institution napoleonischer
Herkunft, in ihren Funktionen der Oesterreichischen Kontrollbank
vergleichbar, und seit 1988 der groesste Sponsor fuer aktuelle Kunst in
Frankreich.)
Centre National de la Photographie, Paris, 29/05/02-26/08/02
Eroeffnung Dienstag, 28/05/02, 18 h
Ausstellungsgespraech zwischen Erwin Wurm und Elisabeth Wetterwald, Mittwoch,
29/05/02, 18 h
Centre National de la Photographie
Hôtel Salomon de Rothschild
11, rue Berryer
F-75008 Paris
www.cnp-photographie.com
Palais de Tokyo, Site de création contemporaine, Paris, 29/05/02-30/06/02
Ausstellungsgespraech mit Erwin Wurm, Dienstag, 28/05/02, 20 - 24 h
Palais de Tokyo, Site de création contemporaine
2, rue de la Manutention/Avenue du President Wilson
F-75116 Paris
www.palaisdetokyo.com
Galerie art : concept, Paris
art : concept
34, rue Louise Weiss
F-75013 Paris
Naechste wichtige oesterreichische Eroeffnung in Frankreich :
Peter FRIEDL, Einzelausstellung « luttes-des-classes », 13.6.-8.9.2002
Institut d‚Art Contemporain (IAC)
11, rue Docteur-Dolard B.P. 3077
F-69605 Villeurbanne
Tel. 04 78 03 47 00
www.i-art-c.org
mit einem Vortrag von Roger M. BUERGEL, « L‚intelligence des Français ou la
verite sur Peter Friedl »
Naechste Mitveranstaltungen zwischen oesterreichischen und franzoesischen
Institutionen :
« Cher Peintre, Lieber Maler, Dear Painter. Figurative Malerei seit dem
Spätwerk von Picabia », Coproduktion Centre Pompidou (Alison M. Gingeras),
Kunsthalle Wien (Sabine Folie), Schirn Kunsthalle Frankfurt (Blazenka Perica).
Beteiligte KuenstlerInnen : Kai Althoff, Carole Benzaken, Glenn Brown,
Bernard Buffet, Brian Calvin, John Currin, Peter Doig, Alex Katz, Kurt
Kauper, Martin Kippenberger, Bruno Perramant, Elizabeth Peyton, Francis
Picabia, Sigmar Polke, Neo Rauch, Luc Tuymans, Sophie von Hellermann
Centre Georges Pompidou, 12/06/02-02/09/02
Kunsthalle Wien, 20/09/02-01/01/03
Schirn Kunsthalle Frankfurt, 15/01/03-06/04/03
Martin WALDE ist derzeit Gastprofessor an der Ecole Nationale Superieure des
Beaux-Arts in Paris (Ensb-a).
SABOTAGE COMM., das Label von Robert JELINEK, praesentiert « 200 :2 », ein
Musikprojekt, das ohne PA Anlage ausschliesslich ueber 200 Kopfhoerer
uebertragen wird, am 25/05/02 im Lieu Unique von Nantes.
Jeder der 200 Besucher erhält beim Einlass zum Event einen speziellen
Kopfhörer, der mit einem Infrarotsensor ausgestattet ist. Der Raum ist in 3
Audiobereiche unterteilt indem simultan Dj-Sets und Live-Auftritte
unterschiedlicher Musikstyles (Electro, HipHop, TecHouse, Ambient) direkt in
die 200 Kopfhörer übertragen werden. Durch Begehen des Dancefloors wechseln
die einzelnen Musikzonen. Beim Abnehmen des Kopfhörers schliesst sich der
Gast aus dem Geschehen selbst aus und taucht somit in eine Situation der
Ausgeschlossenheit.
live: EPY (Sabotage/Pomelo), Vienna, Philip Quehenberger (EgoVacuum/Cheap),
Vienna
djs: Robert Jelinek (Sabotage), Vienna, Nikollpass, Nantes
http://sabotage.at/News/nantes.html
Die Architektengruppe PROPELLER Z ist beim wichtigen Architekturfestival
ŽArchiLab 2002. 4th Orléans international architectural conference: earth
economics" in Orléans vertreten, 31/05-14/07/02 www.archilab.org
Robert F. HAMMERSTTIEHL ist im Zuge des Artits in Residence Programms in der
Gruppenausstellung « Animagus » im Centre d‚Art Contemporain Parc Saint Léger
in Pougues-Les-Eaux bei Nevers (eineinhalb Stunden von Paris) vertreten. Die
Direktorin der in der jungen Szene wichtigen Institution, Daniele Yvergniaux,
fuhr im Fruehjahr 2000 spontan nach Wien, um junge oesterreichische
KuenstlerInnen einzuladen, stiess nach eigenen Angaben aber auf ein
Sprachproblem fuer franzoesischsprachige Programme. Kontakt :
pstleger@club-internet.fr , T +33 3 86 90 96 60 oder ueber unsere e-mail.
Christoph HINTERHUBER hat im Zuge des Artits in Residence Programms am FRAC
des Pays de la Loire in Carquefou bei Nantes ˆ Einzelausstellung ebendort im
Jaenner 2003 ˆ eine neue Werkreihe erarbeitet, die den virulenten
Ausgangspunkt seiner Arbeit unterstreicht. Auskuenfte ueber dieses Artists in
Residence Programm ueber unsere e-mail.
Von Klaus PINTER, Mitbegruender der « Hausrucker & Co », ist im Pantheon im
Viertel Saint-Germain in Paris ˆ dem neoklassizistischen Monumentalbau aus
der napoleonischen Epoche, in dem die « Helden der franzoesischen Nation »
begraben sind, Voltaire, Rousseau, Victor Hugo, Resistancefuehrer wie Jean
Moulin und WissenschaftlerInnen wie Marie Curie ˆ bis 30. September ein
ephemeres Auftragswerk « Rebonds » zu sehen. Es handelt sich um die erste
Skulptur fuer das Pantheon. Eine Sphaerenfolge aus aufgeblasenen
Plastikschlaeuchen entfaltet aehnlich wie in den Gemeinschaftsarbeiten von
Kogler/Plottek ein immaterielles Raumvolumen, spiegelt aber zugleich die
Kassettenstruktur der neoklassizistischen Architektur, die damit neobarock
ueberfremdet wird. Die Arbeit hat in der franzoesischen Kunstszene einige
Diskussionen ausgeloest.
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5 ˆ Neuerscheinungen : Bref, Critique d‚Art, Bourdieu, Le Rider, Savoirs &
Clinique
BREF ˆ magazine du court metrage, « Special Autriche », Paris, Mai 2002
Vierteljahreszeitschrift fuer Kurzfilme und eine der wenigen Zeitschriften im
franzoesischen Sprachraum, die ausschliesslich ueber Filme jenseits des
kommerziellen Langspielfilms berichtet. Sonderteil ueber die unabhaengige
oesterreichische Filmszene und die versch. Bewegungen des Experimental- und
Kunstfilms in Oesterreich, sowie unabh. Produktionsstellen wie amour fou.
www.agencecm.com
acmbref@club-internet.fr
CRITIQUE D‚ART. Revue critique et bibliographique, Nr. 19, printemps 2002.
Herausgegeben vom Archives de la Critique d‚Art. Chefredaktion : Jean-Marc
Poinsot, Sylvie Mokhtari
Praktisch vollstaendige Darstellung der kunstpublizistischen Produktion im
franzoesischen Sprachraum 2001 (Kataloge, Monographien, Theorie) im Bereich
der zeitgenoessischen Kunst, mit Kurzbesprechungen aller Publikationen. Die
wichtigsten Beitraege auf franz./engl.
Im Anhang : Verzeichnis der Kunstbuchverlage und Kunstbuchhandlungen
Archives de la Critique d‚art, 3 rue de Noyal F-35410 Chateaugiron, T +33 2
99 37 55 29, F +33 2 99 37 50 84 www.uhb.fr
Das Archives de la Critique d‚Art betreibt mit der BASIS Wien und dem
Documenta Archiv, Kassel, auch ein EU-Projekt zu Archiven und
zeitgenoessischer Kunst.
Pierre BOURDIEU, Interventions, 1961-2001. Science sociale & politique. Hg.
V. Franck Poupeau & Thierry Discepolo, Editions Atheles, 2002, 488 Seiten,
http://atheles.org/agone/interventions19612001
Seit seinen engagierten Stellungnahmen und Positionsbeziehungen ab den
grossen Streiks von Dezember 1995 wurde der kuerzlich verstorbene Soziologe
Pierre Bourdieu zum bekanntesten Intellektuellen und wirkungsvollsten
Mitstreiter der unabhaengigen Linken und der Anti-Globalisierungsbewegung.
Sein Engagement stammt aber bereits aus der Opposition gegen den
franzoesischen Kolonialkrieg in Algerien Anfang der sechziger Jahre. Das Buch
macht die weit verstreuten und unzugaenglichen Texte erstmals greifbar.
Jacques LE RIDER, Freud ˆ de l‚Arcopole au Sinai. Le retour a l‚Antique des
Modernes viennois. Paris : Presses Universitaires de France P.U.F. 2002, 305
S.
Ein extrem reichhaltiges Werk zu unaufgearbeiteten Aspekten der Wiener
Moderne um 1900, dem Verhaeltnis zur Antike, dem oesterr.-ungarischen
Bildungssystem und dem Antikenbezug im intellektuellen Engagement der
faschistischen Epoche, von Freud bis Popper und den Kuenstlern.
SAVOIRS et CLINIQUE. Revue de psychanalyse, Nr. 1, Lille
Die neue psychoanalytische Zeitschrift setzt es sich zum Ziel, die fehlende
Bruecke zwischen psychoanalytischer Praxis und Theoriebildung herzustellen.
Sie stuetzt sich dazu auf Autoren in Europa und den USA. Nr 1
(erschienen):"l'enfant objet" (Das Kind als Objekt). Enthält Arbeiten von
Franz Kaltenbeck, Geneviève Morel, Darian Leader, Slavoj Zizek, Pierre
Macherey, Mercedes Blanco, Joan Copjec, u. a.
Nr. 2 "Premières amours" (Erste Liebe). Klinik der Mutter-Kind-Beziehung).
Arbeiten von Jean Bollack, Pierre-Henri Castel, Franz Kaltenbeck, Geneviève
Morel, Renata Salecl, Gérard Wajcman, u.a. (in Vorbereitung).
Chefredakteur: Franz Kaltenbeck, 5 rue Bernard Palissy, 75006 Paris,
franz.kaltenbeck@libertysurf.fr
Comite de lecture: Parveen Adams (London), Mercedes Blanco (Lille), Jean
Bollack (Paris), Mayotte Bollack (Paris), Joan Copjec (New York), Emmanuel
Fleury (Lille), Michel Gouedemand (Lille), Marie-Christine Hamon (Clamart),
Sadi Lakdhari (Paris), Darian Leader (London), Brigitte Lemonnier (Arras),
Philippe-Jean Parquet (Lille), Renata Salecl (Lubljana, London), Salavoj
Zizek (Ljubljana, New York).
Edition eres, 11, rue des Alouettes, F-31520 Ramonville - Saint-Agne.
www.edition-eres.com
eres@edition-eres.com
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6 ˆ Informationsmoeglichkeiten/Datenbanken franz. Kunstbetrieb
Akuelle Ausstellungen in Frankreich :
www.cnap.culture.gouv.fr
Kunsthochschulen, Kunstadressen, Residency-Programme :
www.cnap.culture.gouv.fr
Schnittstelle :
www.culture.fr
Kunstmagazine online :
www.axelibre.org (auch zur Nachlektuere Praesidentschaftswahl und Engegament
der franzoesischen Kunstszene)
Adressen :
www.pagesjaunes.fr/pagesblanches
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7 ˆ Veranstaltungen in Frankreich
Rencontres Choréographiques Internationales de Seine-Saint-Denis (bei Paris),
25/05/02-08/06/02
www.rencontres-choreographiques.com
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8 ˆ Sonstiges
Webseite des Collectif Carton Rouge an der Kunsthochschule von Bourges (siehe
Newsletter April 2002) :
www.collectifcartonrouge.org
Aufruf zur Einreichung : Film ˆ Video ˆ Installation ˆ Performance ˆ Audio
ˆ Multimedia
« Rencontres Internationales Paris/Berlin 2002 ˆ Paris/Berlin International
Meetings 2002 », Paris : Herbst 2002, Berlin : Fruehjahr 2003 .
Einreichungsfrist bis 30/06/02
http://art-action.org
Vortrag Roger Buergel (Wien): « Die Regierung »
Mittwoch 15.5.2002, 20h, Universität Lüneburg, 21332 Lüneburg
Brauchen wir eine ästhetische Kartografie des magischen Dreiecks
»Bevölkerung«, »Gebiet« und »Sicherheit«? - Warum soll sich die
Repolitisierung der Weltgesellschaft (die Neudefinition des Umgangs
miteinander) ausgerechnet auf Kunstwerke stützen? Welche Formen kann
eine Ausstellung haben? Wie können wir uns organisieren? Wir? - »Die
Regierung« lautet der Titel einer Ausstellung, die Roger M. Buergel
und Ruth Noack im Kunstraum der Universität Lüneburg realisieren.
Kunstraum der Universität Lüneburg
Künstlerisch-wissenschaftliche Projektleitung: Beatrice von Bismarck,
Diethelm Stoller, Ulf Wuggenig
Kunstraum der Universität Lüneburg
Projektbüro
D-21332 Lüneburg
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From: Richard Koller <richard@rkoller.info>
To: <widerstand@no-racism.net>
Sent: Tuesday, May 21, 2002 11:01 PM
Subject: [Widerstand] Zensur in der Maske der "Neutralität"

- Place Dulcie September F-44000 Nantes
InstCultAutr@aol.com
www.autricheculture.org
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20 Zensur in der Maske der "Neutralität"
Von: Richard Koller
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Liebe Leute,
so gut ich einen großen Teil der von Euch zur Verfügung gestellten
Informationen brauchen kann und so sehr ich Leute achte, die diese
Arbeit schon sehr lange Zeit machen und es sich sicher nicht leicht
machen: Was derzeit passiert, ist Zensur unter der Maske der
"Neutralität".
Die Technik, dass Herr Karl Pfeifer einen SP-Abgeordneten angreift, um
unter diesem Deckmantel Israel von aller Schuld freizuwaschen und
jegliche Debatte über die derzeitige Situation in Palästina mit
"Antisemitismus" zu verhindern, passiert nicht zum ersten Mal.
Gleichzeitig lese ich "Nicht aufgenommen: Zwei Beiträge mit Bezug zum
Konflikt Israel / Palästina".
Also: Wer Israel gegen Antisemitismus verteidigt, wird veröffentlicht.
Wer etwas dagegen schreiben will, ist wegen der Klausel Israel/Palästina
ausgeschlossen (oder ohnehin Antisemit und daher nicht einmal der
Erwähnung wert, so wie es mir ergangen ist). Ist Euch eigentlich klar,
was hier unter der Hand passiert?
Sicher ist die Debatte über Palästina nicht einfach, vielleicht sogar
eines der kompliziertesten Themen der derzeitigen Weltsituation. Und
sicher ist zu fragen, ob dieses Thema "widerstandsrelevant" ist und
daher überhaupt in den MUND gehört. Dann wären wir allerdings bei der
Frage des Konzepts (Todesstrafe in Amerika ja, Debatte zu böse
Islamisten - gute Islamisten ja, Israel/Palästina nein).
Wobei der Text der Zensurbegründung ja schon für sich spricht(zuletzt
veröffentlicht am 7. 5. 2002, "keine einseitigen angriffe,
schuldzuweisungen und polemiken gegen israel oder die palästinensische
führung und ähnliche unausgewogene meinungsbeiträge weitergeleitet
werden. dieses medium hat sich immer als möglichkeit verstanden, zu
veröffentlichen, was anderswo/im mainstream nicht gedacht-gesagt werden
kann. empörung über die politik der regierung sharon - der die redaktion
im übrigen genauso kritisch gegenübersteht wie allen anderen
rechtsregierungen in europa und sonstwo - transportieren in österreich
folgende medien (eine auswahl)"), wenn nachher sehr wohl Angriffe von
eindeutig israelisch geprägter Anschauung folgen, aber keine Repliken
mehr möglich sind.
Anders gesagt: Wäre alles, was "nicht anderswo/mainstream" ist, Sache
des MUND gewesen, wäre dieses Medium an Untergriffen und persönlichen
Beleidigungen schon lange eingegangen. Bisher ist es offenbar möglich
gewesen, solche Grenzen zu ziehen, dass eine vernünftige Debatte möglich
ist. Gegenwärtig scheint dies durch Einseitigkeit erzwungen werden zu
sollen, ziemlich sicher die schlechteste Lösung des Problems.
Um nicht wieder, nur weil ich überhaupt "Israel" sage bzw. schreibe, den
Vorwurf des Antisemitismus zumindest angedroht zu bekommen, verzichte
ich auf jegliche Sachargumente, die über die Frage der Qualität der
Debatte hinausgehen. Ich stelle nur fest, dass die von mir bereits
einmal geäußerten Bedenken mit der Bemerkung, "dass es sich hier nicht
um Zensur handelt", erledigt wurden. Und Karl Pfeifer schreibt wieder
über seine Sicht, die Gegenmeinung bleibt privat. Wünsche viel Vergnügen
zu einem "offenen" Weltbild, dass darin besteht, einen Beitrag eindeutig
israelischer Sichtweise aufzunehmen, "weil mir die Diskussion von
Antisemitismus in Österreich wichtig ist" (Begründung des Redakteurs)
und die anderen draußen zu lassen (wegen Israel-Bezug).
Wäre die Sache so einfach, bräuchten wir keine Debatte. Entweder Ihr tut
Euch die Sache an, dann aber mit allen Konsequenzen, oder Ihr lasst es
bleiben. Dann bitte raus mit jedem Beitrag, in dem das Wort Israel,
Palästina usw., deren Derivate und Surrogate stehen. Sonst wird das Bild
ziemlich bald schief.
Mit dennoch solidarischen Grüßen
rk
Email: richard@rkoller.info

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antwort der MUND redaktion
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lieber richard koller,
es ist alles sehr kompliziert.
zuerst möchte ich ihnen versichern, dass die beiträge, die wir anhalten und
nicht weiterleiten, weil sie einseitig und ausschliesslich zum konflikt i/p
stellung nehmen, nicht nur von israelfeindlicher resp. -kritischer seite
stammen. es erscheinen auch etliche mehr antideutsch geprägte analysen
nicht, es sind auch beiträge von karl pfeifer angehalten worden. dass das in
der zeile "redaktionelles" nicht aufscheint, weil wir keine tore zählen
(wollen), sollte nicht als einseitigkeit interpretiert werden.
schwieriger wird es dort, wo der verweis auf israel oder palästina nur teil
eines auf andere themen fokussierten beitrages ist. hier entscheiden
tagesreds autonom, und gerade das thema (latenter) antisemitismus in
österreich, bzw deutschland, ist eben ein brennend wichtiges. das auf eine
sehr dicke abwehrmauer trifft.
natürlich ist nicht jede kritik an israel antisemitisch (motiviert). aber
sie ist es sehr oft. das bestätigen auch die erfahrungen in der mund-red, wo
sich immer wieder im verlauf von auseinandersetzungen um "ungerechte" zensur
die mördergrube geöffnet hat: da kommen dann im brustton der überzeugung
alle klassischen stereotype hoch...
in welchem ausmass gerade massenparteien auf diese nach wie vor vorhandenen
ressentiments setzen, anstatt ihnen zu begegnen, wird gerade auch in der
momentanen auseinandersetzung um möllemann/fdp in deutschland deutlich.
dass wir beim i/p-konflikt die "notbremse" gezogen haben, ist auch darauf
zurückzuführen, dass es hier nicht mehr darum ging, einzelne untergriffe
abzuwehren, sondern dass die gesamte debatte emotional dermassen aufgehitzt
verläuft, (und, in den grenzen des mediums, sehr verkürzt). eine solche
emotionalisierung bei einem aussenpolitischen thema in österreich weist
gerade auf die vermischung der involvierten motive hin. damit ist das medium
email aber an seine grenzen gekommen: die übliche "abkühlende" wirkung
reicht nicht mehr hin, und die nachteile der missverständnisanfälligkeit und
des mangels an erfahrbarkeit des gegenübers werden schlagend. ich hielte es
für dringend erforderlich, gespräche über diese themen zu führen: aber eben
gespräche, wenn möglich gut moderierte. im mund geht das nicht (mehr). der
kann höchsten anstösse bieten.
(im übrigen: dass die "gegenmeinung" "privat" - im gegensatz zur
mund-öffentlichkeit - bliebe, ist doch wohl hoffentlich nicht ihr ernst. die
"gegenmeinung", nämlich, es sei ein perfider trick israels, alle gegnerInnen
als antisemiten zu beschimpfen, ist die kanonische in allen mir bekannten
foren.)
lgcv
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INTERNATIONALE SOLI
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21 Unzensuriert aus dem Todestrakt von Texas 19
Von: Sabine Hauer <no.conditions@teleweb.at>
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UNZENSURIERT AUS DEM TODESTRAKT VON TEXAS 19
von Paul Colella
8. ˆ 15. Mai 20028. Mai
11:30 Uhr ˆ Soulja blockiert wieder. Er hat sein Tablett vom Mittagessen
nicht zurückgegeben. Der neue Leutnant, Lt. Reese, und Lt. Price
versuchten ihn dazu zu überreden, aber nein. Er zeigt damit seine
Unzufriedenheit mit den Haftbedingungen und der Behandlung, die uns hier
zuteil wird. Sie haben noch mehr Ventilatoren ausgeteilt, aber es gibt
noch immer keine Möglichkeit, Strom dafür zu bekommen. Dann ist da auch
noch das Essen etc. etc. Egal, hier kommt auch schon das Team, Big
Chavis, Ramirez, Triplette, Blanton, Vincent und Marigold an der Kamera.
Poole leitet das Team, Lt. Price ist der Supervisor. Sgt. Pool sprüht
zuerst acht bis zehn Sekunden, dann wartet er fünf Minuten, um nach zwei
weiteren Befehlen wiederum acht bis zehn Sekunden zu sprühen. Überall
ist das Gas und wir alle müssen husten. Dann erstürmen sie die Zelle.
Wow, als sie hineinrennen, drängen sie noch mehr Gas hinaus. Soulja
wehrt sich beinahe eine Minute lang. Er sagt, dass er ein paar Schläge
abbekommen hat, aber keiner von ihnen war so schlimm. Endlich fesselten
sie ihn, zogen ihn aus der Zelle und Krankenschwester Byron untersuchte
ihn.
Sie nahmen Guevera aus Zelle 74 und steckten ihn (Soulja) stattdessen
hinein. Warum ? Dafür gibt es keinen Grund. Er hat auf niemanden etwas
geworfen und auch nicht den Futterschlitz blockiert. Niemand weiß, warum
sie ihn hinter eine Box gesteckt haben. Ist nur für sie mehr Arbeit,
wenn sie die Box öffnen müssen, um ihn zu füttern, also zur Hölle mit
ihnen. T hat auch sein Tablett blockiert. Wir warten ab, was geschehen
wird.
12:47 Uhr ˆ Dasselbe Team kam zu ihm, fünf Sekunden für den ersten
Gaseinsatz, fünf Sekunden für den zweiten, dann stürmten sie. Ich werde
herausfinden, ob geschlagen wurde und es Euch später wissen lassen.
9. Mai
Ich bin angepisst, ich platze gleich, bis wütend, frustriert und hätte
beinahe einen Ausbruch gehabt. Heute gegen 15:30 Uhr kam eine
Reparaturgruppe, um einige Arbeit zu verrichten. Manche Zellen haben
Löcher in ihren Wänden, als kamen sie, um sie zu verspachteln.
Normalerweise schlafe ich jetzt um diese Zeit, doch sie waren wirklich
laut, also stand ich auf und stellte mich zu meiner Tür. Da waren einige
Sergeanten, einige Wärter und der Supervisor der Reparaturgruppe,
McCarthey. Also stehe ich hier und höre drei von ihnen zu, wie sie
darüber sprechen, wie es ist im offenen Strafvollzug zu arbeiten und wie
man Männer anzeigt, damit sie wieder ins Texanische Gefängnissystem
zurückkommen. Das Gespräch geht weiter und weiter und ändert plötzlich
seine Richtung.
McCarthy beginnt damit, einen Vorfall zu beschreiben, der geschehen war,
als er im Frauengefängnis arbeitete. Scheinbar weigerte sich eine der
Gefangenen, sich vor den männlichen Wärtern auszuziehen und durchsuchen
zu lassen. Anstatt die Situation zu beruhigen, stellten sie ein Team
zusammen, erstürmten die Zelle, zogen sie auf den Gang, fesselten sie an
Armen und Beinen und schnitten die Kleidung von ihr herunter. Dann
führten sie sie nackt in die Einzelzelle. Soweit McCartheys Version und
jede Minute die er darüber sprach, wie diese Frau entwürdigt worden ist,
lächelte er breiter. Ich dachte schon, er würde zu geifern anfangen.
Ich kann es gar nicht glauben, dass ich meine Zunge im Zaum gehalten
habe. Das ist der Typ Mann, der Frauen heimlich in ihrer Zelle
beobachten würde, um vier-, fünfmal am Tag aufs Clo zu rennen, um zu
masturbieren. Ich war von seiner Geschichte wie erschlagen und so
wütend, da er all die vulgären und ungerechten Dinge vertritt, die jeden
Tag in Gefängnissen, und vor allem in Frauengefängnissen, geschehen.
Hier ist er, fett, dumpf, schwitzend und erfreut sich daran, Frauen zu
entwürdigen, die nur ein wenig Würde und Respekt haben wollen.
Menschen wie er pissen mich einfach an!!!
10. Mai
Soulja blockiert schon wieder. Sie besprühten ihn mit Gas und erstürmten
seine Zelle, da er die Reinigungsmittel (Klobürste, Wischmop) nicht
zurückgegeben hat. Ich weiß, da0 meine Beschreibungen der letzten
Zellenerstürmungen nicht sehr tief waren, aber die Wahrheit ist, dass
die Teams in der letzten Zeit wirklich nur ihren Auftrag erfüllt haben.
Es gibt einen Schlag hier oder da, aber das war es dann auch schon.
Natürlich werden auch die üblichen Gliedmaßen verdreht. Ich weiß nicht,
was sich geändert hat oder geschah, aber sie waren professionell, selbst
wenn der Einsatz des Gases noch immer ein Problem ist und sie jetzt auch
noch das stärkere, 10 %-ge einsetzen, dass uns alle zum husten bringt.
Das heutige Team wurde von Sgt. Hotea geleitet und Lt. Lawrence war der
Supervisor. Im Team waren Baker, McIntire, Rains, Lamb, Wilson und
Gasper an der Kamera. Heute kümmerte sich Lt. Lawrence gleich zu Beginn
darum, dass die Lüftung eingeschaltet wurde. Das war vielleicht ein
Unterschied.
Ein weiterer Unterschied war, dass das Essen heute warm war. Die
Mahlzeiten sind noch immer nicht ausreichend und die Qualität hat sich
wieder verschlechtert. Manchmal kommen sie mit Dingen, die wie das
Produkt einer Nacht voller Whiskey und Pizza aussehen. Bäh. Ich wette,
dass für dieses Zeug nicht einmal ein Buzzard einen zweiten Gedanken
verschwendet hätte. Sie mischen das Zeug einfach so schlimm
durcheinander, dass es nicht erkennbar ist, was sich darin befindet.
Wir haben noch immer nichts über die Stromversorgung gehört. Diese
Arschlöcher wurden vom Gesetz dazu gezwungen, uns unsere Ventilatoren zu
geben, richtig ? Und jetzt müssen wir auf den Strom warten. Ich schau
mal schnell durch die Liste der Dinge, von denen ich vor drei Monaten
geschrieben habe, dass wir sie geändert sehen wollen. Hat sich etwas
geändert ? NICHTS ! Nicht ein Punkt auf dieser Liste hat sich geändert,
nicht einer. Traurige Statistiken hier im Polunsky. Ich kann es kaum
erwarten, dass es Morgen wird. Wir erwarten eine recht große Menge für
den Protest. Ich werde an meinem Fenster sei. Hoffentlich werde ich
viele von Euch in dieser Woche sehen können. (smile)
8:50 Uhr ˆ Der ganze Tag bestand aus Protesten. Heute war Erholungstag,
also ging ich mit Soulja in zwei Käfige im Freien. Er blockierte den
seinen. Sie sprechen gerade mit ihm. Lt. Price und Sgt. Griffin sind
jetzt schon zehn Minuten da draußen.
8:45 Uhr ˆ Sie sind gerade gegangen. Soulja versucht, sie nicht zu
bemerken. Jetzt beginnt das Spiel mit der Zeit.
9:30 Uhr ˆ Er hat gerade nachgegeben und ist hereingekommen. Ich habe
das Gefühl, sie hätten ihn einfach da draußen lassen, doch es ist schwer
das sicher zu sagen.
18:00 Uhr ˆ Wieder einmal war ich überglücklich, als ich Euch da draußen
sah, wie ihr zum Haus des Direktors marschiert seid. Ich hielt meinen
Spiegel gegen die Sonne und schlug gegen den Stahl um das Fenster. Hat
mich irgendjemand gehört oder gesehen ? Smile.
Ihr müsst alle verstehen, wie viel das für uns bedeutet. Vielen Dank an
alle, vor allem an Amelia A., die viele Meilen gefahren ist, nur um zu
protestieren. Was sie und ihre Leute so speziell macht ist, dass sie es
für uns alle getan hat, da sie nicht einmal jemanden hier im Trakt
kennt, doch trotzdem für uns kämpft. Wir sollten uns alle bemühen, mehr
Menschen wie sie zu rekrutieren. Wir müssen uns nach ihnen strecken. Da
draußen sind so viele, die so fühlen wie sie, aber niemanden wissen, mit
dem sie darüber sprechen können. Viele brauchen einfach nur unsere
Aufmunterung und vorwärts zu gehen und gehört zu werden. Wir müssen
immer mehr werden, damit unsere Stimmen die anderen übertönen und wir
endlich gehört werden. Ja, wir werden auch jetzt schon gehört, aber wir
werden noch immer von denen übertönt, die alles daran setzen, uns
weiterhin wie Tiere gefangen halten zu können. Wegen diesen macht die
Verwaltung was sie macht. Ich muntere Euch alle auf, einer Person von
unserem Kampf zu erzählen und ihre Hilfe zu gewinnen.
12. Mai
Heut war wieder ein ruhiger Tag. Ich saß nur herum und starrte an die
Mauer. Es ist Muttertag. GLÜCKLICHEN MUTTERTAG AN ALLE MÜTTER ÜBERALL .
Smile.
Sonntage sind immer flau. Nichts geschieht und es gibt keine Post, auf
die man sich freuen kann. Es ist wirklich aufgrund der Post mein
schlimmster Tag. Also liege ich meistens nur herum und denke über die
Vergangenheit und die Zukunft nach. Was sonst gäbe es zu tun ?
13. Mai
Heute kamen sie früher und begannen damit, die Plexiglas-Schilder von
unseren Zellen zu entfernen. Irgendetwas deswegen wäre aus Huntsville
gekommen. Sie hatten schon vier abgenommen, als ein Wärter kam und
meinte: ŽNein, Nein, nicht die vom F Pod." Wir sind ja die schlimmsten
der schlimmsten Schlimmen, oder so. Ein Wärter schüttelte seinen Kopf,
als er sah, dass die Schilder entfernt worden sind. Ich sagte ihm, dass
ich in Rente wäre (smile). Also befestigten sie sie wieder und gingen.
Die Gerüchte besagen, dass sie sie alle entfernen werden, doch ich
glaube das nicht. Nicht in der Abteilung F, auf gar keinen Fall.
Irgendwo müssen sie ja Wurfgeschoss sichere Zellen haben.
Und sonst ? Nun, sie haben das Stromproblem noch immer nicht gelöst. Ich
habe wegen der letzten Disziplinarstrafe eine Beschwerde eingereicht.
Wenn der Direktor fair spielt, könnte ich sie gewinnen. Es gibt keinen
Zweifel daran, dass Mrs. Calvin gelogen hat, also sollte ich gewinnen.
14. Mai
Wir hatten gerade das Mittagessen und alles schmeckte sehr komisch. Wir
hatten gebackenes Huhn, Reis-Saft-Matsch, Limabohnen und Hamburger
Brötchen. Alles schmeckte buchstäblich nach Fisch. Ich schüttete es ins
Clo, es hat so schlimm gerochen. Hoffentlich gibt es etwas halbwegs
normales zum Abendessen.
15. Mai
Die letzte Woche war recht langweilig und es ist nicht viel geschehen.
Heute kam eine Tour von neuen Wärtern im Job Training durch. Sie wurden
wie immer mit Lügen vollgestopft. Sgt. Pansy Duff kam zu meiner Zelle um
zu demonstrieren, wie man die Futterbox öffnet und schließt. Als er sich
meiner Zelle näherte, sagte er ŽJetzt benimm dich, Colella." Wenn ich
gekonnt hätte, hätte ich ihm wohl eine aufs Maul gegeben ohne ein
zweites Mal darüber nachzudenken. Sprich so zu einem Mann und lebe mit
den Konsequenzen. Ich bin kein Hund. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe,
werde ich ihn herrufen und es ihm erklären, da ich nicht glaube, dass er
überhaupt bemerkt hat, was er getan hat. Wenn er alleine gewesen wäre,
hätte ich ihn zumindest beschimpft, doch ich wollte unseren Ruf nicht
noch schlechter machen, indem ich in diesem Moment wild wurde.
Jetzt sind nur noch fünf von uns in der Abteilung F des F Pods über.
Darrll Wheatfall hat das Level II erreicht und einige andere in der
Abteilung E auch.
Ich komme noch nicht ganz mit meinem neuen Tagesablauf klar. Ich wache
gegen 22.00 oder 23.00 Uhr auf und bleibe wach bis 11.00 oder 13.00 Uhr.
Wir fanden heraus, dass die Reparaturgruppe an der Elektrizität hätte
arbeiten sollen, doch sie beschwerten sich, dass es zuviel Arbeit wäre
und wollten mit ihrem Supervisor sprechen. Diese Zellen heizen sich
jeden Tag mehr auf, seit die Sonne auf unsere Wände scheint. Vor allem
die Nachmittage sind extrem schlimm.
Ich habe von einigen Leuten Feedback erhalten. Vielen Dank, dass Ihr
mich wissen lasst, dass Ihr noch immer bei mir seid. Es bedeutet eine
Menge für mich zu wissen, dass mein Schreiben den Leuten hilft, besser
zu verstehen. Auch wenn einige Menschen es einfach nicht packen. Ich
bekam eine Email von einem Mann, der genauso klang wie Direktor Chance.
ŽDu bist im Gefängnis, Du hast dich selbst dorthin gebracht, also
verdienst Du was Du bekommst." Offensichtlich ist er nur ein weiterer,
der nicht weiß, wie ungerecht mein Fall ist. Er ratet einfach mal, dass
ich mich selbst hierher gebracht habe. Okay, es ist in Ordnung. Jeder
hat seine Meinung, selbst Arschlöcher wie er. (smile)
Okay, meine Freunde, es ist Zeit, dies in die Post zu stecken. Bleibt
stark und stolz.
Im Kampf und der Solidarität
Paul Colella
# 999045
Polunsky Unit
3872 FM 350 South
Livingston, Texas 77351
USA
paul@deathrow.at
http://www.deathrow.at/paul

 

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Redaktionsschluss: 22. Mai 2002, 22:00 Uhr
Diese Ausgabe hat Heinz Nessizius, widerstand@no-racism.net
zusammengestellt



Fehler möge frau/man mir nachsehen!