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01 Montagsdemo in Wien - Ein Aufruf und eine Klarstellung
Von: didi zach <zach at kpoe dot at>
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Montagsdemo in Wien - Ein Aufruf und eine Klarstellung
Utl.: Es gilt gemeinsam zu entscheiden, ob die Fortführung der
wöchentlichen Montagsdemo in Wien sinnvoll ist
Seit Wochen demonstrieren bei den Montagsdemos zehntausende Menschen in
ganz Deutschland gegen den rot-grünen Sozialabbau durch Hartz IV. Aus
anfänglich kleinen Kundgebungen entwickelte sich ein Massenprotest (am
30. August gab es in über 180 Städten Protestveranstaltungen) - und
selbst in Paris gab es am 30. August eine Solidaritätsdemo.
Der Versuch auch in Wien darauf aufmerksam zu machen, dass Sozialabbau
und Umverteilung von Erwerbstätigen und Arbeitslosen zu Reichen und
Superreichen in ganz Europa betrieben wird, brachte teilweise Erfolge -
einige Medien berichteten über die Aktivitäten, zudem konnten wir
Betroffenen in Deutschland unsere Solidarität bekunden.
Nicht gelungen ist es aber - zumindest legen dies die Zahlen nahe -
Betroffene und AktivistInnen in größer Zahl zu motivieren, an der
Demonstration teilzunehmen. Waren auf die 1. Montagsdemo am 23. August
fast 100 Menschen gekommen, so waren es am 30. August nicht mehr,
sondern weniger (knappe 50 Personen). Auch der Versuch weitere
Initiativen und Organisationen für die Unterstützung der Aktivitäten zu
gewinnen, brachte nicht jene Resultate, die wir uns gewünscht hätten.
Widerstand ist notwendig - doch zugleich gilt es abzuschätzen, ob die
Ergebnisse in sinnvollem Zusammenhang zum Aufwand stehen. Die spärliche
Beteiligung an den 2 Montagsdemonstrationen legt nahe, dass zur Zeit
offenbar keine breite Bewegung auf der Straße initiierbar ist.
Wir, AktivistInnen der Montagsdemo in Wien, schlagen daher vor:
Kommt am 6. September zahlreich zum Treffpunkt (19 Uhr - Ballhausplatz).
Sofern sich aber nicht 300 Menschen am Ballhausplatz einfinden, wollen
wir auf die Fortführung der wöchentlichen Montagsdemo zur deutschen
Botschaft verzichten.
Alle am Ballhausplatz Anwesenden sollen und werden aber die Möglichkeit
haben, ihre Argumente und Positionen zu dieser Frage darzulegen.
Abschließend, so unsere Meinung, sind dann aber alle Anwesenden
gefordert, in einer basisdemokratischen Entscheidung die Frage
"Weiterführung der wöchentlichen Montagsdemo - ja oder nein" zu klären.
Treffpunkt für Montagsdemo Nr. 3 in Wien ist Montag, 6. September - 19
Uhr - Ballhausplatz.
Hilde Grammel
Franz Schäfer
Didi Zach
Claudia Krieglsteiner
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02 Es bleibt dabei: afghanische Frauen bekommen Asyl.
Von: office at asyl-in-not dot org <office at asyl-in-not dot org>
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Es bleibt dabei: afghanische Frauen bekommen Asyl.
UBAS behebt skandalösen Traiskirchner Bescheid.
Ein Bericht von Michael Genner,
Asyl in Not
Frau K. aus Afghanistan litt jahrelang unter der Familie ihres Mannes,
mit dem sie zwangsverheiratet worden war. Die Schwiegereltern
behandelten sie wie eine Sklavin; bei der eigenen Familie fand sie
keinerlei Schutz. Ihr Mann schikanierte sie, wie seine Eltern es von
ihm erwarteten. Sie brachte „nur“ eine Tochter zur Welt und musste
dafür viele Beschimpfungen ertragen. Weitere Kinder kann sie nicht
bekommen. Das haben die Ärzte in Österreich festgestellt, wohin Frau
K. mit ihrem Mann geflüchtet ist.
Seine Fluchtgründe sind nach dem Sturz der Taliban nicht mehr
relevant. Sollte Frau K. mit ihm nach Afghanistan heimkehren? Dort
würde er – unter dem Druck seiner Familie – eine zweite Frau heiraten,
die ihm endlich den erwünschten Stammhalter schenkt.
Frau K. suchte unseren Rat und wir stellten für sie und ihre Tochter
Asylanträge. Beide müssen im Fall ihrer Rückkehr Verfolgung
befürchten, weil sie Frauen sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des UBAS und des
Verwaltungsgerichtshofes sind nämlich Frauen eine „soziale Gruppe“ im
Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Seit dem Sturz der Taliban hat
sich in Afghanistan nichts Wesentliches geändert. Die Beschränkungen,
die die islamische Gesellschaftsordnung den afghanischen Frauen
auferlegt, verletzen elementarste Grundrechte und sind daher
asylrelevant.
Um dieser Judikatur haben wir lange gekämpft, und inzwischen folgen
ihr auch viele Beamte des Bundesasylamts (in Wien und sogar in
Eisenstadt). Nur Traiskirchen ist rückfällig geworden. Dieses Amt wies
Frau K.’s Asylantrag ab.
In der Begründung stand allen Ernstes, die Unterdrückung der
afghanischen Frauen sei nicht asylrelevant, weil sie auf „uralten
Traditionen“ beruhe. Sie richte sich auch nicht speziell gegen Frau
K.! Es sei den Frauen zumutbar, „die Vorschriften zu beachten“, nach
denen „ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung lebt“...
Zwar steht in der Genfer Konvention kein Wort darüber, daß Verfolgung
sehr neu und überdies auf wenige Menschen beschränkt sein müsse, um
asylrelevant zu sein. Aber - Vorschrift ist Vorschrift! Das nennt man:
österreichische „Leitkultur“...
Die Traiskirchner Behörde vermeinte auch, das Asylrecht habe „nicht
die Aufgabe, die westliche Grundrechtsordnung in anderen Staaten
durchzusetzen“. Das sei besonders in Ländern wie Afghanistan zu
beachten, deren Recht durch die Scharia mitgeprägt sei.
Nun, Frau K. hatte sicher nicht den Ehrgeiz, mit ihrem Asylantrag die
Rechtsordnung in Afghanistan aus den Angeln zu heben; sie wollte nur
ganz bescheiden für sich und ihre Tochter Asyl in Österreich.
Traiskirchen stützte seine verquere Rechtsauffassung übrigens auf
deutsche Gerichtsurteile, was für die Zukunft nichts Gutes erwarten
lässt:
Die besondere Rolle Deutschlands in der europäischen Asylrechtsdebatte
ist notorisch bekannt: Deutschland leugnete jahrelang die Asylrelevanz
nichtstaatlicher Verfolgung und wurde daher schon von den englischen
Asylbehörden als nicht sicherer Drittstaat eingestuft.
In meiner Berufung schrieb ich, Traiskirchen werde lernen müssen, daß
Österreich trotz EU-Mitgliedschaft noch nicht gleichgeschaltet und
noch immer seiner eigenen Judikatur (und nicht der deutschen)
verpflichtet ist;
ebenso, daß die Grundrechte, wie sie in der österreichischen
Verfassung, in anderen westlichen Grundgesetzen und in der
Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind, keinen
ethnischen, nationalen oder geographischen Vorbehalt kennen.
Sie gelten für alle Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft; also auch für
Frau K. Werden sie durch die in ihrer Heimat herrschende Ordnung aus
einem der in der GFK genannten Gründe (in diesem Fall: Zugehörigkeit
zu einer sozialen Gruppe) verletzt, so ist dies in Österreich
asylrelevant.
In der Berufungsverhandlung am 26.8. 2004 hat der Unabhängige
Bundesasylsenat den Traiskirchner Bescheid behoben und Frau K. Asyl
gewährt – übrigens ohne auf die erstinstanzlichen Stilblüten auch nur
einzugehen.
Ein paar gleichartige Verfahren sind noch offen; sie werden dasselbe
Ergebnis haben. Wir hoffen, daß die Erstinstanz auf Fleißaufgaben
dieser Art ab jetzt verzichtet und sich selbst, dem UBAS und uns Mühen
und Ärger erspart.
Frau K. und ihrer Tochter wünschen wir Glück auf ihrem weiteren
Lebensweg. Ihrem Mann, der uns erklärt hat, daß er seine Fehler
einsieht, und der nun Asyl durch Erstreckung erhalten wird, wünschen
wir, daß er lernt, seinen Angehörigen ein fairer Partner zu sein.
Michael Genner
Asyl in Not
Währingerstraße 59
1090 Wien
Tel. 408 42 10-15
0676 – 63 64 371
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ANKÜNDIGUNGEN
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03 Marcus Omofuma Stein - "Verpackungs-Aktion"
Von: info at gajwien dot at <info at gajwien dot at>
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Marcus Omofuma Stein - "Verpackungs-Aktion"
Donnerstag, 2. September 2004 um 17 Uhr
Seit seiner Aufstellung in der Mariahilferstraße im November letzten Jahres ist
der Marcus Omofuma Stein ständig Opfer rassistischer Schmieraktionen, die
Beschriftungstafel wurde zweimal gestohlen, eine Anzeige bei der Polizei blieb
ohne Folgen. Die Bildhauerin Ulrike Truger hat die Skulptur mehrmals selbst
gereinigt und die Tafel ersetzt, zuletzt hat die "Grünalternative Jugend Wien"
die Putzarbeit übernommen.
Nachdem der Marcus Omofuma Stein nun neuerdings wüst beschmiert wurde entschloß
sich die Künstlerin zu einer temporären "Verpackungsaktion", die einerseits dem
Schutz des Denkmals dient, andererseits aber auch ein neues Bild zum Thema
"rassistische Gewalt an Marcus Omofuma" schafft.
Wir bitten um Berichterstattung
Kontakt: info@gajwien.at
Weitere Infos auf: http://www.gajwien.at
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04 PA: Radiofabrik präsentiert Software auf ARS Electronica
Von: W.Hirner: Radiofabrik 107,5 MHz <w.hirner at radiofabrik dot at>
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Radiofabrik auf der ARS Electronica
Der Freie Rundfunk Salzburg präsentiert in Linz eine neue Software für
Radiostationen
Mit dem bisher größten und längsten Festival feiert die Ars Electronica von
2. bis 7. September in Linz ihren 25. Geburtstag. Mit dabei ist diesmal
auch der Freie Rundfunk Salzburg – Radiofabrik. Die Radiofabrik wurde
eingeladen, eine von ihr entwickelte Software vorzustellen, mit der
Programmabläufe in Radiostationen automatisch gesteuert werden können. So
kann etwa das Umschalten zwischen Studio-live-Betrieb und Vorproduktionen
Tage oder sogar Wochen im voraus festgelegt werden. Für Freie sind solche
Programme normalerweise nicht leistbar. Hermann Huber, Student der
Computerwissenschaften und EDV-Chef der Radiofabrik, hat deshalb gemeinsam
mit Gottfried Epp auf Open-Source-Basis die Software YARM entwickelt, die
nun nach einem Jahr Testbetrieb serienreif ist. Erste Käufer für YARM (Yet
Another Radio Manager) gibt es bereits. Die Radiofabrik leistet somit auch
Pionierarbeit für andere Freie Radios. Der nächste Entwicklungsschritt ist
bereits geplant. YARM soll so weit ausgebaut werden, dass
SendungsmacherInnen mit Internetanschluss das Studio der Radiofabrik von zu
Hause aus „fern steuern“ können. Zeitrahmen für die Umsetzung? „Das hängt
von meinen Fortschritten im Studium ab“, sagt Hermann Huber. „Zuletzt habe
ich doch sehr viel Zeit in der Radiofabrik verbracht.“
Der Freie Rundfunk Salzburg – Radiofabrik bietet insbesondere solchen
Personen und Personengruppen Sendeplatz, deren Inhalte oder Musikrichtungen
in herkömmlichen Radios unterrepräsentiert sind. Auf der Radiofabrik wird
derzeit von rund 250 SendungsmacherInnen in zehn verschiedenen Sprachen
gesendet.
Rückfragenhinweis:
Wolfgang Hirner, Geschäftsführer
Tel. 0662/842961
mailto: w.hirner@radiofabrik.at
www.radiofabrik.at
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MELDUNGEN UND MEINUNGEN
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05 VA-Tech Weiz/Bedrohung/Stellungnahme/Scherz/GLB
Von: KPÖ Steiermark <kpoe_stmk at hotmail dot com>
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PRESSEMITTEILUNG DES GEWERKSCHAFTLICHEN LINKSBLOCKS (GLB) STEIERMARK
Mittwoch, 1. September 2004
VA-Tech-Weiz: Finanzmarkt bestimmt, wie es weitergeht
"Bei Elin-Weiz werden nicht die Beschäftigten und die Bevölkerung der
Region sondern der Finanzmarkt bestimmen, wie es weitergehen wird".
Das sagte der steirische Arbeiterkammerrat Peter Scherz (GLB) am
Mittwoch zu den Meldungen über eine drohende feindliche Übernahme und
anschließende Zerstückelung der VA-Tech durch den Siemens-Konzern. Vor
allem der Standort Weiz als bisheriges Konkurrenzunternehmen wäre
dadurch akut bedroht.
Peter Scherz: "So schaut es in Wirklichkeit aus. Zuerst erzählt man
bei der Privatisierung eines gut gehenden Betriebes schöne Geschichten
von neuen Märkten. Dann kommen aber der Druck auf die Arbeitsplätze,
auf den Standort und große Unsicherheit für die Menschen.
Die Aktienbörse ist auf einmal wichtiger als die Qualität der
Produkte".
GLB und KPÖ begrüßen die Proteste des Bürgermeisters von Weiz und der
Belegschaftsvertretung gegen die akute Bedrohung. Sie erinnern aber
auch daran, dass die SPÖ der Privatisierung der Elin keinen Widerstand
entgegengesetzt hatte.
Rückfragehinweis: 0316 404 5233
KPÖ-Steiermark
Lagergasse 98 a
8020 Graz
Tel.: 0316 71 24 36
Fax 0316 71 62 91
email: kp.stmk@kpoe-graz.at; kpoe_stmk@hotmail.com
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06 Feindliche Poeten - Die Anhörungen in Guantánamo
Von: Wadi e.V. Wien <wadi_wien at hotmail dot com>
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Feindliche Poeten
Die Anhörungen in Guantánamo
von jörn schulz
Suleiman al-Bahlul konnte seinen Bekenntnisdrang kaum bremsen. "Ich bin ein
Mitglied der al-Qaida", verkündete er bei seiner Anhörung in Guantánamo,
bevor ihn jemand danach gefragt hatte. Der jemenitische Dichter, der für
al-Qaida Propagandamaterial erstellt haben soll, gehörte zu den ersten der
585 in Guantánamo inhaftierten enemy combatants (feindlichen Kämpfer), die
in der vergangenen Woche dem Militärtribunal und der Öffentlichkeit
präsentiert wurden.
Man sollte annehmen, dass die Regierung der USA ein Interesse daran hatte,
bei dieser Gelegenheit besonders gefährliche Terroristen vorzustellen.
Vorgeführt wurden neben dem enemy poet Bahlul ein ehemaliger australischer
Känguruhjäger, der in den Reihen der Taliban gekämpft haben soll, und ein
jemenitischer Fahrer, dem vorgeworfen wird, für Ussama bin Laden Waffen und
Autos gekauft zu haben. Einzig dem Sudanesen Ibrahim Ahmed Mahmoud al-Qosi
wird ein höherer Rang im al-Qaida-Netzwerk zugeschrieben.
Auch die Präsentation hochkarätiger Terroristen würde den Sonderstatus des
enemy combatant nicht rechtfertigen, der die Gefangenen außerhalb des
Kriegsrechts und des bürgerlichen Rechts stellt. In den Zeiten, als die
Bourgeoisie unter Liberalismus nicht nur ihre unbeschränkte ökonomische
Freiheit verstand, wurde dieses Regelwerk geschaffen, weil man selbst im
Umgang mit seinen Todfeinden einen minimalen zivilisatorischen Standard
wahren wollte und ihnen deshalb einklagbare Rechte zugestand. In Guantánamo
dagegen ist die Wahrung zivilisatorischer Standards ein Gnadenakt des
Präsidenten, dessen Zusage, die Gefangenen würden "human behandelt", nicht
immer eingehalten wurde.
Das bizarre Schauspiel in Guantánamo wirft jedoch auch die Frage auf, was
die Regierung der USA mit der Erfindung des enemy combatant eigentlich
erreichen will. George W. Bush hatte in seiner Anordnung vom November 2001
behauptet, wegen der "Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und
der Natur des internationalen Terrorismus" sei es "nicht praktikabel, in den
unter diesem Befehl stehenden Militärkommissionen die Prinzipien des
Gesetzes und die Regeln der Beweiserhebung anzuwenden", die ansonsten in den
USA üblich seien.
Die US-amerikanische Justiz hatte jedoch zuvor in zahlreichen
Terrorismusprozessen, unter anderem gegen die islamistischen Urheber des
ersten Anschlags auf das World Trade Center im Jahr 1993, bewiesen, dass
eine Strafverfolgung nach den üblichen Regeln durchaus praktikabel ist.
Zudem können in einem bewaffneten Konflikt gefangene Kämpfer nach den
Bestimmungen des Kriegsrechts bis zum Ende des Konflikts interniert werden.
Einen abschreckenden Effekt dürfte Guantánamo für islamistische Terroristen
nicht haben, und das al-Qaida-Netzwerk hat hinreichend bewiesen, dass es
auch ohne die 585 Inhaftierten handlungsfähig ist. Immer wieder wurden
Gefangene, vermutlich wegen erwiesener Unschuld, stillschweigend
freigelassen. Die Regierung der USA scheint auch kein Interesse daran zu
haben, leer gewordene Zellen wieder zu füllen.
Die Erfindung des enemy combatant scheint das Werk eines Staatsapparats zu
sein, in dem nach dem 11. September die Befürworter einer starken und
unkontrollierten Exekutive die Oberhand gewannen, ohne dass sie den Nutzen
der von ihnen durchgesetzten Maßnahmen beweisen mussten. Der Senator William
Fulbright hat diese Dynamik 1966 in seinem Buch "Die Arroganz der Macht"
beschrieben: In normalen Zeiten dominiere in den USA der demokratische
Humanismus, doch "wenn ein Ereignis oder ein Meinungsführer die Bevölkerung
emotionalisiert, bricht unser puritanischer Geist durch".
Jungle World, Nummer 37 vom 01. September 2004
www.jungle-world.com
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Wadi - Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit
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07 Tschetschenien: Terror als verbrecherische Reaktion auf Genozid verurteilt
Von: Gesellschaft für bedrohte Völker <gfbv.austria at chello dot at>
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GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER
PRESSEMITTEILUNG Göttingen, den 01.09.2004
Terroranschläge in Russland als "verbrecherische Reaktion" auf den
Genozid in Tschetschenien verurteilt
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) verurteilt die Terrorakte
tschetschenischer Attentäter und Geiselnehmer als verbrecherische
Reaktion auf den Völkermord in ihrem Land auf das Schärfste. Die
tschetschenischen Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen der
letzten Tage müssen genauso vor einem internationalen Tribunal zur
Rechenschaft gezogen werden wie der Hauptverantwortliche für das
Morden im Kaukasus, der russische Präsident Wladimir Putin und seine
Helfer.
An alle erreichbaren tschetschenischen Gruppierungen wird sich die
GfbV mit der Forderung wenden, sich klar von den Attentaten und
Geiselnahmen zu distanzieren und Terror zur Durchsetzung ihrer Ziele
abzulehnen.
Gleichzeitig betont die GfbV, dass sich Russland nach der UN-
Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords von 1948 des
Genozids an den Tschetschenen schuldig gemacht hat. Innerhalb von
zehn Jahren (1994 bis 1996 und 1999 bis heute) wurden dort zwei Mal
schätzungsweise 80.000 Menschen vernichtet. Dies sind etwa 20% der
tschetschenischen Bevölkerung. Alle Völkermordverbrechen - die
systematische Bombardierung ziviler Ziele, von Flüchtlingstrecks und
Hilfsfahrzeugen, massenhafte Vertreibungen der Hälfte der
tschetschenischen Bevölkerung, Massaker, Folter, Vergewaltigungen,
Verschleppungen und die Zerstörung von Dörfern und Städten,
insbesondere der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, der
Infrastruktur und der ökologischen sowie ökonomischen Grundlage des
Lebens in Tschetschenien - sind in großer Zahl dokumentiert.
Schwere Mitschuld an dem russischen Genozid in Tschetschenien trägt
nach Auffassung der GfbV Bundeskanzler Gerhard Schröder. Indem er das
unerbittliche Vorgehen Wladimir Putins gegen Tschetschenien
unterstützt, trägt er zur Eskalation der Gewalt bei. Zuletzt hatte
Schröder nach dem Dreiergipfel in Sotschi am 30. und 31. August Putin
bestärkt und groteskerweise behauptet, er habe keinen Anhaltspunkt,
die Wahlen in Tschetschenien vom 29. August als undemokratisch zu
bezeichnen. Unabhängige Journalisten und Menschenrechtler hatten
zahlreiche Verstöße und Manipulationen dokumentiert.
Leidtragende der ständigen Kriegsverbrechen der russischen Armee und
der terroristischen Verbrechen tschetschenischer Extremisten sind
tschetschenische und russische Zivilisten. Um so unverständlicher ist
die kompromisslose Unterstützung der russischen Tschetschenienpolitik
durch den deutschen Bundeskanzler.
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Gesellschaft für bedrohte Völker-Österreich
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08 Die Zeit der Schläge ist vorbei
Von: Wadi e.V. Wien <wadi_wien at hotmail dot com>
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Die Zeit der Schläge ist vorbei
Auch wenn es nicht für eine Medaille reichte, ist die olympische
Fußballmannschaft des neuen Irak die Überraschung dieser Spiele. von thomas
schmidinger
Mit einem Fallrückzieher schoss Mohammed Emad die irakische
U23-Fußball-Auswahl im Spiel gegen Australien (1:0) ins olympische
Halbfinale. Zuvor hatte das Team sensationell mit 4:2 den Favoriten Portugal
geschlagen. Erst im Halbfinale gegen Paraguay verlor die irakische
Mannschaft mit 1:3. Im Spiel um Platz drei am vergangenen Freitag hielten
sich die Irakis besser, verloren jedoch in einem ausgeglichenen Spiel mit
Torchancen auf beiden Seiten mit 0:1 gegen Italien.
Die Hoffnung auf die zweite irakische Olympia-Medaille in der Geschichte der
Spiele – nach Bronze für den Gewichtheber Abdul Aziz 1960 in Rom – hat sich
somit nicht erfüllt. Allerdings gilt schon der Einzug der Nummer 40 der
Weltrangliste in das Semifinale des olympischen Fußballturniers als
Sensation. Kaum jemand hatte dies den Kickern aus Bagdad vor Beginn der
Spiele zugetraut.
Auch nicht ihr ehemaliger Trainer Bernd Stange. Der aus der DDR stammende
Fußballlehrer hatte vor der Olympiade in einem Interview mit der Fifa
erklärt: "Die haben kaum eine Chance, gerade auch wegen der widrigen
Umstände, unter denen die Vorbereitung in Bagdad stattfinden musste."
Unter dem Vorsitz von Saddam Husseins Sohn Uday, der bis zur Befreiung des
Irak von der ba’athistischen Herrschaft unter anderem als Vorsitzender des
irakischen olympischen Komitees fungierte, hatte Stange das irakische
Nationalteam bis April 2003 trainiert, wenngleich mit weniger Erfolg als
sein Nachfolger Adnan Hamad. Für Tiras Odisho Anwaya, den neuen
Generaldirektor des olympischen Komitees des Landes, liegt der Erfolg primär
an der Befreiung der irakischen Spieler von Uday Husseins eigenartiger
Sportpädagogik. "Bei allen Problemen, die wir immer noch in unserem Land
haben, ist der Hauptgrund für unsere sportliche Verbesserung der, dass wir
keine Angst mehr haben müssen", erklärte der Komiteevorsitzende.
Uday Hussein führte unter den irakischen Sportlern das eiserne Terrorregime
seines Vaters weiter. Erfolglose Spieler wurden regelmäßig im berüchtigten
"roten Zimmer" misshandelt.
Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Ahmed Sabat erzählte nach dem Sturz
des Regimes, was dort vor sich ging: "Sie schlugen uns zur Strafe mit
Stöcken auf die Füße und auf den Rücken und ohrfeigten uns." Ammo Baba, ein
früherer Nationaltrainer, meint: "Nach schlechten Spielen war am Flughafen
eine Liste angeschlagen, und wessen Name draufstand, der wusste, dass er ins
Gefängnis wandert."
Bernd Stange will von all dem nicht viel bemerkt haben. Er bestreitet die
Schläge zwar nicht, meint aber: "Wenn die Spieler das so empfinden, wird es
sicher eine Rolle spielen. Wenn es Elfmeter gab, haben sich aber immer sechs
Spieler gemeldet. Das macht man normal nicht, wenn man beim Verschießen
Schläge auf die Fußsohlen kriegt. Aber danach gab es doch Anzeichen für
diese Bestrafungen, obwohl sich die Spieler mir aus Angst nicht richtig
anvertraut haben."
Der Fußball musste sich im Irak ganz der Ideologie des Regimes unterordnen
und stellte quasi die zivile Fortsetzung des permanenten Krieges gegen alle
möglichen und unmöglichen Verschwörungen dar, seien sie nun zionistisch,
imperialistisch oder iranisch. Als der Irak 2002 auf die USA traf, trugen
irakische Zeitungen Schlagzeilen wie: "Eure Mission ist es, euch den Mächten
des Dämons entgegenzustellen."
Heute ist von dieser Vereinnahmung nichts mehr zu sehen. Wie sensibel die
irakischen Spieler sich gegen jede politische Vereinnahmung verteidigen,
zeigte bereits die Kritik an der Verwendung der Erfolgsmannschaft für einen
Wahlkampfspot der Republikaner im derzeitigen US-Wahlkampf. In dem Spot für
die Wiederwahl von Präsident George W. Bush heißt es: "An der Olympiade
werden zwei freie Staaten mehr beteiligt sein und zwei Terror-Regime
weniger." Bereits am Montag der vergangenen Woche wehrte sich jedoch der
irakische Fußballnationaltrainer Adnan Hamad öffentlich gegen diese
parteipolitische Instrumentalisierung. Und das Internationale Olympische
Komitee (IOC) ließ wissen, dass es in die Kampagne Bushs nicht involviert
gewesen sei.
Nicht nur im Irak stieß der Sensationserfolg in Athen auf Begeisterung. Auch
von den vier Millionen Irakern und Irakerinnen im Exil hielten viele zum
ersten Mal seit Jahrzehnten zu ihrer Nationalmannschaft, die so lange das
Team des Tyrannen war. Hussein, ein Lehrer aus dem Südirak, der heute in
Wien ein kleines Geschäft betreibt, schafft es allerdings nicht, sich die
Spiele anzuschauen: "Ich bin so nervös, dass ich es gar nicht aushalte
hinzugucken. Ich drehe zwar jedes Mal den Fernseher an, muss dann aber doch
aus dem Zimmer laufen."
Andere Iraker sammeln sich zur Übertragung des Spiels um den dritten Platz
im Irakischen Club im 12. Wiener Gemeindebezirk. Zuerst läuft al-Jazeera,
aber der Sender ist heute kaum zu empfangen. Schließlich wird auf al-Arabia
umgeschaltet. Begeistert schaut die Menge auf den Fernseher und drückt ihrer
Mannschaft die Daumen. Im Irakischen Club fiebern Mitglieder der kurdischen
Partei Puk gemeinsam mit Kommunisten und Anhängern der DaZwa-Partei für das
irakische Team. Sogar ein bärtiger Anhänger Muqtada al-Sadrs gesellt sich
nach einiger Zeit dazu. Nebenbei wird Tee getrunken, Wasserpfeife geraucht
oder gekochte Bamia gegessen.
Das kleine Finale hatte wegen der Ermordung des italienischen Journalisten
und Kriegsgegners Enzo Baldoni durch die radikalislamistische "Islamische
Armee im Irak" an politischer Brisanz gewonnen. Amir al-Saadi,
Generalsekretär des irakischen Nationalen Komitees, drückte vor Beginn des
Spieles auf einer Pressekonferenz sein Beileid aus: "Unsere Gedanken sind
beim italienischen Volk. Ich bin sicher, es waren keine Irakis, die das
gemacht haben." Die italienische Mannschaft spielte mit Trauerflor.
Auch wenn das Spiel verloren geht, jubeln die versammelten Iraker, als habe
ihre Mannschaft gewonnen. Und genau genommen hat sie das auch. Das irakische
Team hat der Welt gezeigt, dass Spaß und Geld die bessere Motivation für
guten Fußball sind als Drohungen und Schläge. Über den vierten Platz freuen
sich die meisten Irakis mehr als andere über eine Goldmedaille.
Jungle World, Nummer 37 vom 01. September 2004
www.jungle-world.com
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09 16-Jährige im Iran wegen Unkeuschheit hingerichtet
Von: Wadi e.V. Wien <wadi_wien at hotmail dot com>
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16-Jährige im Iran wegen Unkeuschheit hingerichtet
Berlin (dpa) - Nach der Hinrichtung einer 16-Jährigen in Iran wegen
Unkeuschheit hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die
Führung in Teheran ausgefordert, die Todesstrafe für Kinder und Jugendliche
endlich abzuschaffen.
Mit der Hinrichtung von Minderjährigen verstoße Iran gegen internationales
Recht, sagte Amnesty-Iran-Expertin Ruth Jüttner in Berlin. Die 16 Jahre alte
Ateke Radschabi wurde nach Angaben von Amnesty am 15. August in Neka in der
nordiranischen Provinz Masandaran erhängt.
Das Mädchen hatte nach Angaben von ai kein faires Gerichtsverfahren und habe
einem iranischen Zeitungsbericht zufolge nie mit einem Anwalt sprechen
können. Die Menschenrechtsorganisation forderte eine unabhängige
Untersuchung des Verfahrens. Laut Amnesty soll in den Gerichtsakten auch das
Alter des anscheinend geistig behinderten Mädchens manipuliert worden sein.
Das Alter werde darin mit 22 statt 16 Jahren - wie in dem Pass des Mädchens
- angegeben.
Der Fall ist nach Angaben von Amnesty keine Ausnahme in Iran. Seit 1990 habe
ai dort zehn Hinrichtungen minderjähriger Straftäter dokumentiert. Das
iranische Parlament habe im Dezember 2003 einen Gesetzentwurf vorgelegt, in
dem das Mindestalter für die Todesstrafe auf 18 Jahre erhöht wird. Doch der
Wächterrat, das höchste gesetzgebende Organ in Iran, blockiere dieses Gesetz
bis heute.
aus www.gmx.net
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