Campaigning against racism
von Araba Evelyn Johnston Arthur und Andreas Görg (Wien)

(aus Kurswechsel 1/2000)

Bevor wir uns auf die Ebene der Analyse der konkreten Kampagnen gegen Rassismus begeben, soll in aller gebotenen Kürze die Ausgangslage für ein solches Unterfangen im österreichischen Kontext Betrachtung finden:
Der jeweilige sozial-historische Kontext der verschiedenen Staaten ist Grundlage für die Entwicklung von charakteristischen Rassismen und ihren Erscheinungsformen (vgl. Balibar 1992, 11). "Whites only" bedeutet in den österreichischen Kontext übersetzt: "nur für Inländer", und findet sich in inserierten Stellen- und Wohnungsausschreibungen wieder. Mit dem Hinweis "nur für ..." sind die Inserierenden überzeugt, politisch Schwarze Menschen d.h. rassistisch Diskriminierte sicher von sich abgeschottet zu wissen, da die sozial-psychologische Bedeutung von "InländerIn" einen politisch weißen d.h. einen ganz im Sinne der Freiheitlichen "echten Österreicher" impliziert. Schwarze ÖsterreicherInnen "disqualifizieren" sich allein durch ihre Hautfarbe, Religion, (vermeintliche) Herkunft - sie sind keine ÖsterreicherInnen sondern lediglich AusländerInnen mit österreichischem Pass; also ein Widerspruch in sich! Die sozial-psychologische Wahrnehmung und Stigmatisierung verschmilzt in der Konstruktion des "Fremden" mit der des "Ausländers", die sich als absolute Realität über den juristischen Status "Staatsbürger" hinwegsetzt, ihn schlichtweg aberkennt. Rassismus verläuft nicht entlang der Staatsbürgerschaftsgrenze, sondern inferiorisiert und diskriminiert Menschen, deren Hautfarbe nicht weiß ist, deren (vermeintliche) Herkunft nicht westlich europäisch ist und deren Religion nicht christlich ist aufgrund ebendieser unveräußerlichen Merkmale.

Die rassistische Realität setzt sich über den juristischen Status von politisch Schwarzen ÖsterreicherInnen hinweg und spiegelt sich mitunter auch in der Thematisierung von Rassismus im Rahmen der Begriffe "Ausländer- bzw. Fremdenfeindlichkeit" wider. In diesem Diskurs bzw. dieser Diskussion werden rassistische Realitäten und Diskriminierungsmuster nicht nur verschleiert, sondern mehrnoch unbewusst sprachlich zementiert. Im Begriff der Fremdenfeindlichkeit wird die rassistische sozial-psychologische Konstruktion des Fremden unhinterfragt übernommen und weiter transportiert. Er geht von einer natürlichen, dem Menschen innewohnenden Angst vor dem Unbekannten aus. Doch die Fremden sind weder fremd noch fußt die Angst vor ihnen im Unbekannten. Man/frau weiß, wer sie sind und glaubt auch über sie zu wissen. Dieses Wissen dient dem kulturell überlieferten Entfremdungsmechanismus als Motor, nährt damit einen systematischen Stigmatisierungsprozess. Das Ergebnis der so erzeugten, mitunter auch sozialpsychologisch verankerten, bekannten Bilder wird als natürliche Gegebenheit d.h. als eine nebulose Angst vor dem unbekannten Fremden präsentiert und somit aus dem poltischen Zusammenhang von Rassismus ausgeklammert. Eine tiefgreifende Analyse der Genesis von rassistischer Unterdrückung und Ausschließung von bestimmten Menschengruppen kann in diesem fast biologistischen Zugang keinen Platz finden.

In Österreich wurden die Weichen für Diskurs und Diskussion über Rassismus im Mainstream erst in den auslaufenden 90er Jahren gestellt. Noch Anfang dieses Jahrzehnts wurde der Rassismusbegriff im Mainstream kaum verwendet. Doch die zunehmende Gängigkeit des Begriffs und die Ablöse der Begriffe "Ausländer- bzw. Fremdenfeindlichkeit" allein sind noch keine Garantie für die Rezeption der dahinterstehenden konzeptionellen Unterschiede.
Eine weitere Komponente der Ausgangslage ist die Diskrepanz zwischen der politischen Selbstdarstellung Österreichs einerseits und der demographischen Realität andererseits. Obwohl laut einer Studie des IHS (1997, 4) "der Prozentatz der im Ausland geborenen Einwanderungsbevölkerung in vielen europäischen Staaten - wie Frankreich, Deutschland, Luxenburg, Belgien, Schweden, Schweiz oder Österreich - jenen der klassischen, erklärten Einwanderungsländer wie die Vereinigten Staaten überschritten" hat, will sich Österreich genausowenig wie Deutschland (vgl. Leggewie 1993, 3) als Einwanderungsland verstanden wissen. Die Folge dieser Vogelstraußpolitik ist die soziale und politische Verleugnung der Existenz von MigrantInnenminderheiten, mit all den damit verbundenen destruktiven Konsequenzen, die sich in der Migrations- und Integrationspolitik mitunter auch durch das Nicht-Vorhandensein von umfassenden gesetzlichen Bestimmungen (etwa rund um einen rechtlichen ImmigrantInnenstatus) verankert sieht. "Außerhalb der Kategorie Asylwerber, Flüchtling, "Gast"-Arbeiter, Student oder Tourist gibt es für den Aufenthalt eines Ausländers in Österreich keine rechtliche Basis." (Viehböck/Bratic 1994, 25).

Rassismus funktioniert vielschichtig auf mehreren Ebenen, die untrennbar miteinander verbunden sind und einander beeinflussen. Sie lassen sich in folgende Bereiche einteilen (vgl. Dominelli u.a. 1995, 3f): in sozio-kulturellen, individuellen und institutionellen Rassimus. Will man/frau Rassismus wirksam bekämpfen, muss diese Multidimensionalität miteinbezogen werden. Eine eindimensionale Herangehenssweise verbleibt hier an der Oberfläche. Dies wird folgendermaßen deutlich: werden seitens einer Institution Missstände eingestanden - hier bieten sich Stellungnahmen aus dem Innenministerium in seiner Verantwortlichkeit bezüglich der Exekutive in der Causa Omofuma als anschauliches Beispiel an - werden sie einzelnen "weißen" Schafen zugeschrieben, ohne aber dabei das ganze System zu untersuchen. D.h. konkret, dass in diesen Erklärungsmustern primär nur die Ebene des individuellen Rassismus zum Tragen kommt, während die Ebene des sozio-kulturellen und institutionellen Rassismus - wohl um tiefgreifenden politischen Auseinandersetzungen auszuweichen - ignoriert wird.
Die Ausgangslage für campaigning against racism in Österreich kann dahingehend zusammengefasst werden, dass der Bewusstseinsprozess der bloßen Realisierung von Rassismus im allgemeinen und von seinen institutionalisierten Formen im speziellen in Österreich erst am Anfang steht.


Antirassistisches Campaigning in Österreich

Analog zu der für Deutschland von Hess/Linder (1997) getroffenen Differenzierung zwischen den verschiedenen Richtungen des Antirassismus gehen wir für die Situation in Österreich davon aus, dass es 4 voneinander unterscheidbare Hauptrichtungen innerhalb einer im Aufbruchstadium befindlichen antirassistischen Bewegung gibt. Diese werden getragen von Selbstorganisationen der rassistisch Diskriminierten, linken Gruppen, bürgerlich-liberalen Gruppen und feministischen Gruppen. In diesen 4 Bereichen spielt das Thema Antirassismus in unterschiedlicher Form eine zentrale Rolle. Aus den jeweiligen Szenen heraus dringen eventuell antirassistische Diskurse in einen Interdiskurs ein. Die Richtungen des Antirassismus sind u.a. an ihren politischen Ausdrucks- und Kommunikationsformen zu unterscheiden.

Der Begriff "campaigning" wird vielfach eher breit im Sinne einer fokussierten Anstrengung gefasst (vgl. z.B. die Publikation des European Network Against Racism (1999) zum Thema "Campaigning against racism ...", die sich nur auf den Prozess der juristischen Umsetzung von Antidiskriminierungsparagraphen in EU-Verträgen beschränkt). In diesem Artikel wollen wir den Begriff "campaigning" eher begrenzt auf den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit verwenden. Den Prozess des Herantragens von Diskursen an neue soziale Zusammenhänge, deren Eindringen, deren Übernahme und Weiterverbreitung in diesen Zusammenhängen und darüberhinaus, sowie die Herstellung von neuen sozialen Zusammenhängen durch neue diskursive Verknüpfungen bezeichnen wir mit dem Begriff der Diskursproliferation. Die kollektive Anstrengung zur Proliferation eines bestimmten Diskurses im Rahmen eines bestimmten Zeithorizonts mit Fokussierung auf ein politisches Anliegen bezeichnen wir als political campaigning.

Im Gegensatz zur Politikform des Lobbying, die unmittelbar auf die gezielte Beeinflussung von EntscheidungsträgerInnen im Hinblick auf konkret anstehende Gremial- oder Einzelentscheidungen gerichtet ist, wendet sich political campaigning an eine größere Öffentlichkeit oder an bestimmte Zielgruppen, um solchermaßen indirekten Einfluss auf EntscheidungsträgerInnen und zivilgesellschaftliche Aushandlungsprozesse auszuüben. Die versuchte Zusammenführung und Fokussierung der kommunikativen Akte mehrerer politischer AkteurInnen soll einerseits ein Heraustreten der jeweiligen Kampagnen aus dem diffusen Hintergrundrauschen der Vielzahl der auf dem diskursiven Feld geführten zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzungen bewirken und damit bzw. darüberhinaus die Durchsetzung eigener Interessen und/oder die Behinderung der Durchsetzung fremder Interessen befördern.

Für unseren Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Chancen der Diskursproliferation ungleich verteilt und gesellschaftlich umkämpft sind. Die Campaigningfähigkeit einer gesellschaftlichen Gruppe ist verknüpft mit Fragen des Zugangs zu Ressourcen der Diskursproliferation (insbesondere zu Medien und zu symbolischem Kapital), bzw. ihrer Fähigkeit, fehlende Ressourcen durch andere zu kompensieren und andere Wege der Diskursproliferation zu entwickeln. Prinzipiell gilt: Je schwächer eine gesellschaftliche Gruppe oder Bewegung, desto abhängiger ist ihre Campaigningfähigkeit von äußeren Konjunkturen und nicht selbstgesetzten diskursiven Ereignissen, an die das eigene Campaigning anknüpfen kann.

Auf die erwähnten 4 Hauptströmungen des Antirassismus bezogen, aus denen potentiell kollektive fokussierte Diskursproliferationen hervorgehen, bedeutet das: Selbstorganisationen befinden sich in einer marginalisierten Position und sind damit noch stärker als linke und feministische Gruppen eingeschränkt, was den Zugang zu Mainstreammedien bzw. im Mainstream valentem symbolischem Kapital betrifft. Die Zugänge zu jenen strategischen Orten, von denen ausgehend bestimmte Diskurse in Richtung einer größeren Öffentlichkeit effektiv und effizient verbreitet werden können, sind diesen 3 Strömungen/Gruppen zumeist verwehrt. Einzig die bürgerlich-liberale Richtung des Antirassismus unterliegt nicht von vornherein den Hürden des Heraustretens aus den subkulturellen Zusammenhängen.

Unsere Auseinandersetzung mit campaigning gegen Rassismen gliedert sich in 2 Hauptabschnitte. Hauptsächlich aus Gründen des Platzes werden die Campaigningformen der linken und feministischen antirassistischen Gruppen in diesem Artikel allenfalls gestreift . Demgegenüber konzentrieren wir uns hier auf die Gegenüberstellung des Campaigning, das von der mainstreamnäheren bürgerlich-liberalen Strömung ausgeht im Gegensatz zu jenem, das die Black communities in Wien (als Beispiel aus dem Bereich der Selbstorganisationen) aus der marginalisierten Position heraus betreiben. Dabei sollen verschiedene Kampagnen diskutiert werden, die 1999 insbesondere im Frühjahr und im Herbst während und nach dem Nationalratswahlkampf stattgefunden haben.


Moralischer Antirassismus

Im Mainstream sind jene antirassistischen Artikulationen dominant, die von der bürgerlich-liberalen Strömung produziert und in den Interdiskurs eingeschleust werden. Innerhalb dieser Strömung ist wiederum jene Richtung dominant, die mit der Form der moralischen Appelle an die herrschende Ideologie der Humanität operiert. Im Gegensatz zu diesem "moralischen Antirassismus" steht ein politischer Antirassismus, der an ein anderes Versatzstück der herrschenden Ideologie, nämlich die Demokratie, appelliert.

Ein Beispiel für die Strömung des moralischen Antirassismus bietet die gegen die Plakate der FPÖ im Nationalratswahlkampf 1999 gerichtete "Es reicht!"-Kampagne des evangelischen Flüchtlingsdienstes, wo es hieß:
"ES REICHT! Im Wahlkampf wird neuerlich versucht, in Österreich gegen Ausländerinnen und Ausländer Stimmung zu machen. Die Plakatkampagne der FPÖ suggeriert, dass unseren Kindern durch Überfremdung und Asylmissbrauch Gefahr droht. Wir protestieren dagegen, dass alle Ausländerinnen und Ausländer pauschal diskriminiert und kriminalisiert werden. Niemand verlangt Straffreiheit für Drogenhändler. Niemand verlangt schrankenlose Zuwanderung. Aber wir wehren uns dagegen, dass Ausländerhass salonfähig wird. Wir wissen uns darin eines Sinnes mit jenen vielen Österreicherinnen und Österreichern, die über die schleichende Vergiftung des Klimas in unserem Land besorgt und empört sind. ES REICHT! Ich unterstütze diesen Protest: (...)" (Kursive Hervorhebung von uns).

Im Vergleich mit anderen Initiativen hat diese Kampagne gemessen an den in den Wochen vor der Nationalratswahl gesammelten fast 10.000 Unterschriften in der österreichischen Bevölkerung den größten Anklang gefunden. Mit einem Spendenaufruf verbunden, wurden die Unterstützungsunterschriften zum Teil in großen Inseraten in Tageszeitungen veröffentlicht.

Die Formulierung von derartigen Aufruftexten ist nicht selten auch innerhalb der durchführenden Organisation umstritten. Meist resultiert ein solcher Text aus einem mehrtägigen Aushandlungsprozess, der von dem Bemühen der InitiatorInnen um größtmögliche Breitenwirkung getragen ist. Bemerkenswert an diesem Aufruftext ist das Lavieren zwischen den Widersprüchen. Einerseits wird gegen die Kriminalisierung protestiert. Andererseits kommt es zur Distanzierung von einer imaginierten Forderung nach "Straffreiheit für Drogenhändler"; wobei alle AdressatInnen genau wissen, wer mit "Drogenhändler" gemeint ist. Hier wird ein Slogan der freiheitlichen Partei aufgegriffen, die im Wahlkampf "Keine Gnade für Drogenhändler!" plakatiert hat. (Auch die ÖVP hat das Sujet 'Drogen' für ihre Wahlwerbeplakate genutzt). Der Angriff auf diesen Slogan konterkarriert sich jedoch insofern, als die selbstverständliche Verknüpfung von Drogengeschäft und schwarzer Hautfarbe implizit mitvollzogen wird. Im selben Atemzug mit der Kritik an der Kriminalisierung wird die Kriminalität eines offenbar nicht unbedeutenden Teils derjenigen, die eigentlich nicht kriminalisiert werden sollen, angenommen. Der Aufruftext bleibt damit dem Kriminalisierungsdiskurs verhaftet.

Der Satz "Niemand verlangt Straffreiheit für Drogenhändler" ist jedoch nicht einfach als Verhaftetheit der AutorInnen in Mainstreamdiskursen abzutun. Vielmehr ist dieser Satz für eine moralisch-antirassistische Position essentiell, denn durch ihn wird zwischen den guten braven "AusländerInnen" und den bösen Kriminellen die Grenze gezogen. Die moralische Herangehensweise steht und fällt mit dem Gegensatz von gut und böse. Dementsprechend müssen die rassistisch Diskriminierten als die armen und reinen Opfer inszeniert werden. Damit steht moralischer Antirassismus in politischen Auseinandersetzungen auf schwachen Beinen, sobald die Reinheit bzw. die Unschuld des Opfers angezweifelt oder angegriffen wird. So lag der Erfolg der Operation Spring im Frühjahr 1999 zu einem großen Teil darin, dass bedeutende Teile der bürgerlich-liberalen antirassistischen Strömung sich von den als DrogendealerInnen diffamierten AktivistInnen der black community distanzierten.

Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch die Formulierung im vorhergehenden Satz, die wahrscheinlich nicht bewusst gewählt wurde, sondern schlicht einen sprachlichen Lapsus darstellt: Der Protest richtet sich wörtlich nicht gegen Diskriminierung und Kriminalisierung an sich, sondern nur gegen die pauschale Diskriminierung und Kriminalisierung, so als ob Diskriminierung und Kriminalsierung in Einzelfällen unproblematisch wären. Diese Formulierung ist sicherlich ungewollt, jedoch symptomatisch. Sie entspricht dem Hauptanliegen des Textes, das sich nur gegen die Salonfähigkeit des Rassismus und die schleichende Vergiftung des Klimas wendet, die allein der FPÖ zugeschrieben werden.

Moralischer Antirassismus bescheidet sich damit, Rassismus als böse zu denunzieren. Moralischer Antirassismus wird nur abwehrend gegen die "Auswüchse" aktiv. Er geht nicht über den Status Quo hinaus. Sein impliztes Interesse ist dessen Erhaltung. Die tiefe Verwurzelung von Rassismus in der herrschenden Gesellschaftsordnung wird dabei entweder ignoriert oder geleugnet. Einem Streben nach tiefgreifenden Veränderungen wird stellvertretend durch den Satz "Niemand verlangt schrankenlose Zuwanderung" entgegengetreten. Damit wird die Abgrenzung von den "Radikalen", von der linken antirassistischen Strömung vollzogen, die offene Grenzen bzw. "Bleiberecht für alle" fordert. Indem die linke Strömung als "Niemand" überhaupt negiert und damit als ignorierbare Größe in den politischen Auseinandersetzungen dargestellt wird, gewinnt die Abgrenzung an Schärfe. Im Zusammenhang mit einem Streben nach Veränderung ist auch der Satz "Niemand verlangt Straffreiheit für Drogenhändler" zu sehen: Er verwirft implizit auch die Forderung nach einer anderen Drogenpolitik und nach einem anderen (möglichst entkriminalisierenden) Umgang der Gesellschaft mit Drogen.

Der moralische Antirassismus bildet eine Position innerhalb der Auseinandersetzungen im Mainstream bzw. zwischen Gruppen, die das hegemoniale Arrangement nicht unwesentlich mitbestimmen. Die Interessen der demgegenüber marginalisierten rassistisch Diskriminierten werden tendenziell nur berücksichtigt, soferne sie nicht mit den eigenen Privilegien in Widerspruch geraten. Dementsprechend ist im Kampagnentext auch keine Rede von irgendwelchen politischen Forderungen, welche die gesellschaftliche Stellung der rassistisch Diskriminierten eventuell verbessern könnten.
Auf den Umstand, dass die rassistisch Diskriminierten in die Position kommen, für sich selbst zu sprechen, wird kein besonderes Augenmerk gerichtet; eher im Gegenteil zeichnen sich manche Kampagnen durch die Selbstdarstellung der prominenten UnterzeichnerInnen aus (vgl. auch Baringhorst 1998). Es resultiert eine paternalistische Entmündigung, die den rassistisch Diskriminierten die eigene politische Handlungsfähigkeit abspricht. Tendenziell kommen rassistisch Diskriminierte in den Artikulationen des moralischen Antirassismus nur in der Rolle von Opfern bzw. Betroffenen vor.


Demokratischer Antirassismus

Diverse andere Kampagnen aus dem bürgerlich-liberalen Spektrum bewegen sich zwischen moralischen und politischen antirassistischen Positionen.
Als Reaktion auf das Nationalratswahlergebnis wurde von der "demokratischen Offensive" am 12. November 1999 eine Großdemonstration organisiert. Im Gegensatz zur Kampagne des Evangelischen Flüchtlingsdienstes wird im Aufruf unter dem Titel "Keine Koalition mit dem Rassismus!" nicht nur die FPÖ angesprochen:
"Das politische Establishment darf nicht nur ängstlich um den eigenen Machterhalt besorgt bleiben – zu lange schon ging man opportunistisch auf Haiders Forderungen ein."
Das politische Establishment wird nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. Allerdings wird diesem Establishment auch die Verantwortung nicht direkt zugeschrieben. Vielmehr besagt die Formulierung, über die im Kreis der InitiatorInnen mehr als eine Woche lang diskutiert wurde, dass es wiederum "Haiders Forderungen" waren, auf die "man" (unbestimmt) "opportunistisch einging". Diese Formulierung vermeidet nicht nur die explizite Nennung der Regierungsparteien. Indem die Regierung seinen Forderungen gegenüber opportunistisch sein kann, wird Haider auch eine überlegene Machtposition zugeschrieben. Durch diese implizite Verkehrung der Realität wird die Regierung noch zusätzlich zum dargestellten Motiv des eigenen Machterhalts von der Verantwortung entlastet.

Diese Formulierung entspricht dem gängigen Diskurs, wonach die Regierungsparteien in Sachen Rassismus gleichsam Getriebene sind. An deren rassistischen Artikulationen und an den entsprechenden Struktursetzungen ist im Grunde genommen die FPÖ schuld. Der Machterhalt wird mit dem Eingehen auf Haiders Forderungen verbunden. In dieser Logik stünde im Gegensatz zur ängstlichen Machterhaltung eine mutige/riskante Politik, die den eigenen Machterhalt aufs Spiel setzt. Rassismus wird zum wahlentscheidenden Faktor stilisiert. Die Regierung gibt daher dem allein bei der FPÖ lokalisierten Rassismus nach, um Schlimmeres – nämlich deren projezierte Machtübernahme - zu verhindern. Solchermaßen resultiert geradezu ein Rassismus mit besten Absichten, der sich unangreifbar macht. Dominant bleiben die beiden Gleichsetzungen des moralischen Antirassismus: "Rassismus ist böse!" und "Rassismus ist Haider!"

Im Wahlkampf wurde von den selben Organisationen, die nach der Wahl die "demokratische Offensive" maßgeblich initiierten, im Rahmen von Plakataktionen eine dritte Gleichsetzung kommuniziert: Schlögl ist Haider. Der Innenminister wird mit dem F-Parteiobmann gezeigt und gleichgesetzt oder in eine Reihe gestellt. vgl. dazu die beiden Plakataktionen von SOS-Mitmensch im Wahlkampf 1.) mit den Köpfen von Haider, Schlögl, Prinzhorn und Lugner sowie dem Slogan
"Würden Sie diesen Herren ein Flüchtlingskind anvertrauen?"
und 2.) (ohne Bild) mit dem Slogan
"Haider hetzt, Schlögl folgt, Klima schweigt, Schüssel zagt. Und Sie? Für ein zivilisiertes Österreich!"
Diese dritte Gleichsetzung eröffnet die Möglichkeit einer graduellen Verschiebung der Mainstreamdiskurse über Rassismus. Durch die Einbeziehung des Innenministers in die Konnotationskette rücken die rassistischen Verhältnisse und Politiken der Regierungsparteien bzw. der herrschenden Mitte der effektiven Thematisierbarkeit in einer breiteren Öffentlichkeit einen Schritt näher. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sich die zentrale Konnotationskette nach wie vor auf der Ebene der Personalisierung und Moralisierung bewegt.

Einen bemerkenswerten Zwischenschritt versucht in diesem Zusammenhang die Plakatbeilage der Zeitschrift der Grünen Bildungswerkstatt Planet Nr. 13/99: Das Plakat zeigt ein Photo von Haider und Schlögl bei einem Bierfest, mit dem Aufruf "Organisieren wir Runde Tische im ganzen Land". Unter dem Motto: "Streiten für die Zukunft der Demokratie!" sowie dem Hand-Logo der demokratischen Offensive wird direkt unter dem Photo, das die obere Hälfte des Plakats füllt, eine Reihe von Fragen gestellt:
"Wem nützt diese Politik?
Wem zu nützen gibt sie vor?
Wozu fordert sie auf?
Welche Praxis entspricht ihr?
Welche Politik hat sie zur Folge?"
Wenn wir die Botschaft(en) des Plakats näher betrachten, wird zunächst deutlich, dass das Photo gegenüber dem Text eindeutig die dominante Stellung einnimmt. Die Gleichsetzung von Haider und Schlögl ist die zentrale Aussage des Plakats. Allerdings erscheinen Haider und Schlögl auf dem Photo nicht als Symbole des Bösen. Es wird nicht nur ihr Gesicht ohne weiteren Bezug zu irgendeiner Tätigkeit gezeigt und damit auf ein einfaches Signal reduziert. Vielmehr zeigt das Photo eine real-life-Situation. Haider und Schlögl stehend in Trachtenanzug mit blauer Schürze darüber; in ihren Händen halten sie hölzerne Hämmer, die offenbar zum Anstechen eines Bierfasses dienen. An ihrem Gesichtsausdruck ist ablesbar, dass die Beiden ihren Spass haben. Dass auf dem Photo auch andere Personen zu sehen sind, verstärkt noch die "Menschlichkeit" des Photos. Durch den Bruch mit der Symbolik des Bösen kann die Lächerlichkeit der Szenerie in den Vordergrund treten.

Diese Verschiebung weg vom Moralischen eröffnet auch die Verbindung zum Text unterhalb des Photos, wo es um Demokratie und Politik geht. Es wird an den Wert der Demokratie als Versatzstück der herrschenden Ideologie appelliert. Die Symbolisierung dieses Werts in bildlicher Form kommt jedoch nicht vor, was auf einen generellen Mangel bezüglich eines verbreiteten Symbols für Demokratie hindeutet (etwa in Form einer Pallas Athene vor dem Parlament). Die Konnotationskette in Richtung Demokratie ist aufgrund der Dominanz des Photos nicht so deutlich ausgeprägt. Oder anders gesagt: Die Textbotschaft kann mit der Intensität des Photos nicht konkurrieren. Sie wird von der bildlichen Darstellung in den Hintergrund gedrängt, in der per se keine gängige, unmittelbar aus der diskursiven Erfahrung einleuchtende Symbolisierung der Textinhalte vorkommt. Dementsprechend erfordert es gleichsam ein zweites Hinschauen, um sich mit dem Text zusätzlich auseinanderzusetzen und ihn mit dem Photo zusammenzudenken.

Das Plakat bezieht sich nur an einer Stelle direkt auf Rassismus: Das Handlogo der demokratischen Offensive ist samt dem Slogan "Keine Koalition mit dem Rassismus" rechts unter dem Photo klein aber gut sichtbar plaziert. Das Plakat rückt den Gedanken der Demokratie in den Vordergrund, ohne in diesem Zusammenhang auf die Warnung vor dem Rassismus zu verzichten. Entsprechend dieser Ausrichtung kommen auch auf diesem Plakat der grünen Bildungswerkstatt, das in die Reihe der bürgerlich-liberalen antirassistischen Strömung gestellt werden kann, die spezifischeren Interessen der rassistisch Diskriminierten nach gesellschaftlicher Gleichstellung nicht vor.

Das community campaigning der Selbstorganisationen funktioniert demgegenüber signifikant anders.


Antirassismus oder einfach eine elementare Frage des Überlebens in Würde?

"Wurden sie schon mal mit rassistischer Diskriminierung konfrontiert, wenn ja, wie reagieren sie darauf?" Diese Frage wird mir als Schwarzer Frau von weißen ÖsterreicherInnen oft gestellt; sie erstaunt mich trotzdem immer wieder, denn sie ist für mich gleichbedeutend mit der Frage: Wurden sie schon mit Sauerstoff konfrontiert, und wenn ja, wie reagieren sie darauf?

Sich als Schwarzer Mensch in einer rassistischen Umwelt zu behaupten, heißt nichts weiter, als sich sein/ihr Leben zu erkämpfen - zu atmen. Durch die unmittelbare Konfrontation mit Rassismus, der die eigene Existenz bedroht, inferiosiert bzw. ihre Berechtigung in Frage stellt, kommt es zu einer wie auch immer gearteten aufgezwungenen Auseinandersetzung, in der jeder einzelne Schwarze Mensch gezwungen ist, seine eigenen individuellen Überlebensstrategien bzw. Antworten zu finden. Es sind vielschichtige Prozesse, die hier auf dem Weg der Selbstbehauptung ablaufen. Diese können von Internalisierung von Rassismus über Assimilation bis zu politischer Selbstorganisation, Entwicklung von Überlebenskulturen und sozialpolitischen Identitäten reichen. Rassismus stellt sehr oft nicht nur einen direkten, sondern mehrnoch einen subtilen allgegenwärtigen Stressfaktor insbesondere für Schwarze Menschen afrikanischer Herkunft dar (Ayim 1997, 111). Rassistische Übergriffe seitens der Exekutive sind bisweilen hierzulande schon an die Öffentlichkeit gedrungen und lassen sich nicht mehr vollends vertuschen. Doch sie stehen im Kontext einer eigenen Geschichte und Entwicklung und einer langen Reihe von komplexeren, nicht so plakativen rassistischen Diskriminierungsmechanismen. Diese Realitäten sind bislang nicht in eine breite Öffentlichkeit vorgedrungen, eignen sich die vielschichtigen Prozesse, die ihnen zugrunde liegen, doch nicht für eine sensations- und quotenhungrige Medienlandschaft. Aus dem Blickfeld der Mehrheitsbevölkerung gedrängt, werden diese Realitäten auf diesem Weg ghettoisiert. Im Gegensatz dazu wird Rassismus mit all seinen Facetten als allgegenwärtige Realität in den alltäglichen Schwarzen Überlebenskampf integriert.

Kampf impliziert Widerstand. Widerstand gegen Rassismus zu leisten bedeutet, hier in Würde zu über/leben. Gleichzeitig setzt dieser Kampf Bewusstsein voraus. Ein Bewusstsein, das über die Ausgangslage der Schwarzen Realität und Erfahrung hinausgeht - dennoch aus ihr wächst – und Rassismus mitsamt seinen Unterdrückungsmechanismen als solchen erkennt und danach strebt, diesem auf den Grund zu gehen, um ihn zu bekämpfen. Demnach wird diese Schwarze Perspektive nicht von allen Schwarzen Menschen eingenommen, sondern umschließt in seiner Definition folgende Position: (...) those who acknowledge the presence of racism and consider it a political issue which must be tackled for the liberation of black people (...). (Dominelli u.a.1995, 4)
Selfempowerment durch Community Campaigning

"It is a long hard slog, mostly unrewarding, campaigning against injustices associated with the State, particulary where the police is concerned. Many people especially the Black community, do not enter these struggles lightly. It is not with enthusiasm that we are drawn to such encounters, but with grim determination. What sense does it make to disrupt your life by campaigning unless some sense of comfort in that life has been interupted by a serious injustice, whether against you, someone close to you, someone like you or simply someone you identify with?"... Roach Family Support Committee 1989, 10)

In dieser Stelle aus dem vor mehr als 10 Jahren in London veröffentlichten Bericht des Roach Familiy Support Commitee wird das essentielle Moment des community campaigning so treffend festgehalten, dass sie auch zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort zutrifft. Für die Black community in Wien war der 19. März 1999 ein Tag des Aufbruchs: Unter dem Slogan: "Stoppt den rassistischen Polizeiterror" fand an diesem Tag eine Demonstration statt, die in diesem Kontext den Grundstein für community campaigning legte. Es war dies das erste Mal in der österreichischen Geschichte, dass Schwarze kollektiv politisch auftraten und die Stimmen zum Protest gegen die Missachtung ihrer Rechte in diesem Land erhoben. In noch nie dagewesenem Ausmaß wurden an diesem Tag Schwarze Menschen auf breiter Ebene mobilisiert, auf die Straße zu gehen. In dem vom African Community Network verfassten Demobericht heißt es dazu: "Die Demonstation hat uns gezeigt, was für ein Potenzial wir als Community haben, was wir auf die Beine stellen können, wenn wir zusammenarbeiten und wie essentiell unsere eigene Mobilisierung für den Kampf für unsere Rechte in diesem Land auch in Zukunft sein wird. Die sollte erst der BEGINN unseres gemeinsamen Campaignings als community sein ...". Weiters wurde hier auch folgendes festgehalten: "... eindrucksvoll war auch, wie die Afrikanischen Organisationen ihre Mitglieder für die Demo motivieren konnten (...) die große Beteiligung der communities zeigt, dass die ernste Lage von vielen empfunden wird ..." (Agbogbe 1999)

Der Demonstration war eine Vernetzung der zahlreichen nationalen und panafrikanischen Vereine in Form des Netzwerks der Afrikanischen Communities vorangegangen, die eine sehr breite und intensive Informations- und Mobilisierungskampagne in der community ermöglichte. Insgesamt 17 Afrikanische Vereine schlossen sich damals zu einem Bündnis zusammen, um gemeinsam Forderungen zu formulieren, die Mobilisierungsarbeit und den Demonstrationsablauf als community gemeinsam zu koordinieren.

Dieser politische Zusammenschluss basierte auf der Erkenntnis über gemeinsame Erfahrungen mit rassistischer Unterdrückung jenseits der nationalen, kulturellen und 'ethnischen' Vielfalt, des sozialen Status, des Geschlechts, des Alters und der Religionzugehörigkeit sowie der Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes gegen diese Unterdrückung. Auf diesem Weg wurde die Basis für die Entwicklung von gemeinsamen, politischen Überlebensstrategien als community gelegt. Selfempowerment passiert hier sowohl auf individueller bzw. community-Ebene als auch auf politischer Ebene durch die so geschaffene Möglichkeit der Formulierung von politischen Forderungen und durch den Prozess des gemeinsamen campaigning.

Die gezielte Bewusstseinsarbeit nimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle ein, müssen doch Menschen in der community davon überzeugt werden, dass dieser Protest trotz der damit verbundenen zusätzlichen Risiken und Diskriminierungen eine wirksame und wichtige Überlebensstrategie ist. So war diese gemeinsame Arbeit auch im Mobilisierungsprozess für den 19. März ausschlaggebend. Mitunter anhand von Flugblättern wurde nicht nur über Forderungen informiert, sondern durch das vor Augen führen von einer Reihe von rassistischen Misshandlungen von Schwarzen Menschen durch die österreichische Exekutive bewusstgemacht, dass es bisher gleichzeitig für diese Menschenrechtsverletzungen "keine Bestrafung gab". Ziel war es, den Menschen in der community nicht nur bewusst zu machen, dass sie ein Recht haben, mit Respekt behandelt zu werden, sondern sie mehrnoch davon zu überzeugen, dass sie selbst für dieses Recht kämpfen müssen, um hier in Würde leben zu können.

Eine weitere wichtige Komponente des community campaignings ist auch die Bewusstseinsarbeit in der Mehrheitsbevölkerung, d.h. das im politischen Sinne 'Sichtbarmachen' der Realität der rassistischen Diskriminierung für eine breitere Öffentlichkeit und damit gegen die Ghettoisierung bzw. Verdrängung dieser Missachtungen anzukämpfen.
In der englischen Übersetzung des Flugblattes des Netzwerkes der Afrikanischen Communities für den 19. März 1999 hieß es abschließend:
"WHO IS GOING TO BE NEXT?"
Am 1. Mai 1999 starb der 25jährige Nigerianer Marcus Omofuma in Gewahrsam dreier Polizisten, die ihn bei seiner Abschiebung begleiteten. Sein Tod wurde offiziell auf bulgarischen Hoheotsgebiet festgestellt, wobei der Obuktionsbericht ergab, dass Marcus Omofuma qualvoll erstickt war. Die Polizisten hatten dem jungen Mann an seinen Sessel geknebelt und seinen Mund und Teile seiner Nase zugeklebt, um die übrigen Fluggäste vor Lärmbelästigung und Gewaltbereitschaft in Form von 'Beißen' zu schützen. In weiterer Folge hatte man Marcus Omofumas Todeskampf als agressives Verhalten intepretiert und nicht darauf reagiert.

Der Tod Marcus Omofumas, die Umstände, unter denen er starb, die Reaktionen, die auf seinen Tod folgten bzw. nicht folgten - die gesamte Causa steht nicht allein im Vakum der Einzelverantwortlichkeit, sondern führt die Realität von Rassismus in Österreich in seiner gesamten Multi-Dimensionalität drastisch vor Augen. Sein Tod steht im Kontext einer langen Reihe von unaufgeklärt gebliebenen Vorfällen, in denen Schwarze Menschen in Polizeigewahrsam verletzt wurden oder gestorben sind. Im Bewusstsein um die politische Verantwortung des Innenministeriums organisierte das Netzwerk der Afrikanischen Communities am 5. Mai nur wenige Tage nach Bekanntwerdung seines Todes eine Mahnwache vor dem Innenministerium. Diese wurde auch von anderen MigrantInnenorganisation, östereichischen NGOs aber auch von Einzelpersonen unterstützt. Mit Blumen und Kerzen wurde getrauert und wurden gleichzeitig die politschen Verantwortlichen angeklagt. Es wurde Gerechtigkeit für Marcus Omofuma und damit für alle rassistisch Diskriminiierten eingefordert. Im Laufe der am 8. Mai organisierten Demonstration der Plattform Für eine Welt ohne Rassismus, an der auch das NAC (Network der African Communities) maßgeblich beteiligt war, wurde bekannt, dass das Innenministerium auf die Tötung Omofumas lediglich mit der Versetzung der drei Polizisten zu reagieren gedachte. Kritische Stimmen häuften sich und der Innenminister gab bekannt, dass nochmals entschieden würde. Vor dem Büro der für diesen Entschluss verantwortlichen Disziplinarkommision hielt das NAC draußen eine Protestaktion ab. Der zugeklebte Mund wurde zum realen Symbol, das auch untermauerte, was auf den Transparenten vor dem Innenministerium wie auch vor dem Büro der Disziplinarkommision zu lesen war: unter dem Bild von Marcus Omofuma stand: "Rassismus tötet."

Aus der Verknüpfung jedes einzelnen Übergriffes mit der Reaktionslosigkeit des Staates, also aus dem zweifachen Unrecht resultiert die konkrete Anklage, die durch diese Verbindung den institutionellen Rassismus unterstreicht. Die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchungskommision, die mit der genauen Untersuchung von Polizeiübergriffen betraut werden sollte, zeigt, dass es auch in diesem Kontext des Community campaigning nicht allein die unmittelbare Polizeigewalt ist, welche Anlaß zum Ergreifen der politischen Initiative ist. Vielmehr entfacht sich der Protest an immer wieder erlebten Folgelosigkeiten der Übergriffe, am Aussetzen der staatlichen Ausgleichs- und Friedenssicherungsmechanismen. Der Protest richtet sich direkt gegen bestimmte VerantwortungsträgerInnen in Regierung und Verwaltung. Die Forderungen nach Untersuchungskommision und Antidiskriminierungsgesetzen sind Forderungen nach einer institutionellen Absicherung, nach Einbau von antirassistischen Gegengewichten in das staatliche Gefüge. Die unmittelbare, konkrete Bedrohung des eigenen Lebens durch Rassismus im Schwarzen Kontext des Antirassismus bzw. des political campaigning against rascism unterstreicht ihre Essentialität und damit die Dimension, die ihr zugrundeliegt, nämlich die Dimension des political campaigning for life.

Die Kommission entschied sich an diesem Tag für die Suspendierung der drei Polizisten. Das Parlament entschied in einer Sondersitzung unter Anwesenheit des NAC und zahlreicher anderen AktivistInnen auf den Gallerien, die sich zum Zeichen ihres Protestes den Mund verklebten. Ein weisungsgebunder Menschenrechtsbeirat wurde eingerichtet, der eine afrikanische NGO zu seinen Ersatzmitgliedern zählt. Der Prozess läuft, aber das Medieninteresse ist mittlerweile verschwunden. Im folgenden Abschnitt werden die konkreten Reaktionen auf das community campaigning in diesem Zusammenhang mitsamt seinen Hintergründen genauer erläutert.
Die Instrumentalisierung von (neo)rassistischen Realitäten als Reaktion auf community campaigning
Gerade im Zusammenhang des community campaigning, d.h. der politischen Selbstorganisation von Menschen die unmittelbar rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind und sich gegen "statemalpractice" bzw. institutionalisierten Rassismus wenden, werden in den staatlichen bzw. politischen Reaktionen auf diese Proteste institutionalisierte Diskriminierungsmuster nicht nur deutlich, sondern noch zusätzlich auf dem Weg der Diskreditierung des Protests zementiert.
In Bezug auf Schwarze Menschen afrikanischer Herkunft dient die Drogenproblematik als Deckmantel, hinter dem sich die Ethnisierung der Drogenkriminalität bzw. die rassistische Verschmelzung des Bildes eines Drogendealers mit dem eines Schwarzen Mannes verbirgt. So erstrahlen die systematische Kriminalisierung und die schwerwiegende Missachtung der Menschenrechte bzw. des Gleichheitsgrundsatzes in Bezug auf Schwarze ÖsterreicherInnen im Glanze des Feldzuges gegen die " organisierte Kriminalität". Die Ende 1998 in den Medien stolz präsentierte Sonderkommission "Jambo" , deren Aufgabe nach eigenen Angaben die Kontrolle von "Schwarzafrikanern" zwecks Bekämpfung der Drogenkriminalität ist, macht diese Verschmelzung und den unreflektiert-unbekümmerten Umgang der Verantwortlichen mit Rassismus deutlich.

Der Schwarze Drogendealer ist hier das perfekte Feinbild dieser Zeit. Es bietet einfache Antworten auf komplexe soziale Fragen. In ihm ist nicht nur die Bedrohung der 'weißen' Jugend und die von Recht und Ordnung verankert; dieses Feindbild übernimmt darüber hinaus die Funktion eines Sündenbocks für die gesamte gesellschaftliche Problematik der Drogenabhängigkeit und hier ganz besonders für jene der Jugend. Auf diesem Weg bewahrt es vor unliebsamen tiefgreifenden Auseinandersetzungen mit sozialpolitischen Fragen.

Die österreichische explizite neorassistische Übersetzung des sogenannten klassischen, kolonial geprägten Rassismus hat sich erst im Laufe der letzten Jahre abgezeichnet und scheint bislang in der Nationalratswahlkampagne 1999 ihren Höhepunkt erreicht zu haben . Sie markiert eine Entwicklung in der Schwarzen österreichischen Geschichte, die von einer Instrumentalisierung von Feindbildern in Bezug auf Menschen afrikanischer Herkunft geprägt ist. Diese Feindbilder verschaffen sich bis heute als soziale Konstruktionen der Realität mit der Inbesitznahme der 'österreichischen' Sprache Eingang in unser Alltagsbewusstsein. So sind z.B. die Angst vor dem schwarzen Mann und der schwarzen Köchin Grundlage für Fangspiele im Kindergarten und werden damit Teil der Sozialisation. Sie überliefern eine uralte Weltordnung, die das Universum in Gut/weiß und Böse/schwarz einteilt und in Form einer Fülle von Redewendungen als Assoziationen verankert werden. Bemerkenswert ist, dass auf diese polarisierten Schwarz/Weiß-Werte und Moralvorstellungen bereits im Mittelalter zurückgegriffen werden konnte, noch bevor es zu nennenswerten Kontakten mit Menschen afrikanischer Herkunft kam (Martin 1993, 16).

Im Laufe der Entwicklung veränderten sich auch die Feindbilder. So wurde das Bild des schwarzen Teufels im Zeitalter der Aufklärung entmystifiziert, um der pseudowissenschaftlichen Konstruktion der Minderwertigen, Primitiven und Häßlichen, dem "Neger" als Gegenstück zu Entwicklung, Ästhetik und missing link zwischen Tier und Mensch Platz zu machen. Dieses vorhandene Bild wurde später vom Nationalsozialismus herangezogen, um durch die Gleichsetzung des "Negers" mit Juden, Roma und Sinti ihrer Minderwertigkeit und Abweichung vom Bild des Herrenmenschen drastischen Ausdruck zu verleihen (Opitz 1992, 54). Es waren auch primär diese sogenannten "klassischen" Rassismen, die noch in den 80er Jahren vorherrschten. Mittlerweile hat der Schwarze Mann den "Aufstieg" vom primitiven "Buschneger" zum modernen Drogendealer geschafft.

Auf der Basis der Instrumentalisierung dieser neorassistischen Bilder und Realitäten funktioniert die Diskreditierung des Schwarzen Protests, braucht sie sich doch nur der in der Mehrheitsgesellschaft allgegenwärtigen Konstruktion des Drogendealers zu bedienen, um das political campaigning der Schwarzen community glaubhaft zu kriminalisieren.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Kriminalisierung des community campaigning im Rahmen der bisher größten Polizeiaktion der zweiten Republik, der sogenannten 'Operation Spring' zu sehen, bei der es kaum 4 Wochen nach dem Tod von Marcus Omofuma und nur wenige Tage vor den EU-Wahlen zum ersten Einsatz des umstrittenen 'Großen Lauschangriffs' kam.

Der nigerianische Dichter und Schriftsteller Charles Ofoedu, der vorallem im Rahmen der Protestaktionen der Schwarzen community rund um den Tod von Marcus Omofuma an vorderster Front stand, wurde im Zuge dieser 'Operation' in den frühen Morgenstunden des 27. Mai 1999 verhaftet. Sowohl Reporter von Österreichs meistgelesener Tageszeitung 'Die Kronen Zeitung' als auch ein Kamerateam des ORF waren zur Stelle, um die Verhaftung (die zur Hauptnachrichtenzeit ausgestrahlt wurde) zu filmen, bzw. um die LeserInnenschaft mit Photos zu versorgen. Medial wurde der Schwarze Kampf gegen Rassismus als wichtiger Bestandteil der ebenso schwarzen Drogenkriminalität dargestellt. Im Zuge der Operation Spring I wurden insgesamt über hundert AfrikanerInnen verhaftet und in einem gemeinsamen Akt unter Anklage gestellt (wodurch es für die AnwältInnen zu Komplikationen und Verzögerungen bei der Akteneinsicht kam).

Charles Ofoedu wurde der Öffentlichkeit als Boss eines international operierenden nigerianischen Drogenrings präsentiert. In einer Pressekonferenz verkündeten Innenminister Schlögl und der damalige Sicherheitsdirektor Sika, dass selbst andere europäische Länder von diesem mittels Lauschangriff so erfolgreichen Schlag gegen die organisierte Kriminalität profitieren würden. Zusätzlich wurden weitere Repressionen gegen Schwarze bekannt, die politisch aktiv waren, wie etwa der Entzug von Taxikonsessionen und verstärkte Polizeikontrollen im öffentlichen Raum.

Charles Ofoedu wurde nach drei Monaten Untersuchungshaft auf Antrag der Staatsanwaltschaft entlassen und auf freien Fuß gesetzt. Seine Entlassung und die Einstellung des Verfahrens bezüglich des Vorwurfs der Beteiligung an einer kriminellen Organisation wurde zwar medial rezipiert. Die Operation Spring I stand jedoch nach wie vor für wirksame Bekämpfung der Drogenkriminalität, was die ebenso medial gut aufbereitete Operation Spring II nur einige Tage vor den Nationalratswahlen 1999 zeigte, die sich gegen junge Schwarze Männer afrikanischer Herkunft in einem Jugendheim im 10. Wiener Gemeindebezirk richtete. Im Gegensatz zu Operation Spring I konnte die zweite Operation der den Innenminister stellenden SPÖ zu keinem Wahlsieg mehr verhelfen. Trotzdem gilt Innenminister Schlögl bei der Mehrheitsbevölkerung als einer der beliebtesten Innenminister der zweiten Republik. Im Jänner 2000 fand die Operation Spring mit einer Großrazzia im Flüchtlingslager Traiskirchen ihren dritten Höhepunkt.


Intellektueller Rassismus

Es sind aber nicht nur die exekutiven Maßnahmen, die das political campaigning der communities erschweren bzw. behindern. Aus dem strukturellen Machtgefälle zwischen den rassistisch Diskriminierten und nicht Diskriminierten und im Speziellen zwischen Selbstorganisationen und jenen etablierten NGOs, die über staatliche Förderungen oder aufgrund ihrer Medienpräsenz über sonstige Finanzierungsquellen verfügen, resultiert oft eine Praxis, die als "intellektueller Rassismus" (Grace M. Latigo) bezeichnet werden kann. Intellektueller Rassismus ist grundlegend geprägt von der Ansicht, dass Rassismus ein Phänomen ist, das sich auf ModernisierungsverliererInnen und den Gemeindebau beschränken läßt. Rassismus wird von den Bessergestellten den schlechtergestellten Schichten der Gesellschaft zugewiesen. Rassismus repräsentiert hier v.a. Primitivität und Unreflektiertheit. Die resultierende Bestärkung der eigenen Überlegenheit und Reinheit verträgt sich gut mit der Position des moralischen Antirassismus.

Der intellektuelle Rassismus konstruiert sein böses Außen in Form von geistig eher minderbemittelten Menschen, die mit rassistischen Beschimpfungen ihre Umwelt belasten und tendenziell auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Etwaige eigene Rassismen und deren Verankerung in den verschiedensten gesellschaftlichen Strukturen werden nicht nur nicht thematisiert. Sie existieren in der Logik des intellektuellen Rassismus gar nicht. Diese Spielart des Rassismus kommt in den spezifischen Ausschließungen und paternalistischen Abwertungen von Schwarzen Menschen/rassistisch Diskriminierten im Arbeitsfeld Antirassismus häufig zum Tragen. Indem die Rassismen von sich gewiesen werden und keinerlei Selbstreflexion stattfindet, lassen sich die in der Zusammenarbeit auftauchenden Rassismen auch nicht aufarbeiten, was immer wieder zu Spaltungen in den Arbeitsverhältnissen führt.

Ein wesentlicher Teil der Probleme der Zusammenarbeit zwischen rassistisch Diskriminierten und nicht Diskriminierten läßt sich in folgendem Satz fassen. Effektives antirassistisches Handeln kann rassistisch sein! Warum ist das so: Einerseits, weil Rassismus ein multidimensionales Phänomen ist und daher Handlungen in der einen Dimension in einer anderen Dimension andere Wirkungen entfalten können. Und andererseits, weil beim Kampf gegen fremde Rassismen oft die eigenen Rassismen übersehen werden. Dies zeigt zum Einen die Entwicklung der österreichischen NGO-Szene insbesondere im Beratungsbereich.

Bewusstsein über Multi-Dimensionalität von Rassismus bedeutet, das Zusammenwirken von strukturellen, individuellen und kulturellen Faktoren zu erkennen. Dementsprechend sind bei den antirassistischen Bemühungen immer alle Dimensionen mitzubedenken, um nicht kontraproduktiv zu arbeiten. Wer fremde Rassismen bekämpft, ist nicht davor gefeit, die eigenen Rassismen zu übersehen. Für die Arbeit der zahlreichen in fast ausschließlich weißen österreichischen Kontexten arbeitenden NGOs im Kampf gegen Rassismus ist die diskursive Aufarbeitung der speziell österreichischen Rassismen im Sinne einer tiefgreifenden Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit den eigenen Rassismen Basis für konstruktive antirassistische Arbeit. Auf diesem Weg können so manche patronalisierende Stellvertreterpositionen und -diskurse bzw. Victimisierungen als solche erkannt und entlarvt werden. Dem steht jedoch die moralische Perzeption von Rassismus entgegen. Die Kultur des Gut-Seins verhindert das Erkennen der eigenen Rassismen. Diese bilden eine schwere moralische Last. Ein entsprechender Vorwurf ist dementsprechend eine Furchtbarkeit, die oft nur schwer zu akzeptieren ist. Des eigenen Rassismus kann sich mensch bei Ertappung nur schämen, jedoch nicht ohne in einen verzweifelten Rechtfertigungsreflex auszubrechen. Solchermaßen wird Rassismus verdrängt, statt aufgearbeitet. Um Rassismus ernstnehmen zu können, um ihn nicht von uns weisen zu müssen, muss ein nicht moralisch belasteter Umgang mit Rassismus entwickelt werden. Rassismus muss in diesem Sinne rehabilitiert werden (Bukasa), um ihn auch mit Witz und Charme und in aller Freundschaft anstatt nur mit Verbissenheit und Feindschaft bekämpfen oder gar nur aus der Distanz mit dem Finger zeigen zu können.

Antirassismus ist nicht: etwas für andere tun. Schwarze Menschen haben viel beizutragen. Eine antirassistische Arbeitspraxis verlangt ein egalitäres profesionelles Arbeitverhältnis. Nicht umsonst war die Einführung von equality targets bei NGOs, die für sich in Anspruch nehmen, Antirassismusarbeit zu leisten, eine der zentralen Forderungen von Selbstorganisationen bei ihrem Eintritt in das hauptsächlich von Beratungsstellen und Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen gegründete Austrian Network Against Racism (ANAR). Auch auf den Entscheidungsebenen sollen die rassistisch Diskriminierten vertreten sein, um die gewachsenen Strukturen der "Stellvertreterpolitik" aufzubrechen.


Politische Conclusio

Der vorliegende Artikel versteht sich nicht nur als Analyse sondern selbst auch als Teil des political campaigning against racism. Dementsprechend sollen in diesem letzen Abschnitt noch weiterführende Überlegungen zum Antirassismus zum Ausdruck gebracht werden.
Wichtige Ziele für die antirassistische Arbeit sind die Berücksichtigung der Schwarzen Perspektiven, das Erkennen ihrer Bedeutung, sowie die Integration von Antirassismus in die gesellschaftlichen Zusammenhänge. Bis dato führt Antirassismus ein marginalisiertes Dasein. Antirassismus wird insbesondere in Institutionen durchwegs nur in Randbereichen und aufgrund von Eigeninitiative praktiziert; z.B. im Schulbereich: Antirassistische Projekte von engagierten LehrerInnen stehen unbearbeiteten rassistischen Inhalten in den Schulbüchern gegenüber. Antirassismus soll nicht als eigener isolierter Bereich verstanden werden, sondern sich auch politisch u.a. im Sinne von konkreten Maßnahmen, Regelungen und Gesetzgebung begreifen und in den mainstream und auch in staatliche Institutionen eindringen d.h. integrieren.

Dazu kommt die Notwendigkeit der verstärkten inhaltlichen Thematisierung von Rassismus. Das Wissen um die rassistischen Realitäten ist ghettoisiert und in den Mainstream noch nicht über die Einzel-Opferdarstellungen hinaus eingedrungen. Demgegenüber wäre es erforderlich, zur Auseinandersetzung mit rassistischen Realitäten anzuhalten bzw. eine solche Auseinandersetzung durch entsprechende Konfrontationen herbeizuführen.
Die bis dato existierenden NGOs sind politisch noch zu schwach, um diese Ziele in ausreichendem Umfang zur verwirklichen. Dementsprechend muss Antirassismus in strategischer Hinsicht den Aufbau eines politischen Subjekts verfolgen, das die unmittelbaren Lebensinteressen der rassistisch Diskriminierten gegenüber der Mehrheitsbevölkerung vertritt und damit zum politischen Gegengewicht gegen die rassistischen Strömungen wird. Dieses politische Subjekt findet seinen Nukleus in den politischen Selbstorganisationen der rassistisch Diskriminierten. Solange mit Rassismus politisch nichts verloren werden kann, wird diese Karte immer wieder gespielt werden, selbst wenn sie schon so abgenützt ist, dass nichts mehr gewonnen werden kann (siehe Vergleich von Operation Spring I wenige Tage vor den EU-Wahlen im Juni und Operation Spring II wenige Tage vor den Nationalratswahlen). Der Aufbau dieses politischen Subjekts ist jedoch nicht allein Sache der rassistisch Diskriminierten. Vielmehr handelt es sich hier um ein demokratiepolitisches Anliegen. Zur Durchsetzung dieses Anliegens ist es notwendig, dass rassistisch Diskriminierte und nicht Diskriminierte zusammenarbeiten, weil sonst wiederum die nationalstaatliche Spaltungslogik greift. Rassismus ist zuallererst eine Angelegenheit jener, die von den rassistischen Strukturen tendenziell mit Vorteilen bedacht werden. Rassistische Privilegien sollen und müssen gegen Rassismus benutzt werden.

Darüberhinaus ist jedoch auch an einem neuen gesellschaftlichen Modell als ideologischer Gegenentwurf zur neoliberalen Nationaldemokratie zu arbeiten. Wenn wir erkennen, dass Rassismus unserem nationalstaatlich gegliederten kapitalistischen Weltsystem inhärent ist, dann brauchen wir eine Diskussion über die Ausgestaltung einer radikalen Demokratie, in der Rechte für alle Menschen gleichermaßen nicht nur formell verankert, sondern auch in den realen Machtverhältnissen entsprechend abgesichert sind. Die menschliche Qualität eines politischen Systems bemisst sich an den in der Systemarchitektur verankerten Balancen. Eine solche reale Gewaltenteilung dürfte sich nicht mit einer (in Österreich nur äußerst schwach ausgeprägten) Entgegensetzung der drei montesquieuschen Staatsgewalten bescheiden. Vielmehr müßte eine moderne Demokratie allen Gruppen in der Gesellschaft einen Anteil an der Macht zuweisen und ihre eigenen Balancen auch dynamisch produzieren. Es muss zumindest gewährleistet sein, dass keine Gruppe (so wie heutzutage die Illegalisierten) aufgrund des Ausschlusses vom System dem Zwang vollkommen ausgeliefert ist – und zwar bis in den Tod; siehe Marcus Omofuma. Die Konzeption einer neuen Systemarchitektur müßte sich dementsprechend von der Konzeption des Nationalstaates lösen bzw. diesen aushöhlen und obsolet machen. Es müßte auf Migrationsfreiheit und umfassenden Menschenrechtsstandards aufbauen, die im Rahmen eines integralen Menschenrechtskonzepts (Bukasa) die Kataloge aus der Zeit des kalten Krieges hinter sich lassen und insbesondere auch auf die ökonomische Grundsicherung aller Menschen abzielen. Im Rahmen einer realen Gewaltenteilung müßte die Verletzung von integralen Menschenrechten auch gravierende Nachteile für die VerletzerInnen nach sich ziehen, statt sich nur defensiv an der Wiederherstellung eines menschenrechtlichen Mindeststandards abzuarbeiten.

Literatur

Baringhorst, Sigrid 1998: Politik als Kampagne. Opladen
ENAR - European Network Against Racism 1999: Campaigning against racism and xenophobia from a legislative perspective at European level. Brüssel
Hess, Andreas/Linder, Sabine 1997: Antirassistische Identitäten in Bewegung. Tübingen
Agbogbe, Kokou Fernand 1999: Unveröffentlichter Bericht über die Demonstration gegen den rassistischen Polizeiterror vom 19. März 1999 für das Netzwerk der Afrikanischen Communities. Wien
Ayim, May 1997: Grenzenlos und unverschämt. Berlin
Balibar, Etienne 1992: Es gibt keinen Staat in Europa. Rassismus und Politik im heutigen Europa. in: Institut für Migrations-und Rassismusforschung (Hg.): Rassismus und Migration in Europa: Beiträge des Hamburger Kongresses "Migration und Rassismus in Europa". Berlin. 10-29
Dominelli, Lena/ Lennie Jeffers/ Graham Jones/ Sakhile Sibanda/ Brian Williams (eds.) 1995:Anti-racist Probation Practice. Hants
Görg, Andreas 1999: Nix Auseinandersetzung. Nix Konfrontation. Bestenfalls Lichtermeer. in asylkoordination aktuell 3/99. 44-47
IHS 1997: Institut für höhere Studien ?? sorry
Leggewie, Claus 1993: Vom deutschen Reich zur Bundesrepublik und nicht zurück. Zur politischen Gestalt einer multikulturellen Gesellschaft. in Balke, Friedrich/ Rebekka Habermas/ Patrizia Nanz/Peter Sillen (Hg.): Schwierige Fremdheit. Über Integration und Ausgrenzung in Einwanderungsländern. 3-20. Frankfurt am Main
Opitz, May 1992: AfrikanerInnen und Afro-Deutsche in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. in: Oguntoye, Katharina /May Opitz/Dagmar Schulz (Hg.): Farbe bekennen. Afro-Deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. 45-65. Frankfurt am Main
Martin, Peter 1993: Schwarze Teufel, edle Mohren. Hamburg
Roach Family Support Committee 1989: Policing in Hackney 1945-1984. London
Viehböck, Eveline/Bratic, Ljubomir 1994: Die zweite Generation. Migrantenjugendliche im deutschsprachigen Raum. Innsbruck