Diskurs und Ideologie des Rassismus im österreichischen Staat

Ljubomir Bratic

(aus Kurswechsel 2/2003)

Rassismus ist heutzutage nicht mehr entlang der biologistischen Leitlinien definiert, sondern kommt aus der Mitte der Gesellschaft, indem die "Fremden" als eine grundsätzliche und für alle Zeit "andere" Kategorie Menschen konstruiert werden. Die "Fremden" haben nach dieser ideologischen Formation unbekannte und nicht einzuschätzende kollektive Absichten und Interessen. Und ihre Anwesenheit ist für das sonst friedliche und gesittete Gemeinwesen des "österreichischen Volkes" eine permanente und unkalkulierte Bedrohung. Dieser ideologische Konsens steht hinter allen Beurteilungen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation im österreichischen Staat. Daraus werden Schlüsse gezogen, die zu Gesetzen und somit zu Alltagsregulativen der MigrantInnen führen. Alle machtrelevanten gesellschaftlichen Kräfte teilen ihn und ringen gleichzeitig im öffentlichen Diskurs um schlüssige Deutungen der relevanten Ereignisse. Die Charakteristika dieser ideologischen Formation im österreichischen Staat können mit folgenden Punkten skizziert werden: Erstens besteht ein gesetzliches Kontinuum der rassistischen Ausschließungsmaßnahmen in der Ersten Republik, Ostmark und Zweiter Republik. Zweitens sind die TrägerInnen dieses rassistischen Diskurses sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Republik die Parteien und Interessensvertretungen, die üblicherweise für sich die Bezeichnung "links" beanspruchen. Drittens brauchen sich in dieser Situation die autoritärliberalen Parteien und die wirtschaftlichen Interessensvertretungen überhaupt nicht um Restriktionen gegenüber MigrantInnen bemühen. Sie konzentrieren sich auf die Unterstützung der Betriebe, indem sie eine Liberalisierung der Migrationspolitik fordern oder auf die strikte Ablehnung einer Änderung des jus sanginis und Verhinderung jeglicher Reform des Staatsbürgerschaftsrechts beharren . Viertens kommt es mit Anfang des Endes der fordistischen Wirtschaftsformation (ca. Anfang der siebziger Jahre) auch zum Beginn der Erosion des linksliberalen und proletarischen Rassismus. Mit dem Beginn der weltweiten Verbreitung des Neoliberalismus und den Auswirkungen der Anatomie der Migration (Familienzusammenführung, migrantische Netzwerke usw.) wird der Protektionismus und Nationalismus des ÖGB und der SPÖ langsam aber sicher verdrängt - trotz ihrer weiteren, bis in die 1990er Jahren erfolgreichen Kraftanstrengungen, die Themenvorherrschaft zu behalten. Und fünftens transformiert sich dieser Rassismus seit Mitte der 1980er Jahre (im Bewusstsein des naheliegenden EU-Beitritts) und übernimmt allgemeine europäische multikulturalistische Züge.

Die HauptträgerInnen dieser ideologischen Formation sind die SPÖ und der ÖGB bis in die 1990er Jahre. Ab Mitte der 1980er Jahre werden mit dem Rechtsruck der FPÖ unter Jörg Haider und dem Einzug der Grünalternativen Partei ins Parlament diese Trägerpositionen der dominanten rassistischen Ideologieformation zunehmend bekämpft und in Frage gestellt, bis sie Anfang des neuen Jahrhunderts in der Hand der ÖVP landen.


Die ideologische Formation

Innerhalb eines seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs formierten Konsenses blieb der Begriff Rassismus lange vollständig aus dem offiziellen Diskurs ausgeschlossen. Dieser Ausschluss bewirkte, dass auch keine Auseinandersetzungen über die Inhalte und den Einfluss des Antisemitismus, Antislawismus usw. auf die sozialen Verhältnisse, in denen diese Ideologie zuvor noch allgemein reproduziert wurde, stattfanden. Offiziell wurde über die Kategorien, Zuschreibungen, Klassifikationen und Bewertungen geschwiegen, die diese ideologische Formation ausgemacht hatten. Die Frage, die sich dabei zwangsläufig stellt, ist: Wurde rassistische Ideologie im österreichischen Staat nicht mehr reproduziert? Das Verschwinden des Begriffes "Rasse" aus dem öffentlichen Diskurs könnten wir als ein Zeichen dafür deuten. Nun aber kann, wie Morgenstern (2002, 228) zeigt, eine Bevölkerungsgruppe auch ohne Verwendung des Begriffs "Rasse" rassistisch konstituiert werden. Durch die Abgrenzung zur Deutschtümelei der früheren Parteien konstituierte sich langsam eine "österreichische Nation". Diese übernahm die Funktion einer von anderen "Nationen" grundsätzlich verschiedenen, sich autark kulturell und sprachlich reproduzierenden Einheit von Menschen, die eine gemeinsame Lebensweise und ein Schicksal teilen und in unterschiedlichen Konkurrenzgraden zu anderen "Schicksalsgemeinschaften" stehen. Bezugnehmend auf eine solche ideologische Formation kann Angehörigen "fremder" Gemeinschaften nur unterstellt werden, ihnen mangle es zwangsläufig an kultureller Zugehörigkeit und natürlich Loyalität zum Gemeinwesen. Dabei bilden sie ein Gefahrenpotenzial, das staatlich überwacht, kontrolliert und reglementiert werden muss. Das ist der Konsens, der bis heute hinter den politischen Handlungen aller machtrelevanten Parteien im österreichischen Staat steht und der zu einer ganz bestimmten öffentlichen Darstellung der MigrantInnen führte. Diese Macht/Wissen , die als Gesetz kodifiziert ist, hat entscheidende Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Menschen und wird dementsprechend als wichtige Botschaft von den Medien reproduziert. Die Frage beispielsweise, welche Aufgaben öffentlich organisiert werden, hängt davon ab, welche Bedürfnisse in Form von Forderungen von Einzelnen und von Gruppen artikulationsfähig sind und welche Allianzen sich für oder gegen diese Bedürfnisse und deren Befriedung in der Gesellschaft knüpfen lassen (Pelizzari, 2003, 63). Die Äußerungen der PolitikerInnen verfolgen dabei vor allem das Ziel, die anderen Machtgruppen zu erreichen. Diese sollen darin enthaltene Deutungsmuster übernehmen und sich - bewegt durch materielle oder ideelle Interessen - an der weiteren ideologischen Reproduktion des damit verbundenen politischen Projekts beteiligen. Falls es den PolitikerInnen gelingt, die ihrem Konzept zugrunde liegenden Begriffe, Kategorien und Klassifizierungssysteme des politischen Diskurses zu dominieren, erreichen sie in der Folge gleichzeitig die erforderlichen Mehrheiten für die Umsetzung ihres politischen Projektes. Die Problemdefinition und die Lösungskonzepte gehen dann von diesem Kompetenzvorsprung aus und erreichen in der Öffentlichkeit und über die Parteigrenzen hinweg Unterstützung für das eigene Vorhaben.

Nun stehen bei dem Thema Migration jeweils wesentliche Bestandteile der allgemeinen ideologischen Grundlagen des Nationalstaates zur Diskussion. Insofern erhalten die Äußerungen der PolitikerInnen, die medial transportiert werden, die ideologische Formation, aus denen der politische Konsens besteht und die die Grenzen des herrschenden Diskurses markieren.

Die politischen Diskurse, welche MigrantInnen als AußenseiterInnen kennzeichnen, markieren nicht nur, wie Bauböck (1996) argumentiert, die Grenzen einer "unsicheren" nationalen Identität und dienen nicht allein dazu, das weltanschauliche Profil der Parteien zu schärfen, sondern führen zu einer der zentralen Möglichkeiten der politischen Handlung innerhalb des nationalstaatliches Gebildes: zur Bildung der Interessensgemeinschaften und Allianzen.


Die 1960er - Hegemonie und Inländerschutz

Bis Anfang der 1960er Jahre blieb im öffentlichen Diskurs des Politischen unbemerkt, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen neue Minderheiten im österreichischen Staat schafften.
Im Anschluss an die Einsicht Foucaults (1999, 197), dass Macht dann am stärksten ist, wenn sie ihre Mechanismen verbirgt, lässt sich behaupten, dass diese Zeit bislang die einzige war,
in der die PolitikerInnen der Zweiten Republik eine vollständige Hegemonie über diese Problematik herstellen konnten. Durch die Beharrung der Sozialdemokratie, des ÖGB und der KPÖ auf der Fortsetzung des Prinzips des Inländerschutzes aus der Zeit der Ersten Republik wurden nach dem Krieg die notwendigen geschichtlichen Kontinuitäten von rassistischer Ausschließungspolitik geschaffen. Diese Politik wurde durch die Neubelebung der Idee der Sozialpartnerschaft Ende der fünfziger Jahre praktisch bis Anfang der siebziger Jahren im Verborgenen - außerhalb des Parlaments und jenseits jeglicher demokratischer Legitimität - diktiert. Die wichtigsten Charakteristika dieser Politik stellen vor allem die Art und Weise ihrer Erarbeitung dar, nämlich die Parität. (Sensenig, 1999, 585) Diese wurde im Rahmen des Raab-Olah-Abkommens von 1961 in Form der außerparlamentarischen Paritätischen Kommission besiegelt. Wie Sensenig (1999, 610) beschreibt, hatte dies unter anderem zur Folge, dass die nächsten 12 Jahren ohne Kontrolle durch die gewählten Volksvertreter und ohne gesetzliche Basis Einwanderungspolitik zwischen der Paritätischen Kommission einerseits und dem Sozialministerium, Innenministerium und Außenministerium andererseits informell entwickelt und vollzogen wurde. Das "Anwerbesystem" aus den Herkunftsländern war dabei als preisgünstiges Provisorium für die Behebung vorübergehender Engpässe auf dem "österreichischen" Arbeitsmarkt konzipiert. Offiziell galt die Rotation als Annahme, d.h. der politische Wille "Fremdarbeiter" aufzunehmen wurde durch die wirtschaftliche Konjunktur untermauert. In diesem Zusammenhang wurde vermutet, dass die "ausländischen" Arbeitskräfte bei nachlassender Konjunktur durch die Beendigung des Aufenthalts rasch reduziert werden könnten. Die juristische Grundlage für den Aufenthalt von "Ausländern" im österreichischen Staat bildete das auf die nazideutsche "Ausländerpolizeiverordnung" von 1938 aufbauende "Fremdenpolizeigesetz" von 1954. Somit waren der Umgang mit MigrantInnen weitgehend dem Ermessen der Behörden überlassen, die mit ausreichend Entscheidungsspielraum ausgestattet waren. Das Recht sah keine Position für "Ausländer" vor, geschweige denn einen Rechtsanspruch gegenüber staatlichen Institutionen. Als "Ausländer" war damals wie auch heute der/diejenige zu betrachten, die nicht eingebürgert würde. Dabei ist irrelevant, wie lange jemand im österreichischen Staat lebt oder ob er/sie bereits auf dem Territorium dieses Staates geboren wurde. "Dieses Festhalten am puren ius sanginius und der Ausschließlichkeit der Bindung an den österreichischen Staat charakterisiert eine Grundhaltung: Die rechtliche Trennlinie zwischen Einwanderern und Einheimischen wird durch die Regeln des Erwerbs der Staatsbürgerschaft unzweideutig gezogen." (Bauböck 1996, 16) Eine nennenswerte Diskussion über die rechtlichen Ausschlussregelungen für die MigrantInnen gab es nicht und eine Auseinandersetzung über die soziopolitischen Auswirkungen der Anwerbung gab schon gar nicht. In den wenigen Aussagen zu diesem Thema wurden die MigrantInnen als "Fremdarbeiter" bezeichnet. Beständig wurde dabei der "Gästestatus" dieser "Arbeitskräfte" betont. Ein Status, der nach einer verbreiterten Meinung ein besonderes Privileg darstellte und folglich zu keinen Ansprüchen aus den von ihnen bezahlten Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung führen durfte. Dieses Privileg hatten MigrantInnen noch dazu mit Billigsein, Nützlichsein und Anspruchslosigkeit zu bezahlen. Dass zu diesen Verhaltensweisen auch Schmutzigsein, Einfachheit und Unterwerfung zählte, stellte eine gewisse Erweiterung des Spektrum der rassistischen Zuschreibungen zusätzlich zu jenen von der Wirtschaftskammer und dem ÖGB offiziell gewünschten dar. Das gesetzliche Korsett, das diese und ähnliche Zuschreibungen ermöglichte und hervorrief, stellte niemand in Frage. So verband sich mit der Definition "Gastarbeiter" die Vorstellung, dass die Zugehörigkeit zur österreichischen Nation ein Spiegelbild dieser Eigenschaften darstellt. Die MehrheitsösterreicherInnen in den Heimatfilmen der sechziger Jahre sind meist gescheit, anspruchsvoll, sauber, schlau und nicht unterwürfig.
Gleichzeit wurden aber diese MigrantInnen wegen ihrer Illoyalität gegenüber dem österreichischen Staat und seiner Institutionen strenger überwacht, kontrolliert und reglementiert. Geschichtliche Erklärungsgründe dafür fand man in den nationalen Auseinandersetzungen innerhalb der Monarchie und danach in der Ersten Republik. Der vorrangige Anknüpfungspunkt war dabei der Versuch, einen "Feind im Inneren" zu vermeiden, der eine Gefahr darstellte. Diese "Fremden" waren einfach, ungebildet, nahmen in einem fremden Land fern von der Heimat niedrig entlohnte, schmutzige Arbeiten an, akzeptieren primitive Unterkünfte und konnten aufgrund ihrer Ungebundenheit auch gefährlich sein. Diese Vorstellung, die vor nicht so langer Zeit, während der frühen Phase des Kapitalismus, den Armen und Arbeitslosen galt, setzte sich an einem anderen Platz in der Gesellschaft fest. Dieses Mal traf sie mit ähnlichen Konsequenzen die MigrantInnen (Castel 2000, 88). Wenn "die Fremden" eine Bedrohung für die innere Sicherheit waren, warum machten es sich die EntscheidungsträgerInnen dann allerdings nicht leicht und wiesen sie aus? Mögliche Beispiele für solche Vorgangsweise kann man bis heute z.B. in Saudi Arabien finden. Die Erklärung, dass die Rahmenbedingungen der freien Marktwirtschaft und der liberalen Verfassungsdemokratien diese Art der "Strukturbereinigung" prinzipiell verunmöglichen, mag nur ein Teil davon sein (Bauböck 1996, 13). Ganz sicher ist aber, dass die MigrantInnen durch die Rolle, die sie im Wirtschaftssystem einnehmen - ähnlich der Position, die die Armen und Ausgeschlossenen in früheren Jahrhunderten für die Herausbildung der nationalstaatlichen Gebilde hatten – einen wesentlichen Teil ebendavon ausmachen. So wie die Armen notwendig waren, um durch ihre Arbeit den Reichtum der Nationalstaaten zu vergrößern, so sind es heute die MigrantInnen aus der Peripherie, die diese Rolle für das Zentrum zu erfüllen haben. Es besteht eine Beziehung der Reziprozität zwischen den gesellschaftlichen Positionen der wachsenden Mittelklasse und der MigrantInnen und insofern können wir sie nicht autonom voneinander denken.

Dem öffentlichen politischen Diskurs der Regelungen lag ein rassistischer Konsens zugrunde, der eine rassistische ideologische Formation beinhaltete. Die These, dass die Menschen in verschiedene konstante Kategorien fallen, die über unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten verfügen, ist aus dem Diskurs über Armut und dem über biologischen Rassismus erhalten geblieben. Nun redet dabei niemand mehr über die "Rasse", vielmehr wird der gleiche Inhalt in den Begriff "Herkunft" gepackt. Postuliert wird dabei, dass die "Angehörigen" anderer "Völker" immer das Interesse "ihrer" Gemeinschaft verfolgen, sei es im Zuge eines militärischen Konflikts, wo sie sich leicht zu einer "fünften Kolonne" entwickelt würden oder in Form des Abflusses der nationalen Geldreserven, die seitens der "Gastarbeiter" ihren Angehörigen in den Herkunftsländer geschickt werden. Dabei gibt es zwei Kategorien Menschen, die "österreichischen" und jene "fremder" Abstammung. An diesen Kategorien, die unter anderem mit dem Schutz der eigenen "Abstammungsgemeinschaft" gerechtfertigt werden, knüpfen alle Regelungen zur Migration im österreichischen Staat an. Darin gründet sich vor allem die Tatsache der parallelen Rechtssysteme und Arbeitsmärkte, in denen sich diese zwei grundsätzlich voneinander zu unterscheidenden menschlichen Spezies zu bewegen haben. An dieser Grundvorstellung hat sich bis heute nichts geändert.


Die 1970er - Inländerschutz und Inländerprimat

Anfang der siebziger Jahre kam es zu ersten längeren, diskursiven Auseinandersetzungen über die Kosten und Nutzen der Beschäftigung von MigrantInnen. Plötzlich kamen Themen wie "Gastarbeiterschmuggel" , "Slumbildung am Stadtrand" und "Ghetto" auf die politische und mediale Tagesordnung. Am 06.02.1974 titelte die Kronen Zeitung "Kein Gastarbeiter darf den Arbeitsplatz eines Österreichers in Zukunft gefährden" und im Artikel wird der SPÖ-Sozialminister Häuser mit der Aussage zitiert, dass die "Österreicher" durch die Beschäftigung von "Gastarbeitern" niemals einen Nachteil erleiden werden dürfen. Die sozialliberale Regierung unter Bruno Kreisky entdeckte nun, dass die, angesichts der de facto stattfindenden Einwanderung lange verschwiegene Tatsache der Notwendigkeit zusätzlicher sozialer Infrastruktureinrichtungen akut zu werden begann. Das öffentliche Wörterbuch entsprach nicht mehr den tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen. Der "Plafond" , wie Kreisky es damals ausdrückte, wurde erreicht und es bedurfte einer Tat. Durch die Verkoppelung der restriktiven Einreise-, Aufenthalts- und Rückreisebestimmungen war auch ein aktives Eingreifen durch den ÖGB jederzeit gewährleistet. (Sensenig 1999, 613) Als Resultat dieses Eingreifens führte die sozialliberale Alleinregierung in Allianz mit dem ÖGB eine massive, vergleichsweise die größte europäische Vertreibung der MigrantInnen aus dem österreichischen Staat durch. Der Glaube an die Volkswirtschaft gewann eindeutig Primat über die Betriebswirtschaft und setzte den in der Partei der SPÖ und der Interessensvertretung ÖGB bestehenden Antiinternationalismus und die Ablehnung des Prinzips der Solidarität außerhalb der engen nationalstaatlichen Grenzen fort. Das waren allerdings die letzten verzweifelten Versuche, das eigene Klientel, die mehrheitsösterreichischen Lohnabhängigen, mittels rassistischem Protektionismus auf Kosten der MigrantInnen vor der gerade antretenden neoliberalen Welle zu schützen. Die "ausländischen" ArbeitnehmerInnen wurden mittlerweile in den Medien für die "österreichische" Gesellschaft nur als eine soziale Belastung dargestellt; eine Belastung, die zu sozialen Konflikten führen kann. Die Lösung ist Begrenzung, Ausweisung und "Zuzugsstopp". Zu diesem Zuzugsstopp kam es im Jahr 1973. Den Hintergrund dafür bot vordergründig der sogenannte "Ölschock" und die daraus entstandene Konjunkturflaute. So übertrug diese, sonst für ihre sozialen Errungenschaften bis heute gefeierte, Regierung in einem noch nie da gewesenen Ausmaß die Verantwortung für die wirtschaftliche Fehlentwicklung (vor allem für den raschen Anstieg der Arbeitslosenquoten) auf die MigrantInnen. Die Lösung, die sich anbot und der alle entscheidenden Machtzentren der Gesellschaft zustimmten, war die Vertreibung "ausländischen" KollegInnen von ihren Arbeitsplätzen. Ein Säuberungsprojekt für den Arbeitsmarkt, für das die sozialliberale Regierung unter der SPÖ die alleinige Verantwortung trug.

Diese rassistische Vorgangsweise war allerdings nichts anderes als eine Reaktion auf die tatsächlich stattfindende Einwanderung. Während die PolitikerInnen und die Öffentlichkeit davon ausgingen, dass die "Gastarbeiter" bald in ihre "Heimatländer" zurückkehren würden, holten immer mehr von diesen Menschen ihre Familien nach und situierten damit einen nicht mehr "rück zu bringenden" Prozess. Seitens der Wirtschaft fand dieser Prozess unter anderem deswegen Unterstützung, weil die Betriebe kein Interesse zeigten, alle paar Jahre neue ArbeiterInnen aufzunehmen, zu schulen und zu versorgen. Die Industriellenvereinigung hatte sich beispielsweise schon sehr früh mit der tatsächlichen Lage der MigrantInnen beschäftigt und Vorschläge für eine "Integration" , unter anderem zur Verbesserung der Wohnungslage , gemacht. So war es auch die Industriellenvereinigung, die die erste Zeitung für "Gastarbeiter" in ihrer Muttersprache (auf türkisch) herausgab .

Die Reaktion der auf dem Gipfel ihrer Macht stehenden sozialliberalen SPÖ und des nationalistischen ÖGB war drastisch. Sie war aber eine Reaktion, die letztlich ihre Hilflosigkeit angesichts der tatsächlich stattfindenden sozialen Prozesse zeigte. Und es offenbarte sich eine eindeutige, bis heute wirkende Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realitäten. Somit können wir hier festhalten, dass alle (auch die späteren) Versuche der Sozialliberalen, durch Gesetze auf die stattfindende Migration einzuwirken, die Autonomie der Migration als Voraussetzung nicht mitgedacht hatten. Die Aktionen der sozialliberalen SPÖ vollziehen sich bis heute in der Vorantreibung und lückenlosen Zustimmung zum Projekt "Festung Europa" (situiert im Schengener Abkommen vom 1985). Die Initiative lag aber schon Anfang der 1970er nicht mehr auf der Seite der SPÖ und ÖGB. Die Autonomie der Migration wird auch in enge Verbindung mit dem Begriff "migrantischer Widerstand" gebracht. Der größte Erfolg dieses Widerstands ist, wie August Gächter es in einer internen Diskussionsrunde ausdrückte, vor allem die Tatsache, dass die MigrantInnen trotz allem weiter hier sind. Trotz Überwachungen, Repressionen, Vertreibungen und Kontrollmechanismen haben es die MigrantInnen geschafft, sich auf Dauer einzurichten. Diese neu entstandenen Bedingungen führen innerhalb der parlamentarischen Demokratie zu einer politischen und diskursiven Auseinandersetzung, innerhalb deren der bestehende rassistische Konsens aktualisiert wird. Genau das geschah in der ersten Hälfte der 1970er Jahren im österreichischen Staat. Es kam zu einer diskursiven Verschiebung, die am besten durch die Ablösung des Begriffes "Inländerschutz" mit dem des "Inländerprimats" charakterisiert ist.

Den Mittelpunkt des Rassismus im österreichischen Staat bildete die Teilung des Arbeitsmarktes in zwei Segmente. In den Jahren 1921 bis 1923 verabschiedete sich nach Sensenig die freie Gewerkschaft, die sozialdemokratische Partei Deutschösterreichs und die neugegründete Arbeiterkammer vom Gedanken des Internationalismus: "Mit dem Versuch, eine sozial gerechte und demokratisch gestaltete Gesellschaft für alle Inländer deutscher Sprache und Rasse zu schaffen, werden Ausländer und Nichtdeutsche grundsätzlich aus der österreichischen Gesellschaft ausgegrenzt." (Sensenig 1999, 587) Das "Ausländerbeschäftigungsgesetz" (AuslBG) von 1975 ist nur der Versuch einer konsequenten Fortführung dieser Politik, wobei das zentrale Prinzip im Konzept des Inländerprimats zu finden ist. Das Konzept des "Inländerprimats" stellte eine Neuerung in der Regulierung der MigrantInnen dar. In der Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Konjunkturen und Interessen der mehrheitsösterreichischen Lohnabhängigen wurde 1975 das bis dahin geltende Prinzip des "Inländerschutzes" ersetzt. Wenn die mehrheitsösterreichischen Lohnabhängigen nicht mehr grundsätzlich geschützt werden konnten, unter anderem aufgrund der neoliberalen Deregulierung der nationalen Arbeitsmärkte als Reaktion auf die Krise der fordistischen Produktionsweise, dann galt es zumindest eine Regulierungslinie zu schaffen, in der sie in einer privilegierten Stellung verharren konnten. Diese Position der mehrheitsösterreichischen Lohnabhängige als "Primaten" bedeutete aber auch ihre weitere Entmachtung: Einerseits galt es die Positionen der Privilegierten durch Entsolidarisierung mit ihresgleichen zu verteidigen und andererseits wurde ihnen ununterbrochen ein Spiegelbild der Ausschließungsstrategien vorgeführt, das auch sie treffen kann. Einerseits nahmen die sozialliberalen Kräfte zur Kenntnis, dass die Migration stattfindet, andererseits versuchten sie auf möglichst vielen Ebenen das rassistische Prinzip des Inländerprimats einzuführen. Das Prinzip der Arbeit als Produktion von Mehrwert wird dabei nicht in Frage gestellt. Was dabei erstrebt und erreicht wird, ist eine Ungleichheit im Zugang zur Arbeit, und stellt so einen machtpolitisch sehr geschickter Schachzug der Normierung und Normalisierung beider Gruppen Lohnabhängiger dar.

In diesem Zusammenhang erlangen in den 1970er Jahren Begriffe wie "Ghetto" oder die Betonung der Gefährlichkeit von MigrantInnen Konjunktur. Das "Ghetto", das zu infrastrukturellen Problemen (nach der Meinung des Politikers und ArbeiterInnenvertreters Holztetter) führt, brächte (nach der Meinung des Sozialwissenschaftlers Dr. Spira) "politische und soziale Spannungen" . Dort steige die Kriminalität, Gewalt und die Gefahr von Aufruhr. Der Niedergang des Arbeiterviertels wird kurzerhand auf die Niederlassung der "ausländischen" Arbeitskräfte zurückgeführt. Nach diesen Meinungen sind die Ghettos – die es übrigens nie in irgendeiner Form gab - ein soziales Problem, dessen Lösung noch ansteht. Und die Lösung, die sich anbietet, ist eine rigorose Politik des Ausschlusses, verkörpert vor allem im AuslBG. Durch die Diskussion um das AuslBG gelangte auch ein neuer, bis dahin nicht so oft verwendeter, Begriff in die Öffentlichkeit: Die "Gastarbeiter" waren offiziell nicht mehr "Gastarbeiter" sondern wurden nun zu "Ausländern". Nachdem die Niederlassung der MigrantInnen bereits voll im Gang war, musste die Hoffnung auf Schutz der "Inländer" durch geschlossene Grenzen aufgegeben werden, und damit musste auch zwangsläufig die Hoffnung auf die Endlichkeit des Gästestatus begraben werden. Diese Position wurde mit einem Begriff gefestigt, mit dem sich eine weitere Ausschließung am besten verschleiern und rechtfertigen lässt. Und in der Tat ist eine der häufigsten Argumentationslinien gegen die Gleichheit der MigrantInnen im österreichischen Staat die, dass sie eben "Ausländer" sind - und nirgendwo auf der Welt haben "Ausländer" und "Inländer" gleiche Rechte. "Ausländer" sind nach diesen Vorstellungen Menschen, die nicht die Staatsbürgerschaft der MehrheitsösterreicherInnen besitzen, unabhängig davon wie lange jemand wo lebt. Diese Bezeichnung impliziert eine Nicht-Anerkennung des Status der Einwanderer. Außerdem verschwindet hinter dem neuen Begriff "Ausländer" das Wort "Arbeiter" und somit auch die Verbindung zu sozialen Leistungen. Die neue Vorstellung, die sich hier anbahnte, deutet eindeutig darauf hin, dass diese Menschen per "Herkunft" nicht hierher gehören. Von 1974 bis 1984 verringerte sich die Zahl der "Ausländer" durch die Maßnahmen der sozialliberalen Regierung Bruno Kreiskys um 40%.


Die 1990er - multikulturalistische Neustrukturierung

Die Differenzierung zwischen zwei Kategorien Menschen, für die auch zwei Rechtssysteme und Parallelarbeitsmärkte geschaffen wurden, dauerte bis Mitte der 1990er Jahre an. Mit dem Beitritt zur EU änderte sich auch diese rassistische, begriffliche Bipolarität. Die Gesetzeslage verkomplizierte sich und es wurden neue Zuschreibungen wie "EU-BürgerInnen", "Drittstaatsangehörige", "AusländerInnen deren Herkunftsstaaten ein Assoziationsabkommen mit der EU haben", "de facto Flüchtlinge" usw. gefunden. Welchen dieser Kategorien die "Ausländer" zugewiesen werden, hat weitreichende Konsequenzen für ihre alltäglichen Lebensbedingungen. Dadurch wird entschieden, ob es ein Wahlrecht gibt und auf welcher Ebene und innerhalb welcher Interessensvertretung es ausgeübt werden kann, welche Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht und wie es mit den Chancen, eine Arbeit zu bekommen und im Beruf voranzukommen, steht. Solche Differenzierungen, die unter anderem auch ein Zeichen des Verlusts der vollständigen Kontrolle seitens SPÖ und ÖGB bedeuten, zeigen auch, dass das EU-Recht über dem Nationalrecht steht. Das allerdings nur insofern, als es die "EU-BürgerInnen" und deren Angehörige betrifft. Die "Drittstaatsangehörigen" haben weiterhin den geringsten Rechtsstatus, für sie wurden während der 1990er Jahre die Einreise, der Aufenthalt und Arbeitsmöglichkeiten weiter eingeschränkt. Am besten charakterisiert diese Situation bis 01.01.2003 die im AuslBG aufgelistete Prioritätenliste für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligungen. Auf dieser Liste gab es zehn "Integrationsgrade" für MigrantInnen, d.h. eine rassistische Auflistung der verschiedenen Kategorien Menschen, die besagt, wer nach wem die Priorität der Erteilung einer legalen Arbeitsmöglichkeit innerhalb des österreichischen Staates ergattern darf. Die MigrantInnen leben somit unter ganz verschiedenen Bedingungen, je nachdem welcher juristischen Kategorie der "Ausländer" sie zugewiesen werden.

Um dieser neuen sozialen Wirklichkeit diskursiv gerecht zu werden, bedurfte es auch einer neuen ideologischen Formation. Die Formel, die dafür gefunden wurde, tauchte Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal auf und heißt: "Integration vor Neuzuwanderung". Plötzlich wurden die "lang eingesessenen" MigrantInnen als bedrohte Gruppe entdeckt und zwar nicht durch die ihnen aufoktroyierte rassistische Gesetzgebung, sondern durch die "unkontrollierte Zuwanderung". Vor allem kümmerte sich die Öffentlichkeit dabei um die Stellung der "Zweiten Generation", die unter anderem als "zerrissen in ihrer Identität" und als "tickende soziale Zeitbombe" wahrgenommen wurden. So transformiert tauchte wieder das Bedrohungspotential auf und leitete Handlungen im Bereich der Gesetzgebung ein. Dabei ist natürlich die "Integrationsfähigkeit" der Gesellschaft zu berücksichtigen, weil "das Boot" schon lange "voll" ist. Die kulturellen Unterschiede etablierten sich zum allerwichtigsten Diskussionsthema: Ganz offensiv wurden dabei die Unterschiede zwischen den Kategorien "Ausländer" und "Asylwerber" diskutiert, neu festgelegt und bewertet. Das "Asylproblem" rückte somit in den Vordergrund und es kam zu einer bis heute andauernden Verbindung des Migrationsdiskurses mit dem Sicherheitsdiskurs. Das Innenministerium drängte sich im öffentlichen Diskurs in den Vordergrund und verdrängte die Stellung, die bis dahin vom Sozialministerium eingenommen wurde (Zuser, 1996, 20). Die Themen wechselten von "Tresorknackern" aus Rumänien Anfang der 1990er bis zu "nigerianische Drogendealer", die ihre höchste Konjunktur in der - nach der Tötung des abgelehnten Asylwerbers Marcus Omofuma durch drei Polizisten durchgeführten - "Operation Spring" hatten. Der "Feind im Inneren" ist nicht mehr nur ein virtueller, im Falle des Krieges auftretender, sondern der reale, alltäglich auftretende Kriminelle.

Die Ungebundenheit, Unberechenbarkeit und kulturelle Differenz macht nun alle MigrantInnen zu potentiellen TäterInnen. Dabei besteht ein Konsens zwischen den autoritärliberalen und den sozialliberalen Parteien: generell wird davon ausgegangen, dass das Zusammenleben von Menschen verschiedener "Kulturen" für die "Gesellschaft" ein Problem darstelle. Und zwar unabhängig, ob damit die Mehrheitsangehörigen oder MigrantInnen gemeint sind. Je größer dabei der "kulturelle" Unterschied ist, umso größer ist das Problem. Die "außereuropäischen Muslime" scheinen dabei die Gruppe zu sein, die am meisten Schwierigkeiten bereitet. Die "Ausländer" sind "integrationsfähiger", je nachdem welche gesetzliche Regelung für sie vorgesehen ist. Diejenigen, die am wenigstens von Restriktionen betroffen sind, werden auch als die "integrationsfähigsten" dargestellt. Der politische öffentliche Diskurs reproduzierte sich Anfang der 90er Jahre (unter anderem im Rahmen einer Artikelserie in der Tageszeitung "Der Standard") dabei immer wieder durch die Anwesenheit von "zu vielen Ausländern". Während die Große Koalition die "Gesetze" schuf, kümmerte sich die FPÖ um die "Hetze". Um dieser Partei "den Wind aus den Segel zu nehmen", warnten die Grünen vor der "Diffamierung der Ausländer" und beschworen die Erhaltung der "Menschenrechte". Dabei vertraten die Grünen das Konzept der "multikulturellen Gesellschaft". Der Begriff "Kultur" und, mit ihm eng verknüpft, jener von "kultureller Identität" wird ein fester Bestandteil des öffentlichen politischen Diskurses. Was damit einhergeht ist eine Neudefinierung der Ein- und Ausschlusskriterien in der nationalstaatlich definierten Gesellschaft. Und je größer der Unterschied zwischen den "Kulturen" ist, umso größer sei die Gefahr eines Konflikts zwischen ihnen. Auf diesen Linien trafen sich während der 1990er Jahren alle im Parlament vertretenen Parteien, nur dass die einen darin eine "Gefahr" erblickten und die anderen trotz "Schwierigkeiten" eine "Bereicherung" für die "österreichische Kultur" witterten. Die grundsätzliche Frage nach den politischen und sozialen Rechten werden dabei von der Diskussion um die "Scheinasylanten" und "verschiedene Kulturen" aus der Öffentlichkeit und damit auch aus dem politischen Diskurs bis heute völlig verdrängt. Es verbreiterte und verbreitet sich ein kulturalistischer Rassismus, dessen Hauptcharakteristika die Unterscheidung, Bewertung und Hierarchisierung verschiedener Menschenkategorien anhand ihrer "kulturellen Herkunft" ist. Die Hierarchisierung erfolgt dabei durch die gesetzlichen Regelungen. Abschließend lässt sich konstatieren, dass sich während der 1990er Jahre und auch am Beginn des 21. Jahrhunderts der kulturalistische Rassismus fortsetzt. Die TrägerInnen davon sind im österreichischen Staat allerdings nicht mehr die gleichen. Heute ist die ÖVP die federführende Kraft hinter dem rassistischen Diskurs. Und allein der ÖVP gelingt es mittels der ihrem Konzept zugrunde liegenden Begriffe, Kategorien und Klassifizierungen, die rassistischen Ausschließungen der MigrantInnen zu definieren und damit gleichzeitig, die erforderlichen Mehrheiten für die Umsetzung ihres politischen Projektes zu erreichen. Insofern ist die ÖVP die einzige Partei im österreichischen Staat, die imstande ist, Interessensgemeinschaften und Allianzen mit diversen Interessensvertretungen und allen anderen, im Parlament vertretenen, politischen Parteien zu bilden. Somit ist es auch kein Zufall, dass diese Partei während der vergangenen Regierungsverhandlungen zunächst mit den Grünen eine Vereinbarung über die Migrationspolitik treffen konnte, um das gleiche zwei Wochen später mit der FPÖ zustande zu bringen.

Literatur

Bauböck, Rainer (1996): "Nach Rasse und Sprache verschieden" Migrationspolitik in Österreich von der Monarchie bis heute. Institut für Höhere Studien (IHS), Reihe Politikwissenschaft Nr. 31. Verfügbar unter: www.ihs.ac.at/publications/pol/pw_31.pdf
Bratic, Ljubomir (2002): Rassismus und migrantischer Antirassismus in Österreich, In: Bratic, Lj. (Hg.) Landschaften der Tat. Vermessung, Transformationen und Ambivalenzen des Antirassismus in Europa, St. Pölten.
Castel, Robert (2002): Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit, Konstanz.
Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main.
Foucault, Michel (1999): Der Wille zum Wissen, Frankfurt am Main.
Morgenstern, Christine (2002): Rassismus – Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg.
Moulier Boutang, Yann (2002): Nicht länger Reservearmee. Thesen zur Autonomie der Migration und zum notwendigen Ende des Regimes der Arbeitsmigration, In: Subtropen / Jungle World Nr. 15, 1–3.
Pelizzari, Alessandro (2003): Jenseits von Privatisierungspolitik: Perspektiven gesellschaftlicher Aneignung, In: Kurswechsel Nr. 1/2003, S61-70.
Sensenig, Eugene (1999): Reichsfremde, Staatsfremde und Drittausländer. Immigration und Einwanderungspolitik in Österreich, Salzburg.
Silverman, Maxim (1994): Rassismus und Nation. Einwanderung und Krise des Nationalstaates in Frankreich, Hamburg; Berlin.
Zuser, Peter (1996): Die Konstruktion der Ausländerfrage in Österreich, Institut für Höhere Studien (IHS), Reihe Politikwissenschaft Nr. 35. Verfügbar unter: www.ihs.ac.at/publications/pol/pw_35.pdf


1 Die zwei diskursiven Pole, die den Alltag der MigrantInnen regulieren, sind einerseits der nationalistische Rassismus von ÖGB und SPÖ, die ihre protektionistische und nationalistische, auf das mehrheitsösterreichische Klientel, orientierte Politik betreiben und andererseits die Wirtschaftskammer und ÖVP, die sich liberal geben und dabei eine Liberalität der Wirtschaft betreiben. Letztere treten für einen offenen Arbeitsmarkt ein, weil das die Löhne drückt. Insofern können wir diese beiden Positionen als zwei Seiten einer Machtbeziehung bezeichnen, in der den MigrantInnen die Rolle der Manövriermasse zugedacht wird. Es sind zwei Seiten einer Medaille.
2 "Diskursformationen setzen sich aus Aussagen zusammen, die in diskursiven Prozessen miteinander verbunden werden und einen bestimmten Sinn ergeben." (Morgenstern, 2002, 64) "Eine Diskursformation wird zur ideologische Formation (...), wenn sie nicht nur in den Auseinandersetzungen der einzelnen Subjekte um die Macht über die Anderen, sondern in den Kämpfen um die politische ideologische Führung und Hegemonie in der Gesellschaft benutzt wird. Dies bedingt durch medial verbreitete politische Propaganda, öffentliche Sanktionierung und Umsetzung in Gesetze, Institutionen, Verfahrensweise und somit in gesellschaftliche Realität einen Grad an Verbreitung und Verallgemeinerung, den andere Diskursformationen nicht erreichen können." (Morgenstern, 2002, 66)
3 Foucault (1994, 39) verdanken wir die Einsicht "dass es keine Machtbeziehung gibt, ohne dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert."
4 Der "paritätische Beirat" bei der "alljährlichen Festlegung der kontingentierten Leiharbeiter aus der Tschechoslowakei" durch das Inländerarbeiterschutzgesetz vom 1928 konstituiert, ist ein Produkt der "vorsozialpartnerschaftlichen Kompromisspolitik", die ihre direkte Fortsetzung in dem System der Sozialpartnerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg findet. (Sensenig 1999, 544-545)
5 Der biologische Rassismus ist wissenschaftlich durch den Genozid im Zweiten Weltkrieg nicht mehr relevant. Er existiert aber bis heute in der Medizin, wenn z.B. erforscht wird, dass ausgehend von den Ergebnissen der Genetik verschiedene Krankheiten bei verschiedenen Rassen vermehrt auftreten. (Der Standard, 06.03.2003)
6 Die Presse, 25.03.1972
7 Arbeiter Zeitung 14.08.1972
8 Die Presse, 12.03.1972
9 "Bei der Verwendung von Gastarbeitern habe Österreich bereits "den Plafond" erreicht, erklärte Bundeskanzler Dr. Kreisky am Sonntag. Dies bedeute in der Praxis, daß man bemüht sein werde, das Problem der illegalen Gastarbeitern durch verschärfte Kontrollen und eine entsprechende Gesetzgebung zu lösen." (Arbeiter Zeitung, 02.12.1973) Hervorgehoben von Lj. Brati_
10 Damit tauchte dieser, heute zentrale, Regulierungsmechanismus für MigrantInnen zum ersten Mal als Forderung seitens der Wirtschaft auf, lange bevor die Grünen und die SPÖ sie übernahmen.
11 Die Presse, 03.04.1971
12 Arbeiter Zeitung, 14.01.1972
13 "... die Autonomie der Migration zeigt sich in ihrer Selbständigkeit gegenüber der politischen Maßnahmen, die darauf zielen, sie zu kontrollieren. Migration unter dem Gesichtspunkt ihrer Autonomie zu betrachten, bedeutet, die sozialen und subjektiven Dimensionen der Migrationsbewegungen zu betonen." (Moulier Boutang 2002, 1)
14 Mit dem Begriff "Ghetto" taucht wieder die Idee der "gefährlichen Klasse" auf. (Silverman, 1994, 109) Es ist eine diskursive Linie, die sich von tatsächlich existierenden Arbeiterklasse-Ghettos im 19. Jahrhundert bis zu nicht-existenten, aber umso wirksameren Ghettos der MigrantInnen am Beginn der 1970er Jahre im österreichischen Staat, zieht. Vgl. dazu "Gastarbeiter zwischen Schmutz und Ratten" in der Presse vom 14.09.1974.
15 Sozialwissenschaftler Dr. Leopold Spira am 15.05.1974 in Arbeiter Zeitung: "Es liege im österreichischen Interesse, soziale und politische Spannungen nicht anwachsen zu lassen, sondern ihnen rechtzeitig entgegen zu wirken."; Der leitende Sekretär des ÖGB-Abgeordneten Erich Holztetter gibt als Begründung für den einstimmigen Beschluss des AuslBG im Parlament am 21.03.1975 in der Wiener Zeitung an: "Ein solches Aufblähen des Arbeitsmarktes mit Ausländern bringe (...) eine Fülle von Problemen mit sich – etwa solche auf dem Gebiet der Infrastruktur".