Diskurs und Ideologie des Rassismus im österreichischen Staat
Ljubomir Bratic
(aus Kurswechsel 2/2003)
Rassismus ist heutzutage nicht mehr entlang der biologistischen Leitlinien definiert,
sondern kommt aus der Mitte der Gesellschaft, indem die "Fremden"
als eine grundsätzliche und für alle Zeit "andere" Kategorie
Menschen konstruiert werden. Die "Fremden" haben nach dieser ideologischen
Formation unbekannte und nicht einzuschätzende kollektive Absichten und
Interessen. Und ihre Anwesenheit ist für das sonst friedliche und gesittete
Gemeinwesen des "österreichischen Volkes" eine permanente und
unkalkulierte Bedrohung. Dieser ideologische Konsens steht hinter allen Beurteilungen
der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation im österreichischen
Staat. Daraus werden Schlüsse gezogen, die zu Gesetzen und somit zu Alltagsregulativen
der MigrantInnen führen. Alle machtrelevanten gesellschaftlichen Kräfte
teilen ihn und ringen gleichzeitig im öffentlichen Diskurs um schlüssige
Deutungen der relevanten Ereignisse. Die Charakteristika dieser ideologischen
Formation im österreichischen Staat können mit folgenden Punkten skizziert
werden: Erstens besteht ein gesetzliches Kontinuum der rassistischen Ausschließungsmaßnahmen
in der Ersten Republik, Ostmark und Zweiter Republik. Zweitens sind die TrägerInnen
dieses rassistischen Diskurses sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten
Republik die Parteien und Interessensvertretungen, die üblicherweise für
sich die Bezeichnung "links" beanspruchen. Drittens brauchen sich
in dieser Situation die autoritärliberalen Parteien und die wirtschaftlichen
Interessensvertretungen überhaupt nicht um Restriktionen gegenüber
MigrantInnen bemühen. Sie konzentrieren sich auf die Unterstützung
der Betriebe, indem sie eine Liberalisierung der Migrationspolitik fordern oder
auf die strikte Ablehnung einer Änderung des jus sanginis und Verhinderung
jeglicher Reform des Staatsbürgerschaftsrechts beharren . Viertens kommt
es mit Anfang des Endes der fordistischen Wirtschaftsformation (ca. Anfang der
siebziger Jahre) auch zum Beginn der Erosion des linksliberalen und proletarischen
Rassismus. Mit dem Beginn der weltweiten Verbreitung des Neoliberalismus und
den Auswirkungen der Anatomie der Migration (Familienzusammenführung, migrantische
Netzwerke usw.) wird der Protektionismus und Nationalismus des ÖGB und
der SPÖ langsam aber sicher verdrängt - trotz ihrer weiteren, bis
in die 1990er Jahren erfolgreichen Kraftanstrengungen, die Themenvorherrschaft
zu behalten. Und fünftens transformiert sich dieser Rassismus seit Mitte
der 1980er Jahre (im Bewusstsein des naheliegenden EU-Beitritts) und übernimmt
allgemeine europäische multikulturalistische Züge.
Die HauptträgerInnen dieser ideologischen Formation sind die SPÖ und
der ÖGB bis in die 1990er Jahre. Ab Mitte der 1980er Jahre werden mit dem
Rechtsruck der FPÖ unter Jörg Haider und dem Einzug der Grünalternativen
Partei ins Parlament diese Trägerpositionen der dominanten rassistischen
Ideologieformation zunehmend bekämpft und in Frage gestellt, bis sie Anfang
des neuen Jahrhunderts in der Hand der ÖVP landen.
Die ideologische Formation
Innerhalb eines seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs formierten Konsenses blieb
der Begriff Rassismus lange vollständig aus dem offiziellen Diskurs ausgeschlossen.
Dieser Ausschluss bewirkte, dass auch keine Auseinandersetzungen über die
Inhalte und den Einfluss des Antisemitismus, Antislawismus usw. auf die sozialen
Verhältnisse, in denen diese Ideologie zuvor noch allgemein reproduziert
wurde, stattfanden. Offiziell wurde über die Kategorien, Zuschreibungen,
Klassifikationen und Bewertungen geschwiegen, die diese ideologische Formation
ausgemacht hatten. Die Frage, die sich dabei zwangsläufig stellt, ist:
Wurde rassistische Ideologie im österreichischen Staat nicht mehr reproduziert?
Das Verschwinden des Begriffes "Rasse" aus dem öffentlichen Diskurs
könnten wir als ein Zeichen dafür deuten. Nun aber kann, wie Morgenstern
(2002, 228) zeigt, eine Bevölkerungsgruppe auch ohne Verwendung des Begriffs
"Rasse" rassistisch konstituiert werden. Durch die Abgrenzung zur
Deutschtümelei der früheren Parteien konstituierte sich langsam eine
"österreichische Nation". Diese übernahm die Funktion einer
von anderen "Nationen" grundsätzlich verschiedenen, sich autark
kulturell und sprachlich reproduzierenden Einheit von Menschen, die eine gemeinsame
Lebensweise und ein Schicksal teilen und in unterschiedlichen Konkurrenzgraden
zu anderen "Schicksalsgemeinschaften" stehen. Bezugnehmend auf eine
solche ideologische Formation kann Angehörigen "fremder" Gemeinschaften
nur unterstellt werden, ihnen mangle es zwangsläufig an kultureller Zugehörigkeit
und natürlich Loyalität zum Gemeinwesen. Dabei bilden sie ein Gefahrenpotenzial,
das staatlich überwacht, kontrolliert und reglementiert werden muss. Das
ist der Konsens, der bis heute hinter den politischen Handlungen aller machtrelevanten
Parteien im österreichischen Staat steht und der zu einer ganz bestimmten
öffentlichen Darstellung der MigrantInnen führte. Diese Macht/Wissen
, die als Gesetz kodifiziert ist, hat entscheidende Auswirkungen auf das alltägliche
Leben der Menschen und wird dementsprechend als wichtige Botschaft von den Medien
reproduziert. Die Frage beispielsweise, welche Aufgaben öffentlich organisiert
werden, hängt davon ab, welche Bedürfnisse in Form von Forderungen
von Einzelnen und von Gruppen artikulationsfähig sind und welche Allianzen
sich für oder gegen diese Bedürfnisse und deren Befriedung in der
Gesellschaft knüpfen lassen (Pelizzari, 2003, 63). Die Äußerungen
der PolitikerInnen verfolgen dabei vor allem das Ziel, die anderen Machtgruppen
zu erreichen. Diese sollen darin enthaltene Deutungsmuster übernehmen und
sich - bewegt durch materielle oder ideelle Interessen - an der weiteren ideologischen
Reproduktion des damit verbundenen politischen Projekts beteiligen. Falls es
den PolitikerInnen gelingt, die ihrem Konzept zugrunde liegenden Begriffe, Kategorien
und Klassifizierungssysteme des politischen Diskurses zu dominieren, erreichen
sie in der Folge gleichzeitig die erforderlichen Mehrheiten für die Umsetzung
ihres politischen Projektes. Die Problemdefinition und die Lösungskonzepte
gehen dann von diesem Kompetenzvorsprung aus und erreichen in der Öffentlichkeit
und über die Parteigrenzen hinweg Unterstützung für das eigene
Vorhaben.
Nun stehen bei dem Thema Migration jeweils wesentliche Bestandteile der allgemeinen
ideologischen Grundlagen des Nationalstaates zur Diskussion. Insofern erhalten
die Äußerungen der PolitikerInnen, die medial transportiert werden,
die ideologische Formation, aus denen der politische Konsens besteht und die
die Grenzen des herrschenden Diskurses markieren.
Die politischen Diskurse, welche MigrantInnen als AußenseiterInnen kennzeichnen,
markieren nicht nur, wie Bauböck (1996) argumentiert, die Grenzen einer
"unsicheren" nationalen Identität und dienen nicht allein dazu,
das weltanschauliche Profil der Parteien zu schärfen, sondern führen
zu einer der zentralen Möglichkeiten der politischen Handlung innerhalb
des nationalstaatliches Gebildes: zur Bildung der Interessensgemeinschaften
und Allianzen.
Die 1960er - Hegemonie und Inländerschutz
Bis Anfang der 1960er Jahre blieb im öffentlichen Diskurs des Politischen
unbemerkt, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen neue Minderheiten im österreichischen
Staat schafften.
Im Anschluss an die Einsicht Foucaults (1999, 197), dass Macht dann am stärksten
ist, wenn sie ihre Mechanismen verbirgt, lässt sich behaupten, dass diese
Zeit bislang die einzige war,
in der die PolitikerInnen der Zweiten Republik eine vollständige Hegemonie
über diese Problematik herstellen konnten. Durch die Beharrung der Sozialdemokratie,
des ÖGB und der KPÖ auf der Fortsetzung des Prinzips des Inländerschutzes
aus der Zeit der Ersten Republik wurden nach dem Krieg die notwendigen geschichtlichen
Kontinuitäten von rassistischer Ausschließungspolitik geschaffen.
Diese Politik wurde durch die Neubelebung der Idee der Sozialpartnerschaft Ende
der fünfziger Jahre praktisch bis Anfang der siebziger Jahren im Verborgenen
- außerhalb des Parlaments und jenseits jeglicher demokratischer Legitimität
- diktiert. Die wichtigsten Charakteristika dieser Politik stellen vor allem
die Art und Weise ihrer Erarbeitung dar, nämlich die Parität. (Sensenig,
1999, 585) Diese wurde im Rahmen des Raab-Olah-Abkommens von 1961 in Form der
außerparlamentarischen Paritätischen Kommission besiegelt. Wie Sensenig
(1999, 610) beschreibt, hatte dies unter anderem zur Folge, dass die nächsten
12 Jahren ohne Kontrolle durch die gewählten Volksvertreter und ohne gesetzliche
Basis Einwanderungspolitik zwischen der Paritätischen Kommission einerseits
und dem Sozialministerium, Innenministerium und Außenministerium andererseits
informell entwickelt und vollzogen wurde. Das "Anwerbesystem" aus
den Herkunftsländern war dabei als preisgünstiges Provisorium für
die Behebung vorübergehender Engpässe auf dem "österreichischen"
Arbeitsmarkt konzipiert. Offiziell galt die Rotation als Annahme, d.h. der politische
Wille "Fremdarbeiter" aufzunehmen wurde durch die wirtschaftliche
Konjunktur untermauert. In diesem Zusammenhang wurde vermutet, dass die "ausländischen"
Arbeitskräfte bei nachlassender Konjunktur durch die Beendigung des Aufenthalts
rasch reduziert werden könnten. Die juristische Grundlage für den
Aufenthalt von "Ausländern" im österreichischen Staat bildete
das auf die nazideutsche "Ausländerpolizeiverordnung" von 1938
aufbauende "Fremdenpolizeigesetz" von 1954. Somit waren der Umgang
mit MigrantInnen weitgehend dem Ermessen der Behörden überlassen,
die mit ausreichend Entscheidungsspielraum ausgestattet waren. Das Recht sah
keine Position für "Ausländer" vor, geschweige denn einen
Rechtsanspruch gegenüber staatlichen Institutionen. Als "Ausländer"
war damals wie auch heute der/diejenige zu betrachten, die nicht eingebürgert
würde. Dabei ist irrelevant, wie lange jemand im österreichischen
Staat lebt oder ob er/sie bereits auf dem Territorium dieses Staates geboren
wurde. "Dieses Festhalten am puren ius sanginius und der Ausschließlichkeit
der Bindung an den österreichischen Staat charakterisiert eine Grundhaltung:
Die rechtliche Trennlinie zwischen Einwanderern und Einheimischen wird durch
die Regeln des Erwerbs der Staatsbürgerschaft unzweideutig gezogen."
(Bauböck 1996, 16) Eine nennenswerte Diskussion über die rechtlichen
Ausschlussregelungen für die MigrantInnen gab es nicht und eine Auseinandersetzung
über die soziopolitischen Auswirkungen der Anwerbung gab schon gar nicht.
In den wenigen Aussagen zu diesem Thema wurden die MigrantInnen als "Fremdarbeiter"
bezeichnet. Beständig wurde dabei der "Gästestatus" dieser
"Arbeitskräfte" betont. Ein Status, der nach einer verbreiterten
Meinung ein besonderes Privileg darstellte und folglich zu keinen Ansprüchen
aus den von ihnen bezahlten Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung
führen durfte. Dieses Privileg hatten MigrantInnen noch dazu mit Billigsein,
Nützlichsein und Anspruchslosigkeit zu bezahlen. Dass zu diesen Verhaltensweisen
auch Schmutzigsein, Einfachheit und Unterwerfung zählte, stellte eine gewisse
Erweiterung des Spektrum der rassistischen Zuschreibungen zusätzlich zu
jenen von der Wirtschaftskammer und dem ÖGB offiziell gewünschten
dar. Das gesetzliche Korsett, das diese und ähnliche Zuschreibungen ermöglichte
und hervorrief, stellte niemand in Frage. So verband sich mit der Definition
"Gastarbeiter" die Vorstellung, dass die Zugehörigkeit zur österreichischen
Nation ein Spiegelbild dieser Eigenschaften darstellt. Die MehrheitsösterreicherInnen
in den Heimatfilmen der sechziger Jahre sind meist gescheit, anspruchsvoll,
sauber, schlau und nicht unterwürfig.
Gleichzeit wurden aber diese MigrantInnen wegen ihrer Illoyalität gegenüber
dem österreichischen Staat und seiner Institutionen strenger überwacht,
kontrolliert und reglementiert. Geschichtliche Erklärungsgründe dafür
fand man in den nationalen Auseinandersetzungen innerhalb der Monarchie und
danach in der Ersten Republik. Der vorrangige Anknüpfungspunkt war dabei
der Versuch, einen "Feind im Inneren" zu vermeiden, der eine Gefahr
darstellte. Diese "Fremden" waren einfach, ungebildet, nahmen in einem
fremden Land fern von der Heimat niedrig entlohnte, schmutzige Arbeiten an,
akzeptieren primitive Unterkünfte und konnten aufgrund ihrer Ungebundenheit
auch gefährlich sein. Diese Vorstellung, die vor nicht so langer Zeit,
während der frühen Phase des Kapitalismus, den Armen und Arbeitslosen
galt, setzte sich an einem anderen Platz in der Gesellschaft fest. Dieses Mal
traf sie mit ähnlichen Konsequenzen die MigrantInnen (Castel 2000, 88).
Wenn "die Fremden" eine Bedrohung für die innere Sicherheit waren,
warum machten es sich die EntscheidungsträgerInnen dann allerdings nicht
leicht und wiesen sie aus? Mögliche Beispiele für solche Vorgangsweise
kann man bis heute z.B. in Saudi Arabien finden. Die Erklärung, dass die
Rahmenbedingungen der freien Marktwirtschaft und der liberalen Verfassungsdemokratien
diese Art der "Strukturbereinigung" prinzipiell verunmöglichen,
mag nur ein Teil davon sein (Bauböck 1996, 13). Ganz sicher ist aber, dass
die MigrantInnen durch die Rolle, die sie im Wirtschaftssystem einnehmen - ähnlich
der Position, die die Armen und Ausgeschlossenen in früheren Jahrhunderten
für die Herausbildung der nationalstaatlichen Gebilde hatten – einen
wesentlichen Teil ebendavon ausmachen. So wie die Armen notwendig waren, um
durch ihre Arbeit den Reichtum der Nationalstaaten zu vergrößern,
so sind es heute die MigrantInnen aus der Peripherie, die diese Rolle für
das Zentrum zu erfüllen haben. Es besteht eine Beziehung der Reziprozität
zwischen den gesellschaftlichen Positionen der wachsenden Mittelklasse und der
MigrantInnen und insofern können wir sie nicht autonom voneinander denken.
Dem öffentlichen politischen Diskurs der Regelungen lag ein rassistischer
Konsens zugrunde, der eine rassistische ideologische Formation beinhaltete.
Die These, dass die Menschen in verschiedene konstante Kategorien fallen, die
über unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten verfügen,
ist aus dem Diskurs über Armut und dem über biologischen Rassismus
erhalten geblieben. Nun redet dabei niemand mehr über die "Rasse",
vielmehr wird der gleiche Inhalt in den Begriff "Herkunft" gepackt.
Postuliert wird dabei, dass die "Angehörigen" anderer "Völker"
immer das Interesse "ihrer" Gemeinschaft verfolgen, sei es im Zuge
eines militärischen Konflikts, wo sie sich leicht zu einer "fünften
Kolonne" entwickelt würden oder in Form des Abflusses der nationalen
Geldreserven, die seitens der "Gastarbeiter" ihren Angehörigen
in den Herkunftsländer geschickt werden. Dabei gibt es zwei Kategorien
Menschen, die "österreichischen" und jene "fremder"
Abstammung. An diesen Kategorien, die unter anderem mit dem Schutz der eigenen
"Abstammungsgemeinschaft" gerechtfertigt werden, knüpfen alle
Regelungen zur Migration im österreichischen Staat an. Darin gründet
sich vor allem die Tatsache der parallelen Rechtssysteme und Arbeitsmärkte,
in denen sich diese zwei grundsätzlich voneinander zu unterscheidenden
menschlichen Spezies zu bewegen haben. An dieser Grundvorstellung hat sich bis
heute nichts geändert.
Die 1970er - Inländerschutz und Inländerprimat
Anfang der siebziger Jahre kam es zu ersten längeren, diskursiven Auseinandersetzungen
über die Kosten und Nutzen der Beschäftigung von MigrantInnen. Plötzlich
kamen Themen wie "Gastarbeiterschmuggel" , "Slumbildung am Stadtrand"
und "Ghetto" auf die politische und mediale Tagesordnung. Am 06.02.1974
titelte die Kronen Zeitung "Kein Gastarbeiter darf den Arbeitsplatz eines
Österreichers in Zukunft gefährden" und im Artikel wird der SPÖ-Sozialminister
Häuser mit der Aussage zitiert, dass die "Österreicher"
durch die Beschäftigung von "Gastarbeitern" niemals einen Nachteil
erleiden werden dürfen. Die sozialliberale Regierung unter Bruno Kreisky
entdeckte nun, dass die, angesichts der de facto stattfindenden Einwanderung
lange verschwiegene Tatsache der Notwendigkeit zusätzlicher sozialer Infrastruktureinrichtungen
akut zu werden begann. Das öffentliche Wörterbuch entsprach nicht
mehr den tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen. Der "Plafond"
, wie Kreisky es damals ausdrückte, wurde erreicht und es bedurfte einer
Tat. Durch die Verkoppelung der restriktiven Einreise-, Aufenthalts- und Rückreisebestimmungen
war auch ein aktives Eingreifen durch den ÖGB jederzeit gewährleistet.
(Sensenig 1999, 613) Als Resultat dieses Eingreifens führte die sozialliberale
Alleinregierung in Allianz mit dem ÖGB eine massive, vergleichsweise die
größte europäische Vertreibung der MigrantInnen aus dem österreichischen
Staat durch. Der Glaube an die Volkswirtschaft gewann eindeutig Primat über
die Betriebswirtschaft und setzte den in der Partei der SPÖ und der Interessensvertretung
ÖGB bestehenden Antiinternationalismus und die Ablehnung des Prinzips der
Solidarität außerhalb der engen nationalstaatlichen Grenzen fort.
Das waren allerdings die letzten verzweifelten Versuche, das eigene Klientel,
die mehrheitsösterreichischen Lohnabhängigen, mittels rassistischem
Protektionismus auf Kosten der MigrantInnen vor der gerade antretenden neoliberalen
Welle zu schützen. Die "ausländischen" ArbeitnehmerInnen
wurden mittlerweile in den Medien für die "österreichische"
Gesellschaft nur als eine soziale Belastung dargestellt; eine Belastung, die
zu sozialen Konflikten führen kann. Die Lösung ist Begrenzung, Ausweisung
und "Zuzugsstopp". Zu diesem Zuzugsstopp kam es im Jahr 1973. Den
Hintergrund dafür bot vordergründig der sogenannte "Ölschock"
und die daraus entstandene Konjunkturflaute. So übertrug diese, sonst für
ihre sozialen Errungenschaften bis heute gefeierte, Regierung in einem noch
nie da gewesenen Ausmaß die Verantwortung für die wirtschaftliche
Fehlentwicklung (vor allem für den raschen Anstieg der Arbeitslosenquoten)
auf die MigrantInnen. Die Lösung, die sich anbot und der alle entscheidenden
Machtzentren der Gesellschaft zustimmten, war die Vertreibung "ausländischen"
KollegInnen von ihren Arbeitsplätzen. Ein Säuberungsprojekt für
den Arbeitsmarkt, für das die sozialliberale Regierung unter der SPÖ
die alleinige Verantwortung trug.
Diese rassistische Vorgangsweise war allerdings nichts anderes als eine Reaktion
auf die tatsächlich stattfindende Einwanderung. Während die PolitikerInnen
und die Öffentlichkeit davon ausgingen, dass die "Gastarbeiter"
bald in ihre "Heimatländer" zurückkehren würden, holten
immer mehr von diesen Menschen ihre Familien nach und situierten damit einen
nicht mehr "rück zu bringenden" Prozess. Seitens der Wirtschaft
fand dieser Prozess unter anderem deswegen Unterstützung, weil die Betriebe
kein Interesse zeigten, alle paar Jahre neue ArbeiterInnen aufzunehmen, zu schulen
und zu versorgen. Die Industriellenvereinigung hatte sich beispielsweise schon
sehr früh mit der tatsächlichen Lage der MigrantInnen beschäftigt
und Vorschläge für eine "Integration" , unter anderem zur
Verbesserung der Wohnungslage , gemacht. So war es auch die Industriellenvereinigung,
die die erste Zeitung für "Gastarbeiter" in ihrer Muttersprache
(auf türkisch) herausgab .
Die Reaktion der auf dem Gipfel ihrer Macht stehenden sozialliberalen SPÖ
und des nationalistischen ÖGB war drastisch. Sie war aber eine Reaktion,
die letztlich ihre Hilflosigkeit angesichts der tatsächlich stattfindenden
sozialen Prozesse zeigte. Und es offenbarte sich eine eindeutige, bis heute
wirkende Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realitäten. Somit
können wir hier festhalten, dass alle (auch die späteren) Versuche
der Sozialliberalen, durch Gesetze auf die stattfindende Migration einzuwirken,
die Autonomie der Migration als Voraussetzung nicht mitgedacht hatten. Die Aktionen
der sozialliberalen SPÖ vollziehen sich bis heute in der Vorantreibung
und lückenlosen Zustimmung zum Projekt "Festung Europa" (situiert
im Schengener Abkommen vom 1985). Die Initiative lag aber schon Anfang der 1970er
nicht mehr auf der Seite der SPÖ und ÖGB. Die Autonomie der Migration
wird auch in enge Verbindung mit dem Begriff "migrantischer Widerstand"
gebracht. Der größte Erfolg dieses Widerstands ist, wie August Gächter
es in einer internen Diskussionsrunde ausdrückte, vor allem die Tatsache,
dass die MigrantInnen trotz allem weiter hier sind. Trotz Überwachungen,
Repressionen, Vertreibungen und Kontrollmechanismen haben es die MigrantInnen
geschafft, sich auf Dauer einzurichten. Diese neu entstandenen Bedingungen führen
innerhalb der parlamentarischen Demokratie zu einer politischen und diskursiven
Auseinandersetzung, innerhalb deren der bestehende rassistische Konsens aktualisiert
wird. Genau das geschah in der ersten Hälfte der 1970er Jahren im österreichischen
Staat. Es kam zu einer diskursiven Verschiebung, die am besten durch die Ablösung
des Begriffes "Inländerschutz" mit dem des "Inländerprimats"
charakterisiert ist.
Den Mittelpunkt des Rassismus im österreichischen Staat bildete die Teilung
des Arbeitsmarktes in zwei Segmente. In den Jahren 1921 bis 1923 verabschiedete
sich nach Sensenig die freie Gewerkschaft, die sozialdemokratische Partei Deutschösterreichs
und die neugegründete Arbeiterkammer vom Gedanken des Internationalismus:
"Mit dem Versuch, eine sozial gerechte und demokratisch gestaltete Gesellschaft
für alle Inländer deutscher Sprache und Rasse zu schaffen, werden
Ausländer und Nichtdeutsche grundsätzlich aus der österreichischen
Gesellschaft ausgegrenzt." (Sensenig 1999, 587) Das "Ausländerbeschäftigungsgesetz"
(AuslBG) von 1975 ist nur der Versuch einer konsequenten Fortführung dieser
Politik, wobei das zentrale Prinzip im Konzept des Inländerprimats zu finden
ist. Das Konzept des "Inländerprimats" stellte eine Neuerung
in der Regulierung der MigrantInnen dar. In der Abhängigkeit von den wirtschaftlichen
Konjunkturen und Interessen der mehrheitsösterreichischen Lohnabhängigen
wurde 1975 das bis dahin geltende Prinzip des "Inländerschutzes"
ersetzt. Wenn die mehrheitsösterreichischen Lohnabhängigen nicht mehr
grundsätzlich geschützt werden konnten, unter anderem aufgrund der
neoliberalen Deregulierung der nationalen Arbeitsmärkte als Reaktion auf
die Krise der fordistischen Produktionsweise, dann galt es zumindest eine Regulierungslinie
zu schaffen, in der sie in einer privilegierten Stellung verharren konnten.
Diese Position der mehrheitsösterreichischen Lohnabhängige als "Primaten"
bedeutete aber auch ihre weitere Entmachtung: Einerseits galt es die Positionen
der Privilegierten durch Entsolidarisierung mit ihresgleichen zu verteidigen
und andererseits wurde ihnen ununterbrochen ein Spiegelbild der Ausschließungsstrategien
vorgeführt, das auch sie treffen kann. Einerseits nahmen die sozialliberalen
Kräfte zur Kenntnis, dass die Migration stattfindet, andererseits versuchten
sie auf möglichst vielen Ebenen das rassistische Prinzip des Inländerprimats
einzuführen. Das Prinzip der Arbeit als Produktion von Mehrwert wird dabei
nicht in Frage gestellt. Was dabei erstrebt und erreicht wird, ist eine Ungleichheit
im Zugang zur Arbeit, und stellt so einen machtpolitisch sehr geschickter Schachzug
der Normierung und Normalisierung beider Gruppen Lohnabhängiger dar.
In diesem Zusammenhang erlangen in den 1970er Jahren Begriffe wie "Ghetto"
oder die Betonung der Gefährlichkeit von MigrantInnen Konjunktur. Das "Ghetto",
das zu infrastrukturellen Problemen (nach der Meinung des Politikers und ArbeiterInnenvertreters
Holztetter) führt, brächte (nach der Meinung des Sozialwissenschaftlers
Dr. Spira) "politische und soziale Spannungen" . Dort steige die Kriminalität,
Gewalt und die Gefahr von Aufruhr. Der Niedergang des Arbeiterviertels wird
kurzerhand auf die Niederlassung der "ausländischen" Arbeitskräfte
zurückgeführt. Nach diesen Meinungen sind die Ghettos – die
es übrigens nie in irgendeiner Form gab - ein soziales Problem, dessen
Lösung noch ansteht. Und die Lösung, die sich anbietet, ist eine rigorose
Politik des Ausschlusses, verkörpert vor allem im AuslBG. Durch die Diskussion
um das AuslBG gelangte auch ein neuer, bis dahin nicht so oft verwendeter, Begriff
in die Öffentlichkeit: Die "Gastarbeiter" waren offiziell nicht
mehr "Gastarbeiter" sondern wurden nun zu "Ausländern".
Nachdem die Niederlassung der MigrantInnen bereits voll im Gang war, musste
die Hoffnung auf Schutz der "Inländer" durch geschlossene Grenzen
aufgegeben werden, und damit musste auch zwangsläufig die Hoffnung auf
die Endlichkeit des Gästestatus begraben werden. Diese Position wurde mit
einem Begriff gefestigt, mit dem sich eine weitere Ausschließung am besten
verschleiern und rechtfertigen lässt. Und in der Tat ist eine der häufigsten
Argumentationslinien gegen die Gleichheit der MigrantInnen im österreichischen
Staat die, dass sie eben "Ausländer" sind - und nirgendwo auf
der Welt haben "Ausländer" und "Inländer" gleiche
Rechte. "Ausländer" sind nach diesen Vorstellungen Menschen,
die nicht die Staatsbürgerschaft der MehrheitsösterreicherInnen besitzen,
unabhängig davon wie lange jemand wo lebt. Diese Bezeichnung impliziert
eine Nicht-Anerkennung des Status der Einwanderer. Außerdem verschwindet
hinter dem neuen Begriff "Ausländer" das Wort "Arbeiter"
und somit auch die Verbindung zu sozialen Leistungen. Die neue Vorstellung,
die sich hier anbahnte, deutet eindeutig darauf hin, dass diese Menschen per
"Herkunft" nicht hierher gehören. Von 1974 bis 1984 verringerte
sich die Zahl der "Ausländer" durch die Maßnahmen der sozialliberalen
Regierung Bruno Kreiskys um 40%.
Die 1990er - multikulturalistische Neustrukturierung
Die Differenzierung zwischen zwei Kategorien Menschen, für die auch zwei
Rechtssysteme und Parallelarbeitsmärkte geschaffen wurden, dauerte bis
Mitte der 1990er Jahre an. Mit dem Beitritt zur EU änderte sich auch diese
rassistische, begriffliche Bipolarität. Die Gesetzeslage verkomplizierte
sich und es wurden neue Zuschreibungen wie "EU-BürgerInnen",
"Drittstaatsangehörige", "AusländerInnen deren Herkunftsstaaten
ein Assoziationsabkommen mit der EU haben", "de facto Flüchtlinge"
usw. gefunden. Welchen dieser Kategorien die "Ausländer" zugewiesen
werden, hat weitreichende Konsequenzen für ihre alltäglichen Lebensbedingungen.
Dadurch wird entschieden, ob es ein Wahlrecht gibt und auf welcher Ebene und
innerhalb welcher Interessensvertretung es ausgeübt werden kann, welche
Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht und wie es mit den Chancen, eine
Arbeit zu bekommen und im Beruf voranzukommen, steht. Solche Differenzierungen,
die unter anderem auch ein Zeichen des Verlusts der vollständigen Kontrolle
seitens SPÖ und ÖGB bedeuten, zeigen auch, dass das EU-Recht über
dem Nationalrecht steht. Das allerdings nur insofern, als es die "EU-BürgerInnen"
und deren Angehörige betrifft. Die "Drittstaatsangehörigen"
haben weiterhin den geringsten Rechtsstatus, für sie wurden während
der 1990er Jahre die Einreise, der Aufenthalt und Arbeitsmöglichkeiten
weiter eingeschränkt. Am besten charakterisiert diese Situation bis 01.01.2003
die im AuslBG aufgelistete Prioritätenliste für die Erteilung der
Beschäftigungsbewilligungen. Auf dieser Liste gab es zehn "Integrationsgrade"
für MigrantInnen, d.h. eine rassistische Auflistung der verschiedenen Kategorien
Menschen, die besagt, wer nach wem die Priorität der Erteilung einer legalen
Arbeitsmöglichkeit innerhalb des österreichischen Staates ergattern
darf. Die MigrantInnen leben somit unter ganz verschiedenen Bedingungen, je
nachdem welcher juristischen Kategorie der "Ausländer" sie zugewiesen
werden.
Um dieser neuen sozialen Wirklichkeit diskursiv gerecht zu werden, bedurfte
es auch einer neuen ideologischen Formation. Die Formel, die dafür gefunden
wurde, tauchte Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal auf und heißt: "Integration
vor Neuzuwanderung". Plötzlich wurden die "lang eingesessenen"
MigrantInnen als bedrohte Gruppe entdeckt und zwar nicht durch die ihnen aufoktroyierte
rassistische Gesetzgebung, sondern durch die "unkontrollierte Zuwanderung".
Vor allem kümmerte sich die Öffentlichkeit dabei um die Stellung der
"Zweiten Generation", die unter anderem als "zerrissen in ihrer
Identität" und als "tickende soziale Zeitbombe" wahrgenommen
wurden. So transformiert tauchte wieder das Bedrohungspotential auf und leitete
Handlungen im Bereich der Gesetzgebung ein. Dabei ist natürlich die "Integrationsfähigkeit"
der Gesellschaft zu berücksichtigen, weil "das Boot" schon lange
"voll" ist. Die kulturellen Unterschiede etablierten sich zum allerwichtigsten
Diskussionsthema: Ganz offensiv wurden dabei die Unterschiede zwischen den Kategorien
"Ausländer" und "Asylwerber" diskutiert, neu festgelegt
und bewertet. Das "Asylproblem" rückte somit in den Vordergrund
und es kam zu einer bis heute andauernden Verbindung des Migrationsdiskurses
mit dem Sicherheitsdiskurs. Das Innenministerium drängte sich im öffentlichen
Diskurs in den Vordergrund und verdrängte die Stellung, die bis dahin vom
Sozialministerium eingenommen wurde (Zuser, 1996, 20). Die Themen wechselten
von "Tresorknackern" aus Rumänien Anfang der 1990er bis zu "nigerianische
Drogendealer", die ihre höchste Konjunktur in der - nach der Tötung
des abgelehnten Asylwerbers Marcus Omofuma durch drei Polizisten durchgeführten
- "Operation Spring" hatten. Der "Feind im Inneren" ist
nicht mehr nur ein virtueller, im Falle des Krieges auftretender, sondern der
reale, alltäglich auftretende Kriminelle.
Die Ungebundenheit, Unberechenbarkeit und kulturelle Differenz macht nun alle
MigrantInnen zu potentiellen TäterInnen. Dabei besteht ein Konsens zwischen
den autoritärliberalen und den sozialliberalen Parteien: generell wird
davon ausgegangen, dass das Zusammenleben von Menschen verschiedener "Kulturen"
für die "Gesellschaft" ein Problem darstelle. Und zwar unabhängig,
ob damit die Mehrheitsangehörigen oder MigrantInnen gemeint sind. Je größer
dabei der "kulturelle" Unterschied ist, umso größer ist
das Problem. Die "außereuropäischen Muslime" scheinen dabei
die Gruppe zu sein, die am meisten Schwierigkeiten bereitet. Die "Ausländer"
sind "integrationsfähiger", je nachdem welche gesetzliche Regelung
für sie vorgesehen ist. Diejenigen, die am wenigstens von Restriktionen
betroffen sind, werden auch als die "integrationsfähigsten" dargestellt.
Der politische öffentliche Diskurs reproduzierte sich Anfang der 90er Jahre
(unter anderem im Rahmen einer Artikelserie in der Tageszeitung "Der Standard")
dabei immer wieder durch die Anwesenheit von "zu vielen Ausländern".
Während die Große Koalition die "Gesetze" schuf, kümmerte
sich die FPÖ um die "Hetze". Um dieser Partei "den Wind
aus den Segel zu nehmen", warnten die Grünen vor der "Diffamierung
der Ausländer" und beschworen die Erhaltung der "Menschenrechte".
Dabei vertraten die Grünen das Konzept der "multikulturellen Gesellschaft".
Der Begriff "Kultur" und, mit ihm eng verknüpft, jener von "kultureller
Identität" wird ein fester Bestandteil des öffentlichen politischen
Diskurses. Was damit einhergeht ist eine Neudefinierung der Ein- und Ausschlusskriterien
in der nationalstaatlich definierten Gesellschaft. Und je größer
der Unterschied zwischen den "Kulturen" ist, umso größer
sei die Gefahr eines Konflikts zwischen ihnen. Auf diesen Linien trafen sich
während der 1990er Jahren alle im Parlament vertretenen Parteien, nur dass
die einen darin eine "Gefahr" erblickten und die anderen trotz "Schwierigkeiten"
eine "Bereicherung" für die "österreichische Kultur"
witterten. Die grundsätzliche Frage nach den politischen und sozialen Rechten
werden dabei von der Diskussion um die "Scheinasylanten" und "verschiedene
Kulturen" aus der Öffentlichkeit und damit auch aus dem politischen
Diskurs bis heute völlig verdrängt. Es verbreiterte und verbreitet
sich ein kulturalistischer Rassismus, dessen Hauptcharakteristika die Unterscheidung,
Bewertung und Hierarchisierung verschiedener Menschenkategorien anhand ihrer
"kulturellen Herkunft" ist. Die Hierarchisierung erfolgt dabei durch
die gesetzlichen Regelungen. Abschließend lässt sich konstatieren,
dass sich während der 1990er Jahre und auch am Beginn des 21. Jahrhunderts
der kulturalistische Rassismus fortsetzt. Die TrägerInnen davon sind im
österreichischen Staat allerdings nicht mehr die gleichen. Heute ist die
ÖVP die federführende Kraft hinter dem rassistischen Diskurs. Und
allein der ÖVP gelingt es mittels der ihrem Konzept zugrunde liegenden
Begriffe, Kategorien und Klassifizierungen, die rassistischen Ausschließungen
der MigrantInnen zu definieren und damit gleichzeitig, die erforderlichen Mehrheiten
für die Umsetzung ihres politischen Projektes zu erreichen. Insofern ist
die ÖVP die einzige Partei im österreichischen Staat, die imstande
ist, Interessensgemeinschaften und Allianzen mit diversen Interessensvertretungen
und allen anderen, im Parlament vertretenen, politischen Parteien zu bilden.
Somit ist es auch kein Zufall, dass diese Partei während der vergangenen
Regierungsverhandlungen zunächst mit den Grünen eine Vereinbarung
über die Migrationspolitik treffen konnte, um das gleiche zwei Wochen später
mit der FPÖ zustande zu bringen.
Literatur
Bauböck, Rainer (1996): "Nach Rasse und Sprache verschieden"
Migrationspolitik in Österreich von der Monarchie bis heute. Institut für
Höhere Studien (IHS), Reihe Politikwissenschaft Nr. 31. Verfügbar
unter: www.ihs.ac.at/publications/pol/pw_31.pdf
Bratic, Ljubomir (2002): Rassismus und migrantischer Antirassismus in Österreich,
In: Bratic, Lj. (Hg.) Landschaften der Tat. Vermessung, Transformationen und
Ambivalenzen des Antirassismus in Europa, St. Pölten.
Castel, Robert (2002): Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der
Lohnarbeit, Konstanz.
Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main.
Foucault, Michel (1999): Der Wille zum Wissen, Frankfurt am Main.
Morgenstern, Christine (2002): Rassismus – Konturen einer Ideologie. Einwanderung
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Moulier Boutang, Yann (2002): Nicht länger Reservearmee. Thesen zur Autonomie
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Pelizzari, Alessandro (2003): Jenseits von Privatisierungspolitik: Perspektiven
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Sensenig, Eugene (1999): Reichsfremde, Staatsfremde und Drittausländer.
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Silverman, Maxim (1994): Rassismus und Nation. Einwanderung und Krise des Nationalstaates
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Zuser, Peter (1996): Die Konstruktion der Ausländerfrage in Österreich,
Institut für Höhere Studien (IHS), Reihe Politikwissenschaft Nr. 35.
Verfügbar unter: www.ihs.ac.at/publications/pol/pw_35.pdf
1 Die zwei diskursiven Pole, die den Alltag der MigrantInnen regulieren, sind
einerseits der nationalistische Rassismus von ÖGB und SPÖ, die ihre
protektionistische und nationalistische, auf das mehrheitsösterreichische
Klientel, orientierte Politik betreiben und andererseits die Wirtschaftskammer
und ÖVP, die sich liberal geben und dabei eine Liberalität der Wirtschaft
betreiben. Letztere treten für einen offenen Arbeitsmarkt ein, weil das
die Löhne drückt. Insofern können wir diese beiden Positionen
als zwei Seiten einer Machtbeziehung bezeichnen, in der den MigrantInnen die
Rolle der Manövriermasse zugedacht wird. Es sind zwei Seiten einer Medaille.
2 "Diskursformationen setzen sich aus Aussagen zusammen, die in diskursiven
Prozessen miteinander verbunden werden und einen bestimmten Sinn ergeben."
(Morgenstern, 2002, 64) "Eine Diskursformation wird zur ideologische Formation
(...), wenn sie nicht nur in den Auseinandersetzungen der einzelnen Subjekte
um die Macht über die Anderen, sondern in den Kämpfen um die politische
ideologische Führung und Hegemonie in der Gesellschaft benutzt wird. Dies
bedingt durch medial verbreitete politische Propaganda, öffentliche Sanktionierung
und Umsetzung in Gesetze, Institutionen, Verfahrensweise und somit in gesellschaftliche
Realität einen Grad an Verbreitung und Verallgemeinerung, den andere Diskursformationen
nicht erreichen können." (Morgenstern, 2002, 66)
3 Foucault (1994, 39) verdanken wir die Einsicht "dass es keine Machtbeziehung
gibt, ohne dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen,
das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert."
4 Der "paritätische Beirat" bei der "alljährlichen
Festlegung der kontingentierten Leiharbeiter aus der Tschechoslowakei"
durch das Inländerarbeiterschutzgesetz vom 1928 konstituiert, ist ein Produkt
der "vorsozialpartnerschaftlichen Kompromisspolitik", die ihre direkte
Fortsetzung in dem System der Sozialpartnerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg
findet. (Sensenig 1999, 544-545)
5 Der biologische Rassismus ist wissenschaftlich durch den Genozid im Zweiten
Weltkrieg nicht mehr relevant. Er existiert aber bis heute in der Medizin, wenn
z.B. erforscht wird, dass ausgehend von den Ergebnissen der Genetik verschiedene
Krankheiten bei verschiedenen Rassen vermehrt auftreten. (Der Standard, 06.03.2003)
6 Die Presse, 25.03.1972
7 Arbeiter Zeitung 14.08.1972
8 Die Presse, 12.03.1972
9 "Bei der Verwendung von Gastarbeitern habe Österreich bereits "den
Plafond" erreicht, erklärte Bundeskanzler Dr. Kreisky am Sonntag.
Dies bedeute in der Praxis, daß man bemüht sein werde, das Problem
der illegalen Gastarbeitern durch verschärfte Kontrollen und eine entsprechende
Gesetzgebung zu lösen." (Arbeiter Zeitung, 02.12.1973) Hervorgehoben
von Lj. Brati_
10 Damit tauchte dieser, heute zentrale, Regulierungsmechanismus für MigrantInnen
zum ersten Mal als Forderung seitens der Wirtschaft auf, lange bevor die Grünen
und die SPÖ sie übernahmen.
11 Die Presse, 03.04.1971
12 Arbeiter Zeitung, 14.01.1972
13 "... die Autonomie der Migration zeigt sich in ihrer Selbständigkeit
gegenüber der politischen Maßnahmen, die darauf zielen, sie zu kontrollieren.
Migration unter dem Gesichtspunkt ihrer Autonomie zu betrachten, bedeutet, die
sozialen und subjektiven Dimensionen der Migrationsbewegungen zu betonen."
(Moulier Boutang 2002, 1)
14 Mit dem Begriff "Ghetto" taucht wieder die Idee der "gefährlichen
Klasse" auf. (Silverman, 1994, 109) Es ist eine diskursive Linie, die sich
von tatsächlich existierenden Arbeiterklasse-Ghettos im 19. Jahrhundert
bis zu nicht-existenten, aber umso wirksameren Ghettos der MigrantInnen am Beginn
der 1970er Jahre im österreichischen Staat, zieht. Vgl. dazu "Gastarbeiter
zwischen Schmutz und Ratten" in der Presse vom 14.09.1974.
15 Sozialwissenschaftler Dr. Leopold Spira am 15.05.1974 in Arbeiter Zeitung:
"Es liege im österreichischen Interesse, soziale und politische Spannungen
nicht anwachsen zu lassen, sondern ihnen rechtzeitig entgegen zu wirken.";
Der leitende Sekretär des ÖGB-Abgeordneten Erich Holztetter gibt als
Begründung für den einstimmigen Beschluss des AuslBG im Parlament
am 21.03.1975 in der Wiener Zeitung an: "Ein solches Aufblähen des
Arbeitsmarktes mit Ausländern bringe (...) eine Fülle von Problemen
mit sich – etwa solche auf dem Gebiet der Infrastruktur".