Stellungnahme zum Grünbuch Wirtschaftsmigraton
ENARA - European Network Against Racism in Austria
15. April 2005 Vorbemerkung:


Die folgende Stellungnahme des ENARA - European Network Against Racism in Austria ist anhand der im Grünbuch zur Wirtschaftsmigration (siehe unten) vorgegebenen Kapitel und Fragestellungen strukturiert.

INHALTSVERZEICHNIS
1. Einführung
2. Entwicklung eines EU-Konzepts für Arbeitsmigration
2.1. Wieviel Vereinheitlichung sollte die EU anstreben?
2.2. Zulassungsverfahren im Falle der unselbstständigen Erwerbstätigkeit
2.2.2. Zulassungssysteme
2.3. Zulassungsverfahren im Falle der selbstständigen Erwerbstätigkeit
2.4. Anträge auf Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung(en)
2.5. Möglichkeit des Wechsels des Arbeitgebers/Sektors
2.6. Rechte
2.7. Flankierende Maßnahmen: Integration, Rückkehr und Zusammenarbeit mit Drittländern
3. Schlussfolgerung

1. Einführung
ENARA - European Network Against Racism in Austria begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, sich auf institutioneller Ebene mit dem Thema Wirtschaftsmigration auseinanderzusetzen. Eine Diskussion unter Einbeziehung der NGOs und der Selbstorganisationen der MigrantInnen erscheint aus Sicht von in Österreich tätigen Organisationen dringend angezeigt Das österreichische Regelungskonzept zur Wirtschaftsmigration stammt aus den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Diese anachronischtische Konzeption von Wirtschaftsmigration zeigt sich auch im Grünbuch, wo sie allerdings in Widerstreit mit Regelungsalternativen dargestellt wird. Dieser Widerspruch zwischen Alt und Neu zieht sich durch das gesamte Grünbuch. Es darf hier vorausgeschickt werden, dass ENARA durchwegs für eine paradigmatische Neuorientierung der institutionellen Politik im Bereich der Wirtschaftsmigration plädiert. ENARA ist sehr interessiert, an einer öffentlichen Anhörung zum Thema in Brüssel teilzunehmen.

2. Entwicklung eines EU-Konzepts für Arbeitsmigration
2.1. Wieviel Vereinheitlichung sollte die EU anstreben?
+++ Inwieweit sollte eine europäische Politik zur Arbeitsmigration entwickelt und inwieweit sollte die Gemeinschaft in diesem Bereich tätig werden?
Die Entwicklung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik durch die Union enthält aus Sicht von ENARA mittel- und langfristig die Chance, die in der österreichischen Fremden-, Asyl- und Ausländerbeschäftigungsgesetzgebung vorherrschenden Ausschlussmechanismen gegenüber MigrantInnen zu entschärfen. Wenn allerdings im selben Atemzug im Vertrag über eine Verfassung für Europa festgehalten wird, dass "gemeinsame Einwanderungspolitik (…) in allen Phasen eine wirksame Steuerung der Migrationsströme gewährleisten soll", so erkennen wir darin auch eine problematische Sicht auf das Phänomen der Migration. Wirksame Steuerung von Migration ist eine gefährliche Illusion. Diese Zielvorstellung führt unweigerlich zum Rückgriff auf polizeiliche Zwangsmaßnahmen; erstens weil die EU die in anderen Hoheitsgebieten auftretenden Push-Faktoren für Migration nur wenig beeinflussen kann; zweitens weil die EU auch die Pull-Faktoren in Form einer wachsenden Wirtschaft, die Arbeiskräfte ansaugt, nicht aus migrationspollitischen Gründen abdämpfen wird. Die Push- und Pull-Faktoren erzeugen ein hauptsächlich von den ökonomischen Konjunkturen bestimmtes Kraftfeld der Migration, das mit administrativen und polizeilichen Maßnahmen zwar beeinflussbar aber nicht annähernd beherrschbar ist, solange sich ein Gebiet nicht auch ökonomisch komplett abschottet (Extrembeispiel: Albanien im kalten Krieg). Solange Waren und Dienstleistungen frei verkehren können, solange Regionen vom Tourismus leben, solange ist davon auszugehen, dass auch Menschen Grenzen überschreiten. Außerdem sollte die EU dazu übergehen, die MigrantInnen als ProtagonistInnen ihres eigenen Lebens zu betrachten, die ihre eigenen Interessen vertreten und es immer wieder schaffen, sich den Regeln und administrativen Anforderungen entgegenzustellen, wo diese mit ihren Interessen und den sonstigen Zwängen, denen die MigrantInnen unterworfen sind, in gröberen Widerspruch geraten. Dementsprechend ist die Zielvorgabe einer wirksamen Steuerung von Migration entweder ein Selbstbetrug, und/oder sie öffnet die Tore für massive Menschenrechtsverletzungen durch einen staatlichen Gewaltapparat, der sich einer uneindämmbaren und immer extremere Maßnahmen der Abschreckung erfordernden Flut von renitenten MigrantInnen gegenübersieht. Die push- und pull-Faktoren für transnationale Wirtschaftsmigration sind bei der Entwicklung eines gemeinsamen EU-Konzepts zur Arbeitsmigration als Grundlage in die Analyse miteinzubeziehen. Es ist kontraproduktiv, unter Ausblendung von migrationswissenschaftlichen Grundlagen in der Tradition der 1960er Jahre über Anwerbung von MigrantInnen für bestimmte Sektoren der Wirtschaft nachzudenken. Die Öffnung der Wege für legale Migration und die gezielte Anwerbung von Arbeitssuchenden im Ausland samt Kooperation mit dortigen staatlichen Stellen sind nur scheinbar Bereiche, wo eine Wirksamkeit von administrativer Migrationssteuerung einigermaßen festmachbar ist. Die unweigerlichen Nebeneffekte (z.B. Familiennachzug, Illegalisierung) solcher "gezielter" Maßnahmen der Migrationssteuerung dürfen nicht ausgeblendet werden. Ein gemeinsames EU-Konzept zur Arbeitsmigration darf nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner bilden und die bestehenden großteils defensiven nationalstaatlichen Migrationsregime zusammenführen. Ein solches Konzept muss sich der eigenen Tragweite für den künftigen Wohlstand in der EU, für die Entwicklung der Demokratie und der Menschenrechtssituation bewusst sein. Wenn die Union erkennt, dass die Wirtschaftsmigration aus demographischen und ökonomischen Gründen in den kommenden Jahrzehnten aktiv gefördert werden muss, wobei die EU noch dazu mit anderen Weltregionen um MigrantInnen konkurriert, und wenn diese Gründe aufgrund der Lissabonner Ziele Priorität vor anderen Überlegungen haben, dann braucht es neue Maßnahmen, die jedenfalls über das hinausgehen, was im Grünbuch angeregt wird.

+++ Sollte eine europäische Migrationsvorschrift einen globalen Rechtsrahmen zum Ziel haben, der sich praktisch auf alle Drittstaatsangehörigen, die in die EU einreisen, erstrecken würde, oder sollte sie auf bestimmte Einwanderergruppen abstellen?
Aus der Beantwortung der obigen Frage ergibt sich logisch, dass nur ein globaler Rechtsrahmen angestrebt werden kann, wenn die künftige Regulierung der Migration nicht die massenhafte Illegalisierung und Aufspaltung des Arbeitsmarktes in einen formell-legalen und einen informell-illegalisierten fortsetzen will, die sich in den letzten Jahren verstärkt entwickelt hat. +++ Welche Migrantengrupen sollten im Falle eines sektorbezogenen Vorgehens vorrangig angesprochen werden – und warum?
Siehe oben, kein sektorbezogenes Vorgehen. +++ Sollten Ihrer Meinung nach andere Konzepte – wie das europäische Eilverfahren – geprüft werden?
Ein Eilverfahren geht wiederum von einem kurzfristig diagnostizierten Bedarf aus, ginge daher in Richtung sektorbezogenes Vorgehen, was von ENARA abgelehnt wird. +++ Haben Sie andere Vorschläge?
ENARA argumentiert in Richtung eines Paradigmenwechsels in der Migrationspolitik. Der Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik würde bedeuten, dass MigrantInnen grundsätzlich willkommen geheissen werden, anstatt sie als prinzipiell nicht hierhergehörig zu betrachten. Die Union soll schon in den kommenden Jahren die Tore für einen Bevölkerungszustrom öffnen, damit der demograpische Einbruch, der für ca. 2015 prognostiziert wird, abgefangen werden kann. Zusätzlich soll die Union der bereits ansässigen illegalisierten Bevölkerung Legalisierungsmöglichkeiten bieten und in deren, ebenso wie in die Ausbildung von Neuankommenden investieren. Die Zukunft der Wirtschaft liegt in der Wissensgesellschaft. ENARA ist der Überzeugung, dass es der langfristigen vorbereitenden Investition in Bildung auch und gerade von MigrantInnen bedarf, um eine Wissensgesellschaft wachsen zu lassen. Und zwar ganz unabhängig von aktuellen (reaktiven) Bedarfsanalysen. Für das Wachstum der Zukunft muss heute der Boden bereitet werden. Finanziert werden soll diese Investition in den Bildungsbereich, indem die Investitionen in den Sicherheitsapparat, in die Grenzsicherung, die Überwachung und die Rüstung zurückgeschraubt werden.

2.2. Zulassungsverfahren im Falle der unselbstständigen Erwerbstätigkeit
+++ Wie ist eine wirkungsvolle Anwendung des Grundsatzes der "Gemeinschaftspräferenz" zu gewährleisten?
Ein Vorrang von EU-StaatsbürgerInnen im Sinne des Grundsatzes der "Gemeinschaftspräferenz" beim Zugang zu Arbeitsplätzen ist wirksam durch die sozial- und arbeitsrechtliche Gleichstellung von MigrantInnen aus Drittstaaten zu erreichen. Dies mag den AutorInnen des Grünbuchs auf den ersten Blick vielleicht paradox erscheinen. Allerdings sind die folgenden Argumente von ENARA wohl nicht von der Hand zu weisen: Auf Basis einer formalen Gleichheit aller BewerberInnen werden zunächst diejenigen faktisch bevorzugt, die eine gleiche nachgefragte Qualifikation mitbringen, wodurch EU-StaatsbürgerInnen in den allermeisten Fällen bevorzugt sind, weil ihre Qualifikationen von denArbeitgebenden besser einschätzbar sind. Bei gleicher Qualifikation werden jene faktisch bevorzugt, die den Vorteil der entsprechenden muttersprachlichen Kompetenz mitbringen (also die Angehörigen des jeweiligen Nationalstaates oder der Region). Wenn nur BewerberInnen zur Verfügung stehen, die nicht aus dem Nationalstaat oder der Region kommen bzw. nicht über die sprachlichen Kompetenzen wie Einheimische verfügen, werden jene BewerberInnen faktisch bevorzugt, die nicht zu einer rassistisch diskriminierten Gruppe zählen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass gleich qualifizierte MigrantInnen aus EU-Staaten in den allermeisten Fällen gegenüber MigrantInnen aus Drittstaaten bevorzugt werden, wenn es um eine Bewerbung geht. Dazu braucht es keine besondere gesetzliche Regelung. MigrantInnen aus Drittstaaten verdrängen höchstens in ausgesprochenen Niedriglohnsektoren die einheimischen ArbeitnehmerInnen, die dort aufgrund der schlechten Bezahlung und der gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen nicht mehr arbeiten wollen. Um die Zahl der Anstellungen von MigrantInnen aus Drittstaaten in anderen Sektoren zu steigern, müssten spezielle Informationskampagnen über mitgebrachte Kompetenzen, Programme zur positiven Diskriminierung und besondere Ausbildungsmaßnahmen dazu beitragen, dass die Bereitschaft der ArbeitgeberInnen wächst, Drittstaatsangehörige einzustellen.
Eine sozial- und arbeitsrechtliche Ungleichbehandlung ist daher nicht nur faktisch unnotwendig, wenn es darum geht, den EU-Staatsangehörigen einen Vorteil am Arbeitsmarkt zu verschaffen. Eine solche formelle Ungleichbehandlung führt sogar zu kontraproduktiven Effekten. Rechtlich schlechtergestellte Gruppen werden leichter mit Rassismen konfrontiert. Personen, die formell nicht arbeiten dürfen, aber arbeiten müssen, um sich selbst zu erhalten, werden in die Illegalisierung gedrängt, wo sie oft extremen Ausbeutungsverhältnissen unterworfen werden. Die Trennung zwischen einem formellen und einem informellen Arbeitsmarkt wird damit gefördert. Das wiederum führt zu effektivem Lohndumping und der faktischen Gefährdung vieler Arbeitsplätze z.B. in der Bauwirtschaft.
Überdies darf nicht übersehen werden, dass der bürokratische Aufwand zur Verwaltung der rechtlich eingezogenen Ungleichheit (z.B. Ersatzkraftverfahren) sehr hoch ist und auch für die Unternehmen, die tatsächlich nur MigrantInnen für bestimmte Posten finden, stets eine Verzögerung der Einstellungsmöglichkeit und des Arbeitsbeginns bedeutet. Dieser Aufwand könnte gespart und ebenfalls in Bildungs- und Gleichstellungsmaßnahmen investiert werden. +++ Ist die derzeitige Definition der Gemeinschaftspräferenz noch relevant? Wenn nein, wie wäre sie zu ändern?
Im Sinne des oben Festgehaltenen geht ENARA davon aus, dass es so etwas wie eine normierte Gemeinschaftspräferenz nicht braucht, bzw. eine solche sogar kontraproduktiv ist. +++ Für welche anderen WirtschaftsmigrantInnen (außer innerbetrieblich versetzten Führungskräften) könnte das Konzept der Gemeinschaftspräferenz ungeeignet sein?
Siehe oben. Das Konzept der Gemeinschaftspräferenz ist generell ungeeignet. +++ Welche Gruppen von Drittstaatsangehörigen sollten - außer Daueraufenthaltsberechtigten – gegebenenfalls Vorrang vor neu eintreffenden ArbeitnehmerInnen aus Drittstaaten erhalten?
Siehe oben. Die Normierung von Vorrängen ist nicht notwendig bzw. kontraproduktiv. +++ Sollte Drittstaatsangehörigen, die für eine bestimmte Zeit in der EU erwerbstätig waren und die EU vorübergehend verlassen haben, eine – genau geregelte – Priorität eingeräumt werden?
Siehe oben. Solche Regelungen sind allesamt unnötig. Mit der Einreise in die EU soll auch die Arbeitsmöglichkeit gegeben sein. +++ Wäre die Erleichterung der Mobilität von Arbeitskräften aus Drittstaaten, d. h. die Verlegung des Wohnsitzes von einem Mitgliedstaat in einen anderen, für die EU-Wirtschaft und die nationalen Arbeitsmärkte vorteilhaft?
Aus wirtschaftlicher Sicht kann die Frage nach einer uneingeschränkten Flexibilität und Mobilität von Arbeitskräften wohl nur mit Ja beantwortet werden. ENARA hat jedoch auch andere Gründe, warum die Möglichkeit der Verlegung des Wohnsitzes von Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU zu befürworten ist. Wenn es nicht so wäre, würde wiederum eine Quelle der Illegalisierung eröffnet. MigrantInnen sollen sich frei dorthin bewegen können, wo sie Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Die Festnagelung von MigrantInnen auf einen bestimmten Ort (Extrembeispiel: Residenzpflicht für AsylwerberInnen in Deutschland) entspricht dem Paradigma der 1960er Jahre, das endlich überwunden werden muss. +++ Wie ließe sich dies wirksam in die Praxis umsetzen?
Ganz einfach: Gewährung der Freizügigkeit innerhalb der EU auch an niedergelassene Drittstaatsangehörige. +++ Welche Hemmnisse/Erleichterungen wären zu erwarten?
Im Sinne des oben Ausgeführten beantwortet. +++ Wie könnten der europäische öffentliche Arbeitsvermittlungsdienst (PES) und das EURES-Portal 11 zur beruflichen Mobilität von Arbeitskräften aus Drittstaaten beitragen?
Der europäische öffentliche Arbeitsvermittlungsdienst (PES) und das EURES-Portal 11 müssten mehr Öffentlichkeitsarbeit machen, um ihre Dienste bekannt zu machen. Zudem müssten alle Dienstleistungen auch für Drittstaatsangehörige zur Verfügung gestellt werden.

2.2.2 Zulassungssysteme
+++ Sollte die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zum EU-Arbeitsmarkt einzig von einem konkreten Stellenangebot abhängig gemacht werden, oder sollten die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige auch unabhängig davon zulassen können?
Die Zulassung von einem Stellenangebot abhängig zu machen, ist ein schwerfälliges Anwerbesystem wie in den 1960er Jahren. Es werden aufgrund des Bevölkerungsrückgangs und der Überalterung in allen Segmenten unabhängig von der Qualifikation in den nächsten Jahrzehnten MigrantInnen gebraucht. ENARA befürwortet eine Zulassung ohne Bindung an einen Arbeitsplatz. +++ Welches Verfahren sollte bei WirtschaftsmigrantInnen angewandt werden, die nicht in den Arbeitsmarkt eintreten?
Es soll kein Unterschied gemacht werden zwischen MigrantInnen, die unmittelbar in den Arbeitsmarkt eintreten und jenen, die das nicht tun/ können/ wollen. +++ Halten Sie die Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit für praktikabel? Sollte sie flexibel und unter Berücksichtigung beispielsweise regionaler und sektoraler Merkmale oder der Größe des betreffenden Unternehmens gehandhabt werden?
Die Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit geht davon aus, dass ein adminstrativ überwachtes Primat für die Einstellung von EU-Staatsangehörigen notwendig sei. ENARA hat schon argumentiert, warum solche Regelungen kontraproduktiv sind. (siehe oben). Die Zahlen über die Personengruppe, die derzeit in Österreich effektiv vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist, dürfte sich (Illegalisierte miteinbezogen) laut Aussagen von MigrationsexpertInnen unter 5 % der arbeitenden Bevölkerung bewegen. Bei dieser geringen Zahl lohnt sich der Aufwand einer Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit nicht. Wenn als Perspektive MigrantInnen noch zusätzlich akquieriert werden sollen, stellt sich angesichts der geringen Zahl an vom Arbeitsmarkt formell ausgeschlossenen die Frage, welchen Sinn eine Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit noch hat. +++ Sollte eine freie Stelle vor der etwaigen Besetzung mit einem/r BewerberIn aus einem Drittstaat erst für eine Mindestzeit ausgeschrieben werden?
Nein. Das würde für die Unternehmen ein doppeltes Einstellungsverfahren bedeuten. Zuerst würde das Unternehmen sich dafür entscheiden, dass einE BewerberIn aus einem Drittstaat am geeignetsten erscheint. Dann müsste das Unternehmen aber noch eine weitere Frist abwarten bzw. sogar neu ausschreiben. Die Unternehmen könnten während einer Phase der Unsicherheit nicht sicher sein, ob die zuerst ausgewählten MigrantInnen den Arbeitsplatz annehmen können. Dementsprechend wäre es für sie aus ökonomischen Erwägungen ein sehr starker Nachteil, überhaupt eineN MigrantIn für eine Stelle in Erwägung zu ziehen. Dies wiederum würde eine strukturelle Diskriminierung von MigrantInnen bedeuten. Unternehmen wissen meistens sehr gut, welche BewerberInnen für sie geeignet sind. Es kann für sie aufgrund von besonderen Sprachkenntnissen von Vorteil sein, Drittstaatsangehörige einzustellen. Die Diskriminierung von MigrantInnen durch verzögerte Einstellungsmöglichkeit wäre also einerseits kontraproduktiv für die Unternehmen, andererseits auch kontraproduktiv für die Bemühungen, qualifizierte MigrantInnen für eine Arbeit in der EU anzuwerben. Um eine Verdrängung von EU-Staatsangehörigen zu verhindern, würde es genügen, die Arbeitsbedingungen zu prüfen und zu gewährleisten, dass unabhängig von der Staatsbürgerschaft die gleichen Löhne für gleiche Arbeit bezahlt werden. Hier sind insbesondere die KollektivvertragspartnerInnen gefordert, sich neue Maßnahmen gegen Lohndumping zu überlegen. Unternehmen, die Löhne unter dem Kollektivvertrag zahlen, sollten überproportionale Pönalen zahlen müssen. +++ Wie ließe sich die Notwendigkeit der Einstellung eines Arbeitnehmers aus einem Drittstaat noch glaubhaft nachweisen?
Ein solcher Notwendigkeitsnachweis sollte nicht notwendig sein, siehe oben. +++ Sollte die wirtschaftliche Notwendigkeit nach Ablauf der Arbeitsgenehmigung nochmals geprüft werden, wenn der Arbeitsvertrag, aufgrund dessen der Arbeitnehmer aus einem Drittstaat zugelassen wurde, verlängert worden ist bzw. verlängert wird?
Ein solches Verfahren widerspricht den Interessen von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen gleichermaßen. Wenn das Unternehmen mit einem/r MitarbeiterIn aus einem Drittstaat so zufrieden ist, dass ein zunächst befristetes Arbeitsverhältnis verlängert wird, dann ist die nochmalige Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit nur eine administrative Schikane. +++ Welche alternativen fakultativen Systeme könnten in Betracht gezogen werden?
Keine, allesamt kontraproduktiv. +++ Eignet sich ein Auswahlsystem als mögliche allgemeine EU-Regelung für die Zulassung von WirtschaftsmigrantInnen zum Arbeitsmarkt? Welche Kriterien sollten dabei maßgeblich sein?
Auswahlsysteme implizieren wiederum Ausgrenzung von Einreisewilligen, was im Widerspruch zu den Prämissen des Grünbuchs steht, dass MigrantInnen generell und in bedeutenderer Anzahl gebraucht werden. ENARA kann daher einem Auswahlsystem nicht zustimmen. Wenn schon Personen die Einreise in die EU und die Niederlassung gestattet wird, dann soll es auch einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt für diese Personen geben. +++ Was ist erforderlich, um den ArbeitgeberInnen EU-weit einen umfassenden Zugang zu den Lebensläufen von BewerberInnen zu ermöglichen, und wie sollten in diesem Zusammenhang die EURES-Dienste ausgebaut werden?
Es wäre festzustellen, ob die Unternehmen nicht ohnehin genügend Bewerbungen erhalten. In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation in Österreich ist kein Mangel an BewerberInnen gegeben. Grundsätzlich soll es in allen Arbeitsämtern die Möglichkeit geben, offene Stellen zu bewerben. Die MitarbeiterInnen der Arbeitsämter sollen einen Abgleich zwischen Arbeitssuchenden und offenen Stellen schaffen. Dies kann auch Aufgabe des EURES sein. EURES-Dienste können im Sinne einer Dienstleistung ausgebaut werden: Betreuung der Arbeitssuchenden, Kontakte zu Unternehmen. +++ Befürworten Sie die Einführung einer "Genehmigung für Arbeitsuchende"?
Aus obigen Ausführungen ergibt sich, dass ENARA eine solche Genehmigung nicht befürwortet.

2.3. Zulassungsverfahren im Falle der selbstständigen Erwerbstätigkeit
+++ Wären gemeinsame EU-Regeln für die Zulassung von selbstständig erwerbstätigen Drittstaatsangehörigen wünschenswert? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Es ginge darum, FirmengründerInnen bei ihrer Orientierung auf der Suche nach Marktlücken zu unterstützen. Dies beinhaltet Ausbildung und Beratung. Damit Firmengründung rentabel wird, braucht es weniger Überprüfung und Kontrolle, sondern Unterstützung. Solche Maßnahmen hätten positive Einflüsse auf den Arbeitsmarkt und den allgemeinen Wohlstand, wenn durch selbständige Drittstaatsangehörige wiederum Arbeitsplätze geschaffen werden. Besondere Zulassungsbeschränkungen für Selbständige abseits der für Alle geltenden Bestimmungen der Gewerbeordnung sind daher abzulehnen.
+++ Wäre es möglich, für Selbstständige, die weniger als ein Jahr in der EU tätig sein wollen, um einen bestimmten Vertrag mit einem EU-Kunden zu erfüllen, flexiblere Verfahren vorzusehen? Wenn ja, welche?
Für einen solchen klar begrenzten Fall sollte erst recht kein besonderes Verfahren notwendig sein.

2.4. Anträge auf Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung(en)
+++ Sollte eine kombinierte "Arbeits-/Aufenthaltsgenehmigung" auf EU-Ebene eingeführt werden? Welches sind die Vor- und Nachteile? Oder wären Sie eher für einen einzigen Antrag (für die Arbeits- und die Aufenthaltsgenehmigung)?
ENARA plädiert für eine Homogenisierung von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Es führt zu absurden und bisweilen humanitär katastrophalen Situationen, wenn Menschen, die aufenthaltsberechtigt sind, nicht arbeiten dürfen, bzw. Menschen, die arbeiten dürften, kein Aufenthaltsrecht genießen. +++ Gibt es andere Optionen?
Nein.

2.5. Möglichkeit des Wechsels des/r Arbeitgebers/in/Sektors
+++ Sollte die Mobilität des/r Arbeitnehmers/in aus einem Drittstaat auf dem Arbeitsmarkt des Wohnsitzmitgliedstaats begrenzt werden? Wenn ja, worauf (z. B. ArbeitgeberIn, Sektor, Region), unter welchen Umständen und wie lange?
Die Mobilität der ArbeitnehmerInnen sollte nicht begrenzt werden. Migrationswillige werden ohnehin dorthin migrieren, wo Arbeitsplätze angeboten werden. Dieser Umstand ist prinzipiell zu begrüßen. Die Mobilität von ArbeitnehmerInnen einzuschränken, hieße möglicherweise, sie in Regionen oder Sektoren festzuhalten, wo sie keine (gute) Arbeit mehr finden; bzw. sie von jenen Regionen oder Sektoren abzuhalten, wo sie gebraucht werden. +++ Wer soll InhaberIn der Zulassung sein? ArbeitgeberIn, ArbeitnehmerIn oder beide gemeinsam?
Es soll keine solche Zulassung geben. Schon gar nicht dürfen ArbeitgeberInnen (Mit)InhaberInnen einer solchen Zulassung sein, denn das kann zu leibeigenschaftlichen Bedingungen führen.

2.6. Rechte
+++ Welche besonderen Rechte sollten Drittstaatsangehörigen gewährt werden, die vorübergehend in der EU erwerbstätig sind?
Keine besonderen Rechte. Sie sollen genau dieselben Rechte haben, wie alle anderen Menschen, die in der EU leben. Um eine mögliche Rückkehr in das Herkunftsland zu erleichtern, sollten Doppelstaatsbürgerschaften generell von der EU akzeptiert werden. +++ Sollten bestimmte Rechte an eine Mindestaufenthaltsdauer geknüpft werden? Wenn ja, welche und wie lange?
Soziale und ökonomische Rechte sollten allen Menschen gleichermaßen gewährt werden. Politische Rechte (insb. Wahlrechte) sollten den Einwandernden dann zustehen, wenn sie sich entscheiden, an einem bestimmten Ort ihren Lebensmittelpunkt zu haben, womit sich ein legitimes Interesse an der Mitgestaltung des dortigen Gemeinwesens ergibt. +++ Sollten für bestimmte Gruppen von ArbeitnehmerInnen aus Drittstaaten Anreize – z. B. günstigere Bedingungen für die Familienzusammenführung oder für die Erlangung der Daueraufenthaltsberechtigung – vorgesehen werden? Wenn ja, warum und welche?
Nein, es soll keine hierarchisierenden Zusatzregelungen geben.

2.7. Flankierende Maßnahmen: Integration, Rückkehr und Zusammenarbeit mit Drittländern
+++ Welche flankierenden Maßnahmen sollten zur Erleichterung der Zulassung und Integration von WirtschaftsmigrantInnen sowohl in der EU als auch in den Herkunftsländern vorgesehen werden?
Der Förderung der Wirtschaftsmigration wäre es dienlich, wenn sowohl in der EU als auch in den Herkunftsländern spezielle Ausbildungsinstitutionen errichtet oder zumindest unterstützt werden. In solchen Ausbildungsstätten könnten Personen, die eine Migration aus wirtschaftlichen Gründen in Erwägung ziehen, mehr über die Aufnahmeländer erfahren, Sprachkenntnisse und Skills sowie eventuell besonders nachgefragte Kompetenzen erwerben. +++ Was könnte die EU in Übereinstimmung mit der EU Entwicklungspolitik tun, um den Strom von Wissen zu unterstützen und den die möglicherweise negativen Auswirkungen des "brain drain" zu begegnen?
Die von der EU geförderten Ausbildungsstätten in den Herkunftsländern sollten gleichermaßen darauf ausgerichtet sein, die Wirtschaft in den Herkunftsländern zu unterstützen und ökonomische Verbindungen aufzubauen, die für beide Ökonomien von Vorteil sind. +++ Sollte sogenannten Entwicklungsländern ihre Investition in Arbeitskräfte, die in die EU abwandern, erstattet werden, und wenn ja, von wem und wie? Wie lassen sich negative Auswirkungen begrenzen?
Eine Erstattung der Ausbildungskosten 1:1 wäre sehr schwer zu berechnen und würde einen aufwendigen administrativen Apparat erfordern. Außerdem sind WirtschaftsmigrantInnen für ihre Herkunftsländer nicht nur ein Verlust. Langfristig kommt es zu einem Rückfluss an Geldern durch die MigrantInnen an ihre Familien, die in Summe die sogenannte Entwicklungshilfe der EU übersteigen. Dennoch sollte die EU sich Modelle des Ausgleichs überlegen, denn sie darf nicht einseitig von der Wirtschaftsmigration profitieren. Insoferne plädiert ENARA für eine verstärkte Investition der EU in die Ausbildungsmöglichkeiten und Sozialsysteme in den Herkunftsländern. So wäre es z.B. leicht machbar, von den Sozialversicherungsleistungen von MigrantInnen einen fixen Prozentsatz an die Sozialversicherung ihres Herkunftsortes über eine Periode von z.B. 3 Jahren nach der Einwanderung abzuführen. +++ Sollten Aufnahme- und Herkunftsland verpflichtet werden, die Rückkehr von befristet beschäftigten Wirtschaftsmigranten sicherzustellen? Wenn ja, in welchen Fällen?
Nur für den Fall, dass dies von Seiten der MigrantInnen gewünscht wird. Wie schon erwähnt, sollte die EU jedenfalls Doppelstaatsbürgerschaften akzeptieren. +++ Wie lässt sich die Rückkehr zum Nutzen sowohl des Aufnahme- wie des Herkunftslands regeln?
Siehe oben. Die Rückkehrmöglichkeit sollte schlicht gegeben sein. +++ Sollte bestimmten Drittländern eine Präferenz mit Blick auf die Zulassung gewährt werden? Wenn ja, wie?
Nein. +++ Ließen sich solche Präferenzen an einen bestimmten Rahmen, wie die Europäische Nachbarschaftspolitik oder Heranführungsstrategien, knüpfen?
Besondere Präferenzen für Nachbarstaatsangehörige würden wiederum bestimmte Hierarchisierungen zwischen MigrantInnen schaffen, die aus Sicht von ENARA in einer globalisierten Ökonomie anachronistisch sind.

3. Schlussfolgerung
Derzeit bildet das Asylrecht die einzige kleine Pforte in die EU, die es ermöglicht, zunächst am illegalisierten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, um nach einer Zeit der Ungewissheit im Asylverfahren entweder den Einstieg in die Legalität zu schaffen oder im illegalisierten Status festgenagelt zu werden. Die Europäische Kommission erkennt, dass der Trend zur Illegalisierung steigt. Und sie sieht darin ein Problem. Aber das Grünbuch entwirft keine Lösung für dieses Problem. Green Card-Modelle werden zwar erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Noch weitergehende Lösungen werden nicht benannt. AsylwerberInnen werden nicht als potentielle Arbeitssuchende in die Überlegungen zur Wirtschaftsmigration miteinbezogen. ENARA befürwortet eine Aufhebung der Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und WirtschaftsmigrantInnen, zumal die Grenzen in der Realität der MigrantInnen fließend sind.
Das Grünbuch erweckt als Standpunkt der Europäischen Kommission gegenüber Wirtschaftsmigration einen überwiegend defensiven Eindruck. Die meisten Passagen legen nahe, dass es nur um einen stets in einer Gegenwart (kurzfristig) diagnostizierten Bedarf an Arbeitskräften geht. Es wird zwar von langfristigen Bevölkerungsentwicklungen geredet, die in den kommenden Dekaden einen massiven Zuwanderungsschub wünschenswert erscheinen lassen. Ebenso wird von einer Konkurrenz der Weltregionen um MigrantInnen gesprochen. Dennoch wird entgegen diesen Prämissen, die ein radikales Umdenken erfordern, die Wirtschaftsmigration im Grünbuch grundsätzlich als einzudämmende Größe betrachtet. Damit kommt das Grünbuch nicht aus dem nationalstaatlich protektionistischen Paradigma von Flutgefahr und Eindämmung/ Begrenzung heraus, das sehr starke rassistische Züge trägt.
Das Grünbuch geht nicht über das hinaus, was ohnehin schon in den nationalstaatlichen Regelungen festgelegt ist. Teilweise bleibt das Grünbuch mit seinen Vorschlägen sogar hinter in Österreich bereits bestehenden Regelungen zurück (Niederlassungsnachweis für aufenthaltsverfestigte MigrantInnen als Schritt zur Harmonisierung von Arbeits- und Aufenthaltsberechtigung).
Die vorliegenden Fragestellungen sind nicht zukunftsorientiert im Sinne einer langfristig geplanten Steuerung der Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Es ginge darum, in einer sich globalisierenden Wissensgesellschaft Strategien der Wirtschaftsförderung durch Förderung der Wirtschaftsmigration zu denken. Stattdessen denkt das Grünbuch über Fragen der administrativen Beschränkung von Wirtschaftsmigration nach. Das Grünbuch soll Szenarien für eine zukünftige erwünschte Wirtschaftsmigration entwickeln und sich nicht von einem gegenwärtig angenommenen Migrationsdruck und dessen Eindämmung leiten lassen. ENARA vermutet, dass die defensive Haltung gegenüber Wirtschaftsmigration, die im Grünbuch zum Ausdruck kommt, derzeit dem kontrollgesellschaftlichen Mainstream und dem Sicherheitsdiskurs entspricht. Umso dringender werden Kampagnen und andere Maßnahmen notwendig sein, um einer Änderung der Migrationspolitik der EU den Weg zu bereiten. Die Meinung der breiten Bevölkerungsmehrheit gegenüber ZuwandererInnen muss aktiv verändert werden. Maßnahmen gegen Rassismen müssen seitens der EU noch stärker gefördert werden.
Leitlinien für eine nächste Fassung des Grünbuchs wären nach ENARA:
--- Die langfristige Strategie muss klar sein, auch wenn sie kurzfristig politisch nicht umsetzbar erscheint. In einer Wissensgesellschaft werden sich die Arbeits- und Migrationsformen wandeln. Wissen wird anders transferiert als Waren und Dienstleistungen
--- Existenzielle Fragen für die Zukunft, Wohlstand und humanitäre Bedürfnisse, sowie sozialer Friede und Demokratieentwicklung bei verstärkter Migration müssten stärker betont werden.
--- Die Zuwanderungspolitik muss sich in der Gegenwart am demographisch diagnostizierten Bedarf der Zukunft orientieren
--- Horizontales Vorgehen, denn sektorbezogenes Vorgehen reduziert Menschen auf kurzfristigen Bedarf.
--- Keine Einzelfallüberprüfungen sondern generelle Zulassung aller Personen mit Aufenthaltsberechtigung samt laufender Legalisierungsmöglichkeiten
--- Keine Einzelanwerbungen und Einzelfallprüfungen, sondern langfristige planung durch Investition in Ausbildung
--- Keine Notwendigkeitsprüfung, da langfristig ohnehin eine Notwendigkeit der Zuwanderung feststeht.
--- Abstufung von Rechten ist abzulehnen, denn sie führt zu Diskriminierung in erster Linie durch Behörden und in der Folge durch Andere, die auf Basis der rechtlichen Machtasymmetrie diskriminieren. Keine Produktion von EinwohnerInnen zweiter Klasse!
--- Ausstieg aus der menschenrechtlich bedenklichen und teuren Abschiebepolitik
--- Familiennachzug darf nicht als lästige Begleiterscheinung gesehen werden.
--- Aufnahmezentren für MigrantInnen, Bildungsstätten, speziell für MigrantInnen, was nicht bedeuten soll, dass nicht auch weniger ausgebildete Personen gebraucht werden.
--- Vorbereitung der verstärkten Zuwanderung durch Informationskampagnen und Förderung antirassistischer Initiativen
--- Alle sollen die Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt legal zu verdienen. Eine Verweigerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt lässt den Betroffenen, sobald keine staatlichen Transferleistugnen mehr gewährt werden, oft keine andere Möglichkeit, als sich durch kriminelle Handlungen ein Einkommen zu verschaffen. So wird die Verweigerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt zur strukturellen Ursache von Kriminalität.

Tarafa Baghajati, Vizepräsident von ENAR - European Network Against Racism Redaktion im Auftrag von ENARA: Sarah Galehr und Andreas Görg

 

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KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN Brüssel, den 11.1.2005 KOM(2004) 811 endgültig

GRÜNBUCH über ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration (von der Kommission vorgelegt)

INHALTSVERZEICHNIS
1. Einführung
2. Entwicklung eines EU-Konzepts für Arbeitsmigration
2.1. Wieviel Vereinheitlichung sollte die EU anstreben?
2.2. Zulassungsverfahren im Falle der unselbstständigen Erwerbstätigkeit
2.2.2 Zulassungssysteme.
2.3. Zulassungsverfahren im Falle der selbstständigen Erwerbstätigkeit
2.4. Anträge auf Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung(en)
2.5. Möglichkeit des Wechsels des Arbeitgebers/Sektors
2.6. Rechte
2.7. Flankierende Maßnahmen: Integration, Rückkehr und Zusammenarbeit mit Drittländern
3. Schlussfolgerung.
Anhang


1. EINFÜHRUNG
Ziel dieses Grünbuchs ist eine eingehende Diskussion, unter Einbeziehung der EUInstitutionen, der Mitgliedstaaten und der Zivilgeselleschaft, über die geeignetste Form von Gemeinschaftsregeln für die Zulassung von Wirtschaftsmigranten und über den zusätzlichen Nutzen, der sich aus der Festlegung eines solchen gemeinsamen Rahmens ergibt. Auf einer öffentlichen Anhörung in 2005 wird die Kommission allen Beteiligten Gelegenheit zu einer Auseinandersetzung über diesen Fragenkomplex geben. Dieses Grünbuch betrifft Aufnahmeverfahren von Drittstaatsangehörigen im Bereich der wirtschaftlichen Zuwanderung und betrifft nicht den freien Personenverkehr von EU-Bürgern innerhalb der EU. Die Diskussion zur Vollendung des gemeinschaftlichen Arbeitsmarktes wird in anderem Zusammenhang geführt. Gemäß Artikel 63 Absatz 3 EG-Vertrag beschließt der Rat „einwanderungspolitische Maßnahmen in folgenden Bereichen: a) Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen sowie Normen für die Verfahren zur Erteilung von Visa für einen langfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln“. Seit dem Europäischen Rat in Tampere vom Oktober 1999 betrieb die Kommission bereits eine intensive Diskussion und ein strategisches Projekt zur Wirtschaftsmigration. Im Jahr 2001 billigte die Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie „über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit“1. Die europäischen Institutionen gaben positive Stellungnahmen zu dem Entwurf ab2, die Beratungen im Rat gingen dagegen nicht über eine erste Lesung hinaus. Angesichts der Entwicklungen, die sich im Bereich der Einwanderung in den letzten drei Jahren vollzogen haben, müsste dieses Thema nach Ansicht der Kommission jetzt wieder aufgegriffen werden. Auf politischer Ebene betonte der Europäische Rat in Thessaloniki vom 19./20. Juli 2003 „dass es […] notwendig ist, […] legale Wege für die Einwanderung von Drittstaatsangehörigen in die Union zu sondieren, wobei der Aufnahmekapazität der Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen ist.“ Der auf dem Europäischen Rat in Brüssel vom 17./18. Juni 2004 gebilligte Vertrag über eine Verfassung für Europa schreibt in diesem Zusammenhang Folgendes fest: „Die Union entwickelt eine gemeinsame Einwanderungspolitik, die in allen Phasen eine wirksame Steuerung der Migrationsströme gewährleisten soll [….]“3. Nachdem die wirtschaftlichen Folgen des Bevölkerungsrückgangs und der Überalterung der Gesellschaft nicht mehr zu übersehen sind, müssten die längerfristig angelegten einwanderungspolitischen Maßnahmen4 nach Ansicht der Kommission überarbeitet werden. Dies sollte insbesondere im Lichte der Auswirkungen geschehen, die die Wirtschaftsmigrationsstrategie für die Wettbewerbsfähigkeit und damit das Erreichen der Lissabonner Ziele hätte. Dieser Trend in der Gesellschaft hat die Zuwanderungsdebatte in der EU beflügelt, ohne dabei in die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten, über die Zahl der 1 KOM(2001) 386. 2 Stellungnahmen: Europäisches Parlament, 12.2.2003 (A5-0010/2003); Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, 16.1.2002 (SOC/084, CES 28/2002); Ausschuss der Regionen, 13.3.2002 (CdR 386/2001). 3 Artikel III-267. 4 KOM(2003) 336. DE 4 DE zuzulassenden Einwanderer zu entscheiden, einzugreifen. In der Tat, selbst wenn die Lissabonner Beschäftigungsziele bis 2010 erreicht werden, wird der demografische Wandel ein Absinken des Beschäftigungsniveaus nach sich ziehen. Legt man die gegenwärtigen Einwandererzahlen zugrunde, wird aufgrund des Rückgangs der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in der EU-25 zwischen 2010 und 2030 die Beschäftigtenzahl um rund 20 Millionen abnehmen. Derartige Entwicklungen werden starke Auswirkungen auf das allgemeine Wirtschaftswachstum, das Funktionieren des Binnenmarktes und die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen haben. Vor diesem Hintergrund könnte der Bedarf des EU-Arbeitsmarkts künftig – und in steigendem Maße – nur durch eine kontinuierlichere Einwanderung gedeckt werden, die im Übrigen nicht das Problem der Überalterung löst. Eine regelmäßige Einwanderung ist zunehmend auch zur Sicherung des Wohlstands in Europa vonnöten. Darüber hinaus wirkt sich die Immigration immer stärker auf die unternehmerische Tätigkeit aus. Und schließlich muss die EU auch dem Umstand Rechnung tragen, dass bereits heute die wichtigsten Weltregionen um Migranten konkurrieren, die den Bedarf ihrer Volkswirtschaften decken sollen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer EU-Politik zur wirtschaftlichen Zuwanderung, die einen sicheren Rechtsstatus liefert und eine Reihe von Rechten garantiert, um die Integration der Zugelassenen zu unterstützen. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit einer europäischen strategischen Initiative dadurch verstärkt, dass mangels einer solchen die Migrationsströme zunehmend die nationalen Regelungen und Gesetze umgehen werden können. Wenn es keine gemeinsamen Regelungen zur Wirtschaftsmigration gibt, wird die Anzahl der Drittstaatsbürger, die illegal und ohne Garantie eines deklarierten Berufs – und damit auch ohne Garantie einer Integrationsperspektive in unsere Gesellschaften – in die EU einreisen, steigen. In diesem Zusammenhang ist sich die Kommission bewusst, dass Entscheidungen über die Zahl zuzulassender wirtschaftlicher Zuwanderer zum Zwecke der Arbeitsuche eine Angelegenheit der Mitgliedstaaten ist. Im Entwurf des Verfassungsvertrags heißt es: „Dieser Artikel [III-267] berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige aus Drittländern in ihr Hoheitsgebiet einreisen dürfen, um dort als Arbeitnehmer oder Selbstständige Arbeit zu suchen.“ Beschließt ein Mitgliedstaat, solche Drittstaatsangehörigen zuzulassen, hat dies allerdings Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten (Reisefreiheit im Schengen-Raum, Dienstleistungsfreiheit in anderen Mitgliedstaaten, das Recht, nach Erlangen der Daueraufenthaltsgenehmigung seinen Wohnsitz in andere Mitgliedstaaten zu verlegen, Auswirkungen auf den EU-Arbeitsmarkt); außerdem hat die EU internationale Verpflichtungen gegenüber einigen Gruppen von Wirtschaftsmigranten. Es spricht daher viel für die Vereinbarung transparenter und auf EUEbene stärker vereinheitlichter gemeinsamer Regeln und Kriterien für die Zulassung von Wirtschaftsmigranten. Jedes Tätigwerden in diesem Bereich muss von den geschilderten Umständen ausgehen und sich auf Überlegungen über den zusätzlichen Nutzen von Maßnahmen auf EU-Ebene stützen. Außerdem sollte der Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten wie für die Drittstaatsangehörigen durch etwaige angenommene Maßnahmen verringert werden. Dieses Grünbuch dient folglich weder zur Beschreibung der politischen Maßnahmen in der EU-25 noch zum Vergleich mit Maßnahmen in anderen Gegenden der Welt. Vielmehr soll geklärt werden, welches die Probleme sind und welche Optionen für einen legislativen Rahmen der EU im Bereich der Wirtschaftsmigration bestehen. Die Kommission hat dabei die Vorbehalte und Bedenken berücksichtigt, die die Mitgliedstaaten bei den Beratungen über den DE 5 DE Richtlinienvorschlag von 2001 zum Ausdruck gebracht haben, und schlägt alternative Lösungsmöglichkeiten vor. Schließlich betonte der Europäische Rat vom 4.-5. November 2004 im Haager Programm die Bedeutung der Debatte über das Grünbuch, die – gemeinsam mit best practices in Mitgliedstaaten und deren Relevanz für die Durchführung der Lissabonner Strategie – als Basis für „einen politischen Plan zur legalen Einwanderung einschließlich Zulassungsverfahren“ genommen werden sollte, „der fähig ist, prompt auf den fluktuierenden Bedarf an Wirtschaftsmigranten im Arbeitsmarkt zu reagieren“5 . Die Kommission wird einen solchen Plan vor Ende des Jahres 2005 vorlegen.


2. ENTWICKLUNG EINES EU-KONZEPTS FÜR ARBEITSMIGRATION
Nach Auffassung der Kommission sollten die Diskussionen über eine künftige EU-Politik für Wirtschaftsmigration sich auf einige Schlüsselthemen konzentrieren, die nicht erschöpfend, aber interdependent sind. Die vorgeschlagenen Optionen könnten je nach dem angestrebten Ergebnis in unterschiedlicher Weise kombiniert werden. 2.1. Wieviel Vereinheitlichung sollte die EU anstreben? Der Zugang von Drittstaatsangehörigen zum Arbeitsmarkt ist ein überaus kompliziertes Thema. Nach Auffassung der Kommission kann daher eine diesbezügliche Gemeinschaftspolitik, die Aussicht auf Erfolg haben soll, nur schrittweise eingeführt werden. Dies würde einen allmählichen, reibungslosen Übergang von innerstaatlichen Regeln zu Gemeinschaftsregeln erleichtern. Die EU-Vorschriften zur Zulassung von Wirtschaftsmigranten wären daher als Vorschriften für eine erste Phase zu konzipieren und sollten einige gemeinsame Definitionen, Kriterien und Verfahren beinhalten, es andererseits aber den Mitgliedstaaten überlassen, die besonderen Erfordernisse ihrer Arbeitsmärkte zu berücksichtigen. So schreibt der Verfassungsvertrag fest, dass die Entscheidung über die Anzahl der von den Mitgliedstaaten zuzulassenden Arbeitsuchenden in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt wird. Ungeachtet dessen könnte ein Koordinierungsverfahren, in dessen Rahmen die nationale Quoten anwendenden Mitgliedstaaten die Kommission über die Durchführung und die Ergebnisse dieser Maßnahmen informieren, bei der Einschätzung des EU-Arbeitsmarktbedarfs insgesamt hilfreich sein und im Interesse der Mitgliedstaaten und der betroffenen Personen zur Ausgestaltung einer gemeinsamen, auf EU-Recht gestützten Migrationspolitik und zu einem besser koordinierten Verfahren beitragen. Was die Tragweite etwaiger künftiger EU-Rechtsvorschriften anbetrifft, sieht die Kommission mehrere Optionen. Erstens könnte ein horizontales Vorgehen entsprechend dem ursprünglichen Vorschlag beschlossen werden, der auf die Bedingungen der Einreise und des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen abstellt, die mehr als drei Monate im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen oder sonstige wirtschaftliche Aktivitäten ausüben. Besondere Bestimmungen könnten mit Blick auf die spezifischen Bedürfnisse bestimmter Gruppen, wie Saisonarbeitnehmer und innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer (ICT), festgelegt werden. So könnte ein globaler, ein hohes Maß an Flexibilität bietender gemeinsamer Rahmen für die Wirtschaftsmigration beschlossen werden. 5 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, Anhang I, Punkt III 1.4. DE 6 DE Entsprechend den Vorschlägen für eine Richtlinie des Rates über die Zulassung von Studenten6 oder Forschern7 könnten alternativ dazu eine Reihe von sektorbezogenen Legislativvorschlägen ins Auge gefasst werden. Diese Vorschriften könnten auf Saisonarbeitnehmer, innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer, Migranten mit besonderen Qualifikationen (nicht unbedingt nur hochqualifizierte Migranten), Personen, die vertraglich vereinbarte Dienstleistungen erbringen und/oder andere Gruppen abstellen; die Erarbeitung eines globalen gemeinsamen Rahmens für die Zulassung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten könnte erst einmal zurückgestellt werden. Außerdem wäre die Annahme derartiger gemeinsamer Vorschriften leichter. Daneben könnten auch andere Vorgehensweisen geprüft werden, beispielsweise die Einführung eines gemeinsamen Eilverfahrens, das die Zulassung von Migranten im Falle eines Mangels an Arbeitskräften oder an Arbeitskräften mit besonderen Fertigkeiten erlaubt und das in Gang gesetzt würde, wenn der Rat dies einer gegebenen Anzahl von Mitgliedstaaten in einem Schnellverfahren gestattet. Damit würde ein unnötiger und potentiell schädlicher Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten um bestimmte Gruppen von Arbeitskräften vermieden. • Inwieweit sollte eine europäische Politik zur Arbeitsmigration entwickelt und inwieweit sollte die Gemeinschaft in diesem Bereich tätig werden? • Sollte eine europäische Migrationsvorschrift einen globalen Rechtsrahmen zum Ziel haben, der sich praktisch auf alle Drittstaatsangehörigen, die in die EU einreisen, erstrecken würde, oder sollte sie auf bestimmte Einwanderergruppen abstellen? • Welche Migrantengrupen sollten im Falle eines sektorbezogenen Vorgehens vorrangig angesprochen werden – und warum? • Sollten Ihrer Meinung nach andere Konzepte – wie das europäische Eilverfahren – geprüft werden? Haben Sie andere Vorschläge?

2.2. Zulassungsverfahren im Falle der unselbstständigen Erwerbstätigkeit Im Allgemeinen muss vor der Zulassung eines Arbeitnehmers aus einem Drittstaat den Mitgliedstaaten gegenüber nachgewiesen werden, dass die betreffende Stelle nicht mit einer einheimischen Arbeitskraft besetzt werden kann (Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit). Einige Mitgliedstaaten praktizieren Sonderregelungen, wie Eilverfahren, „green cards“ usw., um besondere Gruppen von Arbeitnehmern – z. B. hoch qualifizierte Personen oder Arbeitskräfte in Wirtschafts- bzw. Berufszweigen, in denen bereits ein Mangel herrscht, zuzulassen. Solche Regelungen könnten auf EU-Ebene geprüft werden. Die EU sollte sich die Erfahrungen anderer Weltregionen zu Nutze machen8.

2.2.1 Präferenz für den einheimischen Arbeitsmarkt. 6 KOM(2002) 548. 7 KOM(2004) 178. 8 http://europa.eu.int/comm/employment_social/employment_analysis/immigr_n ew_stud_en.htm"Efficient Practices for the Selection of Economic Migrants" (http://europa.eu.int/comm/employment_social/employment_analysis/immigr_new_stud_de.htm): siehe Anhang. DE 7 DE Der Grundsatz der "Gemeinschaftspräferenz" ist wie folgt definiert: „Die Mitgliedstaaten berücksichtigen Anträge auf Einreise in ihr Hoheitsgebiet zur Ausübung einer Beschäftigung nur, wenn die in einem Mitgliedstaat angebotenen Stellen nicht mit Arbeitskräften des eigenen Landes und anderer Mitgliedstaaten oder mit Arbeitskräften aus Nichtmitgliedstaaten, die auf Dauer und legal ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat haben und dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates bereits angehören, besetzt werden können“9. Zahlreiche Mitgliedstaaten nehmen einige Gruppen von Wirtschaftsmigranten (innerbetrieblich versetzte Führungskräfte, international bekannte Künstler usw.) jedoch von dieser Vorschrift aus. Die Frage ist vor allem, ob eine solche Präferenz Arbeitskräften aus Drittstaaten, die sich bereits in einem Mitgliedstaat aufhalten, vor neu ankommenden Drittstaatsangehörigen gewährt werden sollte. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass daueraufenthaltsberechtigte Personen ab 2006 Vorrang vor in dem Wohnsitzmitgliedstaat ankommenden Migranten erhalten und sich zum Zwecke des Studiums, der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder zu anderen Zwecken in einen zweiten Mitgliedstaat begeben können10. Sollte diese Präferenz im Übrigen nicht nur auf Daueraufenthaltsberechtigte, sondern auch auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft sind als dem, in dem ein Arbeitskräftemangel auftritt? Dies würde das Recht des zweiten Mitgliedstaats, über die zuzulassenden Personen selbst zu entscheiden, nicht beschränken, würde aber die Anwerbung erleichtern und dazu beitragen, dass einem Mangel an Arbeitskräften oder Fertigkeiten schneller und wirksamer abgeholfen werden kann. Die EU könnte dann auf einen „festen Bestand“ an Arbeitskräften zählen, die bereits begonnen haben, sich zu integrieren. Die Präferenz könnte auch auf diejenigen ausgedehnt werden, die vor der zeitweiligen Rückkehr in ihr Herkunftsland bereits einige Jahre in der EU erwerbstätig gewesen sind. Auf diese Weise könnte ein regelrechtes „brain circulation“ in Gang gesetzt werden: Arbeitskräften wird der Versuch zur Reintegration in ihrem Land ermöglicht, sie wissen aber, dass sie, wenn sie später erneut in der EU erwerbstätig sein wollen, unter günstigere Bedingungen für eine Wiederzulassung fallen. • Wie ist eine wirkungsvolle Anwendung des Grundsatzes der „Gemeinschaftspräferenz“ zu gewährleisten? • Ist die derzeitige Definition der Gemeinschaftspräferenz noch relevant? Wenn nein, wie wäre sie zu ändern? • Für welche anderen Wirtschaftsmigranten (außer innerbetrieblich versetzten Führungskräften) könnte das Konzept der Gemeinschaftspräferenz ungeeignet sein? • Welche Gruppen von Drittstaatsangehörigen sollten - außer Daueraufenthaltsberechtigten – gegebenenfalls Vorrang vor neu eintreffenden Arbeitnehmern aus Drittstaaten erhalten? • Sollte Drittstaatsangehörigen, die für eine bestimmte Zeit in der EU erwerbstätig waren und die EU vorübergehend verlassen haben, eine – genau geregelte – Priorität eingeräumt werden? 9 Entschließung des Rates vom 20. Juni 1994 zur Verordnung (EWG) Nr. 1621/68 des Rates. Zu beachten ist, dass der Beitrittsvertrag vom 16. April 2003 Arbeitskräften mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates Vorrang vor Arbeitskräften aus Drittstaaten gibt, soweit der Zugang zum Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten betroffen ist. 10 Richtlinie des Rates 2003/109/EG. DE 8 DE • Wäre die Erleichterung der Mobilität von Arbeitskräften aus Drittstaaten, d. h. die Verlegung des Wohnsitzes von einem Mitgliedstaat in einen anderen, für die EUWirtschaft und die nationalen Arbeitsmärkte vorteilhaft? Wie ließe sich dies wirksam in die Praxis umsetzen? Welche Hemmnisse/Erleichterungen wären zu erwarten? • Wie könnten der europäische öffentliche Arbeitsvermittlungsdienst (PES) und das EURES-Portal11 zur beruflichen Mobilität von Arbeitskräften aus Drittstaaten beitragen?

2.2.2 Zulassungssysteme Unabhängig vom System ist zunächst ein besonderer Punkt zu regeln: Sollten Drittstaatsangehörige nur bei Vorliegen konkreter Stellenangebote zum EU-Arbeitsmarkt zugelassen werden, oder wäre auch ein flexibleres Vorgehen beispielsweise mithilfe von „green cards“ vorstellbar, um Arbeitskräfte zur Deckung des kurz- und des langfristigen Arbeitsmarktbedarfs anzuwerben? Darüber hinaus sind Überlegungen über die Verfahren für diejenigen Drittstaatsangehörigen anzustellen, die zwecks Ausübung einer wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (z. B. im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags zwischen ihrem überseeischen Arbeitgeber und einem Kunden in der EU) in die EU einreisen wollen, aber eigentlich keinen Zugang zum EU-Arbeitsmarkt suchen. • Sollte die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zum EU-Arbeitsmarkt einzig von einem konkreten Stellenangebot abhängig gemacht werden, oder sollten die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige auch unabhängig davon zulassen können? • Welches Verfahren sollte bei Wirtschaftsmigranten angewandt werden, die nicht in den Arbeitsmarkt eintreten? Wird die Zulassung von einem spezifischen Stellenangebot (Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit) abhängig gemacht und geht man von einem horizontalen EU-Ansatz für die Wirtschaftsmigration aus, könnte zum Beispiel das Verfahren der „Einzelfallbewertung“ angewandt werden: Danach dürften Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aus einem Drittland einstellen, wenn sie die freie Stelle während einer Mindestzeit ausgeschrieben haben und darauf keine annehmbare Bewerbung von einem Arbeitsuchenden des EU-Arbeitsmarkts eingegangen ist. Bei diesem System, das zur EU-weiten Verbreitung von Informationen über freie Stellen von einem Instrument wie EURES abhängt, ließen sich die Einstellungen bis zu einem gewissen Grad überwachen und der Missbrauch begrenzen. Zu klären wäre ferner, ob diese Prüfung bei Ablauf eines Kurzzeitvertrags, den der Arbeitgeber verlängern würde, wiederholt werden sollte. • Halten Sie die Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit für praktikabel? Sollte sie flexibel und unter Berücksichtigung beispielsweise regionaler und sektoraler Merkmale oder der Größe des betreffenden Unternehmens gehandhabt werden? 11 Die Arbeitsvermittlungsdienste (PES) der Mitgliedstaaten werden auf EU-Ebene durch das Netz EURES (European Employment Services) koordiniert. http://europa.eu.int/euresEURES hat das Europäische Portal zur beruflichen Mobilität (http://europa.eu.int/eures) eingerichtet, das alle öffentlich gemeldeten freien Stellen in Europa ab 2005 über eine einzige IT-Plattform auf der Grundlage einer Webdienste-Technologie zugänglich macht. DE 9 DE • Sollte eine freie Stelle vor der etwaigen Besetzung mit einem Bewerber aus einem Drittstaat erst für eine Mindestzeit ausgeschrieben werden? • Wie ließe sich die Notwendigkeit der Einstellung eines Arbeitnehmers aus einem Drittstaat noch glaubhaft nachweisen? • Sollte die wirtschaftliche Notwendigkeit nach Ablauf der Arbeitsgenehmigung nochmals geprüft werden, wenn der Arbeitsvertrag, aufgrund dessen der Arbeitnehmer aus einem Drittstaat zugelassen wurde, verlängert worden ist bzw. verlängert wird? Verschiedene Alternativen bieten gegebenenfalls mehr Flexibilität: So könnte ein Mitgliedstaat ab einem bestimmten Jahreseinkommen und/oder Qualifikationsniveau auf die Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit und/oder auf den Nachweis eines Arbeitskräftemangels für bestimmte, von ihm festzulegende Sektoren oder Regionen verzichten („green cards“). Dieses Vorgehen könnte auch mit Blick auf eine Quotierung von Arbeitskräften geeignet sein; so könnten die Mitgliedstaaten ihre internationalen Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten einhalten. • Welche alternativen fakultativen Systeme könnten in Betracht gezogen werden? Vor allem auf lange Sicht könnte zur Deckung des Bedarfs an bestimmten Qualifikationen ein EU-Auswahlsystem angewandt werden. Auf EU-Ebene könnte ein gemeinsamer Rahmen entwickelt werden (z. B. Arbeitserfahrung, Bildung, Sprachkenntnisse, Vorliegen eines Stellenangebots, Arbeitskräftemangel, Familienangehörige im Mitgliedstaat); jeder Mitgliedstaat könnte darüber entscheiden, ob er den Rahmen anwendet und ihn gegebenenfalls an die Erfordernisse seines Arbeitsmarktes anpasst. Denkbar wären aber auch verschiedene Systeme, z. B. eines für gering Qualifizierte (das Hauptkriterium könnte hier die Dauer der Tätigkeit in einem bestimmten Sektor sein) und eins für Arbeitskräfte mit mittlerer bis hoher Qualifikation (wichtigstes Kriterium: Bildung, an zweiter Stelle: Erfahrung), zwischen denen die Mitgliedstaaten wählen könnten. Dieses System könnte parallel zur „Einzelfallbewertung“ und zu den „green cards“ bestehen. Schließlich stünde es den Mitgliedstaaten frei, für bestimmte Qualifikationen, Sektoren usw. „Genehmigungen für Arbeitsuchende“ einzuführen. Vor diesem Hintergrund wäre ein beispielsweise auf die Dienstleistungen von EURES gestütztes „Clearing-house“-System denkbar, das dem Arbeitgeber, der eine Arbeitskraft aus einem Drittland benötigt, EU-weit die Einsicht in die Lebensläufe aller Bewerber ermöglicht. Findet sich ein geeigneter Bewerber aus einem Drittstaat, kann er über die Webseite des Mitgliedstaats prüfen, ob er den Kriterien entspricht, und die Verfahren zur Erlangung der Genehmigungen einleiten. • Eignet sich ein Auswahlsystem als mögliche allgemeine EU-Regelung für die Zulassung von Wirtschaftsmigranten zum Arbeitsmarkt? Welche Kriterien sollten dabei maßgeblich sein? • Was ist erforderlich, um den Arbeitgebern EU-weit einen umfassenden Zugang zu den Lebensläufen von Bewerbern zu ermöglichen, und wie sollten in diesem Zusammenhang die EURES-Dienste ausgebaut werden? • Befürworten Sie die Einführung einer „Genehmigung für Arbeitsuchende“? DE 10 DE

2.3. Zulassungsverfahren im Falle der selbstständigen Erwerbstätigkeit
Auf EU-Ebene könnten auch einheitliche Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zum Zwecke der selbstständigen Erwerbstätigkeit eingeführt werden. Diese Bedingungen würden sich von denen in Abschnitt 2.2 beispielsweise wie folgt unterscheiden: Ein Drittstaatsangehöriger könnte aufgefordert werden, einen detaillierten und finanziell machbaren Geschäftsplan sowie einen Nachweis über seine finanziellen Mittel vorzulegen und den Nutzen der vorgesehenen Tätigkeiten für die Beschäftigungslage oder die Wirtschaftsentwicklung des betreffenden Mitgliedstaats nachzuweisen. Verschiedene Flexibilitätsstufen könnten eingeführt werden, sodass die Mitgliedstaaten bestimmte Sektoren ausschließen oder fördern könnten usw. • Wären gemeinsame EU-Regeln für die Zulassung von selbstständig erwerbstätigen Drittstaatsangehörigen wünschenswert? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? • Wäre es möglich, für Selbstständige, die weniger als ein Jahr in der EU tätig sein wollen, um einen bestimmten Vertrag mit einem EU-Kunden zu erfüllen, flexiblere Verfahren vorzusehen? Wenn ja, welche?

2.4. Anträge auf Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung(en)
Ein einziges einzelstaatliches Antragsverfahren zur Erteilung einer kombinierten Aufenthaltsund Arbeitsgenehmigung („one stop-shop procedure“) könnte die geltenden Verfahren vereinfachen. Ist zur Einreise ein Visum erforderlich, könnten die Mitgliedstaaten weiterhin das Visum zur Ersteinreise verlangen oder den von ihren Konsulaten ausgestellten kombinierten Titel als ausreichend anerkennen. Der Titel stünde weder den internen Gepflogenheiten der nationalen Verwaltungen noch den Zulassungsbedingungen entgegen. In den meisten Mitgliedstaaten benötigen Drittstaatsangehörige eine Arbeitsgenehmigung, bevor ihr Antrag auf einen Aufenthaltstitel geprüft werden kann: Es könnte folglich der – von der Kommission nicht beabsichtigte – Eindruck entstehen, dass ein Aufenthaltstitel, der aufgrund anderer Kriterien als derjenigen für eine Arbeitsgenehmigung erteilt wird, bei dem kombinierten Verfahren praktisch automatisch gewährt würde. Die Alternative bestünde darin, diesen Sachverhalt nicht auf EU-Ebene zu regeln. Einen Kompromiss könnte folgendes Verfahren darstellen: Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung werden gleichzeitig beantragt, jedoch werden zwei getrennte Genehmigungen gemäß den innerstaatlichen Vorschriften erteilt. • Sollte eine kombinierte „Arbeits-/Aufenthaltsgenehmigung“ auf EU-Ebene eingeführt werden? Welches sind die Vor- und Nachteile? • Oder wären Sie eher für einen einzigen Antrag (für die Arbeits- und die Aufenthaltsgenehmigung)? • Gibt es andere Optionen? DE 11 DE 2.5. Möglichkeit des Wechsels des Arbeitgebers/Sektors
Die Möglichkeit, während des ersten Arbeitsaufenthalts in der EU den Arbeitgeber und/oder Sektor zu wechseln, hängt eng damit zusammen, wer der Inhaber der Genehmigung ist und unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer zugelassen wurde (Abschnitt 2.2). Wurde ein Drittstaatsangehöriger im Rahmen einer bestimmten Regelung zugelassen, so könnte seine Mobilität vorübergehend begrenzt werden, um den Missbrauch der Aufnahmebedingungen zu vermeiden. Dagegen wäre es für die Wirtschaft des Aufnahmelandes nicht problematisch, wenn der Arbeitnehmer außerhalb solcher Regelungen zugelassen worden ist und er ein interessanteres Stellenangebot erhält (gegebenenfalls vorbehaltlich der Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit). Was die Erlaubnis betrifft, so könnte, wenn der Erlaubnisinhaber der Arbeitgeber ist, der Arbeitnehmer dem Risiko ausgesetzt sein, übermäßig vom zukünftigen EU Arbeitgeber kontrolliert und sogar „besessen“ zu werden. • Sollte die Mobilität des Arbeitnehmers aus einem Drittstaat auf dem Arbeitsmarkt des Wohnsitzmitgliedstaats begrenzt werden? Wenn ja, worauf (z. B. Arbeitgeber, Sektor, Region), unter welchen Umständen und wie lange? • Wer soll Inhaber der Zulassung sein? Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder beide gemeinsam ?

2.6. Rechte Die Rechtsstellung der Arbeitsmigranten muss gesichert sein12, unabhängig davon, ob sie in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen oder einen dauerhafteren Status anstreben. Bevor Arbeitnehmern aus Drittländern der Status als Daueraufenthaltsberechtigte zuerkannt wird, sollten sie insbesondere in Bezug auf einige grundlegende wirtschaftliche und soziale Rechte EU-Bürgern rechtlich gleichgestellt werden. Der Status als Daueraufenthaltsberechtigte impliziert, gemäß dem Grundsatz der Abstufung der Rechte je nach Aufenthaltsdauer, mehr Rechte. • Welche besonderen Rechte sollten Drittstaatsangehörigen gewährt werden, die vorübergehend in der EU erwerbstätig sind? • Sollten bestimmte Rechte an eine Mindestaufenthaltsdauer geknüpft werden? Wenn ja, welche und wie lange? • Sollten für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern aus Drittstaaten Anreize – z. B. günstigere Bedingungen für die Familienzusammenführung oder für die Erlangung der Daueraufenthaltsberechtigung – vorgesehen werden? Wenn ja, warum und welche? 12 Das Gemeinschaftsrecht sieht bereits mehrere Rechte vor, z.B. diejenigen aus der Richtlinie des Rates 2003/109/EG (Langzeitaufhältige), der Verordnung des Rates (EG) Nr. 859/2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1408/71 (Koordinierung der sozialen Sicherheit) und in den zwei Antidiskriminierungsrichtlinien (Richtlinie 2000/43/EG, Richtlinie 2000/78/EG). Außerdem sind Gemeinschaftsrichtlinien zu Themen wie Gesundheit und Sicherheit oder Arbeitsbedingungen im Prinzip auf alle Arbeitskräfte anwendbar, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Dasselbe gilt für die meisten Artikel der Europäischen Grundrechtecharta. DE 12 DE

2.7. Flankierende Maßnahmen: Integration, Rückkehr und Zusammenarbeit mit Drittländern Wie die Kommission in mehreren Mitteilungen13 und in den Ratsschlussfolgerungen zur Migration und Entwicklung vom 19. Mai 2003 herausgestellt hat, kann die Politik der EU zur Wirtschaftsmigration nur dann Erfolg haben, wenn die Migrationsströme in Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern gesteuert und die Gegebenheiten und Bedürfnisse dieser Länder in Betracht gezogen werden. Die Maßnahmen müssen durch engagierte Integrationsbemühungen ergänzt werden. Im Zuge der Zusammenarbeit mit Drittstaaten zur Erleichterung der legalen, sozialen und wirtschaftlichen Integration potenzieller Migranten sind folglich mehrere Fragen zu behandeln, beispielsweise der „brain drain“, der Umstand, dass die Herkunftsländer in die Ausbildung von Personen investieren, die dann die Heimatwirtschaft und Gesellschaft verlassen, und die Schwierigkeit von Migranten, soziale und kulturelle Bindungen aufrecht zu erhalten. Der Umgang mit diesen Themen bedarf einer sorgfältigen Reflexion. Überlegungen müssen ferner darüber angestellt werden, wie die Rückkehr von Personen mit befristetem Arbeitsvertrag bei Vertragsende erleichtert und was zu ihrer gesellschaftlichen Wiedereingliederung im Herkunftsland unternommen werden kann. Allen Beteiligten könnten beispielsweise folgende Maßnahmen dienen und/oder möglicherweise eintretende negative Auswirkungen kompensieren: Bereitstellung aktueller Informationen über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt in der EU; in den Herkunftsländern Einrichtung von Einstellungs- und Ausbildungszentren, in denen die auf EU-Ebene benötigten Fertigkeiten vermittelt sowie Kultur- und Sprachkurse angeboten werden; Aufbau von Datenbanken nach Qualifikationen, Berufen, Tätigkeitsbereichen potenzieller Migranten (Kompetenz-Portfolio); Erleichterung der Überweisung von Einkünften; Erstattung der Ausbildungskosten von Migranten, die in die EU abwandern, an die Drittländer. Zu prüfen wäre auch, ob bestimmten Drittländern Vorzugsbedingungen für die Zulassung ihrer Bürger im Rahmen von Abkommen zur verstärkten Zusammenarbeit gewährt werden könnten. Schließlich muss die EU – wie im Ersten Jahresbericht über Migration und Integration betont wird – ihre Anstrengungen zur Förderung der Integration der heutigen und der künftigen Migranten in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft des Wohnsitzstaates allgemein fortsetzen. Alle Mitgliedstaaten messen mittlerweile Einführungsprogrammen für neue Einwanderer – hauptsächlich Sprachkurse, staatsbürgerliche Schulungen und Informationen über die grundlegenden Normen und Werte des Aufnahmelandes – mehr Bedeutung bei. • Welche flankierenden Maßnahmen sollten zur Erleichterung der Zulassung und Integration von Wirtschaftsmigranten sowohl in der EU als auch in den Herkunftsländern vorgesehen werden? • Was könnte die EU in Übereinstimmung mit der EU Entwicklungspolitik tun, um den Strom von Wissen zu unterstützen und den die möglicherweise negativen Auswirkungen des „brain drain“ zu begegnen? • Sollte Entwicklungsländern ihre Investition in Arbeitskräfte, die in die EU abwandern, erstattet werden, und wenn ja, von wem und wie? Wie lassen sich negative Auswirkungen begrenzen? 13 KOM(2004) 412 und KOM(2002) 703. DE 13 DE • Sollten Aufnahme- und Herkunftsland verpflichtet werden, die Rückkehr von befristet beschäftigten Wirtschaftsmigranten sicherzustellen? Wenn ja, in welchen Fällen? • Wie lässt sich die Rückkehr zum Nutzen sowohl des Aufnahme- wie des Herkunftslands regeln? • Sollte bestimmten Drittländern eine Präferenz mit Blick auf die Zulassung gewährt werden? Wenn ja, wie? • Ließen sich solche Präferenzen an einen bestimmten Rahmen, wie die Europäische Nachbarschaftspolitik oder Heranführungsstrategien, knüpfen?

3. SCHLUSSFOLGERUNG Nach Auffassung der Kommission ist die Zulassung von Wirtschaftsmigranten der Eckpfeiler einer jeglichen Einwanderungspolitik. Sie müsste deshalb auf EU-Ebene mit Blick auf die schrittweise Entwicklung einer schlüssigen Einwanderungspolitik der Gemeinschaft angegangen werden. Im vorliegenden Grünbuch versucht die Kommission, die wichtigsten Fragen zu umreißen, und schlägt eine Reihe von Optionen vor, die in einen gemeinsamen EURahmen eingehen könnten. Dieses System sollte transparent, unbürokratisch und gänzlich praktikabel sein. Es sollte den Interessen aller Beteiligten – Migranten, Herkunftsländer und Aufnahmeländer – dienen. Eine Intensivierung der Politik zur Anwerbung von Wirtschaftsmigranten und zur Erleichterung ihrer Aufnahme verlangt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sehr aufmerksam beobachten, ob starke Abwanderungsströme negative Folgen für das Herkunftsland haben. Mit dem Grünbuch sollen in erster Linie Stellungnahmen eingeholt und eine breite Debatte unter allen Beteiligten eingeleitet werden. Die Kommission bittet um Beiträge vom Rat, vom Europäischen Parlament, vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, vom Ausschuss der Regionen, von nationalen, regionalen und kommunalen Behörden, den Sozialpartnern (einschließlich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen), Nichtregierungsorganisationen, den Kandidatenländern, Drittlandspartnern, der Wissenschaft und sonstigen Organisationen der Zivilgesellschaft sowie von Einzelpersonen. Nach Abschluss dieses umfassenden Konsultationsprozesses wird die Kommission bis Ende 2005, wie im Haager Programm vorgesehen, einen politischen Plan zur legalen Einwanderung, einschließlich Zulassungsverfahren, vorlegen. Die Kommission sieht für 2005 eine öffentliche Anhörung über Wirtschaftsmigration vor. Mit Blick auf deren Vorbereitung ersucht sie alle interessierten Parteien, ihre Beiträge (schriftlich) bis spätestens 15. April 2005 an folgende Stelle zu senden: Der Generaldirektor Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit Europäische Kommission B-1049 Brüssel jls-economic-migration@cec.eu.int DE 14 DE

ANHANG BIBLIOGRAPHY
A. Legislative instruments and proposals: (1) Council Directive 2003/86/EC of 22 September 2003 on the right to family reunification (applicable as of 3 October 2005); (2) Council Directive 2003/109/EC of 25 November 2003 concerning the status of thirdcountry nationals who are long-term residents (applicable as of 26 January 2006); (3) Proposal for a Council Directive on the conditions of admission of third-country nationals for the purpose of studies, pupil exchange, unremunerated training or voluntary service - COM(2002) 548; political agreement reached in March 2004; (4) Proposal for a Council Directive on a specific admission procedure for third country researchers - COM(2004) 178; (5) Proposal for a Council Directive on the conditions of entry and residence of thirdcountry nationals for the purpose of paid employment and self-employed economic activities - COM(2001) 386; (6) Council Regulation (EEC) n°1612/1968 on freedom of movement for workers (in particular, article 19(2) for the “Community preference”); (7) Council Resolution of 20 June 1994 on limitations on admission of third-country nationals to the territory of the Member States for employment; (8) Council Directive 2000/43/EC of 29 June 2000 implementing the principle of equal treatment between persons irrespective of racial or ethnic origin; (9) Council Directive 2000/78/EC of 27 November 2000 establishing a general framework for equal treatment in employment and occupation; (10) Council Regulation (EC) No 859/2003 of 14 May 2003 extending the provisions of Regulation (EEC) No 1408/71 and Regulation (EEC) No 574/72 to nationals of third countries who are not already covered by those provisions solely on the ground of their nationality. B. Commission Communications: (1) Communication from the Commission "Study on the links between legal and illegal immigration” - COM (2004) 412 final; (2) First Annual Report on Migration and Integration - COM(2004) 508 final; (3) Communication from the Commission on immigration, integration and employment - COM(2003) 336 final; (4) Communication from the Commission on integrating migration issues in the EU's relations with third countries - COM(2002) 703 final. DE 15 DE C. Studies: (1) Studies on labour migration, Migration Research Group, Hamburg Institute for International Economics (HWWA), Germany; papers prepared for the European Commission, DG Employment and Social Affairs, June 2004, available at: http://europa.eu.int/comm/employment_social/employment_analysis/immigr_new_st ud_en.htm. The papers examine best practice regarding recruitment of labour migrants, projecting future labour needs and labour market integration in the European countries as well as in other industrialised countries. They were prepared by experts from the MRG, in cooperation with the Migration Policy Institute, Washington DC. (2) Admission of third-country nationals for paid employment or self-employed activity, European Commission, Directorate General for Justice and Home Affairs, 2001, ISBN 92-894-1689-0. The study, undertaken by Ecotec Research and Consulting Limited between November 1999 and May 2000, analysed and compared the legal and administrative frameworks in the EU-15 concerning the admission of thirdcountry nationals to the EU Member States for the purposes of paid employment and self-employment.