Innovation durch Interkulturalisierung:
IKÖF - Obersteirische Initiativen zur interkulturellen Öffnung der
Region
Kaum eine andere Gruppe ist am österreichischen Arbeitsmarkt mit einem solch immensen Ausmaß an - zu vielfältigen Diskriminierungen führenden - Vorurteilen konfrontiert wie jene der ZuwanderInnen. Wenngleich Chancenungleichheit fördernde Bedingungen auf zahlreiche Menschen zutreffen, so sind Frauen, Männer und Jugendliche aus Drittstaaten einem weiteren Stigma ausgesetzt, nämlich jenem, dass sie eben "zugewandert" sind, sie nicht schon immer im Lande waren, man in ihnen auch gerne einen zusätzlich Probleme verursachenden Faktor sieht, man – und das wiegt wohl am schwerwiegendsten – trotz einer bereits über Jahrzehnte andauernden Zuwanderung noch immer eine Politik strapaziert, die individuelle Instabilität in Hinblick auf soziale wie ökonomische Aufenthaltssicherheit produziert.
DrittstaatenausländerInnen gelten als Zielgruppe mit einem überaus
hohen Arbeitslosigkeits-risiko, welches sich zunehmend in den aktuellen Arbeitslosigkeitsstatistiken
widerspiegelt und eine weitere Bestätigung in der ethnischen Segmentierung
des Arbeitsmarktes selbst findet. Demnach sind unabhängig von tatsächlichen
Qualifikationen Frauen und Männer nich-tösterreichischer Herkunft
in einigen wenigen Arbeitsmarktsegmenten, die ihrerseits durch niedrige Entlohnung
sowie eher kurzfristige Beschäftigungen gekennzeichnet sind, zu finden.
Fragen der ethnischen Segregation finden zusätzlich aber auch hinsichtlich
der Zugangsbe-dingungen von MigrantInnen zum Berufsaus- bzw. –weiterbildungssystem
eine Rolle, denn auch hier ist ihr Partizipationsanteil verschwindend klein.
ZuwanderInnen sind demnach im Kontext ihrer Integrationsanstrengungen mit überaus
geschlossenen Systemen konfrontiert, die, wie es den Anschein hat, nur überaus
rudimentär in der Lage sind, notwendige Aufnahmeleistungen zu erbringen.
Die Gesamtstrategie der Entwicklungspartnerschaft IKÖF
fasst sich im Konzept der Interkulturellen Öffnung zusammen,
dem die Definition von Integration als wechselseitiger Pro-zess von ZuwanderInnen
und Aufnahmegesellschaft zugrunde liegt und reagiert insofern auf die eingangs
geschilderten Rahmenbedingungen. Die Aktivitäten der Entwicklungspartnerschaft
basieren zum einem auf Struktur (1) - und zum anderen auf Bildungs- und Sensibilisierungstätigkeiten
(2), worauf in Summe auf konkrete, regionale Forschungsergebnisse (3) zurückgegriffen
wird.
Berufsqualifikation
Ethnic Diversity soll nicht länger als Belastung, sondern als
Bereicherung, auch als Bereiche-rung einer Region, betrachtet werden, zumal
es gelingen soll, beschäftigungspolitischen Bedarf mit den arbeitsmarktpolitischen
Bedürfnissen einer Risikogruppe des Arbeitsmarktes zu verbinden. Zumal
es über Qualifikationshintergründe, die einen maßgeblichen Parameter
in Hinblick auf die dargestellte Zielerreichung darstellen, kaum wirklich objektive
Daten gibt, muss es naheliegend sein, über eine diesbezügliche Forschung
regional relevantes Material zur Verfügung zu stellen, auf welcher die
Ausgangsthesen überhaupt einmal überprüft werden können.
Stimmt es, dass ethnische Minderheiten über mitgebrachte Berufsausbildungen
ver-fügen, stimmt es, dass deren Transfer in den regionalen Arbeitsmarkt
nicht gelingt, stimmt es, dass gegebenenfalls Kompetenzressourcen nicht wahrgenommen
werden und neben den rechtlichen Barrieren auch weitere Schnittstellen existieren,
die auf Wahrnehmungsreduktion aufbauen? Dieser Schritt, eine demografische Realität
einer Region zu erfassen, muss im Kontext der Zuwanderung als Innovationskomponente
erfasst werden, als dass man bislang glaubte, über systembezogene Subjektivierungen
den interkulturellen Diskurs führen zu können, der allzu oft zu einem
Diskurs wurde, der nicht zuletzt deshalb stark emotionalisiert und positionsradikalisierend
stattfinden musste.
Beschäftigungsanalyse
In den an der EP beteiligten Städten Kapfenberg und Leoben wurde ein repräsentativer
Querschnitt von Menschen ursprünglich ausländischer Herkunft zu ihrer
persönlichen Arbeits-markt- und Beschäftigungssituation befragt. Muttersprachliche
InterviewerInnen führten an-hand eines eigens entwickelten Erhebnunsgbogens,
in dem die Zielpersonen in Form von Längschnittkriterien nach beruflichen
Ereignissen befragt wurden, mehrstündige Gespräche. Hervorzuheben
ist, dass die Bereitschaft, sich auf diesen doch sehr persönlichen Erhebungs-prozess
einzulassen, erstaunlich hoch war. Mit den Forschungsergebnissen, welche die
Aus-gangsthesen bestätigten, denn sie wiesen nach, dass ca. 35% der Befragungsgruppe
zwar über Berufsausbildungen verfügen, ohne diese jedoch auch nur
ein einziges Mal in Österreich aus-geübt haben zu können, steht
nun der Region ein grundlegendes arbeitsmarkt- und regional-politisches Planungsdokument
zur Verfügung. In ersten Workshops mit relevanten AkteurIn-nen wurden die
Ergebnisse auch bereits diskutiert und es ist davon auszugehen, dass dadurch
erste Einheiten in Hinblick auf eine Optimierung der Situation eingeleitet wurden
und Schritte zur interkulturellen Öffnung gesetzt wurden. In den Planungsworkshops
wurde von Teilneh-merInnen die grundsätzliche Schwierigkeit formuliert,
mitgebrachte Qualifikationen vor dem Hintergrund der regionalen Berufsanforderungen
einschätzen zu können, wurde also der Mangel an Methoden und Instrumenten
unterstrichen, die imstande wären, hier qualitative Abhilfe zu schaffen.
Qualifikationsanalyse und Requalifizierung
Hier setzt die Entwicklungsarbeit von Modul 2 an, welches versucht, einen diesbezüglichen
Support in Form abgerundeter Analysen zu gestalten, und damit auf einen Bedarf
reagiert, der sowohl aufseiten von ZuwanderInnen selbst wie aufseiten von Unternehmen
oder öffentlicher und privater Beratungsstellen existiert. Eine mehrstufig
angelegte und unterschiedliche Me-thoden berücksichtigende Potentialanalyse
erhebt und beschreibt formal und nonformal er-worbene Kompetenzen und fasst
diese in einem Qualifikationspass zusammen. In den Ent-wicklungsprozess dieser
neuen Instrumente wurden aus den verschiedensten Fachbereichen kommende ExpertInnen
miteinbezogen und es wurde dabei eine Konzentration auf den Bereich der mittleren
Qualifikationsebenen gelegt. Die Beschreibungen und Validierungen im Qualifikationspass
erzeugen Transparenz hin zum Arbeitsmarkt, sie stellen aber auch den Ausgangspunkt
dar für etwaige Requalifizierungen, die nun auf genauen Analysen aufbauen
können. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Führte die Situation
bisher dazu, dass aufgrund mangelnder Bewertungsklarheiten auf mitgebrachte
Qualifikationen entweder gänzlich ver-zichtet wurde, war es bislang bestenfalls
so, dass Schulungsgänge und Berufsausbildungen zur Gänze absolviert
werden mussten, so kann nun zielorientiert, zeit- und kostensparend im Kontext
einer bereits vorhandenen Qualifikation gemäß der aktuellen Anforderungen
requali-fiziert und somit ein Qualifikationstransfer sichergestellt werden.
Zumal dieser Entwick-lungsprozess von einer Einrichtung des Regelschulungssystems
geleistet wird, befindet sich diese damit in einer Phase der eigenen interkulturellen
Öffnung als Organisation, als Lei-stungsträger, der sich gleichzeitig
auch mit der Gestaltung eigener struktureller Standards im Feld der Interkulturalität
befassen muss.
Interkulturelle Beratung
Interkulturelle Beratung von Organisationen ist ein weiteres Tätigkeitsfeld
von IKÖF, das von der Absicht und dem Ziel getragen ist, Beratungs- und
Schulungsinstitutionen, aber auch Un-ternehmen, in Hinblick auf strukturell
bedingte interkulturelle Öffnungsszenarien zu unter-stützen. Diskriminierung,
die vielleicht sogar selten gewollt ist, aber eben dennoch passiert, und Benachteiligung
haben nahezu immer etwas mit geschlossenen Systemen zu tun, d.h. auch mit Strukturen,
Organisations- und Planungsparametern, die sich am sogenannten Mainstream orientieren
und die insofern nur selten oder nur unter Aufbringung großer Energiereserven,
oftmals auf der Ebene einzelner MitarbeiterInnen, imstande sind, außerhalb
desselben liegende und somit wohl auch eher abweichende Bedürfnisse zu
integrieren und zu berücksichtigen. Arbeitsmarktpolitische Interventionen
jedweder Art, aber auch andere Dienstleistungen öf-fentlicher Einrichtungen,
bedürfen gerade dieser Sensibilisierung, auf unterschiedliche Be-dürfnisse
in Planungs- und Umsetzungsfragen aktiv zugehen zu können und müssen
gerade auch in dieser Hinsicht vielleicht neue Kompetenzen entwickeln und/oder
bereits vorhandene auf neue gesellschaftliche Anspruchsgruppen adaptieren. Eine
mangelnde Sensitivität von Strukturen und Abläufen bezüglich
der Bewältigung interkultureller Fragestellungen führt oft zur Personalisierung
von Konflikten und in der Folge zu einer ungünstigen Ethnisierung von Situationen.
Wenn sich, was nun durch die Tätigkeit von Modul 3 der Fall ist, regionale
Ge-schäftsstellen des AMS, das Bürgerservice der Stadtgemeinde Kapfenberg
und etliche andere regionale Beratungsstellen und Schulungseinrichtungen nun
unter externer Beratung, Begleitung und Moderation mit diesen interkulturellen
Herausforderungen beschäftigen, dann ist davon auszugehen, dass dadurch
sukzessive ein unternehmensbezogenes Empowerment erfolgt, das in weiterer Folge
ZuwanderInnen, die ja auch KundInnen dieser Einrichtungen sind, zugute kommt,
aber auch den Verantwortlichen und MitarbeiterInnen der Einrichtungen selbst.
Die einzelnen Modultätigkeiten greifen inhaltlich sich stark ergänzend
ineinander über, sie beinhalten sowohl in dieser kohärenzbildenden
Summe als auch als Einzelfaktoren betrachtet zahlreiche Innovationsbereiche,
die auch einen über die unmittelbare Region hinausgehenden Mehrwert beinhalten.
Die jeweiligen Erfahrungswerte kontinuierlich zu reflektieren, zu ab-strahieren
und mitunter Teilschritte neu zu definieren, sie aber insgesamt für den
steirischen Arbeitsmarkt aufzubereiten, ist wesentlicher Bestandteil der IKÖF-Kultur
und der IKÖF-Ziele. Durch den grundsätzlichen Zugang zu den Methoden
des Visualisierens und Transpa-rentmachens neuer und ressourcenorientierter
Betrachtungsgrößen in der Zusammenschau mit ZuwanderInnen, durch
eine über die unmittelbare EP hinausgehende regionale und überregio-nale
Kommunikation der Ergebnisse, in der kontinuierlichen Verfolgung nicht defizit-,
sondern kompetenzorientierter Attributierungen, leisten die EntwicklungspartnerInnen
einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um den Materienkomplex der Zuwanderung.
Und genau einer solchen Entemotionalisierung der Debatte wird ein wesentlicher
Innovationsraum zuzusprechen sein, da durch eine solcherart geführte Gesamtdiskussion
von der Ghettoisie-rung/Ethnisierung der Ausländerfrage hin zu einer sozialen
Frage, die sich um einzelne Be-nachteiligungsbereiche gruppiert, umgelenkt wird
und alleine dadurch sich eine Problembear-beitung gleichsam normalisieren und
durch einen Perspektivenwechsel sich Veränderung und Innovation im Kontext
realen Handelns einstellen könnte.
Es lag von vornherein in der Absicht der Entwicklungspartnerschaft, ausgehend
von den re-gionalen Regelangeboten, neue kreative Ansätze und Ideen zu
konzipieren. Mitberücksichtigt dabei wurden neben der regionalen Arbeitsmarktlage,
vorhandener Erfahrungsgrundlagen und einer hohen Zielgruppenorientierung auch
der aktuelle theoretische Diskussionsstand um Fragestellungen zur Interkulturalität
(vgl. Interkulturelle Öffnung, interkulturelles Lernen, interkulturelle
Kompetenz, interkulturelle Kommunikation etc.). Ist - Situationen und regio-nale
Besonderheiten zu bedenken, die Bedürfnisse benachteiligter Menschen konsequent
als grundlegende Planungsfaktoren zu sehen, theoretische Konzeptionen in diesen
Kontext zu übertragen und zu integrieren– in Summe ist darin wohl
der Boden für ein gedeihliches Werden und Realisieren von Innovation zu
sehen. Im Fall von IKÖF ist der Motor hierfür die aktive Bewältigung
der globalen Aufgabe der Interkulturalisierung.
(1) Modul 3: Interkulturelle Beratung von Organisationen. ISOP - Innovative
Sozialprojekte.
(2) Modul 2: Entwicklung und Pilotierung von Instrumenten und Methoden zur Requalifizierung
von MigrantInnen. Schulungszentrum Fohnsdorf.
(3) Modul 1: Studie zur Beschäftigungs- und Arbeitsmarktsituation von ZuwanderInnen
in der Obersteiermark. Zentrum für soziale Innovation.