20. März, Diagonale 2001, Schubertkino II, 21h - GRAZ
Die heurigen Videoarbeiten zur Diagonale-"Kunst der Stunde ist
Widerstand" spiegeln widerum eine Vielfalt von politischer Phantasie
in Spektrum und Positionierung. Sie dokumentieren einerseits Geschehnisse,
Protestformen des Widerstands im letzten Jahr, andererseits entwickeln
sich experimentelle Formen weiter. Trotz "Normalisierung" wurden
wieder zahlreiche Arbeiten eingereicht, die den "Normalzustand"
zu skandalisieren suchen und in ihrem rebellischen Ausdruck das flexibel
handhabbare Videoformat wählen. Das Video ist schlicht und die Bearbeitungsmöglichkeiten
verbreitern sich. Hatten vor allem die ersten Arbeiten letztes Jahr noch
einen vorrangig ironischen, beissenden Unterton, war der Eindruck dieses
Jahr bei der gemeinsamen Sichtung der Videoarbeiten anfang März beklemmend.
Sie zeigen kein Selbstmitleid, aber sie spiegeln dennoch einen zunehmend
unerträglichen Zustand.
Die Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl bemerkt dazu in der Reflexion
"Seit einem Jahr wird gegen die blau-schwarze Regierung demonstriert":
"Neuerdings entwickelt der Protest jedoch ein gewisses Faible für
aussichtslose Anliegen, sowie Talent, auch das Scheitern mit Stil zu bewältigen.
Im letzten Jahr wurde zwar nicht die Regierung beseitigt, dafür aber
das Selbstmitleid. Das ist schon ein Anfang." Im letzten Jahr hat
sich die Normalität weiter nach Rechts verschoben. Bei der Demo "Ein
Jahr Widerstand" war von einer Massenbewegung nicht mehr viel übrig.
Liberale Gruppierungen, Intellektuelle und Künstler blieben den Demos
zunehmend fern. Nach der anfänglichen Vernetzung spalten sich die
liberalen und die radikaleren, antirassistischen Fronten. Medien und Polizei
hetzen fleißig mit. Die Politisierung derjenigen, die jetzt noch
demonstrieren hat sich verändert: Es geht nicht nur um die Regierungsbeteiligung
der FPÖ, sondern darum eine anti-nationale, antirassistische Position
zu beziehen.
Das Video-Kollektiv "Die Kunst der Stunde ist Widerstand"
fordert eine offensive anti-nationale und anti-rassistische Politik gegen
die Made in Austria ein: Für ein AusländerInnenwahlrecht, ein
Anti-Diskriminierungsgesetz, für offene Grenzen, ein offenes Kärnten,
ein offenes Europa.
Programmablauf:
- Trailer - Die Kunst der Stunde ist Widerstand, Oliver Stotz &
Lisbeth Kovacic & Lukas Schaller 2.5'
- die kunst ist eine bärin und sie beißt wen sie will, Volxtheater
Favoriten, 5,5´
- Resist, Simona Schimanovich, 0,3´
- elektrovortrag zum nazionalfeiertag, bady minck, 5´
- Zufallsindoktrinator, Julia Starsky, Julius Sternenhimml, 5,5´
- Torte statt Worte - Drahdiwaberl, Klaus Hundsbichler, 5,5´
- 20/5/2000, anonym, 13´
- 2 spots, get to attack, Anja Salomonowitz,1´
- Heimatgeflüster, Pia schauenburg, 1´
- Die Herren, Ewa Einhorn, Misha Stroj, 7´
- Mad in Austria, Elke Mayr, 0,5´
- Pony, Bär und Apfelbaum, acc, 12´
- Österreich rein! Amina Handke, 2,5´
- Krumpendorf ist ein Symbol, klara moser society, 11´
- Der graue Star, maschek., 8´
- Grüß Gott Österreich!, Bernadette Huber, 4,25´
- Dankeschön, Thomas Horwath, 1´ Anschließend Diskussion
Moderation:
Gini Müller, Tristan Sindelgruber)
Projektbeschreibug und Reflexionspapier
"Die Kunst der Stunde ist Widerstand" - Diagonale - 20.3.
2001
Titelreflexion
Gerald Raunig verweist in dem Buch "Wien, Feber, 00", in einem
speziellen Kapitel über das Projekt mit dem Namen "Die Kunst
der Stunde ist Widerstand", zunächst auf die verschiedenen Bedeutungsebenen
des Slogans und die eine wesentliche Tatsache, "daß in diesen
Tagen in ähnlichem Ausmaß Widerstand augenfällig Kunst
wird, wie künstlerische Aktionen auch widerständig in Eriegnisse
eingreifen, damit auch ein Raum erzeugt wird, in
dem die Trennung für eine gewisse Zeit lang aufgehoben iost, die
künstlerische in die politische Aktion in die künstlerische
übergehen kann. Der Slogan verweist aber auch auf die zeitliche Bestimmtheit,
vielleicht auch Begrenztheit dieses Grenzraums.(...)"Die Kunst der
Stunde" heißt auch tendenziell unkontrollierbar, flexibel Umstände
nutzen, die in einem ganz bestimmten Interventionsmoment in eine günstige
Situation verwandelt werden können, also nicht von einer strategischen
Position, einem Ort abhängig und ausgehend. (...) Die Differenz zwischen
ursprünglichen Ziel und zwischenzeitlich eingetretenen Effekten muß
durch schnell handelndes
Anpassen immer wieder ausgeglichen werden. Damit heißt Widerstand
immer auch Widerstand gegen das theoretische Konzept der einen, universellen
Wirklichkeit, und praktisch Widerstand gegen alle vereinheitlichenden
Konstruktionen der Wirklichkeit durch Medien und Geschichtsschreibung;
das alles am besten durch die permanente pluralisierende Installierung
von
eigenen gegenhegemonialen Konstruktionen."
1 Jahr Kunst der Stunde
Ein Jahr ist vergangen und die Normalität hat sich in Österreich
weiter nach rechts verschoben. Die Zeit von Reflexion und Diskussion,
Blickwechel in Sachen Protest und Widerstand ist notwendigerweise gekommen.
Das Kollektiv "Die Kunst der Stunde ist Widerstand" konstituierte
sich nach der politischen Wende im Februar 2000. Konkreter Anlaß
war u.a. die Diagonale. Die Videogruppe stellte sich anfangs ein loser
Zusammenschluss von Leuten, die Videos und Filme unter Themen wie "Protest
und Widerstand gegen die neue Regierung" produzierten, dar.
Die über 50 Arbeiten des vielfältigen Videopools - Propagandaspots,
Straßendokus, Interviews, Essays, FoundFootage, Experimentelles
- entstanden zumeist als spontane Protestäußerung gegen die
neue Regierung. Eine ganze Woche lang wurden im Rahmen der Diagonale 2000
jeden Abend unterschiedlichste Videoprojekte vorgestellt und besprochen.
Sowohl die Petition der Filmschaffenden gegen die Regierung im Katalog
als auch die
Reihe selbst erregten die Öffentlichkeit. Anlaß und Grundkonsens
waren und sind die Ablehnung der Regierung. Doch das
Projekt ist andererseits auch ein Experiment auf struktureller Ebene:
Durch die kurzfristige politische Ausnahmesituation und die Aufbruchsstimmung
in Sachen Widerstand kam es im Moment zu einer Vernetzung verschiedenster
Leute und Initiativen; es eröffneten sich neue Möglichkeiten
der Zusammenarbeit,
Austausch zwischen vorrangig politisch Aktiven und "Filmleuten".
Mittels der Mailinggroup-Liste 25fps@klingt.org und regelmäßiger
Treffen wurden Distribution und Präsentation in Angriff genommen.
Auch über neue mögliche Formen von autonomer und gleichberechtigter
Organisation und Produktion von Öffentlichkeit Ansätze wurden
diskutiert und ausprobiert. Nach der Auszeichnung letztes Jahr, bei der
Diagonale 2000 wurde die Filmreihe in ganz Österreich und auf zahlreichen
internationalen Festivals gezeigt. Eine rasche "Mobilisierung"
hat so auch in der Filmszene die
Möglichkeiten einer aktiven Gegenöffentlichkeit aufgezeigt.
Die
Festivalliste reicht von Nyon nach Berlin, bis London.
Phase 2 - Andenken neuer Ziele
Der Ausnahmezustand legte sich, der Kreis der Interessierten wurde kleiner.
Später wurde die Infrastruktur eines Büros und einer Eermittlerin
genutzt um anwachsende organisatorische Probleme zu lösen. Die "offizielle"
Filmszene nahm das Projekt jedenfalls gespalten auf. Hurch z.B. meinte,
die Videos seien größtenteils "...als historische Dokumente
und filmisch-ästhetisch uninteressant"; - auf dieser Ebene anerkennt
man intendierten Funktionswechsel und angelegte grenzüberschreitende
Arbeitsweisen nicht. Mittlerweile stellen sich schlichte Probleme von
Erschöpfung, politischer Frustration, Verlagerung von Scihtweisen,
Rückzug hinter die Grenzen von Partikularinteressen... (um deren
Überschreitung es allgemein ginge).
Und trotzdem. Bei den regelmäßigen Treffen der Gruppe versuchten
wir trotz aller Organisationsschwierigkeiten die politische Dimensionen
und etwaige Weiterentwicklung des Projekts nicht aus den Augen zu verlieren.
Primäres Ziel des Projekts muß es einerseits sein (Gegen-)Öffentlichkeit
zu schaffen und das Herstellen von Öffentlichkeit als politisch wichtige
Selbstermächtigung zu begreifen. Die Videoherstellung und die Veröffentlichung
sind als politische Handlungsmöglichkeit zu verstehen. Die Kunst
der Stunde ist Wahrnehmungspolitik. Wie können wir gesellschaftliche
Vorgänge erfassen, begreifen und als soziale Praxis denken, wie
intervenieren? Andererseits geht es inhaltlich um die Erweiterung des
Analysespektrums: Kann es dem Film gelingen, über die Dokumentation
des Unmuts hinaus zu den konkreten gesellschaftlichen Themen vorzudringen,
um so zu einem längerfristigen Diskurs beizutragen? An diese Frage
schließt auch die von Thomas Korschil und Eva Simmler kuratierte
dreiteilige Filmreihe "Politik bilden!" (Videoarbeiten als geselllschaftliche
Praxis) bei der Diagonale 2001 an. Das Projekt der "Kunst der Stunde
ist Widerstand" war Ausgangspunkt für Recherchen und
Programmierung: nach dem Politischen im Film abseits der offiziellen
Filmszene wird gesucht.
Videoarbeiten:
Das Spektrum der Videoarbeiten ist vielfältig und gibt sogleich Auskunft
über kontextuelle Hintergründe und damit auch ihrer jeweiligen
unterschiedlichen Funktionen (auch im Verhältnis zum "offiziellen"
Film). Alle suchen sie nach politischen Sichtweisen in der Wahrnehmung:
Bei den meisten sogenannten "Demofilmen" wird das Video als
Mittel von kritischer Beobachtung von Öffentlichkeit eingesetzt.
Die Anwesenheit von Kamera nützt oft im Geschehen, daß eine
breite Öffentlichkeit nicht sieht. Die Spate "Interviews und
Essays" hingegen gibt intimeren Meinungen Raum um Positionen verständlicher
zu machen. Bei den Videos, die sich mit
Medieninszenierungen beschäftigen wird zumeist der Zwiespalt zwischen
Sprache und politischen und sozialen Gestus verdeutlicht. Aber auch Spots
und Commercials sind stark im Spektrum vertreten. Waren es anfangs Spots
gegen Schwarz-Blau die für die Mobilisierung von Gegenöffentlichkeit
gefragt waren, wird die Tendenz zunehmend konkreter, Forderungsorientierter.
Z.B.
laufen von get to attack regelmäßig Spots (u.a. zu Antidiskriminierung,
und MigranntInnenwahlrecht) in den Kinos.
In der "Kategorie" experimenteller und künstlerischer Videos
sind viele Filme die ausgesprochen medienreflexiv arbeiten vertreten,
die
offensichtliche Strukturangriffe auf mediale Gewohnheiten starten. Dagegen
stehen konkrete Momentaufnahmen von kreativen oder theatralischen Widerstandsaktionen
und ihre Positionierung im öffentlichen Rahmen.
März Diagonale 2001
Die heurigen Videoarbeiten zur Diagonale-"Kunst der Stunde ist Widerstand"
am 20.3. spiegeln widerum eine Vielfalt von politischer Phantasie in Spektrum
und Positionierung. Sie dokumentieren einerseits Geschehnisse, Protestformen
des Widerstands im letzten Jahr, andererseits entwickeln sich experimentelle
Formen weiter. Trotz "Normalisierung" wurden wieder zahlreiche
Arbeiten eingereicht, die den "Normalzustand" zu skandalisieren
suchen und in ihrem rebellischen Ausdruck das flexibel handhabbare Videoformat
wählen. Das Video ist schlicht und die Bearbeitungsmöglichkeiten
verbreitern sich. Hatten vor allem die ersten Arbeiten letztes Jahr noch
einen vorrangig ironischen, beissenden Unterton, war der Eindruck dieses
Jahr bei der gemeinsamen Sichtung der Videoarbeiten anfang März beklemmend.
Sie zeigen kein Selbstmitleid, aber sie spiegeln dennoch einen zunehmend
unerträglichen Zustand.
Die Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl bemerkt dazu in der Reflexion
"Seit einem Jahr wird gegen die blau-schwarze Regierung demonstriert":
"Neuerdings entwickelt der Protest jedoch ein gewisses Faible für
aussichtslose Anliegen, sowie Talent, auch das Scheitern mit Stil zu bewältigen.
Im letzten Jahr wurde zwar nicht die Regierung beseitigt, dafür aber
das Selbstmitleid. Das ist schon ein Anfang."
Im letzten Jahr hat sich die Normalität weiter nach Rechts verschoben.
Bei der Demo "Ein Jahr Widerstand" war von einer Massenbewegung
nicht mehr viel übrig. Liberale Gruppierungen, Intellektuelle und
Künstler blieben den Demos zunehmend fern. Nach der anfänglichen
Vernetzung spalten sich die liberalen
und die radikaleren, antirassistischen Fronten. Medien und Polizei hetzen
fleißig mit. Die Politisierung derjenigen, die jetzt noch demonstrieren
hat sich verändert: Es geht nicht nur um die Regierungsbeteiligung
der FPÖ, sondern darum eine anti-nationale, antirassistische Position
zu beziehen.
Das Video-Kollektiv "Die Kunst der Stunde ist Widerstand"
fordert eine offensive anti-nationale und anti-rassistische Politik gegen
die Made in Austria ein: Für ein AusländerInnenwahlrecht, ein
Anti-Diskriminierungsgesetz, für offene Grenzen, ein offenes Kärnten,
ein offenes Europa.