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Die Verhaftung der Volxtheaterkarawane
[2004-03-15]

Am Abend des 22. Juli 2001 wurden die 25 Mitglieder der Theaterkarawane auf dem Weg nach Frankfurt verhaftet, systematisch misshandelt und in Untersuchungshaft überstellt.

Umstände der Verhaftung
Die genauen Umstände der Verhaftung kommen erst nach und nach ans Tageslicht. Offenbar kam es um etwa 18.30 zu einer "Routinekontrolle" rund 40 km ausserhalb von Genoa. Die Mitglieder der Karawane - die sich bereits auf dem Weg nach Frankfurt befand und eine Cafepause eingelegt hatten - liessen die Kontrolle anstandslos über sich ergehen und willigten schliesslich ein, sich zu einer genaueren Überpfüfung (mehr oder weniger freiwillig und in den eigenen Fahrzeugen) nach Genoa zu begeben. Die Festnahme selbst ereignete sich erst in der Polizeistation in Genua nach einem Blick in den Computer. Alle 25 Personen, die zu dieser Zeit mit der Karawane unterwegs waren wurden inhaftiert, die Fahrzeuge samt Inhalt beschlagnahmt.

Misshandlungen
In der Polizeistation wurden die Mitglieder der Karawane, wie auch - laut übereinstimmenden Betroffenenberichten - die meisten der anderen Festgenommenen, psychisch, physisch und sexuell schwer misshandelt und gezwungen, italienischsprachige Vernehmungsprotokolle zu unterschreiben. Dem Grossteil der Festgenommenen hat erst im Zuge des ersten Haftprüfungsverfahrens von den Vorwürfen gegen sie erfahren - sie hatten selbst eine Woche nach ihrer Festnahme weder mit Rechtsanwäten noch mit Familienangehörigen sprechen dürfen.

Haltlose Vorwürfe
Die Staatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe gegen die Karawane: deren Mitglieder seien Führend an Vandalismus, Plünderung und an der Bildung einer kriminellen Organisation tätig gewesen. Unterlagt werden diese Anschuldigungen aber durch ässerst düftige und fragwürdige "Beweise": schwarze T-Shirts, Schweizer Taschenmesser, Jounglierkeulen, Utensilien zum Feuerspucken eine kaputte, ca. 50 Jahre alte Gasmaske, zwei funktionsuntüchtige, ca. 20 Jahre alte Funkgeräte sowie Küchenutensilien waren für das Gericht Grund genug, die Untersuchungshaft über alle 25 Personen zu verhängen. Dies trotz der Tatsache, dass die inkriminierten Gegenstände bereits im Zuge zahlreicher Kontrollen in Italien und Österreich von der Polizei vorgefunden, kontrolliert und in keinster Weise beanstandet wurden.

Selbstverständlich legten die AnwätInnen Berufung ein und so kommt es ab Montag, 13. Juli zu einer erneuten Haftpüfungsverhandlung. Mittlerweile wissen die Angeklagten von den Vorwürfen und konnten bereits Kontakt zu den AlwältInnen (und ein Mal pro Woche zu ihren engsten Familienangehörigen) aufnehmen. Die "Beweise" der ersten Verhandlung sind quasi widerlegt und spielen bei der erneuten Verhandlung eine untergeordnete Rolle. Stattdessen "zaubert" die Staatsanwaltschaft permanent neue "Beweise" aus dem Hut, die einander in ihrer Grotestkheit überbieten: so soll angeblich ein Photo, dass ein Mitglieds der Karawane mit einem Einkaufswagen(!) zeigt, Plünderungen beweisen. Weiters vermutet die auf Mafia-Prozesse spezialisierte Staatsanwältin, dass die Karawane bereits im slowenischen Grenzcamp "Guerilla-Aktionen" für Genua vorbereitet hätte. Dazu meldete sich allerdings bereits ein venezianischer Kommunalpolitiker zu Wort, dass er persönlich am Grenzcamp anwesend war und statt Diskussionen über sogenannte "schwarze Blöcke" oder militanter Aktionen nur von friedlichen TeilnehmerInnen berichten kann.

Es ist zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft aber weiterhin bizarre Komplott-Konstruktionen erfinden wird um die mittlerweile mehr als zwei Wochen andauernde Inhaftierung rechtzufertigen. Von einem fairen Prozess kann aber keinesfalls die Rede sein: den Anwäten wurde bis knapp vor Verhandlungsbeginn die komplette Einsicht in die Akten verwehrt.

Die Rolle der österreichischen Behörden
Neben der Tatsache, dass selbst die italienische Staatsanwaltschaft zugibt, dass mindestens 76 der rund 500 Verhaftungen unrechtmässig erfolgt seien, tragen die österreichischen Behörden und vor allem die österreichische Politik eine weitreichende Mitschuld an den Vorkommnissen. Dem Vorgang der Verhaftung nach zu schliessen, erfolgte die Festnahme der Karawane vorallem aufgrund jener Daten, die das österreichische Innenministerium (vom Heeres Nachrichtenamt HNA ganz zu schweigen - dieses unterliegt ja keinerlei parlamentarischer Kontrolle!) an ihre italienischen KolegInnen weitergegeben wurden. Diese bestanden hauptsächlich aus "Vermutungen" der Staatspolizei, konnten allerdings keinerlei strafrechtlich relevante Informationen umfassen (da es keine gibt!). Verschwiegen wurde hingegen die Tatsache, dass es sich bei der VolxTheaterKarawane um eine Gruppe handelt, die mit Theateraufführungen - und nicht mit "Waffen" - Problematiken thematisiert. Auch wurde das bisherige agieren, etwa im Zuge des Weltwirtschaftsgipfels in Salzburg, mit keinem Wort erwähnt. Somit beschrängte sich die weitergeleitete Information vor allem auf den Hinweis, dass sieben Personen "amtsbekannt" seien - ein ässerst dehnbarer Begriff.

Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner drückte bei einem Treffen mit ihrem italienischen Amtskollegen nicht nur "ihr vollstes Vertrauen in die italienische Justiz" aus, sondern Verurteilte die Mitglieder der Theatergruppe bei dieser Gelegenheit auch im voraus: amtsbekannte Personen müssten in Italien, wie in jedem anderen Land auch, mit einer derartigen "Untersuchung" rechnen. Dabei hätte sie nicht nur von der Tatsache, dass die Polizei Provokateure und rechtsextreme Schlägertrupps in die Demonstrationen eingeschleusst hat und mit extremer Brutalität gegen alle DemonstrantInnen vorgegangen war, wissen müssen; sie war auch von der Unbescholtenheit der Theatergruppe sowie den schweren Misshandlungen in Gewahrsam der "vertrauenswürdigen Justiz" in Kenntnis gesetzt worden.

In ihrem Argumentationsnotstand, wechselten die Aussenministerin und auch Innenminister Ernst Strassen dann plötzlich die Fronten: um zu erlätern, dass sie keineswegs zu Vorverurteilungen neigen, zitierten beide öffentlich aus EKIS- und STAPO-Akten der festgenommenen Mitglieder der VolxTheaterKarawane. Praktisch wirkte sich dieser mutmassliche Amtsmissbrauch jedoch nur geringfügig aus, waren die Akten ja bereits "befreundeten" Medien unter der Hand zugespielt worden. Trotzdem war noch Tage nach dem Kurswechsel auf der ÖVP-Homepage davon zu lesen, dass etwa die Misshandlungsvorwürfe frei erfunden und gelogen seien. Ein nicht unmassgeblicher Motivationsgrund für Ferrero-Waldner dürften dabei Umfragewerte gespielt haben: unmittelbar nach der Vorverurteilung der KünstlerInnen und dem nur schwer erkennbaren Nachkommen der Vertretungspflicht (Staaten wie etwa Deutschland oder England protestierten umgehend und erreichten damit die Freilassung der meisten ihrer StaatsbürgerInnen) fielen ihre Beliebtheitswerte von vorher 59 auf 33 Prozent. Ob das unglaubliche Verhalten der beiden MinisterInnen politische oder strafrechtliche Konsquenzen nach sich ziehen wird, bleibt abzuwarten - die Chancen auf eine Präsidentschaftskandidatur der einst "beliebtesten Politikerin Österreichs" haben sich jedenfalls beträchtlich verringert.

 

 

Die Staatsanwalt-schaft erhebt schwere Vorwürfe gegen die Karawane: deren Mitglieder seien Führend an Vandalismus, Plünderung und an der Bildung einer kriminellen Organisation tätig gewesen. Unterlagt werden diese Anschuldigungen aber durch ässerst düftige und fragwürdige "Beweise": schwarze T-Shirts, Schweizer Taschenmesser, Jounglierkeulen und eine kaputte, ca. 50 Jahre alte Gasmaske, waren für das Gericht Grund genug, die Untersuchungshaft über alle 25 Personen zu verhängen.