Voggenhuber: Außenministerin
wußte über Folterung von Volxtheater-AktivistInnen Bescheid
[2004-03-12]
Ferrero-Waldner war über schwere Mißhandlungen informiert, meint MEP Johannes Voggenhuber (Die Grünen). Entlastungsbeweise seien aber nicht weitergegeben worden - im Gegenteil.
"Dramatisch zugespitzt haben sich die Beweise für die Politik der Bundesregierung, daß sie die innerösterreichischen politischen Kritiker - die Mitglieder der in Italien inhaftierten Volxtheaterkarawane - praktisch schutzlos der italienischen Polizei ausgeliefert hat", erhebt der zum damaligen Zeitpunkt in Genua weilende Europaabgeordnete der Grünen, Johannes Voggenhuber, schwere Vorwürfe gegenüber der Außenministerin. Aus den bisherigen Recherchen in Italien ergeben sich für Voggenhuber folgende Kernvorwürfe:
Erstens: Seit Donnerstag vergangener Woche - einen Tag vor dem Treffen mit dem italienischen Außenminister Ruggiero in Wien - ist die Außenministerin durch den Bericht des Mailänder Generalkonsulats über systematische, schwerste Mißhandlungen der Häftlinge informiert. "In dem Augenblick als Ferrero-Waldner ihr vollkommenes und absolutes Vertrauen in die italienische Justiz und Polizei gegenüber dem italienischen Außenminister bekundet hat, in dem Augenblick, wo sie versucht hat, in der Öffentlichkeit, die Beschuldigten als amtsbekannte Gewalttäter hinzustellen, war sie also über die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die italienische Polizei informiert. Die Außenministerin hat aber keine Veranlassung getroffen, diese Vorwürfe gegen die italienische Polizei aufzuklären", so Voggenhuber.
Zweitens: Die Außenministerin war informiert über vollkommen haltlose Vorwürfe gegenüber den Beschuldigten, zu denen die Bundesregierung Entlastungsbeweise in der Hand gehabt hätte und nicht weitergegeben hat. So z.B. die umfassende Dokumentation (Bildmaterial und Bestätigungen der Salzburger Polizei), daß die 'Waffen' der Volxtheaterkarawane tatsächlich Requisiten für Theateraufführungen waren, auch als solche eingeschätzt wurden und niemals bei den Auftritten dieser Gruppe zu Gewalttätigkeiten verwendet wurden. "Trotzdem hat Ferrero-Waldner dieses Material nie der italienischen Polizei zur Verfügung gestellt, sondern hat im Gegenteil gegenüber den italienischen Justizbehörden systematisch das Bild verschärft, daß es sich bei den Verhafteten um amtsbekannte, vorbelastete Gewalttäter handeln würde. Die Verhafteten kamen dadurch in eine außerordentlich gefährliche Situation. Es geht in diesem Verfahren inzwischen um Strafdrohungen von bis zu 18 Jahren", so Voggenhuber.
Drittens: Die Außenministerin wußte am Freitag, dem Tag ihres Treffens mit dem italienischen Außenminister, daß es gegen die österreichische Gruppe nicht einen einzigen Vorwurf einer konkreten Gewalttat, keine einzige gegen sie gerichtete Zeugenaussage, ja nicht einmal einen einzigen polizeilichen Hinweis für eine konkrete Straftat gab, sondern daß die gefundenen Theaterrequisiten die einzige und ausschließliche Grundlage für die Anklage darstellen. "Damit war die Beweislage gegen die Volxtheaterkarawane absolut identisch mit der Beweislage gegen die deutschen, englischen und französischen Häftlinge, die auf Intervention ihrer Regierung freigelassen wurden. Der einzige erkennbare Unterschied zwischen den Freigelassenen und den noch inhaftieren Österreichern ist, daß sich für jene, ihre Regierungen eingesetzt haben, die Österreicher jedoch demonstrativ im Stich gelassen wurden", kritisiert Voggenhuber.
Auf die Volxtheaterkarawane
soll nun der Mafiaparagraph angewandt werden, sie sollen zur kriminellen Vereinigung
erklärt werden und damit für alle Gewalt- und Straftaten verantwortlich
gemacht werden, die in Genua während des Gipfels passiert sind, befürchtet
der Europaabgeordnete. Durch die Intervention Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens
und den internationalen Protest war die italienische Justiz gezwungen, einen
Großteil der Verhafteten freizulassen. "Die verbliebenen 47, darunter
die 25 der Volxtheaterkarawane, sollen nun zur Wahrung des Gesichts der italienischen
Polizei zum Kern der Gewaltszene stilisiert werden. Die Genueser Polizei betrachtet
es dabei offenbar als glücklichen Umstand, daß sie bei den Österreichern
aufgrund des Verhaltens der österreichischen Bundesregierung ohne Risiko
vorgehen kann. Sie betrachtet die Haltung der Regierung als stilles Einverständnis.
Damit drängt sich die Erkenntnis auf, daß die österreichische
Bundesregierung ihre inner-österreichischen Kritiker in den italienischen
Gefängnissen verschwinden sehen will", so Voggenhuber.