Brief der Gefangenen aus Alessandria
Kulturkassiber 0X
Alessandria, 12. August 2001
Die Freiheit der Bewegung ist eines der zentralen Themen im 21. Jahrhundert.
Unter dem Titel "no border. no nation. no one is illegal" zog die
VolxtheaterKarawane/PublixtheatreCaravan im Sommer 2001 durch Europa und überquerte
mehrmals die Schengengrenzen. An diesen Grenzen werden Menschen gejagt und
ermordet. Leute werden interniert, nur weil andere behaupten, sie hätten kein
Recht, hier zu sein. Menschen wird im "Zeitalter der Globalisierung" das Recht
abgesprochen, sich einen selbstgewählten Ort zum Leben zu suchen.
In Ljulijana/Slowenien besuchte die VolxtheaterKarawane die InsassInnen eine
Internierungslagers/Abschiebegefängnisses. Der Zutritt wurde uns verwehrt,
doch die Gefangenen sandten uns Nachrichten. Sie fordern grundlegende Rechte
wie Freiheit, Menschenwürdige Unterkunft und das Recht auf Aufenthalt; sie
fordern das Recht, als Menschen wahrgenommen zu werden. Forderungen, die wir
unterstützen.
Nach den G8-Protesten in Genua wurde die VolxtheaterKarawane gestoppt und -
mit Hund und Kegel - hinter Schloss und Riegel gebracht. Sie wollen Waffen
bei uns gefunden haben, doch: Solidarität ist unsere Waffe, Theater unsere
Ausdrucksform. Jene Solidarität, die auf nationalen Heimatgefühlen und
kultureller Identität aufbaut, lehnen wir aber ab. Wir pfeifen auf Chauvinismus,
Mutterland und Vatersprache. Wir sind eine internationale VolxtheaterKarawane.
Weltweit haben sich Menschen mit den Gefangenen der G8-Proteste solidarisch
erklärt. Yo! Eine Solidarität - und darauf wollen wir nochmals hinweisen - die
internierten und deportierten Flüchtlingen und MigrantInnen fehlt.
So sieht das vereinte Europa also aus: Menschen, die es wagen, das Recht auf
freie Bewegung in einer "globalisierten Welt" einzufordern, werden gestoppt,
entrechtet, misshandelt, abgeschoben. Mit Gewalt werden neue Mauern
errichtet.
Wir stellen die Frage: soll die Reise der VolxtheaterKarawane tatsächlich
mit Deportation oder Internierung zu Ende gehen? Will sich die italienische
Regierung so eine Theatergruppe vom Hals schaffen? Politische AktivistInnen
werden zur kriminellen Organisation erklärt und eingesperrt. Sie wollen uns zum
Schweigen bringen. Doch das wird ihnen nicht gelingen.
Jene Forderung, mit der wir seit Mitte Juni zahlreiche Grenzen überquerten,
hat für uns weiter Gültigkeit:
No Border. No Nation. Stop Deportation
Tutti Polpa e Basta!
Mehr dazu unter: www.no-racism.net/nobordertour
Die Inhaftierten der VolxtheaterKarawane in Alessandria