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Brief eines gefangenen Mitglieds der VolxTheaterKarawane vom 29. Juli 2001

HALLO!

Wir sind jetzt seit 1 Woche im Gefängnis von Alessandria inhaftiert. Tagelang wussten wir nicht warum. Am Donnerstag erfuhren wir dann von einer Haftrichterin, dass wir uns in Genoa bei den Protesten etwas zu Schulden hätten lassen kommen. Beweise dafür gibt es keine - kann es auch nicht, da wir unschuldig sind. Bis heute hatte ich weder die Gelegnheit zu einem Telefonat, noch die Möglichkeit, mit einem Anwalt zu sprechen - lediglich vor der Untersuchungsrichterin war ein Anwalt anwesend, was mir aber nichts nutzte, da ich mich mit ihm nicht verständigen konnte. Den Anwalt, der mir zugewiesen wurde, D.R., habe ich noch nicht einmal gesehen. Laut Österreichischem Konsulat - von dem bekamen wir Besuch und ein wenig Geld - erfuhr ich, dass vier AnwältInnen für uns arbeiten. Einer aus Österreich, Embacher, soll von den Grünen dafür engagiert worden sein. Die Anwälte haben laut Konsulat jedenfalls beantragt, dass wir freigelasen werden. Darüber muss bis zum 11. oder 12. August entschieden werden. Falls dort wieder entschieden wird, dass wir hierbleiben müssen, dann kann es sein, dass wir bis zu sechs Monate auf einen Prozess warten müssen. Für mich ist jedenfalls völlig unverständlich, warum wir hier eingesperrt sind. Das Leben hier ist sehr monoton. Bei unserer Verhaftung und die Stunden danach wurden wir sehr schlecht behandelt. Mitgeteilt, dass ich verhaftet bin, wurde mir übrigens nie. Hier im Gefängnis ist es besser, aber sicher nicht gerade toll. Die ganze Zeit eingesperrt und bewacht, nichts zum Lesen, keine Beschäftigung. Gestern, Samstag, haben wir dann nach langem Fordern einen Stift + Papier erhalten. Aber auch nur 1 Stift für zwei Personen. Ich teile meine Zelle jedenfalls seit einigen Tagen mit ---. 3mal am Tag bekommen wir zu essen - in der Früh (am Vormittag) trockene Semmeln, + meist etwas Obst, zu Mittag dann irgendwas Warmes und am Abend meist Nudeln. Für VegetarierInnen ist oft nicht viel dabei, aber morgen sollen wir angeblich zum Arzt gehen können, um uns vegetarische Kost "verschreiben" zu lassen. Bin schon gespannt was dabei rauskommt. Die Zellen selbst sind sehr klein, es gibt ein Stockbett, aber weder Tisch noch Sessel. Jede Zelle hat ausserdem ein kleines Klo mit Waschbecken. Verlassen dürfen wir die Zelle nur zum Duschen, Hofgang und wenn Besuch kommt -> bisher 1x vom Konsulat. Ja und dann noch, um die Haftprüfung letzten Donnerstag über uns ergehen zu lassen.

Am schlimmsten finde ich jedenfalls, dass noch kein/e AnwältIn mit mir gesprochen hat. So ist es eigentlich auch allen anderen hier ergangen. Einige hatten die Möglichkeit, ein bis zwei Minuten ihren Anwälten gegenüberzustehen, aber viel kann da sicher nicht besprochen werden. Die Leute vom Konsulat meinten jedenfalls, dass es sein kann, dass nicht jeder von uns in nächster Zeit mit einem/seinem Anwalt wird sprechen können. Bin schon gespannt. Jedenfalls haben die Anwälte laut Konsulat den Antrag eingebracht, dass wir nach Genoa verlegt werden. Soll für sie leichter sein, uns dort zu besuchen. Warum weiss ich nicht. Ausserdem sollen auch die Frauen, die gemeinsam mit mir verhaftet wurden, auch nach Wunsch der Anwälte nach Genoa überstellt werden. Ich hab keine Ahnung, wie es denen geht. Offensichtlich wird uns allen das gleiche vorgeworfen. 15 Männern hier in Alessandria + 10 Frauen irgendwo in einem anderen Gefängnis. Die Information, dass wir weiter in Haft bleiben, war soviel ich weiss für alle sehr hart. Und irgendwie auch unvorstellbar.

Ein weiterer Antrag, den die Anwälte angeblich gestellt haben, ist, dass wir mit unseren Verwandten Kontakt aufnehmen können. Soviel ich weiss, müsst ihr, bevor ihr mich hier besuchen könnt, mit dem österr. Konsulat oder der österr. Botschaft in Rom Kontakt aufnehmen. Das Konsulat in Mailand hat die TelNr: 02 48 12 066 oder 02 48 12 937. Eine Frau vom Konsulat hat jedenfalls versprochen, dass sie euch anruft. Ich selbst hab gestern endlich den Antrag stellen können, euch anzurufen - angeblich können/dürfen wir nur unsere Verwandten (Mutter, Vater, Geschwister ...) anrufen.

Ob und wann ich einen Anwalt sprechen kann, weiss ich leider nicht. Wir haben hier herinnen übrigens so gut wie keine Information, was draussen vor sich geht. Es wäre deshalb nett, wenn ihr mir was zum Lesen schicken könntet. Abgeblich sind Zeitungen + Zeitschriften kein Problem, Bücher werden vorher angeblich überprüft. Aber wissen tu ich das alles nicht. Gewand können wir auch bekommen. Toll für mich wären eine kurze bzw. halblange Hose, einige Unterhosen, T-Shirts und ein dünner Pulli. Ich kann zuLasst auf jeden Fall alle von mir grüssen. Und kümmert euch bitte um mein Zimmer. Damit die anderen die Miete für mich einzahlen können. Ich hoffe, dass ich mich bald wieder selbst darum kümmern kann. Ich werd noch mehr Briefe in den nächsten Tagen schreiben - sonst hab ich ja grad nicht viel zu tun - aber zeigt doch auch diesen weiter. Er ist zwar an euch gerichtet, doch liets ihn hier im Gefängnis sicher auch wer, bevor er weggeschickt wird. Ist also nicht mehr ganz persönlich. Eher Öffentlich. Ihr könnt mir übrigens auch schreiben, nur kann ich euch leider die Adresse nicht sagen. Vielleicht steht sie dann ja noch irgendwie/wo auf diesem Brief/Kuvert. Hier freuen sich alle über Post. viel Gewand an andere weitergeben, doch hoffe ich, dass es hier nicht allzu lange dauert. Falls doch, könnten ein italienisch Wörterbuch + ein Kauderwelsch nicht schaden, da die Wärter meist nur italienisch sprechen.

Am nettesten ist aber, wenn ich davon höre, dass es draussen Solidarität gibt. Angeblich hat es schon etliche Demonstrationen gegeben und viele haben bei italienischen Behörden nachgefragt, was das soll, dass da einige Leute einfach eingesperrt werden. Mit uns sitzen übrigens noch zwei andere Leute wegen Genoa hier. Angeblich für je 30 Tage. Und dann noch etliche Leute, die aus anderen Gründen hier einsitzen. Der Grossteil des Gefängnisses wurde aber wegen Genoa angeblich vorrübergehend geräumt. Deshalb haben wir ein riessengrosses Gefängnis fast für uns alleine. Irgendwie kommt es mir vor, wenn mehr Wächter als Häftlinge hier sind. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sie uns noch nicht gehen haben lassen?

Jetzt ist es grad fast eine Woche her, dass uns die Polizei umstellt hat. Und bald wird es Abendessen geben. Grad vorhin haben wir darüber diskutiert, wie das mit dem vegetarischen Essen ist - ob es tatsächlich so ist, dass uns ein Arzt spezielle Kost verschreiben muss. Aber das werden wir dann ja morgen sehen. Die Mithäftlinge, die uns das Essen bringen, machen sich jedenfalls fast schon Sorgen. Nicht nur wegen dem Essen, auch darum, dass die Raucher genügend Zigaretten haben - was aber nie der Fall ist - zumindest bis jetzt.

Ist schon komisch, dass wir einerseits eingesperrt werden, ohne zu wissen warum, hier festgehalten werden und trotzdem relativ freundlich behandelt werden. Es hat aber auch noch keiner von uns irgendeinen Aufstand oder Probleme gemacht. Irgendwie warten alle darauf, dass wir hier wieder rauskommen. Eine Woche ist jedenfalls zumindest eine Woche zuviel. Wie muss es Leuten gehen, die viel länger unschuldig im Gefängnis sitzen. Ich merke jedenfalls, dass ich mich schon wiederhole. Deshalb mach ich mal Schluss und wünsch euch allen alles Liebe.
Ich hoffe, wir sehen uns bald - in Freiheit.

unterzeichnet
Alessandria, 29.7.01

PS: es hat sich herausgestellt, dass es am Sonntag kein Abendessen gibt. Haben aber zum Glück noch einiges gehat und ein wenig getauscht. Die erste Woche hier ist jedenfalls vorbei, die Gelsen schön langsam alle vertrieben und die ersten Leute schlafen gegangen. Das werd ich jetzt dann auch machen. Hoffe, dass ich diesen Brief morgen aufgeben kann...