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Offener Brief an den Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat Dr. Andreas Khol
Unterzeichnet von C.T. und allen Gefangenen in Alessandria

Sehr geehrter Herr Khol!

Ich befinde mich sein nunmehr zwei Wochen gemeinsam mit anderen Teilnehmern der "PublixTheatreCaravan / NoBorder - NoNation Tour" in einem italienischen Gefängniss in Untersuchungshaft.

Als Gründungsmitglied des "Volxtheater Favoriten" darf ich ihnen mitteilen, dass unser nun auch von Ihnen illegalisiertes Projekt bereits seit dem Jahr 1994 besteht.

Wir haben in dieser Zeit etwa Brechts "Dreigroschenoper", Dario Fo's "Bezahlt wird nicht", Kleists "Penthesilea", Heiner Müllers "Der Auftrag" sowie die Eigenproduktion "Schluss mit Lustig" als große und erfolgreiche Musiktheaterproduktionen inszeniert. Neben dem Arrangement zahlreicher Liederabende und Klein-Performances haben wir seit 1995 unter dem Titel "Die schweigende Mehrheit" auch immer wieder mit Straßentheateraktionen im öffentlichen Raum interveniert.

(Am Samstag den 4. August, abends, erhielten wir eine Ausgabe der Salzburger Nachrichten vom 1.8.2001.) In der Sie, Herr Khol, mit den worten zitiert werden, "die (Theater-) Gruppe habe sich immerhin in der Zeitschrift Tatblatt zu Gewaltaktionen bekannt (?)", auch "gebe es Verbindungen zu Linksextremisten, und eine enge persönliche Beziehung zu den Gewalttätern von Ebergassing."

Zu ersterem möchte ich ausführen, dass wir zur Promotion bisher keine Pressearbeit im herköpmmlichen Sinn benötigt haben, um vor ausverkauften Sälen zu spielen, oder hunderte Schaulustige zu unterhalten.

Dessenungeachtet hat nicht nur das Tatblatt, sondern haben zahlreiche Zeitschriften und Rundfunkbeiträge unsere Arbeiten rezipiert. Selten wurde dabei unterschlagen, dass wir uns in unseren Stücken auch mit Rassismen, Nationalismen, patriachalen Strukturen oder Aufbeutungsverhältnissen auseinandergesetzt haben. Oder dass wir uns gegen Schubhaft, Deportation und gegen das Grenzregime im Rahmen der "Festung Europa" und damit explizit und immer wieder gegen die alltägliche und institutionalisierte Gewalt in unserer Gesellschaft ausgesprochen haben.

Zu zweiterem Vorwurf erscheint es mir einerseits relativ unerheblich, in welcher Form Sie, Herr Khol, den Begriff "Linksextremismus" definieren, (und wen sie damit punzieren). (Ob auf Postbeamte oder UmweltschützerInnen, auf Alternativschulen, BurgschauspielerInnen, HausbesetzerInnen, Datenschützer, GewerkschafterInnen oder Oppositionelle, mit solchen Termini kann bei Bedarf richtiggehend um sich geschlagen werden).

Andererseits stellen sich für mich einige persönliche Fragen. Ich habe schon in der Unterstufe eines Realgymnasiums, im Geschichtsunterricht gelernt, in welchem Zusammenhang der Begriff "Sippenhaftung" unter anderem und nicht zuletzt eine gewichtige Rolle gespielt hat: im Nationalsozialismus.

Mich würde interesieren, welche Ausbildung sie genossen haben, Herr Khol.

Möchten Sie mehr über mich erfahren? Etwa, dass mein Vater sich in den Siebziger Hahren dazu überreden ließ, sich an unwälbahrer (wenn ich mich recht erinnere an siebenunzwanzigster) Stelle einer Stadtpartei zu kanditieren. Oder dass meine Mutter es sich noch nie gefallen ließ, wenn sie sich schikaniert fühlte oder ungerechtigkeit mit ansehen mußte, und sowas wie Zivilcourage besitzt? Dass mein Bruder unter anderem auch ein wunderbarer Mensch war? Oder welche Haar- und Hautfarben meine Kinder besitzen?

Sie und noch einige ihrer Berufskollegen können sicher noch zahlreiche personenbezogene Daten gebrauchen, um eine Gruppe Kulturschaffender zu diffamieren. So viel Angst haben Sie vor einer kleinen Theaterinitiative.


Wir werden uns jedenfalls vor italienischen Gerichten für Konstruktionen, die wohl auch auf Anregung der österreichischen Behörden entstanden sind, verantworten müssen.

Davor habe ich keine Angst.

Angst habe ich in meinen Träumen, wenn faschistoide Polizisten auf Menschen einschlagen, bis diese zur absoluten Selbstdemütigung bereit sind. Und manchmal auch vor Menschen wie Ihnen Herr Khol. (Es ist schwierig, mir hier in der Haft gesicherte juristische Informationen zugänglich zu machen, und dennoch verbleibe ich in der Hoffnung, Ihnen eines Tages vor Gericht zu begegnen.)

Mit freundlichen Grüßen

C.T.