Blinkermeer am 19.2.2000 - Polizeiübergriffe und Represseion |
Während der Großdemonstration am Samstag, den 19. Februar kam es zu einer Vielzahl von Polizeiübergriffen auf DemonstrantInnen sowie zufällig vorbeikommende PassantInnen.
1.) Im Vorfeld der Demonstration führten Polizeieinsatzkräfte Personenkontrollen durch. Einige der Kontrollierten wurden z.T. schwer mißhandelt, ihr Eigentum zerstört und massiv bedroht. (Wir verweisen auf eine Erklärung eines deutschen Demonstrationsteilnehmers: Titus Stahl, Mitglied des Landesvorstandes der PDS in Baden-Württemberg in www.austria2.org/titus.html)
2.) Als sich gegen 14.30 der Demonstrationszug vom Westbahnhof in Bewegung setzte, starteten Polizeikräfte einen unmittelbaren und völlig unprovozierten Angriff auf einen Teil der DemonstrantInnen sowie umstehende Personen. Bei diesem Überfall wurden mehrere Personen verletzt (so wurde z.B. einer Person ein Zahn ausgeschlagen, viele andere erlitten Prellungen und Platzwunden). Die Einsatzleitung begründete den Angriff vermummter Einheiten mit dem Hinweis, Autonome hätten sich der Demonstration anschließen wollen.
Wir meinen, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sollte allen Menschen zustehen, egal welcher Nationalität, Hautfarbe oder politischer Überzeugung.
3.) Im Anschluß an eine Kundgebung vor der ÖVP-Bundesparteizentrale gegen 22.00 entwickelte sich eine Treibjagd auf KundgebungsteilnehmerInnen sowie zufällig vorbeikommende PassantInnen und LokalbesucherInnen. Bis gegen Mitternacht war das Betreten eines größeren Gebietes rund um das Rathaus für Menschen bestimmter Hautfarbe, Alters oder auch Kleidung sehr gefährlich. Nach ersten Schätzungen wurden jedenfalls über 100 Menschen für einige Zeit festgehalten, mißhandelt und bedroht.
Wir verweisen hier auf die Vorkommnisse vor dem Eingang des Burgtheaters, als eine Gruppe von Personen von PolizistInnen angegriffen und mißhandelt wurde, als sie an der Diskussion im Burgtheater teilnehmen wollte.
Wir fordern die Behörden auf, das Grundrecht auf Unversehrtheit von Leib und Leben für alle DemonstrantInnen zu garantieren.
Die unterzeichnenden Gruppen und Personen fordern eine unabhängige Untersuchung der Vorkommnisse vom 19.2. und eine Zusicherung, daß solche Übergriffe nicht mehr vorkommen.
Wir fordern weiters vom ORF die Veröffentlichung der gemachten Aufnahmen, die einen Großteil der Übergriffe beweisen können.
Seit Beginn der Protestaktionen gegen die blau-schwarze österreichische Bundesregierung arbeitet die Rechtshilfe Wien wieder. Wir geben hier einen kurzen Überblick über die Ereignisse auf der und um die Großdemonstration vom 19.2.2000 und AugenzeugInnenberichte wieder.
Bereits drei Tage nach Beginn der Massenproteste gegen die FPÖVP-Regierung schwenkte der ORF auf die Linie der neue Regierung um. Am Freitag vor der europaweiten Großdemo wurden im ORF die gewalttätigen Polizeiübergriffe medial vorbereitet. Interviewpartner waren in erster Linie Regierungsvertreter der FPÖ, die permanent von "gewaltbereiten Ausländern und Kommunisten" sprachen. Die Polizei versprach daraufhin, die angeblichen Gewalttäter zu isolieren unter Mitarbeit der Demonstrationsveranstalter. Bundeskanzler Schüssel: "Die Altlinken, die 68er Generation, die Jungen und die Internetgeneration konnten sich austoben. Nach heute sind die Demonstrationen zu Ende." Herr Schüssel ist damit der erste Kanzler der Nachkriegszeit, der es wagte ein Demonstrationsverbot auszusprechen.
Nacher wurde die Demonstration des 19.2. als "insgesamt friedlicher Protest" dargestellt, der durch "gewalttätige Aktionen einiger weniger" gestört worden sei. Tatsächlich läßt sich eine differenzierte polizeiliche Strategie nachvollziehen: Im allgemeinen "Deeskalation" während in der großen Demonstration unterbrochen von unvermittelten Angriffen auf bestimmte Gruppen ("schwarzer Block"), und vor und nach der Demo Erfassung, massive Einschüchterungsversuche gegenüber "Fremden" (also alle Personen, die nicht in Wien wohnen) und vor allem gegenüber jungen Menschen. Zur Erläuterung Zitate (kursiv gedruckt) aus Gedächnisprotokollen (teilweise nachzulesen im Archiv von www.gegenschwarzblau.cjb.net im Internet):
5. Behinderung der DemonstrantInnen
Im Vorfeld der Demonstration und bereits in ihren Herkunftsländern wurden DemonstrantInnen von der Polizei daran gehindert nach Österreich zu reisen. In Paris etwa hinderte die Polizei zweihundert DemonstrantInnen daran den Zug nach Wien zu besteigen. Leute die bereits in den Waggons saßen wurden hinausgeprügelt.
In Österreich wurden Anreisende bereits an der Grenze massiv behindert, schikaniert und bedroht. Zitat: Zwischen 11.30 und 12.00 am Grenzübergang Kleinhaugsdorf: "In unserem Bus waren 50 Leute. Dann fragte der Beamte, ob wir nicht nach Wien auf die Demo fahren. Ihm wird gesagt, daß wir zu einem Uniseminar nach Stockerau fahren und wir zeigen ihm auch eine Einladung. Alle sollen aussteigen und ihr Gepäck an sich nehmen. Bei fast allen wird das Gepäck kontrolliert und die Ausweise werden abgesammelt. Auf einem Metalltisch im Freien muß jeder sein Gepäck komplett ausräumen. In Bücher, Adressverzeichnisse und Notizblöcke wird hineingeschaut. Körper werden mit Metalldeketoren untersucht. Teilweise müssen die Leute die Schuhe ausziehen. Eine Frau muß in einen Raum mitgehen, indem sie sich weitgehend ausziehen muß (vor einer Beamtin). Gegen 14.30 Uhr durften wir dann weiter fahren." Die Schikanen gingen in Wien weiter. Laut einem Gespräch mit dem Bürgerdienst im Innenministerium steht "das Ernst Kirchweger Haus seit 2 Wochen unter erhöhter Beobachtung", am 19.2. wurden alle Leute die das Haus verlassen oder betreten wollten, durchsucht und teilweise fotografiert. Im Einsatz war die Wiener Einsatzgruppe der Alarmabteilung (WEGA). Am Praterstern wurden ca. 25 Menschen, die eben in Wien angekommen waren, von 15 20 PolizistInnen durchsucht, verschiedene Gegenstände wurden beschlagnahmt und zerstört. Eine Gruppe von DemonstrantInnen lief in der Löhrgasse, in der Westbahnhofs, der Polizei in die Arme als sie von ihrem Auto zur Demo gehen wollten. "Als wir uns um 13.40 uhr wieder auf den Weg zum Westbahnhof machten, hielt neben uns ein Mannschaftswagen der Polizei. Wir wurden gepackt und an die Wand gestellt, unsere Beine mit brutaler Gewalt auseinandergetreten. Ein Polizist nahm einen Umhängebeutel den ich mir durch meine Gürtelschleifen gezogen hatte, und riß ihn so ab, daß alle Gürtelschnallen zerstört wurden. Ich beschwerte mich, daraufhin brüllte er mich an, packte meinen Kopf an den Haaren und schlug ihn gegen die Steinmauer. Die Polizisten öffneten die Tür eines nahegelegenen Hausdurchgangs und drängten uns hinein, mit der Bemerkung dort drinnen könnten sie uns besser behandeln. Als wir drinnen waren, verschlossen sie die Tür, so das niemand von außen was sehen konnte. Die folgenden Ereignisse dauerten ca. 20 Minuten. Während der ganzen Zeit wurden wir immer wieder geschlagen, an den Haaren gezogen, zwischen die Beine getreten und unsere Finger überdehnt. Wir mussten die ganze Zeit mit gespreizten Beinen an der Wand stehen, wer nicht auf die Wand schaute wurde geschlagen. Einer der Polizisten brüllte mich an: Er wisse genau wir seien Anarchisten aus dem Ausland, wir wollten sie verleumden, sie seien keine Nazis, das wäre eine Lüge, wir würden hier Lügen verbreiten. Wir wären keine Österreicher, dies sei nicht unser Land und wir hätten hier nichts zu suchen. Sie durchwühlten unsere Unterlagen mit der Bemerkung: "Die wissen alles aus dem Internet". Sie nahmen die Simkarten aus allen Handys und zerkratzten sie an derWand. Die Handys wurden auf den Boden geworfen und darauf herumgetreten, bis die Schalen zertrümmert waren. Auch meine Uhr wurde vom Handgelenk abgerissen und zerstört. Die Weste eines meiner Freunde wurde komplett in Fetzen gerissen. Sie wollten wissen, ob wir "Wessis" oder "Ossis" seien. Nun gaben sie unsere Personalien über Funk durch und durchwühlten unser Auto komplett, wobei sie noch einige Gegenstände mitnahmen. Dann wurde ein Fotograf in Zivil hereingerufen der von uns Porträtaufnahmen machte. Einer von uns wurde unter hönischem Gelächter der Polizisten dazu gezwungen, in die Kamera zu lächeln. Nun mussten wir uns wieder nebeneinander an die Wand stellen und unsere Schuhe ausziehen. Diese wurden mitgenommen. Darauf erklärte uns ein Polizist: Wir sollten nicht wagen auf die Demo zu gehen, wenn wir das doch täten, gelten wir automatisch als verhaftet. Außerdem hätten wir in Zukunft in Österreich nichts mehr zu suchen. Unsere Schuhe könnten wir uns an der letzten Tankstelle vor der Autobahn abholen (dort kamen sie natürlich nie an). Daraufhin verliessen die Polizisten den Hausflur, schlossen die Tür und fuhren davon."
4. Angriff auf den "schwarzen Block"
Um 15.00 Uhr wurde beim Westbahnhof der "Schwarze Block" von WEGA-Beamten angegriffen, eingekesselt, geprügelt und am weggehen gehindert. Ursprünglich als "Auseinadersetzung zwischen Anarchisten und der Polizei" dargestellt mußte selbst die bürgerliche Presse eingestehen, daß die Polizei schlicht den Block daran hindern wollte, sich in die Demonstration einzureihen was ihr allerdings mißlang. Vereinzelt kam es danach zu weiteren Angriffen auf Teile der Demonstration, so gegen 16.10 Uhr beim Parlament und um 17.50 Uhr beim Heldentor. Bei den Angriffen wurden mehrere DemonstrantInnen verletzt, Verhaftungen konnten aber verhindert werden.
3. Hetzjagd auf junge Menschen zwischen Burgtheater und Florianigasse
Um 21.50 Uhr versammelten sich hunderte Menschen vor der ÖVP-Zentrale neben dem Rathaus. Von hier zogen sie in den achten Bezirk. Dort wurden in der Langegasse Glaskontener umgeworfen, von wem ist unklar. Schon Stunden vorher war bekannt, daß Jörg Haider in einer Pizzeria in der Florianigasse sitzt. Er war gegen 22.15 Uhr tatsächlich noch dort, weshalb sich die Demonstration dorthin bewegte. Die Anwesendheit Jörg Haiders kann nur als Provokation gewertet werden um der Polizei einen Anlaß zum "durchgreifen" zu liefern. In der Folge wird eine Gruppe von 15 20 Personen an der Ecke Buchfeldgasse / Florianigasse eingekesselt. "In einer Seitengasse trieb uns die Polizei zusammen, schlug mit Schlagstöcken auf uns ein und schlug uns mit den Köpfen (und der Nase) an die Wand. Ich wurde als "Wixer, Tunte, Nichtsnutz" beschimpft und durch Schläge dazu gezwungen meine Stellung zu "verbessern" (Beine spreizen). Ca. 30 min. mußten wir so stehen, dann wurden wir fotografiert und die Personalien aufgenommen. Der Polizist der hinter mir gestanden ist, sagte zu einem Demonstranten, der Schweizer Kracher eingesteckt hatte: "Schiab mas eam in Oasch" und "ihr ghörts alle in Stabruch (Arbeitslager)". Einer der Angehaltenen in der Buchfeldgasse wird mit dem Kopf gegen eine Fensterscheibe geschlagen diese zersplittert, er erleidet Platzwunden am Kopf.
Im gesamten Gebiet zwischen Ring und Gürtelnähe (erster und achter Bezirk) wird Jagd auf junge Menschen gemacht. "Wir (acht Personen) kehrten zur Lichtenfelsgasse zurück. Die Polizei folgte uns, stieß uns zur Wand, perlustrierte uns und notierte die Namen. Wir wurden als "Kreaturen" beschimpft, vor allem vom Einsatzleiter." Andere: "Wir standen um 23.30 Uhr an der Ecke Josefstädterstraße / Landesgerichtsstraße. Plötzlich kommt ein Oberpolizist mit Mütze auf uns zu, zeigt auf X und sagt: "Du kommst mit du bist festgenommen." Er zeigt auf Y und sagt: "Und du bleibst auch hier", angeblich wegen Sachbeschädigung. Ich selbst werde mit Schildern weggedrückt, sie sagen wenn ich nicht verschwinde, würde ich auch festgenommen. Ein Mensch mischt sich auf Englisch ein, worauf er gesagt bekommt, er solle lieber mal ordentlich deutsch lernen. X wird in eine Wanne gezerrt." X selbst beschreibt die Szene so: "Auf eine nachfrage meinerseits nach dem Grund meiner Festnahme antwortet der Polizist, "das weiß ich jetzt auch nicht, aber da konstruieren wir schon noch irgendwas, was dich viel Geld kosten wird." Ich werde mit dem Kopf gegen die Hauswand gedrückt. Sie beschimpfen mich mit Sätzen wie: "Aha, ein Deutscher, auf dich haben wir nur gewartet, Arschloch." Sie wollten von mir wissen, ob "das klar wäre was sie gesagt haben, denn jetzt weht in Österreich ein ganz anderer Wind und man könne stinkende, ekelige Kreaturen wie mich nicht brauchen." Während der gesamten Zeit war ich von acht bis zehn behelmten PolizistInnen umringt." Ein anderer: "Ich habe auch gesehen, wie die Polizei eine Person vor dem Burgtheater mit dem Schlagstock geschlagen hat." Die Angriffe der Polizei richteten sich vor allem gegen "nicht-österreichische" Menschen und Jugendliche um das Konstrukt der "gewalttätigen Demonstranten aus dem Ausland" zu rechtfertigen, junge Menschen einzuschüchtern um sie damit vor weiterer Beteiligung an den Protesten abzuhalten und diese Menschen polizeilich zu erfassen (Herr Schüssel hatte ja das "Ende der Proteste" verkündet). Insgesamt gab es vier Festnahmen. Die Festgenommenen Vier wurden mittlerweile wieder entlassen und auf freiem Fuß angezeigt.
Die Übergriffe der Polizei sind in diesem Zusammenhang nur als Einschränkung des Grundrechtes auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit zu verstehen. Durch ihre Zusammenarbeit mit der Polizei und ihre Distanzierung von den angeblichen Gewalttätern, die in Wirklichkeit Opfer der Polizeigewalt waren, trug SOS-Mitmensch maßgeblich zur Gewalteskalation von seiten der Polizei bei.
2. Das Kalkül ging nicht auf:
Am Donnerstag, den 24.2. gingen wiederum trotz Regens und trotz der Einschüchterungsversuche vom 19.2. 12.000 Menschen auf die Straße und (nicht nur) jeden Donnerstag wird es wieder Demonstrationen geben (19.00 Uhr Ballhausplatz).
1. Aufruf an die JournalistInnen:
JournalistInnen, die Übergriffe gefilmt oder fotografiert haben sollen sich bitte bei der Rechtshilfe (Tel.: 535 91 09) melden.
Französische AntifaschistInnen von der Polizei angehalten
Wir bestaetigen die in der "Neuen Kronen Zeitung" gestreuten Geruechte, nach denen sich in Wien hunderte auslaendische Chaoten aufhalten sollen. Es stimmt allerdings nicht, dass es sich dabei um seit dem 19. Februar untergetauchte "Krawallmacher" handelt, sondern um das neue Modell "Wackersdorf IIIa", intern auch "Westentaschenautonome" genannt. Von diesen etwa 5cm großen, selbstverstaendlich schwarz gekleideten Miniaturchaoten wurden 1.500 Stueck eingeflogen. Es existieren noch 1.456 davon, da einige bereits der Katze zum Opfer gefallen sind. Es handelt sich um ein Testmodell, das wir unter Feldbedingungen pruefen wollen. Sie sind mit Molotovpipetten und Kieselsteinen ausgestattet, darueber hinaus noch mit der toedlichsten aller Geheimwaffen, einem enormen Mundgeruch. Sollte die Regierung nicht ihre sofortige Demission UNT die umgehende Ruecknahme aller bekannten Rechtschreipregeln bekanntgeben, planen wir die Serienproduktion. Nachtsichtgeraete sind für die Aufspuerung derart gewalttaetiger Elemente uebrigens voellig unzureichend. Der Einsatz von Lupen und Zahnstochern waere wohl zielfuehrender.
Für das Zentralkommitee
der Autonomen Volksarmee:
das Parteisekretariat der Rosa Antifa Wien
Lei, Lei!
Ho Chi Hojac!
Für
eine Welt ohne Rassismus |