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Die Plattform
für eine Welt ohne Rassismus unterstützt den Aufruf für
die Kundgebung am 9. November 2002 vollinhaltlich mit dem Zusatz einer
kritischen Solidarität mit Israel.
Aufruftext:
Gedenkkundgebung zum 9. November 1938
9. November 2002, 17.30 Uhr
Ecke Zirkusgasse/Schmelzgasse, 1020 Wien
Niemals Vergessen!
Gegen Antisemitismus und Faschismus!
Solidarität mit Israel!
9. November 2002, 17.30h
Ecke Zirkusgasse/Schmelzgasse, 1020 Wien
(In der Zirkusgasse
22 stand bis zu ihrer Zerstörung und Plünderung durch den Mob
am 10. November 1938 die Synagoge der seit 1736 bestehenden türkisch
jüdischen Gemeinde, auch "Türkischer Tempel" genannt.)
"Öfters durchbrachen viele, darunter meistens Arbeiter, die
Absperrketten und verprügelten die Juden. Man hörte dabei vielfach
die Rufe wie: Schlagt sie tot, die Hunde. Lernt ihnen in Dachau die Arbeit,
und anderes mehr."
Bericht des SD über den volksgemeinschaftlichen Hassausbruch am 10.
11. 1938 in Wien.
Die Pogrome rund um den 9. November 1938 waren nur die Höhepunkte
eines von antisemitischen Ausschreitungen geprägten Jahres. Im Raubzug
gegen ihre jüdischen Nachbarn spielten die Wiener und Wienerinnen
eine Vorreiterrolle im gesamten deutschen Reich. Sie begannen sofort nach
der umjubelten Vereinigung Österreichs mit Nazideutschland am 12.
März 1938 mit Pogromen und "wilden" Arisierungen. Dieser
Fanatismus veranlasste sogar die zentralen Stellen zu Maßnahmen,
um die Enteignung der Juden und Jüdinnen im gesamten NS-Reich in
"ordentliche" Bahnen zu lenken. Nachdem es im Oktober in Wien
erneut zu Gewalttaten, Plünderungen und Brandstiftungen kam, war
die Zeit in den Augen der Nazis reif für ein Vorgehen im gesamten
Deutschen Reich. Das Pogrom im November 1938 übertraf die bisherige
Barbarei, und die Blutorgie ließ für die Zukunft noch Schlimmeres
erwarten. Das Pogrom war die endgültige Enthemmung des antisemitischen
Mobs und der Auftakt zum Massenmord. Die damalige "Ostmark"
und insbesondere Wien bildeten die Vorhut der Vernichtung.
"Spontane" Antwort der Bevölkerung
Die NSDAP-Propaganda versuchte, das Pogrom als "spontane" Antwort
der Bevölkerung auf den Tod des deutschen Diplomaten Ernst von Rath
auszugeben. Dieser war am 7. November 1938 in Paris von einem 17jährigen
Juden namens Herschel Grynszpan niedergeschossen worden und starb später.
Grynszpan hatte ursprünglich ein Attentat auf den deutschen Botschafter
in Paris geplant. Damit wollte er gegen die von der Reichsregierung verfügte
Deportation tausender Juden und Jüdinnen
nach Polen protestieren, die auch seinen Vater betroffen hatte, der tagelang
ohne Hilfe im Niemandsland herumgeirrt war. Der Beschluss zum Losschlagen
wurde am Rande einer Feier zum Gedenken an den Putschversuch von 1923
in München gefasst. "Die SA soll sich mal austoben" hat
Hitler zu Goebbels gesagt. Der "Startschuss" zum Pogrom wurde
dann vom Propagandaminister gegeben. Alle, die in den letzten Wochen und
Monaten von den Parteistellen und Gauleitungen wegen unkontrollierbaren
und "wilden" Arisierungen zur Ordnung gerufen wurden, durften
sich nun endlich wieder austoben. Die NS-Propaganda betonte die "berechtigte
Empörung", der Zorn der kochenden Volkseele würde das Attentat
nun rächen. Der Begriff "Reichskristallnacht" wurde von
den Nazis geprägt. Der Name kokettiert mit dem "schaurig-schönen"
Widerschein des Feuers in den auf der Strasse liegenden Glasscherben und
verharmlost die blutige Gewalt.
"Arbeitsteilung"
Während die SA in Zivil gemeinsam mit Angehörigen der Hitlerjugend
und anderen Parteiorganisationen jüdische Geschäfte und Wohnungen
plünderten und zerstörten, ging die SS, ebenfalls in Zivilkleidung,
gezielt gegen Funktionäre jüdischer Organisationen vor. Viele
der von der SA gegen Juden und Jüdinnen durchgeführten Aktionen
waren nichts anderes als reiner Sadismus. Verhaftete Juden und Jüdinnen
brachte man in Schulen, Gefängnisse und in die spanische Hofreitschule
neben der Hofburg, zwang sie zu gymnastischen Übungen, ohne ihnen
Nahrung zu geben und lies sie aufrecht stehend schlafen. Einige Jüdinnen
wurden gezwungen, sich zu entkleiden und zur Unterhaltung der Sturmtruppen
sexuelle Handlungen mit Prostituierten auszuführen; andere mußten
nackt tanzen. Ein Gestapo-Agent aus Wien berichtete später, dass
er und seine Kameraden Schwierigkeiten gehabt hätten, die Menschenmenge
davon abzuhalten, noch mehr Jüdinnen und Juden tätlich anzugreifen.
In Wien wurden insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser meist durch Brände
zerstört. 27 Juden wurden getötet und 88 schwer verletzt. 6.547
Juden und Jüdinnen wurden in Wien verhaftet, fast 4000 von ihnen
wurden ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Tausende jüdische
Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört. 4.083 jüdische
Geschäfte wurden gesperrt. Allein im "Kreis Wien I" wurden
1.950 Wohnungen zwangsgeräumt. Hunderte Jüdinnen und Juden begingen
Selbstmord. Eine Rückgabe der enteigneten Wohnungen und Geschäfte
nach 1945 fand praktisch nicht statt. Bis zum heutigen Tag profitieren
die Nachkommen der Täter und Täterinnen in Wien und ganz Österreich
von den Verbrechen, die damals ihren Anfang nahmen. Sei es durch den günstigen
Mietvertrag, den die Großeltern 1939 erhielten, durch die arisierten
Bilder der Sammlung Leopold, die nun im Museumsquartier Touristenströme
anziehen, oder durch die Übernahme von Geschäften, Kinos oder
Apotheken der zuvor deportieren Besitzer und Besitzerinnen.
Solidarität mit Israel
Es macht die Eigenart der Gesellschaft in den Nachfolgestaaten des Dritten
Reichs aus, daß sie sich auf dem Boden der Resultate bewegt, die
der Nationalsozialismus geschaffen hat. Zu diesen Resultaten gehört
eine besonders innige Beziehung zum Staat, gestiftet durch das kollektiv
beschwiegene Fundament von Massenmord und
Vernichtungskrieg, die nach 1945 nirgendwo revolutionär geahndet
wurden. In diesen Verbrechen hat sich die überwältigende Mehrheit
der Bevölkerung mit dem Staat zum Volksstaat vereinigt. Diese Vereinigung
lebte öffentlich und privat gerade in der Verdrängung des Verbrechens
fort und konstituierte das Bewußtsein der Staatsbürger und
-bürgerinnen. Daß der größten Vernichtung, die jemals
vonstatten ging, der größte Reichtum entspringt, der jemals
zu haben war, das war das eigentliche Wunder der Nachkriegszeit, das man
mit dem Begriff des Wirtschaftswunders zu rationalisieren versuchte -
schon deshalb, um nicht über die Grundlegung der Nachkriegswirtschaft
in der nationalsozialistischen Raub- und Zwangsarbeiterökonomie reden
zu müssen. Der für die österreichische postnationalsozialistische
Gesellschaft charakteristische Antisemitismus tobt sich heute zunehmend
im Haß auf den Staat der Shoah-Überlebenden aus. Der von Deutschen
sowie Österreichern und Österreicherinnen mit Begeisterung vom
Zaun gebrochene Vernichtungsfeldzug gegen Polen und die Sowjetunion, der
Beginn der totalen Vernichtung des europäischen Judentums im Herbst
1941 und die Flucht von vielen Jüdinnen und Juden waren die entscheidenden
Ursachen für die Gründung Israels. Während der
Zionismus in den 50 Jahren davor noch von vielen Juden und Jüdinnen
abgelehnt wurde, da sie die Hoffnung auf Assimilierung nicht aufgaben
oder ein Ende des Antisemitismus durch die revolutionäre Veränderung
der Gesellschaft erkämpfen wollten, bestätigte der deutsche
Vernichtungswahn in grausamer Weise die Notwendigkeit eines jüdischen
Staates, solange die kapitalistische und staatliche Vergesellschaftung
- und damit der Grund für den Antisemitismus - weiter besteht. Trotz
grauenhafter Umstände gelang tausenden Opfern des NS-Terrors die
Flucht nach Palästina. Nach der Staatsgründung Israels und der
Nichtanerkennung des UN-Teilungsplanes durch die arabischen Nachbarstaaten
begannen diese ihren ersten Krieg gegen den neuen Staat. In den 15-monatigen
Kampfhandlungen ließen über 6000 Israelis, viele eben erst
den nationalsozialistischen Todesmühlen entkommen, ihr Leben.
Israel ist seitdem der einzige Garant dafür, dass Antisemitismus
in Deutschland, Österreich, oder auch im arabischen Raum, wo er sich
derzeit sowohl propagandistisch als auch praktisch am ungehemmtesten austoben
kann, entgegengetreten wird. Selbst wenn wie im 2. Weltkrieg fast alle
Länder dieser Erde ihre Grenzen nochmals für
jüdische Flüchtlinge schliessen sollten, mit Israel wird es
einen Ort geben, wo sie, solange die Möglichkeiten zur militärischen
Selbstverteidigung gewährleistet sind, relativen Schutz vor antisemitischer
Gewalt finden werden.
Der jüdische Staat ist 60 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus
in Gefahr. Israel ist mit permanentem Terror im Rahmen der "Al-Aqusa-Intifada"
konfrontiert. Die von Palästinensern und Palästinenserinnen
durchgeführten Selbstmordattentate zielen einzig und allein darauf,
möglichst viele Juden und Jüdinnen mit in den Tod zu reißen.
Unterstützung finden diese dabei nicht nur bei anderen arabischen
Regimes, die diesen sich selbst als nationalen Befreiungskampf abfeiernden
Vernichtungsantisemitismus materiell und ideologisch unterstützen,
sondern auch bei der Europäischen Union und der UNO.
Mit der zunehmenden Bedrohung Israels und damit der Juden und Jüdinnen
weltweit, entsteht eine Art "globaler Intifada": Von der Ukraine
über Argentinien bis Frankreich und Deutschland, überall kam
es in den vergangenen Monaten zu Friedhofsschändungen, Brandstiftungen
gegen Synagogen und tätlichen Angriffen gegen Juden und Jüdinnen.
Jüdische Gemeinden erleben nun in der ganzen Welt Zustände,
die in Österreich und Deutschland seit langem traurige Realität
sind: gewalttätige Übergriffe und die ständige Präsenz
von Sicherheitskräften vor Synagogen, Schulen und kulturellen Einrichtungen.
In vielen Medienberichten dominiert eine parteiische
Darstellung des Nahostkonfliktes. Einseitig wird allzu gerne der palästinenstische
Standpunkt wiedergegeben. Die Linke hat mit ihrem jahrzehntelang gepflegten
Antizionismus eine Avantgardefunktion erfüllt und damit dem nunmehr
hegemonialen Antizionismus gesellschaftliche Legitimität verschafft.
Ob der deutsche Nationalliberale Möllemann dem jüdischen Fernsehmoderator
Michel Friedman die Schuld am deutschen Antisemitismus zuschiebt, die
aussenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, fordert,
israelische Waren aus den besetzen Gebieten vom Assoziationsvertrag mit
der EU auszunehmen, oder Jörg Haider im arabischen TV die Interessen
der Palästinenser und Palästinenserinnen preist, fast niemanden
scheint diese breite Front zu stören. Auch die Tatsache, dass durch
die regelmäßigen Zahlungen der Europäischen Union an die
palästinensische Autonomiebehörde höchstwahrscheinlich
auch indirekt oder direkt der antisemitische Terror finanziert wird,
erregt kaum Aufsehen. Das Gedenken an die Reichspogromnacht vor 64 Jahren
muß die Verteidigung der letzten noch sichtbaren Resultate der deutsch-österreichischen
Schuld an Shoah und Vernichtungskrieg beinhalten, so es nicht zu einer
folgenlosen Historisierung der damaligen Ereignisse kommen soll. Heute
wird in vielfältiger Weise in Österreich und Deutschland versucht,
die Folgen der Niederlage des Nationalsozialismus von 1945 zum Verschwinden
zu bringen und die deutsch-österreichischen Verbrechen zu relativieren.
Nach der deutschen Wiedervereinigung, der Auflösung der Roten Armee
und der Zerschlagung Jugoslawiens richten sich die deutsch-österreichischen
Begehrlichkeiten insbesondere gegen Tschechien. Antifaschisten und Antifaschistinnen
dürfen zu diesem Revisionismus nicht schweigen. Die aktuelle, erpresserische
Politik gegen die Republik Tschechien in der Frage der Benesdekrete muß
ebenso bekämpft werden wie jede Form der Delegitimierung des israelischen
Staates.
Unterstützt von:
Aktionsbündnis gegen Antisemitismus Innsbruck
Anthropoid Innsbruck
Basisgruppe Politikwissenschaft
Bnei Akiva
Bund sozialdemokratischer Juden - Avoda
Café Critique
Context XXI
Ensemble Alptraumtöchter, Wien
Fachschaft Informatik
Forum für Israel
Forum gegen Antisemitismus
Grünalternative Jugend Wien
Haschomer Hazair
Infoladen 10
Jad be Jad
Kulturverein Sägefisch
Ökologische Linke
Rosa Antifa Wien
Gero Fischer,
Institut für Slawistik Wien
Hannah Fröhlich, Schauspielerin
Rudi Gelbard
Samuel Laster, Journalist
Karl Pfeifer, Journalist
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