Innenministerium verträgt keine Kritik - Gelder an Asyl in Not verweigert
24.09.2002
no-racism.net | deportatiNO

       
 
Innenministerium weigert sich, EFF-Förderung auszuzahlen.
Begründung: ein kritischer Artikel über das Bundesasylamt

Angriff auf die Pressefreiheit
Ein Bericht von Michael Genner - Asyl in Not

Asyl in Not soll im Jahr 2002 vom Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF) - dessen Gelder seit einigen Jahren von den nationalen Regierungen verwaltet werden - eine Förderung in Höhe von 20.000 Euro bekommen. So lautet der Beschluß der Auswahlkommission vom 20.2.2002; das Geld ist zur Kofinanzierung unserer (größtenteils aus Eigenmitteln bezahlten) Rechtsberatung für Asylwerber bestimmt.

Der Vertrag wurde - spät, aber doch - im Juni 2002 an uns geschickt, von uns unterschrieben und retourniert; vom Geld haben wir bis heute nichts gesehen. Nun erfuhren wir, das Innenministerium - genauer gesagt: Sektionschef Szymanski - verweigere die Unterschrift. Es bestehe kein Vertrauen mehr zu uns. Man habe nämlich soeben im Internet einen Artikel entdeckt, den ich am 25. Dezember 2000 (!) in der elektronischen Tageszeitung "MUND" veröffentlichte.

In diesem Artikel ("Fall des Jahres 2000 – Frau K. hat Asyl") berichtete ich über das Schicksal einer Frau aus dem Irak, die in Saddam Husseins Gefängnissen jahrelang eingekerkert gewesen, von den Wächtern immer wieder vergewaltigt worden war und in der Haft ein Kind zur Welt gebracht hatte, das ihr sofort nach der Geburt weggenommen worden war.

Als sie in Österreich Asyl beantragte, traf Frau K. auf den Beamten Aschauer, der ihren Antrag als "unglaubwürdig" abwies. In unserer Berufung griffen wir Aschauer direkt an und warfen ihm Befangenheit vor. Wir legten ein Gutachten eines bekannten Psychotherapeuten vor, der bezeugte, daß Frau K. ein Vergewaltigungsopfer sei. Der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) – die Berufungsinstanz im Asylverfahren – gab unserer Berufung Folge und gewährte Frau K. Asyl.

Darüber schrieb ich in unserer Weihnachtsaussendung am 25. Dezember 2000 und berichtete zugleich über vier weitere Flüchtlinge, deren Anträge Aschauer abgewiesen hatte.

Drei von ihnen erhielten im Berufungsverfahren Asyl (einer nach acht Jahren, eine andere nach zehn Jahren quälender, nervenzermürbender Wartezeit; der dritte war in Schubhaft gesessen, wäre beinahe in den Tod geschickt worden und kam nur durch Proteste von Asyl in Not, SOS-Mitmensch und Amnesty international frei). In diesen Fällen (und so manchen anderen auch) wurden Aschauers Bescheide von der Berufungsinstanz für rechtswidrig erklärt.

Die vierte Betroffene (eine junge Kurdin, ebenfalls ein schrecklich zugerichtetes Vergewaltigungsopfer) hatte das Verfahren nicht abgewartet, sondern war in die Türkei zurückgekehrt, wo sie neuerlich verhaftet wurde.

Dokumentationsmaterial über diese Fälle schicken wir auf Wunsch gerne zu.

In meinem Rundbrief nannte ich Herrn Aschauer einen "Schreibtischtäter, wie es viele gab in der blutigen Geschichte dieses Landes". Er habe "das Leben vieler Menschen zerstört". Ich schloß den Artikel mit den Worten: "Herr Aschauer muß aus dem Bundesasylamt hinaus. Sein Maß ist voll."

Dieser Artikel, der an tausende Email-Adressen verschickt worden war, blieb dem Bundesasylamt angeblich bis vor kurzem unbekannt. Herr Aschauer tut auch noch immer seinen Dienst.

Das Bundesasylamt hat nun gegen mich eine Anzeige wegen "übler Nachrede" erstattet. Diesem Verfahren sehen wir gelassen entgegen; es wird uns Gelegenheit bieten, all die Menschenrechtsverletzungen noch einmal zu dokumentieren, deren Zeugen wir in unserem jahrelangen Umgang mit dieser Behörde geworden sind.

Das Innenministerium nimmt nun diese Anzeige zum Vorwand, um unsere Förderung nicht auszuzahlen. Sektionschef Szymanski verlangt allen Ernstes, der Artikel über Frau K. – der im Archiv des "MUND" nachgelesen werden kann - müsse "aus dem Netz genommen werden".

Unser Versuch, Szymanski begreiflich zu machen, daß Asyl in Not – selbst wenn wir es wollten - nicht ins Archiv des "MUND" eingreifen kann, weil der "MUND" von uns völlig unabhängig ist, schlug fehl; ebenso unsere Bemühung, Szymanski den besonderen Wert der Pressefreiheit in einer modernen Demokratie zu erklären.

Auch daß die 20.000 Euro zur Förderung unserer Rechtsberatung und nicht unserer Öffentlichkeitsarbeit bestimmt sind, wollte Szymanski nicht verstehen. Er beharrte darauf, nur dann zu zahlen, wenn der Artikel aus dem Netz verschwindet.

Dieser Starrsinn wird Folgen haben – juristisch und medial. Wir lassen uns die Pressefreiheit nicht abkaufen, nicht für 20.000, nicht für 200.000, nicht für 2 Millionen Euro.

Herr Szymanski wird lernen müssen, daß er von einem Vertrag, den er uns angeboten und den wir angenommen haben, nicht so einfach zurücktreten kann. Unser Anwalt hat ihn aufgefordert, den Betrag binnen vierzehn Tagen zu überweisen; sonst müssten wir den Rechtsweg beschreiten.

Die Causa Szymanski ist kennzeichnend für das obrigkeitsstaatliche Denken, das in diesem Lande seit Metternichs Tagen herrscht. Einen Beamten öffentlich zu kritisieren – das ist Majestätsbeleidigung. Es wird durch Geldentzug bestraft.

Asyl in Not kämpft für eine Reform der Beamtenschaft an Haupt und Gliedern. Nur dann werden echte demokratische Reformen möglich sein. Wir erinnern uns
nur zu gut, wie Caspar Einem an der Sabotage durch seine eigenen Beamten gescheitert ist. Vielleicht gibt Szymanskis Affäre den Anlaß zu einem grundlegenden Neubeginn...

 



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