Sonderbare Bilanzen: Asylstatistik 2001l
26.1.2002
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Die Statistiken des Innenministeriums - und die Wirklichkeit


Das Innenministerium hat die Asylstatistik 2001 vorgelegt. Mit Erstaunen lesen wir darin, daß es eine Anerkennungsquote von 23,4 Prozent gegeben haben soll: 1114 positive Bescheide stehen 3642 negativen gegenüber. Ist ja toll.

Nur - insgesamt wurden im ganzen Jahr 2001, auch wieder laut Statistik des Innenministeriums, 25.997 Fälle "rechtskräftig erledigt". Außer den positiv und negativ "erledigten" Fällen gibt es also, wieder laut Ministerium, noch 21.241 "sonstige" Erledigungen. Wie das?

193 Anträge wurden wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gehören also eigentlich zu den negativen "Erledigungen". Aber bitte, so streng wollen wir nicht sein.

1459 Asylanträge wurden zurückgezogen. Na schön. Das sind Flüchtlinge, die ihren Aufenthalt anders regeln konnten, meist durch Heirat mit einem Österreicher oder einer Österreicherin; manchen Auserwählten wurde auch (vorausgesetzt, sie hatten während einem jahrelangen Asylverfahren das seltene Glück, legale Arbeit zu finden) der ministerielle Gnadenakt einer "humanitären Aufenthaltserlaubnis" zuteil.

14.436 Verfahren wurden eingestellt. Das ist der größte Brocken, wie jedes Jahr. Die Klienten sind nicht mehr da. Sie haben es nicht ausgehalten in unserem gastfreundlichen Land. Zermürbt durch behördliche Schikanen, ohne Bundesbetreuung, ohne Versicherung, ohne Arbeit,
ohne Sozialleistungen, oft nach monatelanger Schubhaft auf die Straße gestellt, sind sie weitergezogen. Noch schlechter als in Österreich konnte es nirgendwo sein.

5.153 Asylanträge wurden als "gegenstandslos abgelegt". Das sind die Afghanen im Iran und in Pakistan, auf der Flucht vor dem Krieg und dem Terror der Taliban; sie hatten versucht, den legalen Weg zu gehen, hatten Asylanträge gestellt bei den österreichischen Botschaften in Teheran und Islamabad - vergebliche Mühe!

Herr Taucher, der Leiter des Bundesasylamts, der vorher schon als Chefjurist der Caritas die Selektion der Flüchtlinge in "gute" und "schlechte" Fälle verantwortet hatte, entschied - in völliger Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen über Drittlandsicherheit: Iran und Pakistan seien "sichere Drittstaaten" - obwohl es dort keinerlei rechtsstaatliche Asylverfahren gibt und obwohl UNHCR über fortdauernde
Abschiebungen afghanischer Flüchtlinge aus diesen Ländern berichtete.

Unsere LeserInnen erinnern sich: Österreichs blauer Botschafter Howadt ließ die verzweifelten Flüchtlinge vor der Botschaft in Islamabad von der pakistanischen Polizei wegprügeln. Wie viele von ihnen gar keine Asylanträge stellen konnten - und daher auch nicht einmal unter den 5.153 als "gegenstandslos abgelegten" Verfahren aufscheinen - wissen wir nicht.

Die richtige Bilanz sieht also ganz anders aus. Von 25.997 "Erledigungen" waren 1114 positiv, also: eine Anerkennungsquote von 4,2 Prozent.

Von den 1114 positiven Bescheiden waren 411 inhaltliche Anerkennungen und 703 Erstreckungen auf EhepartnerInnen und minderjährige Kinder.

411 Flüchtlinge (davon 172 in erster, 239 in zweiter Instanz), deren Gründe inhaltlich geprüft und für ausreichend befunden wurden - in einem ganzen Jahr! Bei 25.997 "Erledigungen". So schaut"s aus.

Übrigens, in eigener Sache: von den 411 inhaltlich geprüften "Positiven" waren 34 Klienten von Asyl in Not. Davon 5 in erster, 29 in zweiter Instanz. War viel Arbeit für unser kleines Team: Berufungen schreiben, Beweismittel recherchieren, Einvernahmen vorbereiten - und dann das Entscheidende: die mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen
Bundesasylsenat. Dort gehen immerhin 12 % der gesamten Anerkennungen (29 von 239) auf unser Konto.

Diesen 34 Flüchtlingen, plus 36 Angehörigen, also 70 Menschen konnten wir helfen. Jeder dieser Erfolge baut auch uns wieder auf und hindert uns am "Burn-out". Aber was ändert das an der Gesamtbilanz? 96 Prozent der Menschen, die von Österreich Schutz und Hilfe erhofften, wurden durch eine verfehlte, konventionswidrige, fremdenfeindliche, rassistisch motivierte Asylpolitik und Behördenpraxis um ihr Recht gebracht.

Das ist die wirkliche, skandalöse Bilanz.

Michael Genner, Asyl in Not

 

Michael Genner, Asyl in Not
   
 

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