Stellungnahme
des Flughafen-Sozialdienst zur Asylgesetznovelle 2003
02.06.2003 |
no-racism.net | deportatiNO |
Asylgesetznovelle 2003 (22.05.2003) |
Am 30. Mai 2003 endete die vom BMI festgesetzte Frist zur Stellungnahme zur AsylGesetz-Novelle 2003. "JuristInnen und juristisch versierte ExpertInnen von UNHCR, NGOs und dem "Netzwerk Asylanwalt" stellen unisono fest, dass der vorliegende Entwurf nicht nur eine drastische Verschlechterung für Flüchtlinge darstellt, sondern wichtige rechtsstaatliche Prinzipien in Frage stellt. Die Novelle
stellt einen vorsätzlichen Verstoß des Innenministers · Die Flüchtlinge sollen in sog. "Erstaufnahmezentren" (EZA) kaserniert werden, in denen das Verfahren im Blitztempo (maximal 72 Stunden) unter Ausschluss der Öffentlichkeit, insbesondere unter Ausschluss von NGOs oder frei gewählten RechtsanwältInnen geführt wird. In diesem "Zulassungsverfahren" soll abgeklärt werden, ob der Asylantrag überhaupt inhaltlich behandelt wird. Wenn nicht, folgt die Ausweisung, Überstellung in die Schubhaft und/oder Abschiebung. ·
Die einzigen Rechtsbeistände, die Flüchtlinge in dieser exponierten · Aktualisiert wird die Regelung betreffend "sichere Drittstaaten": Diese findet sich zwar schon im gegenwärtigen Gesetz, aber sie ist dank der eindeutigen Rechtssprechung des UBAS (Unabhängiger Bundesasylsenat) de facto totes Recht. Der Zusammenhang mit der Tatsache, dass sich der UBAS die Freiheit herausnahm, immer wieder zu bestätigten, dass Ungarn, die Slowakei oder Tschechien für Flüchtlinge nicht sicher sind, sondern dass sie dort unter Umständen in den Verfolgerstaat abgeschoben werden können, ist offensichtlich. Die Liste der "sicheren Drittstaaten" wird einfach ins Gesetz geschrieben, womit sich der UBAS dann brausen gehen kann, und Österreich dank seiner "glücklichen" geographischen Lage, umgeben von lauter "sicheren Drittstaaten", das Flüchtlingsproblem zu einem großen Teil los ist. · Drastische Einschränkung der Rechtsmittel: Einer Berufung gegen einen negativen Bescheid im Zulassungsverfahren kommt keine aufschiebende Wirkung mehr zu, und die Abweisung des Asylantrags als "offensichtlich unbegründet" ist mit der Ausweisung zu verbinden. Wenn er/sie recht behält, dann kann er/sie seinen/ihren Sieg ja im Gefängnis in Islamabad feiern. · "Verpolizeilichung des Verfahrens" (Asyl in Not): Die Sicherheitskräfte sind angehalten, Flüchtlinge beim ersten Kontakt zu durchsuchen und auftauchende Dokumente zu beschlagnahmen. Eine "Verweigerung der Mitwirkungspflicht im Verfahren", die z.B. darin besteht, die Kaserne EAZ zu verlassen, um mit NGOs Kontakt aufzunehmen, wird mit Überstellung in die Schubhaft geahndet. Damit dieser Angriff auf das Menschenrecht auf Asyl und auf den Rechtsstaat weniger auffällt, wurde er in einer Zeit vorgetragen, in der die Öffentlichkeit mit anderem beschäftigt ist, nämlich mit Pensionen und Streiks. Und damit die Öffentlichkeit auch keine Chance hat, auf diesen Angriff zu reagieren, sofern sie ihn zur Kenntnis genommen hat und sich dafür interessiert, sollte der Beschluss auch in einem Höllentempo noch vor der Sommerpause im Parlament beschlossen werden, sodass er in einem halben Jahr in Kraft treten kann. Nach der "bewährten" Strategie: "Schnell, schnell, vielleicht fällt's ja niemandem auf?" Und wenn doch: "Na, dann sollen sie sich halt beim VfGH beschweren" - bis der entschieden hat, dauert es sowieso Jahre, und bis dahin ist das Ziel der Novelle vielleicht ja schon erreicht: Die drastische Reduktion der Asylantragszahlen. (In den Niederlanden führte die Einführung eines solchen Schnellverfahrens im Jahr 1994 zu mehr als einer Halbierung der Antragszahlen innerhalb von zwei Jahren.)
Die Auswirkungen
dieser hinter verschlossenen Türen durchgeführten Schnellverfahren
werden dramatisch sein. Man muss bedenken, dass die meisten Flüchtlinge,
wenn sie die Grenze dieses gastfreundlichen Landes überschreiten,
oft Entsetzliches hinter sich haben: Nicht nur die Verfolgung im Heimatland,
die Anlass der Flucht war, sondern auch das traumatische Erlebnis der
Flucht an sich. Diese dauerte oft wochen-, ja manchmal monatelang und
führte sie durch die unterschiedlichsten Länder und Städte,
deren Namen ihnen oft nicht einmal bekannt sind. Auch das Ziel der Flucht
ist manchmal nicht klar. Es soll halt in die EU gehen, in die vermeintliche
Sicherheit. Dazwischen liegen z.B. ein paar Monate ungewisses Warten in
Moskau, in der Illegalität, unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Dazwischen liegt der Grenzübertritt nach Österreich, vielleicht
auch noch im Winter, d.h. bei Minusgraden die March durchschwimmen. Wenn
die Flüchtlinge hier ankommen, sind sie erschöpft, manchmal
krank, auf jeden Fall verängstigt.
Kurzfristig wird diese Novelle nur durch juristische Intervention, sprich Anfechtung vor dem VfGH, zu Fall zu bringen sein (wenn auch vielleicht zu spät für die vielen Flüchtlinge, denen durch dieses Gesetz ein Entkommen aus ihrer Verfolgungssituation verunmöglicht wird). Langfristig ist der Bestrebung, Österreich "flüchtlingsfrei" zu machen, nur auf politischer Ebene beizukommen, denn die rechtsstaatliche Verfasstheit einer Gesellschaft ist nun mal nur ein Ausdruck ihrer sozialen und politischen Verfasstheit, und Gesetze können relativ leicht geändert werden, wie man sieht. Eine Auseinandersetzung, die angesichts der Hegemonie der derjenigen Kräfte, denen Flüchtlinge nur mehr ein Klotz am Bein sind oder die sich "nicht zuständig" fühlen, nicht leicht sein wird. Uns geht
es in dieser politischen Auseinandersetzung darum, die Einer unserer KlientInnen beispielsweise kommt aus dem Niger-Delta in Nigeria. Sein Grundstück ist durch die Ölförderung der Firma Shell für die Landwirtschaft unbrauchbar gemacht worden; auch das umliegende Land ist verseucht, die Menschen können dort nicht mehr überleben. Er verübte mit anderen gemeinsam Sabotageaktionen gegen die Ölpipelines, um sich zu rächen und um sich Benzin zu verschaffen. Später organisierte er sich in einer politischen Partei, die in Opposition zur nigerianischen Regierung steht und von dieser verfolgt wird. Er kommt ins Gefängnis; die Bedingungen in den nigerianischen Gefängnissen sind menschenverachtend; ihm gelingt die Flucht. In Österreich, einem Land, dessen BürgerInnen die Produkte von Shell täglich in ihre Autos einfüllen und sich das auch leisten können, weil die Benzinpreise weder die Verseuchung des Niger-Deltas noch angemessene Arbeitslöhne für die nigerianischen Beschäftigten inkludieren, wird sein Asylantrag abgelehnt: Einerseits weil die Vertreibung von seinem Land sowieso nicht zählt, andererseits weil Nigeria ja eine "Demokratie" ist und keine staatliche Verfolgung feststellbar sei. Das meint zumindest das Bundesasylamt - Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch stellen regelmäßig fest, dass die Menschenrechtssituation in Nigeria sehr schlecht ist. Für uns ist klar: Solange Österreich und seine Bevölkerung von der Zerstörung des Landes im Niger-Delta profitiert, ist er natürlich als Flüchtling anzuerkennen. Der Zynismus dieser Feststellung liegt auf der Hand, denn natürlich ist nicht die Anerkennung als Flüchtling die Lösung des Problems, sondern die Verhinderung der Zerstörung und Enteignung des Landes. Gleichzeitig muss eine solche "ökonomische Verfolgung" jedoch Eingang in das Asylgesetz finden, denn die BewohnerInnen des Niger-Deltas, um bei o.g. Beispiel zu bleiben, haben wenige Möglichkeiten, diesem Desaster zu entgehen. (Auch wenn im konkreten Fall die politische Verfolgung durch die Regierung Ausschlag gebend für die Flucht war.) Die Asylantragstellung in der OECD ist eine davon. Solange nur das Asylgesetz zur Verfügung steht um Verfolgten den Zutritt zum "save heaven" der reichen Staaten des Nordens zu ermöglichen, muss dieses Gesetz verteidigt und verbessert werden. Eine umfassende Lösung aber ist heute nur mehr global zu denken, und die liegt im Kampf gegen die Weltwirtschaftsordnung.
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