Aktion am Lufthansa-Bildungszentrum
(Februar 2000)
Bericht:

Heute zur Mittagszeit erklimmten rund 30 AntirassistInnen den Hügel mit dem idyllisch im Wald gelegenen, aber dann etwas weniger idyllisch wirkenden Gebäudekomplex des Lufthansa-Bildungszentrums in Seeheim-Jugenheim. Dort angekommen, begaben sich einige in die Cafeteria und verteilten an die noch nicht sehr zahlreichen Mittagsgäste die "deportation.class"-Zeitungen und die für diese Aktion zubereiteten Flugblätter (s.u.). Andere betraten die übrigen Gebäude mit den Hotel- und Seminarräumen und verteilten dort die Zeitungen und Flugblätter und klebten kleine Aufkleber "Lufthansa deportation class stop" (mit Hinweis auf die Webseiten " www.deportation-alliance.com") . Während die Gäste des Bildungszentrums wie wir selbst sehr "ruhig und besonnen" blieben, trat sehr bald ein cholerisch wirkender Angestellter auf den Plan, der uns aus der Cafeteria und überhaupt vertreiben wollte. Wir ließen uns jedoch nicht beirren, verteilten weiter unsere Materialien an die zunehmend der Cafeteria zuströmenden Gäste und unter die Scheibenwischer der zahlreichen Fahrzeuge auf dem Parkplatz, entrollten unsere Transparente - sehr schön: das "deportation.class"-Plakat auf edlem Tuch - und hielten schließlich mit gut und weit hörbarem Megaphon eine kleine Kundgebung ab. Verlesen wurde das Flugblatt mit spezieller Ansprache an Gäste und Beschäftigte, insbesondere drei der dort tätigen Mitglieder das Managements. Während die Gäste des Zentrums das Ganze eher gelassen bis - wie gewohnt - verständnislos über sich ergehen ließen (erwähnenswert aber die echte Begeisterung eines Herrn über die Zeitung: "das ist gut, das muß ich meinem Chef zeigen" - ?), verhielten sich die von uns erlebten Beschäftigten des Lufthansa-Bildungszentrums doch sehr solidarisch zu "ihrem" Konzern: vom eingangs erwähnten Choleriker, der auch vor Tätlichkeiten nicht zurückschreckte und deshalb abgedrängt werden mußte, mal abgesehen, gab es z.B. Äußerungen wie "das ist doch eine Lüge" auf unsere Aussage, daß Kola Bankole und Aamir Ageeb in Lufthansa-Machinen umgebracht wurden. Ein anderer Beschäftigter behauptete, das Bildungszentrum habe garnichts mit der Lufthansa zu tun, wurde dann aber schnell still, als er auf die dort stattfindenden Lufthansa-Schulungen in eigenen Räumlichkeiten hingewiesen wurde.

Alles in allem ein Nadelstich von hoffentlich noch vielen, diese Aktion; die Presse konnte wegen des Überraschungseffekts leider nicht eingeladen werden, drum verschickten wir danach dann noch eine Presseerklärung, die ihr unten lesen könnt.

Ach ja: der dann noch auftauchenden Polizei gelang die Personalienfeststellung dreier Menschen auf dem Rückweg; Begründung war, "der Frieden" sei gestört worden und es habe einen "tätlichen Angriff" gegeben. (Fürwahr, doch nicht von unsrer Seit')

Viel Spaß, Glück & Erfolg den AktivistInnen morgen und demnächst in München und anderswo!


deportation class

»kein mensch ist illegal«
c/o AG3F
Metzgerstr. 8
63450 Hanau
Tel. 0172-6688454
Fax 06181-184892
Email: grenze§ibu.de
http://www.deportation-alliance.com

Presseerklärung  07.04.2000

"kein mensch ist illegal":
Go-In und Kundgebung bei Lufthansa-Ausbildungszentrum

Dreißig Aktivistlnnen des Netzwerks "kein mensch ist illegal" protestierten heute, Freitag 7.4.2000, am und im zentralen Ausbildungszentrum der Lufthansa in Seeheim-Jugenheim bei Darmstadt "gegen das unmenschliche Geschäft mit den Abschiebungen", wie eine Sprecherin der Gruppe heute gegenüber der Presse erklärte. Die DemonstrantInnen besuchten die Cafeteria sowie die Seminarräume, um die Gäste und Angestellten u.a. mittels der Zeitung "deportation dass" über die Abschiebepraxis und die bedeutende Rolle der Lufthansa darin zu informieren. Anschließend wurden in einer kurzen Kundgebung mittels Lautsprecher vor den im Ausbildungszentrum integrierten Hotelgebäuden lautstark alle Lufthansa-Mitarbeiter aufgefordert, sich gegen die Beteiligung der Lufthansa zu engagieren. Konkrete Forderungen wurden an die für das Trainingsprogramm 2000 der Lufthansa zuständigen Bereichsleiter gestellt: - Von Iris Schwarz, zuständig für Training der Lufthansa Passage Airline, wurde gefordert, die Menschenrechtsverletzungen im Abschiebegeschäft sowie die Geschichte des "Kranich unterm Hakenkreuz" im sogenannten "Lufthansa Lernway" aufzunehmen. - An Ulrich Klein, verantwortlich für "Media on Demand", erging die Empfehlung, die von "kein mensch ist illegal" eingerichtete Homepage "deportation-alliance.com" in das "web-based Training" der Lufthanseaten einzubeziehen.

Und Petra Euler, im Bildungszentrum zuständig für Personal- und Organisationsentwicklungssysteme, solle "die Frage der Bordgewalt in die juristischen Lehrgänge aufnehmen" sowie "die Möglichkeiten der Verweigerung von Abschiebungen erörtern" lassen. Zum Abschluß der Aktion kündigte der Kundgebungsredner von "kein mensch ist illegal" an, es würden bundesweit solange weitere Aktionen folgen, bis die Lufthansa ihr Abschiebegeschäft aufgebe. Eine weitere Aktion im Rhein-Main-Gebiet stehe bereits fest: für Samstag, den 27.5.2000, ruft "kein mensch ist illegal" auf zur Teilnahme an einer Kundgebung im Lufthansa-Terminal am Frankfurter Flughafen - Anlaß: der erste Todestag des in einer Lufthansa- Maschine getöteten sudanesischen Flüchtlings Aamir Ageeb.

Anlage: Flugblatt


Flugblatt:

Keine weiteren Abschiebungen mit Lufthansa
Stop the deportation class!

An die Angestellten und die Geschäftsleitung des Lufthansa-Ausbildungszentrums, an alle SeminarteilnehmerInnen und sonstigen Gäste in Seeheim-Jugenheim!

Am 28.Mai 1999 starb Aamir Ageeb an Bord der Lufthansa-Maschine LH-558 nach Kairo. Drei Beamte des Bundesgrenzschutzes hatten den 30jährigen sudanesischen Flüchtling bei seiner Abschiebung so brutal mißhandelt, daß er erstickte.

Ageeb war nicht das erste Opfer der unmenschlichen Abschiebepraxis in einem Flugzeug der Lufthansa. Bereits 1994 war der Nigerianer Kola Bankole ebenfalls in einer LH-Linienmaschine getötet worden.

Mehr als 30.000 Flüchtlinge und MigrantInnen werden jedes Jahr aus der BRD abgeschoben, nicht selten unter Anwendung  massiver Gewaltmittel, um den Widerstand der Betroffenen zu brechen.

Nahezu alle Abschiebungen werden auf dem Luftweg durchgeführt, die Behörden sind also auf die Kooperation mit den Airlines angewiesen. Schätzungsweise mehr als 10.000 der sog. Deportees werden mit Lufthansamaschinen ausgeflogen, Lufthansa macht sich damit zum willfährigen Handlanger und Profiteur der grausamen Abschiebepolitik.

Vor diesem Hintergrund hat die bundesweite antirassistische Initiative "kein mensch ist illegal" eine Kampagne gestartet, um Lufthansa zur Aufgabe des Abschiebegeschäftes zu bewegen.

Daß solche Kampagnen und Proteste erfolgreich sein können, belegen  Beispiele aus Belgien, der Schweiz und den Niederlanden. Die Fluggesellschaften Sabena, Swissair und Martin Air lehnen mittlerweile grundsätzlich den zwangsweisen Transport von "Deportees" ab.

Genau das verlangen wir von Lufthansa auch!

Wir fordern alle Beschäftigten der Lufthansa auf, unter KollegInnen die Rolle von LH bei Abschiebungen zu thematisieren und sich an Protesten dagegen zu beteiligen. Der Druck auf die Konzernleitung in Köln, endlich Schluß zu machen mit dem unmenschlichen Geschäft, muß von allen Seiten zunehmen.

Stop the deportation class! Mit dieser Forderung werden wir auch in den kommenden Wochen überall auftauchen, wo Lufthansa präsent ist: an Flugschaltern, an den Niederlassungen, in Reisebüros oder auch im Internet. Wir werden keine Ruhe geben, bis Lufthansa das Abschiebegeschäft beendet.

Heute sind wir hier zum zentralen Bildungszentrum der Lufthansa gekommen, weil wir Angestellte und Gäste der Lufthansa über deren Rolle in der Abschiebepolitik informieren wollen, aber auch weil wir konkrete Forderungen an die Geschäftsleitung hier in Seeheim-Jugenheim haben. "Die Aus- und Weiterbildung von Lufthanseaten aus aller Welt" muß auch die Beteiligung der Lufthansa an der Abschiebepraxis thematisieren. Seminare zu den Folgen der Abschiebepolitik für die Betroffenen, zu den Möglichkeiten für die Beschäftigten, solche Zwangstransporte zu verweigern, oder auch juristische Fragen zur Bordgewalt gehören in einen Lehrplan, der nicht nur Fachidioten heranziehen will. Eine weitere Leerstelle betrifft die Geschichte der Lufthansa. "Der Kranich unterm Hakenkreuz" war an den NS-Aufrüstungsprogrammen beteiligt und hatte in seinen Werkstätten ZwangsarbeiterInnen eingesetzt. Zwar ist Lufthansa mittlerweile stillschweigend dem Entschädigungsfond beigetreten. Doch eine offene Auseinandersetzung über das Wirken der Lufthansa unter der Naziherrschaft wird bewußt vermieden. Kein Zufall sicherlich, daß sowohl die damalige Kollaboration mit dem Naziregime totgeschwiegen wird als auch die heutige Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen durch das Geschäft mit den Abschiebungen. Wir fordern die Geschäftsleitung hier im Ausbildungszentrum also auf, sich den angesprochenen Themen zu stellen und entsprechende Seminare im Programm aufzunehmen.


Für eine Welt ohne Rassismus
[www.no-racism.net]