2. Protestlesung mit Wäscheleine - gegen die Verschärfung der Haftbedingungen
29.04.2001
no-racism.net | deportatiNO

       


3. Mai 2001 / 10:00-13:00 Uhr / Wickenburggasse 18-20 / 1090 Wien


Aushang im BesucherInnenraum des LG1:
 

Im Herbst 2000 gab es nicht zum ersten Mal eine drastische Verschärfung der Bedingungen für die Häftlinge, besonders in der Justizanstalt Josefstadt.
Alltägliche Dinge wie Kleider oder Handtücher, die bisher kostenlos an zwei Wochentagen abgegeben werden konnten, sowie Zeitschriften, Bücher und fremdsprachige Tageszeitungen müssen nun in einem langwierigen Behördenweg beantragt werden. Sie werden „nur in ganz besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ (siehe Anhang) bewilligt und müssen anschließend für teures Porto mit der Post ins Gefängnis geschickt werden.
Diese Bestimmung der “besonders berücksichtigungswürdigen Fälle” ist äußerst vage und eröffnet der Willkür und unfairen Behandlung Tür und Tor.

In der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten heißt es in Artikel 10/1: “Jeder Mensch hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. […]”

Diese Deklaration lässt außer Zweifel, dass es zu den Grundrechten gehören muss, auch in der U-Haft, während der noch die Unschuldsvermutung gilt, weiterhin alle Formen von Informationen, sofern sie nicht den Prozess beeinflussen, beziehen zu können.
Den Zugang zu Information zu verwehren, die der Unterhaltung oder der Weiterbildung dienen, ist ­ ob in U-Haft, Strafhaft oder Schubhaft ­
nichts anderes als eine Beschneidung der Meinungsfreiheit.
“Das Recht auf Bildung darf niemanden verwehrt werden. […]“ Artikel 2 (Recht auf Bildung) Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
Gerade für Menschen mit nicht-österreichischer StaatsbürgerInnenschaft (oder solche, die nicht über gute Sprachkenntnisse verfügen) bedeuten diese neuen Bestimmungen eine besonders schlimme Verschlechterung. Sie können die deutschsprachigen Zeitungen nicht lesen oder Anträge an die Gefängnisleitung formulieren.

Diese Verschlechterungen stehen in einer längeren Reihe. Häftlinge haben grundsätzlich keine Ansprüche auf Besuch oder Post. Alles, was in einer Haftanstalt zugelassen wird, beruht im Wesentlichen auf Begünstigungen, die die Anstaltsleitung gewährt. Und Begünstigungen werden jetzt zunehmend eingespart. Dazu braucht gar kein Gesetz geändert zu werden, es genügt, wenn sich Haltungen und Werteinschätzungen ändern.
Es geht in der derzeitigen Gefängnisdiskussion in erster Linie nicht um die Lebenssituation der Häftlinge, sondern darum, den Strafvollzug noch wirksamer machen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten des Strafens zu richten.
Diese Verschlechterungen sind Ausdruck dessen:
· Fernseher mit Teletext wurden abgeschafft, „weil der Teletext vielleicht von kriminellen Organisationen zur Nachrichtenübermittlung verwendet werden kann“.
· Es gibt willkürlich festgelegte Arbeitsmöglichkeiten für Männer und Frauen, für Drogenabhängige, für AusländerInnen, für Farbige, für ÖsterreicherInnen ­ wer sich weigert, die ihm/ihr bestimmte Arbeit zu tun, der/dem werden die Tage der Weigerung nicht an die Strafzeit angerechnet.
· In manchen Anstalten gibt es plötzlich jeden Tag genau die gleiche Konservenkost. In einer Situation wo Essen sowieso das Einzige ist, was kurz von der Situation der Gefangenschaft ablenken kann, führt dies dazu, dass die InsassInnen mehr Geld für zusätzliches Essen ausgeben müssen. Das wieder dürfen sie nicht, wie früher, auf begleiteten Ausgängen kaufen, sondern nur zum (hohen) Sonderpreis in der Anstalt selbst.
· Es gibt keine Möglichkeit mehr, den Gefangenen Weihnachts- oder Geburtstagspakete zu schicken.
· Die öffentlich ausgehängten Regelungen für die Abgabe von Wäschepaketen (siehe Anhang) werden in einer willkürlichen Art und Weise ausgelegt: So heißt es in den neuen Bestimmungen unter Punkt 1: „Wäschepakete ­ ausschließlich per Post, und max. 2 Pakete pro Monat (nur Wäsche!).“ In den letzten Wochen wurden jedoch viele Wäschepakete, die vorschriftsmäßig per Post abgeschickt wurden, wieder zurückgeschickt. Auf Beschwerden erklärten die zuständigen BeamtInnen, dass für die Wäsche seitens der Häftlinge um keine Bewilligung angesucht wurde. Auf Nachfragen, dass Bewilligungen nach den neuen Bestimmungen doch bloß für Bücher und Zeitschriften, jedoch nicht für Kleidung eingeholt werden müssten, meinte ein Beamter wörtlich, das sei „halt blöd geschrieben“. In der Zwischenzeit wurden auch beantragte, bewilligte Pakete zurückgeschickt.

Die Rücknahme dieser Hausordnung, die das Beziehen von Büchern zum “Gnadenakt” von Seiten der Anstaltsleitung und zur Ausnahme macht, kann also nur der erste dringlichste Schritt sein.

Auch die Einrichtung einer, im Ministerrat diskutierten und versandeten, Rechtsmittelinstanz für Beschwerden der Anstaltsinsassen gegen Beschlüsse der Leiter von Justizanstalten scheint jedenfalls nicht so schnell voranzugehen, wie die Realität dies verlangen würde.

Wir fordern:
- Rücknahme der aktuellen “Hausordnung” im “Landl”.
- Die Hausordnung muss den Bedürfnissen der Menschen und nicht denen der Verwaltung angepasst sein.
- Uneingeschränkter Zugang zu Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, Fernsehen und Radio.
- Einheitliche und klar definierte Richtlinien, die allgemeine Gültigkeit haben. Besagte Richtlinien dürfen keinen Ermessensspielraum eröffnen, Willkür muss ausgeschlossen sein. Ausnahmen dürfen nicht zur Regel werden.


Aushang im BesucherInnenraum des LG1:

Werte Besucher!
Um Ihnen die Belastung von Wartezeiten zu ersparen, treten ab 6. November 2000 folgende Änderungen in Kraft:
1. Wäschepakete
- ausschließlich per Post ­ und max. zwei Pakete pro Monat (nur Wäsche!)
2. Tageszeitungen (in- und ausländische)
- können nur mehr vom Insassen selbst (auf eigene Kosten) ho. angekauft werden.
3. Besucherservice (in der Torwache)
- hier können nach Ansuchen des Insassen und dessen Bewilligung abgegeben werden: optische Brillen, Kontaktlinsen, Zahnersätze, Prothesen, Hörgeräte oder deren Batterien.
- Andere als in Punkt 2 angeführte Zeitschriften sowie Fachbücher werden nur mehr in ganz besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, auf Ansuchen des Insassen und dessen Bewilligung angenommen.
Der Anstaltsleiter
Hr. Mag. Friedrich NOWAK
Besucherservice

 

   
 

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