Abschiebe-Transitabkommen Schweiz-Senegal gescheitert!
06.03.2003
no-racism.net | deportatiNO

       
 
Der Text wurde aus unterschiedlichen Pressemeldungen zusammengestellt


Das Abschiebe-Transitabkommen zwischen der Schweiz und Senegal ist wohl definitiv gescheitert! Senegal zieht sich aus dem Transitabkommen mit der Schweiz zurück.

Senegal hat sich aus dem Transitabkommen zwischen der Schweiz und Senegal zurück gezogen. Als Begründung wurde die Ablehnung des Abkommens zur Rückführung abgewiesener AsylbewerberInnen durch die breite Öffentlichkeit im Senegal genannt.

In einer Mediemitteilung sprach sich die senegalesische Regierung auch aus Gründen der Menschwürde gegen das Abkommen aus. Am 8. Januar dieses Jahres war das Transitabkommen zwischen der Schweiz und Senegal unterzeichnet worden. Die Vereinbarung sah vor, die Identität von in der Schweiz abgewiesenen afrikanischen AsylwerberInnen in Senegal zu überprüfen, um damit eine Rückführung in ihre Heimatländer zu ermöglichen.

Diese Entscheidung wurde nachträglich heftig kritisiert. Vor allem Nichtregierungsorganisationen bezeichneten das Abkommen als "unwürdig". Afrikanische Menscherechtsorganisationen sprachen vom "Tod des Asylrechts". Das senegalesische Aussenministerium betonte in der Medienmitteilung, dass das Abkommen mit der Schweiz ohne Vereinbarung über finanzielle - oder andere materielle Entschädigugen unterzeichnet worden sei.

Durch den breiten Widerstand in der Öffentlichkeit wird das Abkommen nun nicht dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Für die definitve Annahme des Transitabkommen wäre die parlamentarische Zustimmung beider Länder notwendig gewesen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wollte die Entscheidung Dakars nicht kommentieren.

Bereits im Vorfeld der Unterzeichung des Transitabkommens am 8. Januar war es zu Verzögerungen gekommen. Die aussenpolitische Kommission der senegalesischen Regierung kritisierte damals, dass sie nicht ordnungsgemäss über den Inhalt der Vereinbarung informiert worden war.

Schweizer NGO´s haben massgeblich zum Rückzieher der senegalesischen Regierung beigetragen. Aber nicht mit Falschinformationen, wie sie betonen, sondern mit der Verteilung des Textes des Transitabkommens.

«Das Transitabkommen wäre ein probates Mittel gegen Menschenhandel und organisierte Kriminalität gewesen», sagte Bundesrätin Ruth Metzler gestern vor den Medien. Sie bedauerte die Kehrtwende der senegalesischen Regierung. Natürlich respektiere sie den Entscheid eines demokratischen Landes und werde nicht insistieren.

Für Metzler ist klar, dass die Regierung aus innenpolitischen Gründen vom Vertrag zurückgetreten sei. Aus dem Schreiben des senegalesischen Aussenministeriums gehe klar hervor, dass die nationale und internationale öffentliche Meinung durch «falsche und negative Informationen» beeinflusst worden sei. Ein Umstand, den die Schweizer Justizministerin bei ihrem Besuch in Dakar selbst festgestellt hat. In der Tat war in den senegalesischen Medien unter anderem vom Bau eines Schweizer Gefängnisses respektive Flüchtlingslagers die Rede. In Metzlers Entourage ist davon die Rede, dass Schweizer Nichtregierungsorganisationen aktiv mithalfen, Falschinformationen zu verbreiten.

Das streitet Salvatore Pittà rundweg ab. Der Redaktor der linken Zeitung «Vorwärts» und Autor eines Buches über die Migration in Afrika weilte vergangene Woche im Auftrag der beiden NGO´s Solidarité sans Frontières und augenauf in Dakar. Im Gepäck hatte er das Transitabkommen im Wortlaut, das er lokalen NGO´s sowie ParlamentarierInnen zukommen liess. Denn weder die senegalesische Regierung noch Bundesrätin Metzler hätten die Öffentlichkeit über den Inhalt des Vertrags informiert. «Wir haben das nachgeholt», sagte Pittà auf Anfrage. Natürlich habe er das Abkommen auch kommentiert, doch für das, was die Medien daraus gemacht haben, seien er und die lokalen NGO´s nicht verantwortlich. Allerdings hat Pittà in einem Artikel für die «WOZ» selbst von der «Einrichtung einer Art Schweizer Ausschaffungsgefängnis» geschrieben.

Für Pittà ist die fehlende Information der Hauptgrund für das Scheitern des Abkommens. Wie Metzler sieht er aber auch noch innenpolitische Gründe. Der (linken) Opposition im Senegal sei das Abkommen gelegen gekommen, um den Menschen aufzuzeigen, «was für eine Regierung sie haben». Präsident Abdoulaye Wade ist seit drei Jahren an der Macht und steht kurz vor der Hälfte seiner Amtszeit. Dies ist in allen Demokratien der Zeitpunkt für eine politische Abrechnung. Kein Wunder, will der umstrittene Wade kein zusätzliches Öl ins Feuer giessen.

Während Metzler davon ausgeht, dass ihr Besuch in Dakar das Abkommen «positiv und negativ» ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht habe, meint Pittà, dass seine Mission massgeblich zum Entscheid der Regierung beigetragen habe. «Erst lehnte Mitte vorletzter Woche die Sozialistische Partei das Abkommen ab, danach die ganze Opposition.» Diese umfasst einen Viertel der 120 Parlamentssitze. Zudem eroberte das Thema zu diesem Zeitpunkt die Titelseiten sämtlicher Zeitungen. Auch der Auftritt des schweizstämmigen Generalkonsuls Senegals in der Schweiz, Germain Chassot, vor dem Parlament vermochte die Stimmung nicht mehr zu kippen.

Für Anni Lanz von Solidarité sans Frontières ist klar, weshalb sich die senegalesische Öffentlichkeit so entrüstet hat. In Westafrika gelte der freie Personenverkehr. Und das Transitabkommen laufe dem Prinzip der Bewegungsfreiheit zuwider. Zudem sei es «grundsätzlich problematisch», wenn ein Zufluchtsland wie die Schweiz die Verantwortung auf andere Länder abschiebe und diese die Leute zurück in ihre Heimatstaaten führen müssen. Für den Generalsekretär der afrikanischen Menschenrechtsorganisation (RADDHO), Alioune Tine, wäre das Abkommen eine «Verletzung der Menschenrechte und des Asylrechts» gewesen. Dementsprechend zufrieden ist er gemäss der Nachrichtenagentur sda mit dem Entscheid der Regierung.

Für Metzler bedeutet der Entscheid hingegen einen «Rückschritt für die Menschenrechte». Denn der Vertrag habe sämtliche entsprechenden internationalen Konventionen erfüllt. Das «Pionierabkommen», das bei andern europäischen Staaten grosses Interesse geweckt habe, hätte dazu beitragen können, die illegale Migration zu bekämpfen. Sie lasse sich aber nicht entmutigen und will nun mit anderen westafrikanischen Staaten Abkommen abschliessen. Sie hoffe nicht, dass die Schweiz «dafür in den Geldbeutel greifen muss». Bei Senegal sei dies nicht der Fall gewesen. Metzler hält es aber für sinnvoll, mit Entwicklungshilfegeldern die Ursachen der Migration zu bekämpfen. Der Journalist Ndoye Gorgui von der Zeitung «Soleil du Senegal» gab Metzler an der Pressekonferenz zu bedenken: «Es geht nicht ums Geld, es geht um Menschen.»

 


links:

augenauf
Solidarité sans Frontières
   
 

www.no-racism.net