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Nun ist er also vorbei der Aktionstag. Wir haben uns daran beteiligt, zunächst an den
Aktionen des African Community Networks und dann an der spät gestarteten Demonstration
vorbei an AMS und Schubgefängnis am Hernalser Gürtel zum Wiener Landesgericht. Wir
hatten auch eine Rede für die Kundgebung von SOS-Mitmensch am Ballhausplatz
vorbereitet, welche wir dann allerdings nicht halten konnten, da wir es vorzogen mit
den sogenannten
"Betroffenen" zu demonstrieren. Wir möchten diese nichtgehaltene Rede
dennoch veröffentlichen.
"In dieser Zeit der vollendeten Demokratien ist ein
Paßloser und damit also auch ein Nichtwahlberechtigter ein Ketzer. Jede Zeit hat ihre
Ketzer, und jede Zeit hat ihre Inquisition. Heute sind ein Paß, das Visum, der
Einwanderungsbann die Dogmen, auf die sich die Unfehlbarkeit des Papstes stützt, an die
man zu glauben hat, oder man muss die verschiedenen Grade der Folterungen über sich
ergehen lassen. Früher waren die Fürsten die Tyrannen, heute sind es die
Staaten."B. Traven. Das Totenschiff.
Heute jährt sich zum ersten Mal der Todestag von Marcus Omofuma.Während AfrikanerInnen
in Österreich ein Jahr nach Omofumas Tod in ständiger Angst vor der Polizei leben, gab
es bis heute für die an dieser Abschiebung in den Tod beteiligten Beamten keine
nennenswerten Konsequenzen. Verfahren werden verschleppt, Gutachten aus Bulgarien, die
besagen, dass Omofuma an den von den Beamten gesetzten Handlungen gestorben ist, wird
keine Bedeutung zugemessen; stattdessen wird in österreichischen Gutachten Omofuma für
seinen Tod selbst verantwortlich gemacht, indem behauptet wird, dass seine angebliche
Herzschwäche an seinem Tod Schuld gewesen sei.
Wie kommt es dazu und was ist seit dem Tod von
Omofuma am 1. Mai vergangenen Jahres passiert?
Ab dem 27. Mai 1999 erhielt die rassistische Hetze in Medien und Politik mit der
"Operation Spring" eine neue Dimension: Wenige Wochen nach dem Tod von Marcus
Omofuma wurden über hundert Menschen dunkler Hautfarbe unter dem Verdacht auf
Drogenhandel inhaftiert. Tags zuvor hatte die Wiener FPÖ ihre Inserate geschaltet, in
denen sie den damaligen Minister Schlögl zum Handeln gegen die "nigerianische
Drogenmafia" aufforderte. Wir wissen heute, dass die Ermittlungen gegen mutmaßliche
Drogendealer dunkler Hautfarbe jedoch monatelang liefen. Es ist daher zweifelsfrei
anzunehmen, dass es einen Informationsfluss zwischen Teilen der Wiener Exekutive und der
FPÖ gegeben haben muss.
Und wie berichtete die "Kronen Zeitung" am Tag nach der "Operation
Spring"? Da wurde am Tag nach der "Operation Spring" gegen die bösen
schwarzen Asylanten gewettert, die nur hierher kommen, um unsere unschuldigen weißen
Kinder zu vergiften."Wenn es stimmt, dass unter jenen in der Nacht auf gestern
festgenommenen Drogendealern auch welche darunter waren, die vor dem Innenministerium mit
verklebtem Mund gegen Schlögl und die ,Mörderpolizei' demonstriert haben, dann ist das
Lügengebäude von den ach so unterdrückten, schützenswerten ,Asylanten' endgültig
zusammengebrochen. Dass es diese politische Lüge gibt, hat man immer schon gewusst. Jetzt
werden die Beweise nachgeliefert!" (Peter Gnam in der Kronenzeitung den 28. Mai 1999,
einen Tag nach der "Operation Spring")
In demselben Kommentar wurde gleichzeitig auf die bevorstehenden Europaparlaments- und
NR-Wahlen verwiesen (mit dem Hinweis, dass sich Grüne und Liberale besonders gegen den
"so erfolgreichen" Lauschangriff eingesetzt hätten). So wurden im Zuge der
"Operation Spring" Unschuldige, Klein- und Kleinstkriminelle, Drogenabhängige
usw. bereits in den Topf geschmissen, in dem später alle Menschen dunkler Hautfarbe
landen sollten - nämlich den der
"nigerianischen Drogenmafia". Wie erfolgreich diese rassistische Hetze war,
läßt sich daran ermessen, dass auch einige grüne PolitikerInnen begannen, sich im
Nachhinein von der Protestbewegung, die bereits vor dem Tod von Marcus Omofuma entstanden
war, zu distanzieren. Als Argument wurde angeführt, sich nicht von DrogendealerInnen
mißbrauchen lassen zu wollen. Schließlich wurde über den toten Omofuma in der
"Berichterstattung" über Drogenkriminalität berichtet. Täter und Opfer waren
umgedreht. Die verstärkt geführte Debatte über den sich ausweitenden Rassismus und
Übergriffe seitens der Exekutive unterdrückt.
Die politische Inszenierung der "Operation Spring" nahm zudem bereits die
großen Themen des Nationalratswahlkampfs der Wiener FPÖ und zur Erinnerung in einigen
Bereichen (Drogen - Familie/ "Kinder schützen!") auch der ÖVP vorweg. Das ist
das eigentlich bedenkliche an dieser Affäre; da hier aus Anschuldigungen, die sich im
Nachhinein als haltlos herausstellen, politisches Kapital geschlagen, und somit bereits
der Boden für spätere Vorgänge aufbereitet wurde. Es sei auch auf den Polizeieinsatz
gegen AfrikanerInnen wenige Tage vor der NR-Wahl am 3.Oktober 1999 verwiesen, wo der
Polizei angebliche Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz bereits Monate zuvor bekannt
gemacht wurden. Der menschenverachtende und rassistische Einsatz der Exekutive in
Traiskirchen im Jänner 2000 steht letztlich in dieser Reihe mehr als
unverhältnismäßigen Vorgehens.Unverhältnismäßig sind der Polizeieinsatz und der
Lauschangriff, und auch die hohen Strafen für die afrikanischen Dealer in dem Licht,
"dass der ursprüngliche schwerwiegende Vorwurf, beim Gegner handle es sich um die
organisierte Kriminalität, nicht mehr erhoben wird" (Standard, 30.3.99). Dieser
Vorwurf bildete jedoch überhaupt erst die nötige (Verdachts-) Grundlage für den Einsatz
des großen Lauschangriffs.
Vor Gericht gilt die Unschuldsvermutung für
AfrikanerInnen heute nicht mehr.
"Bei Afrikanern handelt es sich nicht um Asylwerber, die
sich durch ein paar Kugeln ("Fachjargon" für im Mund aufbewahrte Kügelchen,
die mit Heroin oder Kokain gefüllt sind) das Überleben sichern, sondern um Leute, die
extra herkommen um Geld zu machen," sagte ein Staatsanwalt in einem Prozeß gegen
einen angeblichen Drogendealer. Es scheint, dass StaatsanwältInnen und RichterInnen
voreingenommen sind, zudem mangelt es in den Prozessen nicht an Vorverurteilungen und
sorglosem Umgang mit etwaigen Widersprüchen in den belastenden Aussagen. Viele Urteile
werden letztlich durch die Aussage von manchmal mit Sturzhelm vermummten
"anonymen" ZeugInnen gerechtfertigt. Laut Zeugenschutzprogramm dürfen an sie
keine Fragen nach den näheren Umständen der Tat und nach Details gestellt werden, es
darf nicht einmal überprüft werden, ob sie die Sprache der belauschten Angeklagten
überhaupt beherrschen, da das ihre Identität verraten könnte.Welche rechtliche
Grundlage gibt es eigentlich dafür, dass bei einigen Prozessen gegen des Drogenhandels
beschuldigte AfrikanerInnen Zivilpolizisten dutzendweise in den Gängen vor dem
Verhandlungssaal Posten beziehen, Ausweiskontrollen durchführen und dies mit der
Anweisung verbinden, dass es nicht erwünscht sei, sich während des Prozesses Notizen zu
machen?
Welche rechtliche Grundlage erlaubt es RichterInnen, mitten im Prozess die Ausweise von
ProzessbeobachterInnen und JournalistInnen zu verlangen; ausgerechnet dann, wenn Zeuginnen
davon sprechen, dass sie bedroht worden sind?
Sollen hierdurch Gruppen, die die fragwürdige Vorgangsweise von Justiz und Polizei
aufzeigen, diskreditiert und selbst zum Gegenstand von polizeilichen und gerichtlichen
Untersuchungen gemacht werden? Schließlich wird schon seit 16. November 1999 Menschen,
die afrikanische Gefangene besuchen wollen, keine Besuchserlaubnis mehr ausgestellt. Diese
Verweigerung der Besuchserlaubnis beschränkte sich zunächst auf Menschen, die der GEMMI
(Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und ImmigrantInnen) zugerechnet
wurden, und wurde schließlich auch willkürlich auf JournalistInnen ausgedehnt, die
versuchten, über die Situation der afrikanischen Gefangenen zu berichten.Dies ist für
die Inhaftierten umso schwerwiegender, da sie oftmals nicht über ihre Rechte aufgeklärt
werden und monatelang ohne mit einem Anwalt zu sprechen in Untersuchungshaft sitzen.
AfrikanerInnen haben oft nur die
Kleidung, die sie zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung am Körper trugen. Im Gefängnis geht die
rassistische Praxis sogar so weit, dass ihnen manchmal das Essen vorenthalten wird. Zudem
wird AfrikanerInnen die bescheidene Möglichkeit eines Verdienstes durch Arbeit auch
während des Gefängnisaufenthaltes in der Regel verwehrt. Aus diesen Gründen findet
heute noch eine Demonstration statt, die an den Abschiebegefängnissen vorbei, zum Wiener
Landesgericht geführt werden soll. Wir möchten alle hier Anwesenden dazu aufrufen, noch
nicht nach Hause zu gehen, und sich dieser Demonstration anzuschließen. Ausserdem fordern
wir alle Menschen dazu auf, mit afrikanischen Gefangenen in Kontakt zu treten, ihnen
Postkarten zu schreiben und sie zu besuchen. Schreibt auch Protestbriefe an das
Gerichtspräsidium des Landesgerichts
(Landesgerichtsstrasse 11, 1080 Wien).
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