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So schaut's aus im Häfn! - Überwachung und Repression im Landesgericht Wien| zurück

Seit es Gefängnisse gibt, werden sie ständig reformiert, angepasst und verändert. Im Augenblick gibt es in den Schubladen vieler Verantwortlicher Pläne für offenen Strafvollzug, Gefangenenwohngemeinschaften, Ausbildungsmöglichkeiten während der Haft. Dem gegenüber steht der Alltag der Gefangenen:
Im Herbst 2000 gab es nicht zum ersten Mal eine drastische Verschärfung der Bedingungen für die Häftlinge, besonders in der Justizanstalt Josefstadt.
Alltägliche Dinge wie Kleider, Handtücher und so weiter, die bisher an zwei Wochentagen abgegeben werden konnten, sowie Zeitschriften, Bücher und fremdsprachige Tageszeitungen müssen nun in einem langwierigen Behördenweg beantragt, "nur in ganz besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" (Aushang in der Haftanstalt) bewilligt und anschließend für teures Porto mit der Post ins Gefängnis geschickt werden. Alle anderen Dinge können nur im Gefängnis zu sehr hohen Preisen gekauft werden, der Besitz von persönlichen Gegenständen ist überhaupt verboten.
Es gibt unendlich viele solcher Maßnahmen im Ermessen des Bundespräsidenten, des Justizministeriums oder der jeweiligen Anstaltsleitung, die nicht gesetzlich geregelt und nirgends zu beeinspruchen sind. Die Begründungen für die Repressionen sind beliebig austauschbar und anwendbar, wahlweise heißen sie Gewaltprävention, Sparmaßnahme, Organisationsproblem, Kontrolle, Bestrafung, etc.
> Fernseher mit Teletext wurden abgeschafft "weil der Teletext vielleicht von kriminellen Organisationen zur Nachrichtenübermittlung verwendet werden kann".
> AfrikanerInnen können "aus generalpräventiven Gründen" (Urteil einer nö. Richterin), "von uns aus gerne, aber es liegt leider im Ermessen der Richter" (Strafanstalt) nicht die Möglichkeit eines Straferlasses nach zwei Dritteln der Strafe ausnützen.
> Es gibt willkürlich unterschiedliche Arbeitsmöglichkeiten für Männer und Frauen, für Drogenabhängige, für AusländerInnen, für Farbige, für österreicherInnen - wer sich weigert, die ihm/ihr bestimmte Arbeit zu tun, der/dem werden die Tage der Weigerung nicht an die Strafzeit angerechnet. Wer streikt, sitzt eben länger.
> Wegen Alkohol am Steuer verurteilten UnfalllenkerInnen wird keine Weihnachtsamnestie bewilligt "weil das besonders abscheulich ist" (Bundespräsident).
> Bedingte Freilassungen und Straferlass wegen "guter Führung" sind (zumindest für österreicherInnen) ebenso möglich wie Strafverlängerung durch weitere Verurteilungen während des Gefängnisaufenthaltes.
> Ja, sogar die öffentlich ausgehängten Regelungen für die Abgabe von Wäschepaketen werden in einer willkürlichen Art und Weise ausgelegt: So heißt es in den neuen Bestimmungen unter Punkt 1: "Wäschepakete - ausschließlich per Post, und max. 2 Pakete pro Monat (nur Wäsche!)." In den letzten Wochen wurden jedoch viele Wäschepakete, die vorschriftsmäßig per Post abgeschickt wurden, wieder zurückgeschickt. Auf Beschwerden erklärten die Paket-BeamtInnen, dass für die Wäsche seitens der Häftlinge um keine Bewilligung angesucht wurde. Auf eine erneute Nachfrage, dass Bewilligungen nach den neuen Bestimmungen doch bloß für Bücher und Zeitschriften, jedoch nicht für Kleidung eingeholt werden müssten, meinte ein Beamter wörtlich, das sei "halt blöd geschrieben". In der Zwischenzeit wurden auch beantragte, bewilligte Pakete zurückgeschickt. Gefangene und deren Angehörige empfinden die Maßnahmen zu Recht als Willkürakt. Die Regeln im Gefängnis ändern sich ständig und sind nicht durchschaubar, wer drinnen ist, weiß nicht ob er/sie zeitgerecht frei gelassen wird und was während der Haftzeit auf sie/ihn zukommt. Durch ständige Unsicherheit wird verhindert, dass sich Gefangene auf ihre Situation einstellen und sich vor der Repression schützen können. Das würde die "Besserung" behindern.
Dass ein Häftling seine/ihre Schuld nicht einsieht, wird vom strafenden System nicht akzeptiert. Beschwerden, Einreichungen, Hungerstreiks, Organisierung, passiver Widerstand werden nicht gern gesehen und mit Zwangs- und Präventivmaßnahmen verhindert. Denn "der Sinn des Strafvollzuges ist, dass er restriktiv ist" (Der Sektionschef des Justizministeriums zuständig für Strafanstalten)
Was verhindert werden soll ist, dass Gefangene sich ihrer Situation bewusst werden, dass Gefangene sich Gedanken machen, worauf der Strafvollzug hinaus will, an welche Normen sie sich anpassen müssen und ob sie damit einverstanden sind. Es soll gar nicht erst die Möglichkeit geben, die Situation gestalten oder gar ändern zu können (selbst ein halbes Jahr nach Beendigung der Strafhaft sind Verurteilte nicht wahlberechtigt). Statt dessen, mit sich alleingelassen, sollen die Gefangenen lernen, sich selbst nicht zu trauen. Ein Mittel zur Kontrolle der Gefangenen ist es, keine sozialen Kontakte die nicht kontrolliert und hierarchisch strukturiert sind, zuzulassen. Das Verschwinden von Briefen innerhalb des Gefängnisses, die Abschreckung der Angehörigen durch Schikanen beim Besuch und bei der Versorgung der Gefangenen, das Verbot, persönliche Dinge bei sich zu haben und das System, selbst eine Tageszeitung in wochenlanger Prozedur beantragen zu müssen haben die Isolation der Gefangenen im Gefängnis und die Individualisierung nach der Haft zum Ziel. Die Ansprechpersonen, die letztendlich zur Verfügung stehen, sind Pfarrer und SozialarbeiterInnen im Gefängnisbetrieb, deren Aufgabe es ist, auf Seiten der Gefangenen zu "deeskalieren". Erlaubt ist nur der "humanitäre Anspruch" im Umgang mit Gefangenen, nicht aber die Auseinandersetzung mit dem Gefängnis an sich.
Sämtliche Veränderungsvorschläge sollen in erster Linie nicht die Lebenssituation der Häftlinge ändern, sondern Strafvollzug noch wirksamer machen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten der Strafe richten. Sicherheitshalber wird auf Repression, auf Abschreckung der gegenwärtigen und potentiellen GesetzesbrecherInnen gesetzt. Gleichzeitig mit jedem gebrochenen Menschen in einer Haftanstalt wird auch der Widerstand derer gebrochen, die Angst bekommen, in eine ähnliche Situation zu geraten. Und mit jedem Willkürakt, den die Beamten innerhalb ihres Ermessensspielraumes setzen dürfen, werden sie in ihrem Wissen um die Macht des Staates auf ihrer Seite bestärkt.
Mit Absicht ist es so eingerichtet, dass Justiz und Strafvollzug voneinander unabhängig sich bei der Repression ergänzen. Wenn Beschwerden ins Leere laufen und sich keine Institution verpflichtet fühlt, in den Aufgabenbereich der anderen einzugreifen, werden von Gefängnisrepression betroffene Gefangene und Angehörige andere Möglichkeiten finden, Unterstützung zu bekommen und sich gegenseitig zu unterstützen.