WELTBANK
UND GENDER
Als
Reaktion auf den seit Jahren anhaltenden Druck von Frauenorganisationen
und femnistischen Ökonominnen kümmert sich die Weltbank seit
kurzem nicht nur vermehrt um ökologische und soziale Faktoren sondern
auch um die geschlechtsspezifischen Auswirkungen ihrer Politik. Doch wie
grundlegend ist dieser Kurswechsel?
Auch die Weltbank hat die Genderfrage längst entdeckt. Mehr als die
Hälfte der Länderstrategiepapiere enthalten inzwischen Gender-Analysen
und es existiert eine externe Gender-Konsultationsgruppe. In einer Reihe
von Ländern werden Frauengruppen in die Projektdurchführung
einbezogen. Doch freue sich frau nicht zu früh! Wohl mag ein steter
feministischer Tropfen mit den Jahren den Institutionenstein gehöhlt
haben. Die Besserung der Lage der Frauen rückt damit noch längst
nicht in den Rang eines Kriteriums für Kreditzusagen. Der Kalk ist
nicht weg, er liegt lediglich an anderer Stelle zu neuen und äusserst
tückischen Hürden aufgehäuft.
Genderdaten
rentieren
Ein Grund hierfür ist verblüffend banal. Die Statuten der Bank
enthalten die ausdrückliche Selbstverpflichtung zu ausschliesslich
ökonomischen' Beschlüssen. Genderdaten sind diesbezüglich
ungemein hilfreich - die Bank hätte sie glatt schon früher zu
Rate ziehen können. Denn Genderdaten decken auf, in welchen Bereichen
Investitionen in das Humankapital Frauen' die höchste Rendite
erwarten lassen. Bekannt sind Argumente, nach denen Investitionen in Frauenbildung
förderlich für die Gesundheit von deren Familien und die Senkung
der Geburtenraten seien. Auf die Sichtweise der Weltbank zum Thema Gewalt
gegen Frauen' muss mensch erst einmal kommen: "Körperlicher
und seelischer Missbrauch von Frauen werden beschrieben als Übergriffe,
die sich schädigend auf die Produktivität von Frauen auswirken,
weil Frauen dadurch im reproduktiven Alter einen bedeutenden Prozentsatz
gesunder Tage verlören'." Mit dergestalt unbestechlicher Logik
machen sich die Gender-ExpertInnen der Weltbank daran, die Geschlechtergleichheit
zu propagieren.
marktkonforme
Frauen
Sollen beispielsweise in einem gegebenen Land die Exporterlöse gesteigert
werden, lautet ihr Argument, ist eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
häufig kontraproduktiv. In Kenia etwa führte die Erhöhung
der internationalen Teepreise nicht zu dem laut Ökonomielehrbuch,
Kapitel "Angebot und Nachfrage", zu erwartenden Effekt. Die
Steigerung der Teeproduktion blieb aus, weil ein Drittel der lokalen Haushalte
im Teeanbaugebiet von alleinerziehenden Frauen geführt wurde. Sie
hatten schlicht keine Zeit übrig, um auf den Preisanreiz theoriekonform
zu reagieren. In einem anderen Fall klappte die Erhöhung der Maisproduktion
durch empfohlenes vermehrtes Jäten nicht, weil der Maisverkauf traditionell
in den Händen der Männer liegt. Die unbezahlt mitarbeitenden
Frauen der Familien hätten vom Mehrerlös keine klingende Münze
gesehen und liessen sich daher auf ein erhöhtes Arbeitspensum nicht
ein. Fazit der Gender-ExpertInnen: Die überkommenen geschlechterspezifischen
Rollen müssen geändert werden, um eine Martkonformität'
der Frauen zu erreichen.
Falsche
Perspektiven
So verstandene Gleichstellungsempfehlungen mag manch eineR als kuriose
Form von Geschlechterblindheit und grobe Missachtung des Zusammenhangs
von bezahlter Produktions- und unbezahlter Reproduktionsarbeit in allen
derzeitigen real existierenden Wirtschaftssystemen belächeln. Die
Weltbank betreibt allerdings nicht nur - vielleicht weitgehend folgenlose
- Diskursmodernisierung und damit Imagepflege. Sie bindet vielmehr auch
reichlich Frauengruppen, die für sich unterschiedlichen Nutzen erhoffen,
unten ein. Und sie macht oben einen Genderansatz hoffähig, der weit
weg führt vom Bemühen feministischer Ökonominnen, die Lebenssituation
von Frauen zu verbessern, gerechte Verhältnisse zwischen Männern
und Frauen zu schaffen und ökonomisches Handeln dem unterzuordnen,
statt umgekehrt Männer und Frauen maximal in den Markt' zu
integrieren.
Gaby
Küppers in ila 232
Genaueren
Einblick in die feministische Diskussion über IWF und Weltbank gibt
Olympe - Feministische Arbeitshefte zur Politik, Heft 9 zu Makroökonomie.
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