Globaler Widerstand gegen Kapitalismus

Die Diskussonen, wogegen sich der Widerstand angesichts der FPÖVP-Regierung richten soll, wird immer wieder auch im MUND angeschnitten. Es wird von einem "kleinsten Nenner" ausgegangen, der sich ungefähr mit "Keine Koalition mit der FPÖ" zusammengefasst werden kann. Trotzdem geistert auch immer wieder die Forderung "Keine Koalition mit dem Rassismus" um. Nimmt mensch diese Forderung beim Wort, dann könnte keine der Parlamentsparteien in einer Koalition vertreten sein, da alle Rassismus zum Programm haben, wenn auch in unterschiedlichen Formen. So hat die SPÖ das Schengener Abkommen - unterzeichnet wurde das Abkommen vom liberalen "Vorzeigeinnenminster" Caspar Einem! - umgesetzt und die Diskussion um die Abschottungspolitik der Festung Europa vorangetrieben. Als Beispiel sei hier das Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik aus Anlass der österreichischen EU-Präsidentschaft 1998 genannt, von dem Teile trotz anfänglich häftiger Diskussion auf europäischer Ebene bereits umgesetzt wurden - u.a. am EU-Gipfel in Tampere (Finnland) im Oktober 1999). Auch in anderen Ländern der EU wird diese Politik von SozialdemokratInnen bereitwillig in Gesetze gegossen wurde.
Doch warum soll der Kampf gegen Rassismus auch ein Kampf gegen Kapitalismus sein? Die Debatte, die in Deutschland unter der Losung eines CDU-Politikers als "Kinder statt Inder"-Debatte geführt wird, ist ein Beispiel dafür. Es wird ganz klar gesagt, dass die europäische Wirtschaft Arbeitskräfte aus anderen Ländern benötigt. Gespickt war und ist diese Diskussion von Rassismus. Trotz des immer wieder formulierten Bedarfs an Arbeitskräften führt die europäische Abschottungsgemeinschaft ihre Politik gegen Menschen fort. Im Mittelpunkt stehen die als vorrangig zu erachtenden Interessen der EU-BürgerInnen, die von den globalen Ausbeutungsverhältnissen profitieren, wenngleich auch innerhlab der EU genügend Ausbeutungsverhältnisse aufzufinden sind. Besonderes Merkmal des Zuganges zum Arbeitsmarkt ist die Selektion nach rassitischen Kriterien. In Österreich wird der Zugang zum Arbeitsmarkt über das Ausländerbeschäftigungsgesetz geregelt. Die Menschen werden nach Kriterien unterteilt, nach denen sie eine unterschiedliches Recht auf Zugang zu einem bestimmten Job haben. Intessanterweise wurde gerade von der neuen FPÖVP-Regierung, die ja aufgrund des rassistischen Wahlkampfes der FPÖ kritisiert wurde, der Zugang für einzelne Leute zum Arbeitsmarkt erleichtert. Sicher kann hier ein ökonomischer Faktor gesehen werden, nach dem Motto: Wenn sie schon hier sind, sollen sie auch arbeiten. Gleichzeitig wird der Druck auf Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen usw. verstärkt, die immer öfter von Bezügen ausgeschlossen werden. Die Diskussion über die Einführung von verpflichtender Zwangsarbeit ist noch nicht beendet.
Es finden sich viele Widersprüche in diesen Regelungen, die darauf zurückzuführen sind, dass die Menschen nach ihrer "Verwertbarkeit" eingeteilt werden sollen. Gleichzeitig werden die Menschen nach rassistischen Kriterien getrennt und erhalten unterschiedliche Rechte. So werden sie von der neoliberalen Politik unterschiedlich getroffen. Wesentlich dabei ist, dass Wirtschaftszentren ihre Grenzen gegenüber den "armen" Ländern des Südens und Ostens dicht machen. Slogans wie "Es können ja nicht alle kommen", "Die Leute sollen ihre Länder selbst aufbauen" oder "Die kommen ja nur, um uns unseren Reichtum zu nehmen" zeigen den Zuspruch zu dieser Politik in breiten Bevölkerungsschichten auf. Zusätzlich werden Flüchtlinge und MigrantInnen als Gefahr für die "Innere Sicherheit" angesehen - oft nachdem sie zuvor nach ethnischen Kriterien eingeteilt werden und ihnen dann ein bestimmtes Stereotyp zugeschrieben wird, wie es z.B. mit der Konstruktion der nigerianischen Drogendealerringe geschieht. Anschließend daran findet die Gleichsetzung "schwarz = Drogendealer" statt, die rassistischen Razzien die Legitimation zur permanenten Verfolgung aufgrund der Hautfarbe durch die Polizei legitimiert - unter Applaus und Mithilfe von Teilen der Mehrheitsbevölkerung.
Die Gründe, warum Menschen nach Österreich kommen, werden dabei vollständig ausgeblendet, ja es wird unterstellt, sie kämen nur um "unsern" Reichtum zu stehlen. So wird gleichzeitig das "Wir" geschaffen, das als "Volk" bezeichnet wird - in Österreich ist dabei ein wesentlicher Faktor die Verleihung der StaatsbürgerInnenschaft aufgrund des Blutsrechtes, das in der Tradition des nationalsozialistischen Rassenwahnes gesehen werden muss, wenngleich auch in Ländern, die die StaatsbürgerInneschaft nach anderen Kriterien vergeben, ebenso Rassismus existiert. Von Politik und Wirtschaft kann der Rassismus bei der Fortsetzung kolonialer Strukturen gut angewendet werden, die Menschen werden weiterhin unterteilt, wenngleich aus den meisten der ehemaligen Kolonien mittlerweile eingenständige Staaten - oft auch mit demokratischen Regimen - geworden sind. Gegen diese neoliberale Politik begann sich in den 90ern des vergangenen Jahrtausend globaler Widerstand zu formieren, der mittlerweile verschiedene Netzwerke herausgebildet hat. Eines jener Netzwerke soll in der Folge kurz vorgestellt werden, um die Wichtigkeit des Kampfes gegen das globale Wirtschaftssystem, also gegen Neoliberalismus und Kapitalismus, etwas darzulegen.
Der Widerstand gegen die EXPO in Hannover oder den IWF/Weltbank-Gipfel im September in Prag sind Teile dieses weltweiten Kampfes gegen "Die Ablehnung sämtlicher Formen und Systeme der Herrschaft und Diskriminierung, darunter des Patriarchats, Rassismus und religiösen Fundamentalismus aller Glaubensrichtungen, aber auch hier nicht aufgezählter. Wir bekennen uns zur uneingeschränkten Würde aller Menschen." (2. Grundsatz des PGA-Bündnisses)
Es folgt eine

Kurzgeschichte des globalen Widerstandes
(Auszug aus dem PGA-Bulletin 5 - http://www.agp.org/agp/infopool/bul5dt.htm, bearbeitet)
In den 90er Jahren hatten immer mehr Teile ehemals systemkritischer Bewegungen (in den "Metropolen" die sog. "Neuen Sozialen Bewegungen", in der "Peripherie" Befreiungsbewegungen) eine immer stärkeren Anpassung an das herrschende System vollzogen - nicht (nur) aus purem Opportunismus, sondern u.a. aus Desillusionierung und Mangel an greifbaren Alternativen. So wurden aus vielen Bewegungen und Gruppen NGO´s oder sozialdemokratisch-neoliberale Parteien, die sich von der Illusion nährten, der einst schon bei der fordistischen "Klassenpartnerschaft" die Gewerkschaften aufgesessen waren: das, wenn man nur pragmatisch und kompromißbereit genug sei, man auch "ernst" genommen würde und sein Ziel (welches sich allerdings inzwischen auch geändert hatte) früher oder später erreichen würde. Da fügte sich nur allzu gut in die herrschende Ideologie vom "Ende der Geschichte" (Francis Fukujama) ein, das kurz gesagt behauptet, dass, nach dem mit dem endgültigen Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus die Geschichte zum Stillstand gekommen sei und sich jegliche Auseinandersetzung um die Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung erübrigt habe bzw. nur noch innerhalb der Koordinaten "Demokratie" resp. Parteienpluralismus ohne reale Wahlmöglichkeit und Marktwirtschaft denkbar sei, jegliche Politik nur die Verwaltung des bestehenden sei. Es machte aber auch den Weg frei für eine Auseinandersetzung über alle Unterschiede hinweg, um nach neuen Wegen zu suchen.

Von der zapatistischen "Internationale der Hoffnung" zu PGA
In diese Situation hinein geschah ein Aufstand mit weitreichenden Folgen: Am 1.1.1994, dem Tag an dem Mexico der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) beitrat, besetzte die Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) mehrere Rathäuser, Polizeistationen u.a. im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas und füllte die uralten Forderungen nach "Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit!" mit neuem Leben. Dass die EZLN mit ihrem Anspruch, nicht um, sondern gegen die Macht kämpfen zu wollen, außer dem Namen nicht viel mit den bis dahin üblichen lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen gemeinsam hatte, wurde nicht erst klar, als sie im Sommer ´96 zu einem 1. Interkontinentalen - nein, "Intergalaktischen Treffen gegen den Neoliberalismus und für eine menschliche Gesellschaft" aufrief. Mit dieser Initiative luden sie alle, die sich immer noch nicht ganz mit der bestehenden Weltordnung angefreundet hatten, zu sich in den lakandonischen Urwald ein, um zu beraten, was mensch gegen diesen Feind der Menschheit, der sich jetzt den Namen Neoliberalismus gegeben habe, unternehmen könne. Tatsächlich folgten über 3.000 Menschen aus aller Welt diesem Aufruf zur Bildung eines "weltweiten Netzwerkes der Widerständigkeiten gegen den Neoliberalismus".
Dabei hatten die Zapatistas einem Gefühl Gestalt gegeben, das schon damals viele hatten und welches sich in der folgenden Zeit immer weiter ausbreiten sollte: "International oder gar nicht!" war die (tatsächlich gar nicht so) neue Idee. Dies hatte auch mit den Veränderungen der weltpolitischen und -ökonomischen Lage zu tun: So bedeutet Neoliberalismus (dieser Begriff ist übrigens wesentlich durch die Zapatistas aus seiner akademischen Nischenexistenz heraus zu einem breit diskutierten Schlagwort geworden - was allerdings auch nicht unbedingt viel mehr Klarheit geschaffen hat) unter anderem, das ehemals nationalstaatliche Kompetenzen immer mehr auf supranationale Ebene verlagert werden, was allerdings die Macht des Nationalstaates keineswegs schmälert. So war es ein recht logischer, aber nichtsdestotrotz bedeutsamer Schritt, den Widerstand ebenfalls auf die globale Ebene zu bringen.
Beim 2. Intergalaktischen im Sommer ´97 beschloß dann eine kleine Gruppe, von denen sich einige schon von den Gegenaktionen gegen die Konferenz der UN-Nahrungsmittel- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) kannten, den Gedanken der Zapatistas aufzugreifen und mit dem Aufbau eines Netzwerkes zu beginnen.
Auf einer Konferenz in Genf im Februar 1998 wurde dieses Netzwerk dann offiziell unter dem Namen "Peoples´ Global Action gegen "Frei"handel und die WTO" (auf die Übersetzung des Namens wurde, anderes als in anderen Ländern, im deutschen verzichtet, weil des englisches "Peoples´" (eigentlich "Völker") Schwierigkeiten machte: Mit den Aktionen der Völker haben ÖsterreicherInnen und Deutsche ja so ihre besonderen Erfahrungen gemacht...) gegründet. Die bis dahin nahezu unbekannte Welthandelsorganiation WTO wurde gewählt, weil sie besser als jede andere die neuen ökonomischen Machtverschiebungen deutlich macht.
PGA versteht sich als offenes Netzwerk und Mittel zur Kommunikation und Koordination, nicht als Organisation, d.h., die Gruppen und Bewegungen, die an PGA teilnehmen, sind weiterhin völlig autonom in ihren Entscheidungen (bspw. ob und in welcher Form sie an Globalen Aktionstagen teilnehmen, solange sie sich im Einklang mit PGA-Prinzipien befinden), es gibt weder eine Mitgliedschaft noch ein "ZK", welches Aktionen zentral plant und dann an die jeweiligen Gruppen zur Ausführung weiterleitet.

Globale Aktionstage
Diese neue globale Allianz trat das erste Mal im Mai ´98 zu den Protesten gegen die 2. WTO-Ministerkonferenz in Genf auf die Bühne - mit für fast alle Beteiligten unerwartet großem Erfolg: In Genf selbst protestierten am 1.Globalen Aktionstag am 16.5. 8-10.000 Menschen und degradierten in den Zeitungsmeldungen der Schweiz die eigentliche Konferenz fast zum Nebenereignis.* Die Behörden reagierten mit einer heftigen Repressionswelle, Trängengas- und Knüppeleinsätze, die über 60 Personen z.T. schwerverletzt ins Krankenhaus brachten, ca. 150 Verhaftungen, Ausweisungen, Einreiseverbote, etc. Doch auch international war die Resonanz beeindruckend - in mehr als 60 Ländern fanden Aktionen in Zusammenhang mit der WTO statt; allein in Indien fanden über 100 Aktionen mit z.T. mehreren hunderttausend TeilnehmerInnen statt, in Brasilien gab es einen Sternenmarsch von 40.000 Landlosen usw....
Im folgenden Jahr fand eine Intercontinentale Carawane (ICC) mit fast 500 TeilnehmerInnen aus Indien und anderen Ländern durch Europa statt, die zum 18. Juni in Köln zum Weltwirtschaftsgipfel eintraf. Am gleichen Tag fand ein weiterer Globaler antikapitalistischer Aktionstag J18 statt, zu dem die Londoner Bewegung Reclaim The Streets aufgerufen hatte, wobei es in London zu den schwersten Ausschreitungen seit über 15 Jahren kam. Damit wurde auch das Thema Kapitalismus wieder auf die Tagesordnung gesetzt: In vielen Ländern hatte es ähnliche Diskussionen gegeben, dass eine Kritik an Neoliberalismus und Globalisierung nicht ausreiche, da sie nicht das Übel an der Wurzel erfasse, was unter anderem auch damit zusammenhing, dass es in vielen Ländern Erfahrungen mit rechten RegierungsgegnerInnen, stark nationalistischen und protektionistischen Gruppen gegeben hatten, die ebenfalls gegen Freihandel und Globalisierung aktiv waren.
Diese Diskussionen flossen bei der 2. PGA-Konferenz im August ´99 in Bangalore, Indien mit ein und führten u.a. zur Erweiterung der Grundsätze von PGA in klarer Ablehnung von Kapitalismus, Rassismus, Patriachat und religiösem Fundamentalismus mit ein. Dort wurde auch beschlossen, zu Aktionen gegen die 3. WTO-Ministerkonferenz Ende November in Seattle aufzurufen. Der 3.Globale Aktionstag fand also am 30.November statt, ...

[Beitrag aus widerst@ndMUND vom 6.7.00]

Der 26. September 2000 wurde anlässlich der IWF-Weltbanktagung in Prag zum globaler Aktionstag gegen den Kapitalismus S26 ausgerufen. Siehe dazu auch die Beiträge im Widerst@ndMUND vom 1.6. und 3.7., 6./7.7 und 11.7. 2000


Weitere Infos gibt's auf den Sites:
http://imf2000.webjump.com/ INPEC - Initiative against economic globalisation - prague 2000
http://pga.agp.org/agp/de/ Peoples' Global Action gegen "Frei"-Handel und die Welthandelsorganisation
http://www.x21.org/s26/ Global Day of Action S26
http://www.s11.org/s11.html S11 Mass Action for global justice & the environment - guide to the non-violent s11 actions at the "World Ecomomic Forum", 11-13 september 2000 in Melbourne, Australia
http://www.agp.org/agp/infopool/bul5dt.htm hier findet ihr den vollständigen "PGA Bulletin 5", aus dem obiger Auszug stammt


[home] - 26. Sept 2000 - GLOBALER AKTIONSTAG GEGEN KAPITALISMUS - S26 - [home]