Die Aktionsplattform "Für eine Welt ohne Rassismus" Einleitung von der Redaktion, zeitlicher Ablauf, Ausblick
von Andreas Görg
Aufgrund des Tod von Marcus Omofuma am 1.Mai wird unter anderem über "Kein Mensch ist illegal" am Tag nach Bekanntwerden zu einem Treffen verschiedenster Gruppen eingeladen, das Komitee für eine Welt ohne Rassismus gründet sich in der Folge. Durch MitarbeiterInnen der Kampagne war "Kein Mensch ist illegal" auf den Plena des Komitees "Für eine Welt ohne Rassismus" vertreten "Kein Mensch ist illegal" unterstützte die Aktionen des Komitees und rief dazu auf, sich an den Protestkundgebungen und Aktionen zu beteiligen.
Die Aktionsplattform "Für eine Welt ohne Rassismus"
Die folgenden Tage und Wochen können im Hinblick auf die politische Konjunktur (beschränkt auf Wien) in mehrere Phasen eingeteilt werden: Die ersten 10 Tage waren die Phase der Mobilisierung. Es gab in dieser Zeit 2 größere Demonstrationen. Außerdem waren fast täglich kleinere Aktionen zu verzeichnen. Es wurden ein Journaldienst und eine Mahnwache vor dem Innenministerium eingerichtet. Der e-mail-Verteiler wuchs sprunghaft auf über 260 Adressen an. Das internationale Interesse war groß. Insbesondere über United wurden die Nachrichten und Aktionsaufrufe im Kreis der europaweit vernetzten NGOs verbreitet. Aus England, Frankreich und Nigeria wurden konzertierte Aktionen bei den österreichischen Botschaften zurückgemeldet.
In dieser Phase wurden auch innerhalb des hegemonialen Blocks die entscheidenden Weichen gestellt. Bei den ersten Statements der Spitzen des fortschrittlicheren Flügels der SozialdemokratInnen stand deutlich die Parteidisziplin und der Schulterschluß mit dem Innenminister im Vordergrund. Der mediale Erstschlag der Kronenzeitung titelte: "So tobte der Schubhäftling!" Marcus Omofuma wurde als wild beißender Randalierer dargestellt, der nur mit Fesselung und Verklebung von den drei Polizisten zu bändigen war. (Wegen dieses Aufmachers und des daran anschließenden Artikels wurde die Kronenzeitung ein Monat später vom Presserat verurteilt). Parallel dazu wurden Umfragen veröffentlicht, wonach 88 % der Befragten gegen einen Rücktritt von Innenminister Schlögl votierten und 80 % genauso gehandelt hätten, wie die drei Polizisten im Flugzeug. Somit war schon in den ersten Tagen klar, daß es kein symbolisches Opfer seitens des Innenministers nach belgischem Vorbild geben würde. Es eröffneten sich keine wesentlichen Spaltungsmomente und Einfallstore in das bestehende hegemoniale Arrangement.
Dennoch ist es in der zweiten Phase gelungen, den Fall Omofuma präsent zu halten; insbesondere durch die Nutzung der Symbolik des verklebten Mundes auf Plakaten im öffentlichen Raum und durch die anhaltende Medienberichterstattung über die Obduktionsberichte, die Heimkehr der drei Polizisten aus Bulgarien und deren verzögerte Suspendierung. In dieser Phase der Ruhe nach dem Sturm wuchs die e-mail-Adressliste schon deutlich langsamer. Es wurden Pläne für eine größere Demonstration Anfang Juni geschmiedet, deren Zweck vorwiegend im Ansprechen und Mobilisieren weiterer MigrantInnengruppen bestand. An der Frage der Terminfindung für diese Demo wurde einmal mehr deutlich, wie schwach entwickelt nach wie vor die Kommunikationsstrukturen zwischen den einzelnen Teilen der in der Sache Omofuma aktiven Gruppierungen waren. Parallel zur Aktionsplattform hatten auch die NigerianerInnen eine Initiative gestartet und Aufrufe ausgesendet, sodaß sich die Gruppen schließlich auf 2 Demos an 2 aufeinanderfolgenden Tagen einigen mußten.
8 Tage vor diesen Demonstrationen kam dann der Rückschlag des Innenministeriums. Mit einer in der Geschichte der zweiten Republik einmaligen Großrazzia gegen "nigerianische Drogendealer", bei der frühmorgens 850 PolizistInnen im Einsatz waren, 102 Personen verhaftet und nur 2 Kilo Kokain und etwas Haschisch gefunden wurden, wurde die Phase der Kriminalisierung eingeleitet. Ein nigerianischer Aktivist der Aktionsplattform "Für eine Welt ohne Rassismus", der gleich in mehreren beteiligten Organisationen Mitglied und damit ein wichtiges Verbindungsglied in der Szene war, wurde den Medien von der Polizei als Drogenboss präsentiert. Die Menschenrechtsszene sei von der Drogenmafia unterwandert und diene dieser als schützender Deckmantel für ihre Operationen. Über die vom "Drogenboss" stammende abgehörte Aussage gegenüber "seinen Leuten": "Leave work and join the demo!" wurde im Rahmen der medialen Vorverurteilung der Konnex zwischen Drogengeschäft und antirassistischer Szene hergestellt. Durch faktische Verweigerung der Akteneinsicht konnte die Polizei ihr Informationsmonopol gegenüber den Medien fast über 2 Wochen behaupten. Dementsprechend zögerlich waren selbst kritischere JournalistInnen beim Aufgreifen der in zwei Pressekonferenzen und vielen Einzelgesprächen präsentierten Reaktionen und Gegenargumente der antirassistsichen Gruppen und der eingeschalteten Rechtsanwälte.
Der Effekt dieser Vermischung von Drogengeschäft und politischem Aktivismus war gravierend. Die Menschenrechtssprecherin der Grünen, die ehedem eine Veranstaltung mit AfrikanerInnen im Parlament organisiert hatte, distanzierte sich medial in einer ersten Reaktion und bezeichnete sich als "von diesen Leuten ausgenützt", womit sie die Vorverurteilung mitvollzog. Auf Seiten der AfrikanerInnen waren ebenfalls deutliche Rückzugstendenzen zu verzeichnen; nicht nur aus Gründen der Distanzierung vom Drogenhandel sondern auch aus Gründen des Selbstschutzes. Das Wachstum der e-mail-Adressliste war völlig ins Stocken geraten. Der Brückenschlag zu den anderen MigrantInnen-Gruppen konnte nicht im gewünschten Umfang vollzogen werden. Dementsprechend wesentlich schwächer besucht waren auch die auf die Razzia folgenden Demonstrationen.
Angesichts dieser Entwicklungen und des herannahenden Sommerlochs wurden ab Mitte Juni in einer Phase der Rekonsolidierung von der Aktionsplattform Strategien für eine längerfristig angelegte Zusammenführung der antirassistischen Kräfte diskutiert und in Angriff genommen. Außerdem werden regelmäßige Besuche der Gefangenen organisiert. Die Tötung von Marcus Omofuma ist in der Mainstream-Öffentlichkeit durch den Besuch der Familie Omofuma in Österreich und durch die Diskussionen rund um den neugegründeten Menschenrechtsbeirat im Innenministerium mehr als 2 Monate nach dem 1. Mai nach wie vor präsent. Ebenfalls präsent ist nach wie vor auch die Mahnwache vor dem Innenministerium, die seit Anfang Mai werktäglich abgehalten und mittlerweile von mehreren antirassistischen Gruppen getragen wird.
Ausblick
Wie ein roter Faden zieht sich das Thema des "am Beginn Stehens" durch die Analyse des Antirassismus der letzten Jahre in Österreich. Einerseits sind die Fortschritte der letzten Monate nicht zu leugnen; andererseits ist es offenbar so, daß wir ständig vor den ersten Schritt zurückgeworfen werden. Es fehlen die Ressourcen und es fehlt die gesellschaftliche Bewegung. Noch!
A lutta continua
Für
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