Transkription von Auszügen aus Gesprächen mit Illegalisierten, die in den Säulen zu hören sind

... die Polizei hat mich gesucht und ich hab nicht gewußt, was die von mir überhaupt wollten. Ich hab’ mir nur gedacht, ich weiß, daß ich kein Visum habe und das genügt für die . Oder in der früh haben sie einmal geklopft, manchmal hab’ ich mich auch versteckt im Badezimmer. Die sind einfach reingekommen - ja, sie ist nicht da - ja, wo ist sie denn? - Meine Mutter hat gesagt, ja ich weiß es nicht. Da hab’ ich mir schon gedacht, was mach’ ich, die Polizei sucht mich ja schon! Wenn sie mich zufällig auf der Straße findet? ...

... ich bin damals inskribiert an der Uni und ich wollte studieren und dann ist die Polizei ins Haus gekommen und hat mich verhaftet - das heißt im Schlaf hat sie mich überrascht, daß heißt, es war wirklich ein Überfall, ja? Die haben meinen Ausweis mitgenommen. Und dann bin ich in Roßauer Lände gegangen und dort haben sie mir gesagt, ich soll etwas unterschreiben. Ich habe gesagt, nein, ich verstehe das nicht , bevor mir das nicht jemand übersetzt, aber mit Druck mußte ich das unterschreiben ...

... eine Freundin von mir hat mich angerufen, die hat in einem Labor gearbeitet, daß sie sich verrenkt hat und hat mich gebeten, ob ich mit ihr ins Krankenhaus fahren kann. Und ich stehe dort vor dem Labor, schwarz angezogen, eine schwarze Frau - und es gibt schon so ein Polizeiauto um mich herum und ich denke mir: scheiße, ich hab’ keinen Ausweis! - ein zweites mal um mich herum, ein drittes mal - und plötzlich fangen sie an: "na, was is’n da?" und ich denk’ mir so - äh ... und in diesem Moment kommt sie mit ihrem Genick raus und ich fang’ an: "Ich bin eine Gute, ich bringe jetzt eine Freundin ins Krankenhaus." Und in diesem Moment hat sich die ganze Geschichte umgedreht - so auf: "Tut uns leid, und ja, auf Wiederschaun," etc. Sobald ich irgendwie angezogen bin, was rebellisch wirkt, dann ist man schon im Auge ...

... die guten Freunde, die haben natürlich gewußt, und immer wenn irgendwo Polizei war, oder irgendwas, haben sie mich aufmerksam gemacht, ja, aber andere Leute, ja, das habe ich auch bemerkt, die haben sich so richtig interessiert, ob ich Visum habe, oder nicht, und da war ich dann vorsichtiger, ich hab’ mir gedacht, lieber nicht, wenn du ihnen einfach nicht gefällst, oder irgend etwas, dann gibt es Leute, die auf diesen Gedanken kommen, daß sie dich einfach anmelden und sagen, diese Frau hat kein Visum, ja. ...

... und was ich noch gerne sagen wollte, ist die Reaktion von den Leuten - das ist unglaublich - also die Leute in Österreich reagieren auf dieses "illegal" gar nicht, sie können sich das nicht vorstellen. Und sogar meine Bekannten oder guten Freunde - oder meine besten Freunde: "Hast du schon eine Arbeit?" - also, obwohl sie ganz genau wissen, daß ich nicht arbeiten darf. Also ihre Konfrontation mit mir - teilweise wissen sie nicht was los ist. Sie können es sich nicht vorstellen, sie stellen mir jahrelang die gleichen Fragen: "Und wieso nicht, wo doch deine Eltern Österreicher sind?" - Ich muß immer wieder wiederholen, und dann registrieren sie die Gesetze nicht, was ich denen sage. Und dann fragen sie mich wieder! Und da habe ich eben gelernt - ich hatte keine besten Freunde mehr ...

... ich bin seit 1992 in Österreich, der Grund wieso ich hier bin, ist ganz einfach: weil die Situation, seit die Zerstörung Jugoslawiens angefangen hat, waren die Kosovo-Albaner immer wieder in Gefahr - einer von denen war auch ich - und ich mußte meine Heimat deswegen verlassen ...

... zur österreichischen Situation: wenn du hier lebst, dich politisch interessierst und dieses ganze Kabarett, das sie hier machen, also diese ganze Politik, also das ist ein Kabarett - in Österreich ist es auf jeden Fall ein Kabarett - na ich hätte mich gemeldet, nur ich darf mich ja nicht einmischen, ich kann mich gar nicht einmischen, ich kann nicht mein Statement abgeben, ich kann nur annehmen. Wie zum Beispiel: Überteuerung von Fahrscheinen. - Ich mein’, das hat mich so maßlos geärgert, ja, also da hab’ ich 2 Schilling zuwenig gehabt, ja, weil es waren 19 statt 17 Schilling! Und da ich ja kein Geld habe und ich nicht schwarz fahren möchte, weil ich eben nicht kontrolliert werden möchte und zwei Stunden überprüft werden möchte, hab’ ich mir gedacht - jetzt kann ich zu Fuß gehen, super ...

... und dann bist du immer, mit allem bist du paranoid, kannst nicht locker sein, nirgendwo kannst locker sein, kannst nicht einmal in der U-Bahn locker sein, der U-bahn-Kontrollor kommt zu dir und sagt: "gemma zur Polizei!" ...

... ja ich war in Wien, aber wie wenn ich nicht in Wien war, ich konnte mich nicht anmelden, ich hatte Angst gehabt, daß mich vielleicht die Polizei aufhält und vielleicht nachfragt wegen dem Paß oder irgendwas - also da sind schon Ängste dabei, aber man kann ja nichts tun und dann muß man aufpassen, daß man nicht erwischt wird. Und wenn mich die Polizei aufgehalten hätte, hätt’ ich von meiner Schwester die Daten durchgegeben, das hab’ ich mir gedacht, daß ich vielleicht ein bißchen leichter davonkommen kann ...

... also illegal ist, wo jede Situation gefährlich ist, ein paarmal bin ich krank gewesen, aber da ich illegal bin, bin ich automatisch auch nicht versichert, wir sind zu einer Apotheke gegangen und mit der Besorgung von einigen Medikamenten hab’ ich das geschafft und bin wieder gesund geworden ...

... ja, ich war einmal sehr krank, also ich habe Schmerzen gehabt und so. Da habe ich überall herumtelefoniert und keiner konnte mir einen Arzt sagen, der mich einfach umsonst behandeln würde. Daraufhin haben sie mir gesagt, o.k., jedes österreichische Krankenhaus ist verpflichtet, wenn man Schmerzen hat, einem zu untersuchen - das war eine Katastrophe! Das war wie ein Polizeiverhör.Ich in vollen Schmerzen mußte mir eine Stunde - mußte ich mich dort interviewen lassen - die haben mich gefragt, wieso ich kein Visum habe, wieso ich das nicht gemacht habe, wieso ich Schmerzen habe, wieso ich nicht versichert bin, wie ist meine Situation, wo bin ich zur Schule gegangen - also wirklich - wieder gesamtes Konzept - aber mir ist es gegangen um Schmerzen - ich bin mir schon wie in einem Wahn vorgekommen! Und dann kommt: Machen Sie die Beine breit, heben Sie den Rock hoch, etc. ... ich habe mir gedacht: was bin ich da jetzt? also das war wirklich die Erniedrigung schlechthin ...

... dann bin ich schwanger geworden, ich wollte das Kind abtreiben, nicht aus diesem Grund, weil ich das Kind nicht wollte, sondern ich wollte das Kind einfach abtreiben, weil ich mir gedacht habe, was mach ich mit dem Kind, weil ich hab ja keine Papiere, ich hab’ nichts, was soll ich dem Kind schon bieten. Und da hat eine Freundin zu mir gesagt, nein mach das auf keinen Fall, wenn du das Kind behalten möchtest, dann gibt es so viele Stellen, die dir helfen und vielleicht bekommst du auch das Visum. Und dann hab’ ich mir gedacht, ja wenn das wirklich so ist, dann versuche ich es halt so ...

... also wenn mir nichts anderes bleibt, dann werde ich wahrscheinlich in "Kontakte" schreiben: "Exotische, ... sexy, ... schwarze Frau, mit großen Augen, großem Mund," - damit es wirkt - "sucht einen beklopften, glatzerten, wamperten..." - keine Ahnung, was, weil solche stehen meistens auf schwarze Frauen - ja dann heirate ich halt, aber ich glaube nicht ...

... also jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde ist in meinem Kopf, daß ich illegal bin und man muß so vorsichtig sein ...

... man hat angst, daß es andere Leute vielleicht auch wissen, daß ich kein Visum habe, ja. Also wenn sie wissen, aha, die hat kein Visum, oder irgendwas, dann melden sie das einfach und dann ist man schon im Arsch, z.B. Das ist mir auch einmal passiert: Ich sitz’ im Kaffeehaus, die Polizei kommt rein, ganz einfach so, ich sitz da - ich war weg! Ich hab mir gedacht, was mach ich jetzt? - Gott sei Dank, haben sie mich gar nicht gefragt also. Hätten sie mich nur gefragt: bitte Papiere oder irgend etwas, ich wäre nicht mehr da! -Man lebt hier in Wien, aber wie wenn man gar nicht in Wien lebt, man fühlt sich geschlossen, man fühlt sich einfach nicht frei. Wie wenn man gar nicht existiert, so ungefähr ist es ...

... ich bin eigentlich ein phantasievoller Mensch, mein Leben besteht aus schönen Phantasien - und plötzlich fängt es an, grau zu werden - diese schönen Sachen: du gehst auf der Straße - und früher - wenn ich das gesehen hätte: grauen Asphalt und darauf ein rotes Blatt: wunderschön! Oder Flieder: Ich habe mich jedes Jahr auf den Flieder gefreut - ich freue mich nicht mehr ... Also das sind so Tatsachen, wo du selber an dir verlierst: ich kann nicht malen. Also ich opfere immer wieder ein Stückchen von meinen künstlerischen Aktivitäten. Weil es geht nicht - weil alles runter geht . Und ich bin eigentlich nicht eine "Depressions-Hobbymalerin". Ich male eher gern bunt und kräftig und leidenschaftlich. Und diese "graue Wand": also ich habe das vor zwei Monaten gehabt und es hat eine Woche gedauert. Eine Woche in absoluter Leere, also ich habe mich nicht gespürt. Ich habe nicht gespürt, ob es kalt ist, ich hab’ nicht gespürt ob es warm ist - ich hab’ mich einfach nicht gespürt ...

... ich war denn der Nächste im Bundesasylamt. Und dann haben sie mir einfach gesagt, daß ich verhaftet bin. Und dann habe ich wieder ein ganz dunkles Gefühl bekommen - hier in Europa oder in Österreich! Ich bin nicht kriminell, also daß man ganz einfach ohne Grund verhaftet werden kann ...

... wenn man also jetzt Papiere erledigen geht, oder Visum überhaupt - die Leute, die dafür zuständig sind, schauen den Mann oder die Frau gar nicht an, die behandeln einen wie eine Nummer oder ... auf jeden Fall als irgend etwas anderes, aber nicht als Mensch! ...

...eine Frau von der Bosnienhilfe hat mir gesagt, daß ich in Bosnien kämpfen soll! Das ist eigentlich nicht ihr Problem, was ich machen soll. Die haben alles gecheckt für dich: was du machen sollst und was du nicht machen sollst. Wo du leben sollst und wo du nicht leben sollst. Die wollten das checken! Ich habe mich immer bemüht, daß ich keine Paranoia in diese Richtung bekomme. Aber trotzdem habe ich sie gekriegt, weißt du? ...

.... mir ist es auch einmal passiert: ich bin zu einer guten Freundin zu Besuch gegangen ins Kaffeehaus - sie hat auch als Kellnerin gearbeitet. Das Kaffeehaus war ganz voll. Ich habe zu ihr gesagt: "Kannst du mir vielleicht Arbeit finden?" - ich habe zu dieser Zeit keine Arbeit gehabt - und da hat sie gesagt - ganz laut - "Ja, was soll ich machen, wenn man kein Visum hat?" Das ganze Kaffeehaus hat das mitgehört! Ich habe zu ihr gesagt: "Bist du normal?" - "Na, die wissen eh." - Ich habe gesagt, "Na super, wieso wissen die das, du weißt, daß das nicht o.k. ist!" - "Na ja, was soll ich jetzt machen, ich habe es denen erzählt." -Also es gibt gute Freunde, aber sie können es einfach nicht zurückhalten ...

... es waren so viele Polizeibeamte dort und die haben mich genommen und meinen Ausweis. Und nach fünf oder sieben Minuten haben die gewußt, daß ich für fünf Jahre Aufenthaltsverbot habe. Dann haben sie mich sofort wieder zur Polizeistation gebracht und mich wieder in Schubhaft genommen und dann bin ich wieder zwei Wochen dort gesessen und habe versucht herauszukommen ...

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