Dienstag,
4. Juni 2002: Prozess gegen den Polizisten, der am 19. Mai 2000 Imre B.
erschoss 23.05.2002 |
no-racism.net | Rassismus und Festung Europa |
Informationen zum Prozess gegen den
Polizisten, der am 19. Mai 2000 Imre B. erschoss In den letzten Jahren sind in Österreich einige Menschen durch Polizeigewalt zu Tode gekommen. Sie befanden sich entweder in Polizeigewahrsam oder fanden im Rahmen einer Polizeiaktion den Tod. Mitte Jänner 1999 starb der aus dem Senegal stammende Ahmed F. während seiner Festnahme im Rahmen einer Drogenrazzia. Am 1. Mai 1999 erstickte Marcus Omofuma an Bord eines Flugzeuges im Zuge seiner Abschiebung nach Nigeria - drei Beamte der Fremdenpolizei hatten ihn mit Klebebändern an den Flugzeugsessel geschnürt. In der Nacht von 3. auf 4. Mai 2000 starb Richard Ibekwe in einem Gefängnis in Wien. Angeblich erstickte er an Drogen, die er - Tage nach seiner Verhaftung - verschluckt haben soll. Nach Angaben eines Wohnungskollegen war er bei der Verhaftung brutal geschlagen worden. Am 4. Mai 2000 starb Lubomir B. in einer Zelle des Kommissariats Landstrasse. Angeblich an einer Mixtur aus Cannabis, Antidepressiva, Methadon und "anderen Suchtmitteln". Die Gemeinsamkeit all dieser Todesfälle liegt darin, dass die an den Todesfällen beteiligten PolizistInnen entweder nicht zur Verantwortung gezogen wurden oder wie im Fall der drei Fremdenpolizisten, die am Tod Marcus Omofumas schuld sind, mit einer Placebo-Strafe davonkamen (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig). Die politisch Verantwortlichen für rassistische Polizeiübergriffe wiesen in allen Fällen jede Verantwortung von sich.
Am 4. Juni findet im Bezirksgericht Fünfhaus (1150 Wien, Gasgasse 1 - 7) der Prozess gegen den Polizisten statt, der am 19. Mai 2000 in Wien Imre B. im Zuge einer vermeintlichen Drogenrazzia erschoss. Die bisherige Vorgangsweise von Polizei und Justiz ist von Widersprüchen gekennzeichnet, darüber hinaus war der mutmaßliche Täter Mitglied der Rambo-Polizeitruppe SEK (Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst), die es mittlerweile nicht mehr gibt. Nachfolgeorganisation der SEK ist die sogenannte ZK (Zentrale Kommandierung), über die es wenig Informationen gibt. Angesetzt ist der Prozess am 4. Juni gerademal für 2 Stunden. Der Staatsanwalt hatte zuerst "fahrlässige Tötung" angeklagt, in der Wiener Staatsanwaltschaft gab es grundlegende Unstimmigkeiten, das Verfahren war kurz vor der Einstellung. Nun aber gibt es doch einen Prozess gegen den Kriminalbeamten. Das Justizministerium gab schließlich doch grünes Licht für einen Strafantrag wegen fahrlässiger Tötung. Die Voruntersuchung gegen den Polizisten war in Richtung "fahrlässige
Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen"
gelaufen. Am Ende kam der zuständige Staatsanwalt offensichtlich
zum Schluss, dass dem Beamten keine Schuld nachzuweisen ist: er schlug
die Einstellung des Verfahrens vor. Die Oberstaatsanwaltschaft konnte
sich dieser Sichtweise allerdings nicht anschließen. Nach genauer
Prüfung der Sachlage wurde der Vorhabensbericht "korrigiert"
und dem Ministerium ein Entwurf vorgelegt, weswegen sich der Beamte nun
wegen fahrlässiger Tötung verantworten wird müssen. Die
"besonders gefährlichen Verhältnisse" wurden darin
nicht aufrechterhalten. Somit wurde der Strafrahmen von maximal drei auf
höchstens ein Jahr Haft reduziert.
Imre B. saß in seinem Auto als der Polizist versuchte, die Chevrolet-Tür zu öffnen. Sie klemmte, und als sie aufging, löste sich im "Greifreflex" der Schuss aus der ungesicherten Waffe - so die Version des Todesschützen. Die Waffe war übrigens nicht die Dienst-, sondern die Privatpistole des Beamten. Anschließend ging der Schütze nicht, wie ihm geraten wurde, auf Urlaub, sondern führte höchstpersönlich eine Zeugeneinvernahme in diesem Fall durch. Vernommen wurde der Freund des Erschossenen, gleichzeitig der einzige zivile Zeuge des Vorfalls, der neben Imre B. im Auto gesessen war. Der einzige Tatzeuge wurde also vom Täter selbst einvernommen, bei der Ersteinvernahme sagte er, dass sich der Schuss ohne Absicht gelöst hatte. Vor dem Untersuchungs-Richter gab er später jedoch an, dass er und Imre B. sich vor dem Todesschuss durch erhobene Hände quasi ergeben hätten. Laut Innenminister Strasser war eine Betreuung des besagten Beamten eingeleitet worden. Dem Mann sei es freigestellt worden, Dienst zu leisten oder nicht. Er habe sich für Ersteres entschieden und so in der Tat Einvernahmen von Zeugen der "verunglückten" Festnahme durchgeführt. "Aber nur in Bezug auf Suchtgiftfragen", wie der Ressortchef betonte. Wie das Wiener Magazin Falter unter Berufung auf einen "sachkundigen Informanten" aus Polizeikreisen und einen Zeugen im Juni 2000 berichtete, dürfte die Amtshandlung vollkommen anders abgelaufen sein als offiziell dargestellt. Der Informant aus Polizeikreisen wird mit den Worten zitiert: "Da wird den Medien eine Variante präsentiert, die so nicht stimmen kann ... Glauben Sie mir, diese Sache stinkt. Der Mann ist nicht so gestorben, wie es die Polizei schildert. Da wurde gepfuscht. Der Erschossene saß - linke Schulter links, rechte Schulter rechts- ganz normal im Auto. Das wird ein ordentliches Nachspiel bei Gericht haben." Der Zeuge habe die Abgabe des tödlichen Schusses so geschildert: "Der Polizist hat gesagt: 'Bleib stehen Du Sau', auf das Auto gezielt und dann abgedrückt", so der Falter. Den Verteidiger des Polizisten, Werner Tomanek, interessieren Milderungsgründe
nicht. Er will einen Freispruch, denn der Todesschuss, so sagt er, sei
"ein Bedienungsfehler" gewesen. Er hatte bis zuletzt auf eine
Verfahrenseinstellung gehofft. Das Projektil hatte - so der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl im Juni 2000 - den Türholm des Wagens durchschlagen, ehe es den am Steuer sitzenden Imre B. traf. Zu dem "Unfall" (Stiedl) war es nach Darstellung der Polizei gekommen, nachdem B. die Aufforderung zum Aussteigen missachtet hatte. Einer der mit gezogenen Waffen dastehenden Beamten war dann von der sich unvermittelt öffnenden Tür an der linken Schulter getroffen worden. Der Polizist geriet in einen Drall und soll unabsichtlich den Abzug betätigt haben. Dass absichtlich geschossen wurde, schloss Stiedl aus. "Die Situation bot keinen Grund für einen Waffengebrauch. Die in solchen Fällen übliche Untersuchung ist anhängig." Der Wiener Rechtsanwalt Herbert Pochieser erklärte schon im Juni
2000, es sei ausgeschlossen, dass sich aus einer Glock 17 (der Dienstpistole
der österreichischen Polizei) versehentlich ein Schuss löse.
Pochieser führt seit 1993 ein Amtshaftungsverfahren für einen
Mandanten, der damals von einem polizeilichen Projektil verwundet wurde,
angeblich weil der Polizist gestolpert sei. Major Walter Schermann, Leiter des Waffenreferates der Wiener Polizei, ebenfalls im Juni 2000: Die Abzugsbügelsicherung der Glock 17 verhindere eine Schussauslösung, "wenn man versehentlich seitlich am Abzug ankommt. Man muss bewusst in den Abzug greifen". Schermann grundsätzlich: "Die wichtigste Sicherung ist der Abzugsfinger. Man darf nur hineingreifen, wenn man schießen will. Der Geist des Beamten muss richtig funktionieren - dann ist die Technik schon fast sekundär."
Die Spezialeinheit SEK der Polizei, der der beschuldigte Beamte angehörte,
wurde kurz nach dem tödlichen Schuss auf Imre B. aufgelöst.
Die Gruppe war mehrmals durch Übergriffe in die Schlagzeilen geraten.
Mitglieder der SEK hatten bei einer Hausdurchsuchung im Jahr 2000 eine
Frau schwer verletzt. Das Opfer, die Lebensgefährtin eines Afrikaners,
wurde zudem rassistisch beschimpft.
Aus dem Kurier vom 23.2.2001: VertreterInnen der Wiener Polizei bezeichnen die ZK als "Feuerwehr" für Einsätze, bei denen die Dienststellen (z. B. ein Kommissariat) mit personellen Ressourcen kein Auslangen findet. Alle Mitglieder der ZK sind Freiwillige.
Der Anwalt der beiden Kinder von Imre B., Thomas Prader, will erreichen, dass Österreich Unterhalt für sie zahlen muss. Auch in diesem Prozess soll - ähnlich wie im Prozess gegen die drei Fremdenpolizisten, die am Tod von Marcus Omofuma schuld sein sollen - dem verantwortlichen Polizisten die Verantwortung für sein Handeln abgenommen werden. Die Vorschriften seien beispielsweise nicht genügend, er hätte mangels Ausbildung nicht anderes handeln können, die Schuldumkehr soll wieder vollzogen werden. Die politisch Verantwortlichen weisen natürlich jede Verantwortung von sich. Offensichtlich soll ein Scheinurteil wie das gegen die drei Fremdenpolizisten wiederholt werden. |
Antirassistische Kungebung vor dem Bezirksgericht Fünfhaus 1150 Wien, Gasgasse 1 - 7 Dienstag, 4. Juni 2002 9 - 12 Uhr weitere Informationen: Texte zum Tod von Imre B. Informationen über den Prozess gegen die drei Fremdenpolizisten, die am Tod Marcus Omofumas schuld sein sollen auf no-racism.net/racismkills Die Grünen im Juni 2000 eine parlamentarische Anfrage zu diesem Vorfall und der Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst (SEK) ein: Anfrage, Juni 2000 Text zum Prozess gegen den Polizisten auf indymedia Prügel gegen spontane Demonstration gegen die Staatsgewalt mit tödlichen Folgen als Reaktion auf den Tod Imre B.s - Text auf indymedia Rätselhaft? Versehentlich? Vertuscht! Vier Tote in "Polizeigewahrsam" im Mai 2000 - Text beim TATblatt Die "Paradekiberer". Nach der Tötung eines angeblichen Drogendealers erneut schwere Kritik gegen Kommissariat Ottakring, Rabensteiner und SEK - Text beim TATblatt Spezial zum Tod Imre B.s bei ballhausplatz.at Keine Chance gegen Polizeiübergriffe? - Text auf volkstanz.net |
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