Quellenangabe:
Vorschläge und überlegungen des BMI zur Asylrechtsnovelle 2005 (vom 26.11.2004),
URL: http://no-racism.net/article/1034/,
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[26. Nov 2004]
Zusammenstellung der Vorschläge des BMI zur Asylrechtsnovelle 2005 mit ein paar ersten Anmerkungen. Ein unpassend Titel, denn vom Recht dürfte nicht mehr viel übrig bleiben, wenn dieses Liste an Abscheulichkeiten mehrheitsfähig wird.
Die Präsentation des BMI November 2004 enthält einen ungeheuerlichen Katalog an Vorschlägen zur Änderung des Asylgesetzes. Vieles ist noch unklar, die stichwortartige Vorlage läßt aber dennoch deutlich erkennen, daß Asylverfahren mit rechtsstaatlichen Standards abgeschafft werden sollen. Im Folgenden die einzelnen Punkte sowie einige Anmerkungen.
Dazu wird geplant, die zurückzuweisungsbestimmung an der Grenze zu Drittstaaten (Schweiz, Liechtenstein) zu reparieren. Eine zurückweisungszone wird als EU rechtlich problematisch gesehen
Der Verfassungsgerichtshof hat die zurückweisung in die gesetzlich festgelegten sicheren Drittstaaten Schweiz und Liechtenstein deshalb als unproblematisch angesehen, weil Ausnahmefälle vorgesehen sind. Diese Ausnahme bei in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände, die gegen die Annahme von Sicherheit sprechen, ist nach Ansicht des VfGH nicht so eng zu interpretieren und auch Umstände wie die Änderung der Rechtslage oder Behördenpraxis im Einzelfall zu prüfen.
Bei einem Aufgriff wird zusätzlich zu den bereits bestehenden maßnahmen (übermittlung von Fingerabdrücken an die Eurodac-Datenbank, Durchsuchung von Gepäck und Kleidung) überlegt, über einen Asylwerber sofort die Schubhaft zu verhängen, wenn der Fingerabdruckabgleich ergibt, daß dieser Asylwerber bereits einmal im EURODAC-System registriert wurde. Das könnte bedeuten, daß AsylwerberInnen nicht mehr von den Sicherheitsorganenen in die EAST vorgeführt werden, sondern sofort inhaftiert werden. In solchen fällen könnte es ein noch schnelleres Sonderverfahren geben, das an der Grenze oder in der Schubhaft abgewickelt wird und bei dem von der Vorführung in die EAST abgesehen werden könnte. Die Vorführung könnte auch bei KapazitätsengPässen in den EAST unterbleiben, wobei bei diesem Vorschlag unklar ist, ob an eine zeitliche Verzügerung gedacht ist oder an einen gänzlichen Entfall der VerFührung.
Dublin-Verfahren werden als zu kompliziert beschrieben und als Lösung die Verwertung der Einvernahme durch die Exekutive angeführt. Vermutlich läuft dieser Vorschlag darauf hinaus, eine der beiden vorgesehenen Einvernahmen im Zulassungsverfahren zu streichen. Fraglich ist, ob es für Asylsuchende dann noch ausreichend Möglichkeiten geben wird, in einem derartig reduzierten Verfahren Stellung zu nehmen und damit ihre Parteienrechte wahrzunehmen. Etliche AsylwerberInnen sind zwischen der 1. Und 2. Einvernahme aus der EAST verschwunden, weil nach dem Abschluß der 2. Einvernahme die Verhängung der Schubhaft drohte. Nun sieht das BMI in einer früheren Verhängung der Schubhaft eine Lösung, führt aber auch an, daß (höhere) Kosten für Schubhaft und die Frage der Schubhaftplätze dabei eine Rolle spielen.
Diese Vorschläge lassen sich jedoch mit einigen Feststellungen des Verfassungsgerichtshof nicht vereinbaren. Der Verfassungsgerichtshof verweist auf die Wahrung des Parteingehörs als wesentliches Element des rechtsstaatlichen Prinzips, das einerseits die Asylbehörden zur Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, andererseits dem Asylwerber ausreichend Zeit zur Stellungnahme zur Verfügung zu stellen ist. Dabei sind sowohl die Kompliziertheit der Rechtsfrage, individuelle Sprachschwierigkeiten, die Verfügbarkeit der Rechtsberater und übersetzer, der Wunsch nach Beischaffung weiterer Beweismittel oder die Beiziehung von AnwÀlten oder anderen Experten zu beRücksichtigen.
Zum prinzipiellem Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, wenn der Asylsuchende in einen anderen EU-Staat zurückgeschoben werden soll, gibt es noch keinen konkreten Vorschlag im BMI Papier.
Der VfGH erinnerte in seinem Erkenntnis, daß die Mitgliedsstaaten durch das Dubliner-übereinkommen, das keine aufschiebende Wirkung vorsieht, abweichende Regelungen den Mitgliedsstaaten aber freistellt, nicht von ihren Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention entbunden werden. Als weiteres Argument führt der VfGH den Grundsatz an, daß der Rechtsschutzsuchende nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zum Verfahrensabschluß belastet werden kann. Eine EinzelfallPrüfung zur Wahrung der Interessen des Asylsuchenden muß deshalb möglich sein. MiÃbräuchlich gestellten Rechtsmitteln kann auch durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung begegnet werden, prinzipiell kommt der Berufung jedoch aufschiebende Wirkung nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens zu.
Bei offensichtlich unbegründeten Anträgen wurde die Möglichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vom VfGH bestätigt, das BMI schlägt daher "nur" einen Ausbau dieses Sonderverfahrens vor.
Änderungen werden jedoch beim Flughafenverfahren angekündigt, auch hinsichtlich der offensichtlich unbegründeten Anträge. Es soll bei geplanter negativer Entscheidung nur noch eine Einvernahme anstatt zweier Einvernahmen geben - bei der ein Rechtsberater nach derzeitiger Rechtslage verpflichtend anwesend ist. Während jetzt am Flughafen keine Normalverfahren abgewickelt werden dürfen, wird im BMI Papier ein Ausbau des Flughafenverfahrens auf alle klaren fälle vorgesehen.
Der VfGH war mit dem Flughafenverfahren nicht befaßt. Wegen der bestehenden verkürzten Rechtsmittelfristen und der fehlenden aufschiebenden Wirkung, die zuerkennt werden kann, ist dieser Vorschlag höchst bedenklich. Zwar soll das Einspruchsrecht des UNHCR bestehen bleiben, ob es auch auf Normalverfahren ausgedehnt wird, geht aus dem Vorschlag nicht hervor.
Die Ausnahme traumatisierter Flüchtlinge von der zurückschiebung in andere EU-Staaten soll wieder Rückgängig gemacht werden. Nur wenn die überstellung gesundheitsgefährdend wäre, würde Österreich das Asylverfahren nicht abtreten, sondern selbst das Verfahren durchführen. Bei traumatisierten Flüchtlingen wäre das Verfahren zuzulassen und beim Bundesasylamt weiterzuführen, ausgenommen eben bei zurückweisung in einen Dublin-Staat.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis neben der Traumatisierung auch andere Gründe gesehen, die den Asylwerber an der umfassenden Darlegung aller Gründe bereits im erstinstanzlichen Verfahren beeinträchtigen und das Neuerungsverbot weitgehend eingeschränkt.
Auch bei AsylwerberInnen im Normalverfahren sind Verschärfungen geplant: Sanktionen zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten im Asylverfahren und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der AsylwerberInnen.
Ideen, worin diese Sanktionen bestehen könnten, werden nicht genannt, ebensowenig welche (weiteren?) Mitwirkungspflichten gemeint sein könnten. Das Bundesbetreuungsgesetz liefert dem BMI bereits HandlungsMöglichkeiten, indem mangelnde Mitwirkung zu einem Ausschluß von weiteren Unterstützungsleistungen führen können.
Dieser Vorschlag sieht vor, daß von einem UBAS-Senat neue fälle entschieden werden und bei Folgefällen die Verhandlungspflicht des UBAS und der Zugang zum Verwaltungsgerichthof entfällt. Sowohl die 1. Als auch die 2. Instanz wäre an die Musterentscheidungen gebunden.
Rechtssätze der obersten GerichtshÃŒfe, an denen sich die Behörden zu orientieren haben, gibt es bereits jetzt, ebenso die Verpflichtung zu einer Senatsentscheidung des UBAS, sollte er von seiner ständigen Rechtssprechung abweichen. Der Vorschlag ist bedenklich, weil eine EinzelfallPrüfung stattzufinden hat und der fehlende Zugang zur Kontrolle durch den VwGH dem rechtsstaatlichem Prinzip widerspricht.
als eher zahnlose maßnahmen werden u.a. die zeitliche befristete Bestellung der UBAS Mitglieder oder ein Richtersenat mit Disziplinargewalt angesehen
Abschaffung des UBASund Ersatz durch ein Kollegialorgan wie dem UVS. Damit würde die Kompetenz des Bundes für Asylangelegenheiten an die länder abgetreten. Wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung des UBAS und der Bundeskompetenz könnte die Umsetzung dieses Vorschlags wohl einige Folgeprobleme verursachen.
Als weitere Idee zur 2. Instanz wird die zwingende Zustellung negativer Bescheide durch die Fremdenpolizei genannt, die wohl nur den Zweck verfolgen kann, auch umgehend die Schubhaft zu verhängen (und nicht als Alternative zur Schließung von Postämtern oder Arbeitsbeschaffungsprogramm für unterbeschäftigte Polizisten). Da etliche AsylwerberInnen im Berufungsverfahren einen bevollmächtigten Vertreter haben, könnte sich das häufige Auftauchen der Polizei bei Flüchtlingsberatungsstellen negativ auf das Image der Beratungsstellen auswirken, womit diese Bestimmung vielleicht auch wieder ihren Zweck erreicht.
a) Bei Verurteilten in Strafhaft wird die Schubhaft trotz Asylantrag vorgeschlagen, weil eine Ausweisung vorliegt (wohl häufiger ein Aufenthaltsverbot)
b) bei anderen StrafTätern ohne Ausweisung soll der Weg zur Haft durch verstärkte Mitwirkungspflichen im Asylverfahren führen oder nach Einleitung der Hauptverhandlung bei einer negativen Prognose des Bundesasylamtes über den Ausgang des Asylverfahrens eine bedingte Ausweisung und die Schubhaft verhängt werden
c) wenn der Asylantrag zur Verhinderung der Abschiegung gestellt wird, wird eine längere Dauer der Schubhaft vorgeschlagen
Die Entlassung aus der Schubhaft aufgrund eines Hungerstreiks (eigentlich Haftunfähigkeit) soll abgeschafft werden, entweder durch Ermöglichung der Zwangsernährung analog dem Strafvollzug oder eine übernahme von hungerstreikenden Schubhäftlingen durch die Justizanstalten
Änderungen beim Datenaustausch werden noch nicht näher ausgeführt.
Zusammenfassung von der asylkoordination Österreich über die GesetzesVorschläge des Innenministeriums vom November 2004 für eine Änderung des Asylgesetzes in Österreich.