Quellenangabe:
Es gab eine sexistische Demo in Wien und keine hats bemerkt (vom 27.12.2004),
URL: http://no-racism.net/article/1061/,
besucht am 25.11.2024
[27. Dec 2004]
Die Demonstrationen gegen Prostitution, die im September im 15. Bezirk stattfanden, wurden in der Linken zwar mit Empörung wahrgenommen, doch kritisiert wurden nur die rassistischen Äußerungen.
Daß Prostitution und Sexismus zusammenhängen ist niemanden aufgefallen. Gäbe es kein Problem mit den Demos, wenn sie sich nur gegen österreichische Sexarbeiterinnen richten würden?
Die Behandlung von Sexismus als Nebenwiderspruch wird auch dadurch deutlich, dass die Artikel auf no-racism.net der Rubrik Rassismus zugeordnet wurden. Eine andere Ankündigung ging sogar soweit, Prostitution als ungute Arbeit zu bezeichnen, die manchen im Kapitalismus halt übrigbleibt. Die obligatorische Erwähnung des Patriarchats erfolgt erst an zweiter Stelle. Feministische Kritik ist bei dem Thema praktisch aufglegt, es ist erbärmlich und bezeichnend für den Umgang mit Sexismus in der Linken wie sehr diese ignoriert wird.
Vor Ort selbst blieb die Intention der linken Gegendemo weitestgehend unklar. Kommunikationsguerilla Methoden wie Männer in Minirock und Ballkleid gaben zwar ein hübsches Bild ab, eine Botschaft wurde so aber nicht vermittelt.
Auch das Bild demonstrierender MigrantInnen, die von fast durchwegs Österreichischen Studis mit Haut-Ab Rufen bedacht wurden scheint niemanden irritiert zu haben. Es geht nicht darum, sich in positivem Rassismus zu üben, aber wen/n solche Momente nicht zumindest zum Nachdenken anregen...
Wollen wir uns nur als linke Gegenöffentlichkeit feiern oder wollen wir den Menschen dort verständlich machen warum wir da sind?
Ich bin davon ausgegangen daß die Frauen die da demonstrieren, wirklich glauben, daß die Prostituierten Schuld an der Belästigung durch Freier sind. Dann hat mir eine gesagt, daß sie weiss daß "wir in einer Männerwelt leben. Aber da kann ma eben nix machen!" Eine andere Frau hat gemeint, wenn es eine Schwanz-Ab Demo gäbe wäre sie dort und nicht hier, aber die gibt's eben nicht und sie hat Angst um ihre 12jährige Tochter. Gerade in diesen Gesprächen hat mich die Gegendemo am meisten frustriert, dieses Hilflos und Ausgeliefert-fühlen gegenüber dieser Männerwelt, das kenne ich nur zu gut. Mir haben reine Frauenzusammenhänge geholfen dieses Gefühl zumindest teilweise zu überwinden, weil ich gesehen habe WIE stark wir sein können, wie gut, und daß es auch anders geht. Dieses Gefühl hätt ich den Frauen gern vermittelt, dieses selbst stark sein, dieses keine Angst haben müssen. Mit dieser Demo haben wir das nicht erreicht.
Kommunikationsguerillataktiken machen manchmal Sinn, sind aber nicht ein Allheilmittel und waren bei dieser Demo total Fehl am Platz. Hier ging es um die diffuse Wut vieler Frauen, die sie nicht kanalisieren können, und die hier von hetzerischen Demagoginnen mißbraucht wird. Hier wäre der Ort gewesen um - die ja vorhandene- feministische Kritik einzubringen.
Frauen die von Männern - in diesem Fall Freiern- belästigt werden, müssen ernstgenommen werden. Frauensolidarität und Unterstützung aller Frauen sind hier angebracht, Anrainerinnen und Prostituierte gleichermaßen. Auf der Demonstration dieser bürgerInneninitiative wurden wieder mal zwei klassische Frauenbilder gegeneinander ausgespielt, das der Heiligen gegen das der Hure. Die Rollen haben auch Gemeinsamkeiten - in beiden wird Frauen höchstens ein Objektstatus zugesprochen. Die eine wurde an den Ehemann verkauft, die andere an die Freier, selbstbestimmt sind sie beide nicht. Die zum-Objekt-machung weiblicher körper ist eines der wesentlichen Unterdrückungsmechanismen und damit Grundstütze des Patriarchats, in der Prostitution wird diese Funktion der Frau besonders sichtbar.
Und dieses Phänomen besteht wesentlich länger als das des Kapitalismus. Kapitalistische Verhältnisse bedingen vielleicht, welche Frauen sich heute prostituieren müssen, die Prostitution erschaffen haben sie definitiv nicht - wer dies wirklich annimmt, sollte sich besser auch mit anderen als nur ökonomischen Unterdrückungsmechanismen befassen.
Kritik an der Demo vor allem über Arbeitskritik zu argumentieren ("auch nur arbeit..."), ist nicht nur ungeeignet zur Erfassung der Herrschaftsmechanismen, die dabei ablaufen, sondern ignoriert auch was für Gewalt hier ausgeübt wird -Prostitution ist mehr als der Verkauf von Arbeitskraft, sie ist mißbrauch und Vergewaltigung!
Alle Frauen sind von übergriffigen und belästigenden Männern betroffen - Kritik in eine feministische Richtung ermöglicht das Sehen von Gemeinsamkeiten und das Entwickeln von Gegenstrategien. Kritik, wie sie hier geübt wurde, blendet bloß Sexismus aus und reproduziert ihn dadurch.