Quellenangabe:
Parlamentarische Anfrage zur Helmpflicht der anonymen Zeugen (vom 14.06.2000),
URL: http://no-racism.net/article/108/,
besucht am 21.11.2024
[14. Jun 2000]
In einem Artikel vom "Falter" (Nr. 27/00 und 26/00) wird über die Helmpflicht der Zeugen und über deren Zusammenarbeit mit der Polizei berichtet. Unter anderem schreibt der "Falter" davon, dass die Zeugen Vorteile in den eigenen Verfahren durch ihre Aussagen hatten. Unter anderem wird auch darüber berichtet, dass es Beweise dafür gibt, dass die Zeugen gekauft wurden.
Anfrage der Grünen
Anfragebeantwortung durch Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer
1177/J XXI.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, MMag Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz betreffend Helmpflicht für Zeugen Helmpflicht für Zeugen Artikel vom "Falter" Nr. 27/00 Seite 6 sowie Nr. 26/00 Seite 9 u.a.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende ANFRAGE:
1. Laut Anfragebeantwortung des Bundesministers für Justiz vom 14.9.1999 zu 6601/J, 6312/AB, XX GP wurden im Zuge der "Operation Spring" in neunzig Fällen Haftbefehle erlassen. a) Gegen wieviele dieser neunzig Personen wurde eine Anklage erhoben? b) Gegen wieviele dieser neunzig Personen hat bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden? c) Wieviele dieser neunzig Personen sind bereits wegen welcher konkreter Vergehen zu welcher Strafe verurteilt worden? d) Wieviele Personen, gegen die im Zuge der "Operation Spring" ermittelt wurde, wurden insgesamt wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz angeklagt? e) Welche Menge an Suchtgifte wurde im Zuge der "Operation Spring" in welcher Höhe sichergestellt? f) In wievielen fällen führten Aufzeichnungen, die im Zuge der "Operation Spring" gemacht wurden, zu weiteren Verhaftungen bzw in wievielen fällen zu weiteren Telefonüberwachungen? g) Wurden von den im Zuge der "Operation Spring" beobachteten Personen auch wegen anderer Delikte - wenn ja, wieviele, wegen welcher - angeklagt? h) Gibt es Personen, die auch im Zuge der "Operation Spring" erfasst wurden, gegen die aber noch keine Anklageschrift eingebracht, aber auch das Strafverfahren noch nicht eingestellt wurde? Wenn ja, warum wurde das Strafverfahren noch nicht eingestellt, wenn keine Anklageschrift erhoben wurde?
2. Nach den Bestimmungen der StPO und der EMRK hat der Beschuldigte das Recht, sich wirksam verteidigen zu können und belastende Beweise zu entkräften. Expertlnnen auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechtes bestätigen unter dem Hinweis auf Urteile des EGMR, dass durch die Praxis der vermummten Zeugen das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. Laut Erlass des Justizministeriums ist eine vollständige Vermumung des Zeugen oder eine Verzerrung des Bildes oder eines Tones der Videoaufnahme nach den Bestimmung der StPO nicht zulässig, da die "nonverbale Kommunikation" erhalten bleiben muss.
a) Wieviele Zeugen sind im Zuge der Verhandlungen gegen schwarzafrikanische Drogendealer anonym aufgetreten und welche Bezeichnung erhielten sie?
b) Wer von diesen Zeugen war bereits wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz bzw anderer Vergehen vorbestraft, gegen wen dieser Zeugen ist ein Akt bei der Fremdenpolizei wegen Beendigung des Aufenthaltsrechtes (Ausweisung, Aufenthaltsverbot) anhängig bzw. gegen wen war bereits ein Aufenthaltsverbot verhängt?
c) Wer von den anonymen Zeugen befand sich im Zuge der Ermittlungen selbst unter den Tatverdächtigen?
d) Welcher konkreter Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz wurden die einzelnen anonymen Zeugen beschuldigt und wann wurde jeweils ein Strafverfahren eingeleitet und die Anklageschrift erstellt?
e) Gegen wen von den anonymen Zeugen haÃŒeine Hauptverhandlung stattgefunden und zu jeweils welcher Verurteilung wegen welcher Delikte kam es?
f) Der Zeuge AZ1 hat sich in der Hauptverhandlung 4C Hv 5700/99 selbst als BeitragsTäter beschuldigt. Wann wurde gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet und die Anklageschrift erstellt? Hat bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden?
g) Gab es Absprachen zwischen Vertretern der Staatsanwaltschaft und Vertretern der Sicherheitsbehörden hinsichtlich der anonymen Zeugen? Wenn ja, wie lauten die Protokolle dieser Dienstbesprechungen?
h) Wurde bei solchen Treffen auch erörtert, gegen tatverdächtige anonyme Zeugen kein Strafverfahren einzuleiten?
i) In wievielen fällen führte allein die Aussage eines vermummten Zeugen zur Verurteilung?
j) Ist der Name der anonymen Zeugen in jedem Fall dem Gericht bekannt?
k) Ist der Name der einzelnen anonymen Zeugen der Staatsanwaltschaft bekannt?
l) Was wurde jedem einzelnen anonymen Zeugen von den Sicherheitsbehörden bzw.der Justiz konkret versprochen, wenn sie gegen andere verdächtige Personen aussagen?
m) Hatten die einzelnen anonymen Zeugen aufgrund ihrer persönlichen Situation (selbst verdächtigt, Ausländer, kein Einkommen und keine Chance auf eine Beschäftigungsbewilligung, drohende Abschiebung,...) überhaupt die Möglichkeit nicht als anonymer Zeuge aufzutreten?
n) Kamen solche Deals mit anonymen Zeugen auch unter Drohungen zustande, wie von einzelnen Personen behauptet wird?
o) Anonyme Zeugen, die sich nicht mehr an den Deal mit der Polizei gebunden fühlten, haben ihre Aussagen widerrufen. Wurde das Zustandekommen und der Inhalt des Deals mit der Polizei sowie der Wahrheitsgehalt der Aussagen der anonymen Zeugen von der Justiz in jedem einzelnen Fall überprüft?
p) Werden Sie aufgrund der von ExpertInnen geäußerten Bedenken gegen die Praxis der vermumten Zeugen in all jenen fällen, in denen die Aussage eines anonymen Zeugen zu einer Verurteilung geführt hat, im Sinne des § 33 Abs 2 StPO die Generalprokuratur beauftragen, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beim Obersten Gerichtshof einzubringen?
q) Wenn nein, was spricht gegen eine überPrüfung dieser fragwürdigen Verfahrenspraxis durch den OGH?
3. Der Rechtsschutzbeaufiragte hat gemäß § 149o Abs 5 StPO bis zum 31. März des Folgejahres einen Bericht über seine tätigkeiten und Wahrnehmungen dem Justizminister zu erstatten.
a) Wie lautet dieser Bericht des Rechtsschutzbeauftragten?
b) Werden Sie dafür sorgen, dass dieser Bericht zumindest den Abgeordneten des Justizausschusses zugeleitet wird?
4. Im Zuge der "Operation Spring" wurden über Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.3.1999, 26c Vr 11372/98 die Sicherheitsbehörden beauftragt, alle personenbezogenen Daten, Adressen, Telefonnummern und Rufdaten sowie Kontoverbindungen und Geldtransaktionen mit dem Softwareprogramm Access aufzuarbeiten. In der Folge wurde dann bei Ermittlung gegen weitere schwarzafrikanische Drogendealer (auch außerhalb der "Operation Spring") sämtliche per Rückdatenerfassung bekannt gewordenen Telefonnummern und andere Daten mit diesem Programm abgeglichen. Es handelt sich somit um einen automationsunterstützten Datenabgleich im Sinne des § 149i Stpo, der zwingend eines Beschlusses der Ratskammer bedarf. Gegen diese Vorgangsweise hat auch der Rechtschutzbeauftragte und die Datenschutzkommission eine Beschwerde eingelegt. a) In wievielen fällen kamen im Zuge der "Operation Spring" gewonnene "Zufallsfunde" wie Telefonnummern oder andere Beweismittel gegen nicht von der "Operation Spring" erfasste Personen zur Anwendung? b) Warum wurde von der StA kein Bewilligungsbeschluss für den Datenabgleich - wie auch vom Rechtschutzbeauftragten und der Datenschutzkommission gefordert - von der Ratskammer für den durchgeführten Datenabgleich eingeholt? c) Die Daten wievieler Personen, gegen die außerhalb der "Operation Spring" wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz ermittelt wurde, wurden mit dem im Zuge der "Operation Spring" und dem Softwareprogramm Access aufgearbeiteten Daten abgeglichen? d) In wievielen fällen kam es aufgrund dieser Datenabgleichen zu Verurteilungen? e) Werden Sie aufgrund der vom Rechtschutzbeauftragten und der Datenschutzkommission gemachten Bedenken gegen diese Praxis des Datenabgleichs in all jenen fällen, in denen es in der Folge zu einer Verurteilung kam, im Sinne des § 33 Abs 2 StPO die Generalprokuratur beauftragen, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beim Obersten Gerichtshof einzubringen?
5. Bei wievielen Personen, gegen die aufgrund der "Operation Spring" eine Hauptverhandlung durchgeführt wurde, kamen besondere Milderungsgründe - wenn ja, welche - zur Anwendung?
6. Ist es richtig, dass Abhörprotokolle nicht immer von gerichtlich beeideten Dolmetschern übersetzt wurden?
7. Wenn ja, aufgrund welcher Qualifikationen wurden diese Dolmetscher ausgewählt?
8. Befinden sich unter den Dolmetschern auch Personen, die im Zuge der "Operation Spring" durchgeführten Ermittlungen selbst als tatverdächtig gelten?
9. Warum sind manche Dolmetscher anonym? Sind deren Namen der StA und dem Gericht bekannt?
10. Wurde den Strafverteidigern wie der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Akten sowie in die Abhörprotokolle und Videoaufzeichnungen gewährt?
11. In wievielen Fällen waren im Zuge der "Operation Spring" bzw bei den Ermittlungen gegen Bewohner des Heimes in der Zohmanngasse auch Jugendliche betroffen?
12. In wievielen Fällen wurde das angegebene Alter angezweifelt und wurde eine Altersbestimmung durch einen Sachverständigen vom Gericht durchgeführt?
13. Welcher Sachverständige hat diese Altersbestimmungen nach welcher Methode vorgenommen?
14. Wurde auch Dr. Johann Szilvassy trotz der Kritik an seiner Methode aus Sachverständigenkreisen mit der Bestimmung des Alters von verdächtigen Jugendlichen beauftragt?
1152/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend "Heimpflicht für Zeugen" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Einleitend weise ich auf Folgendes hin:
Den mit den in der Anfrage angesprochenen Sachverhaltskomplexen befassten Staatsanwaltschaften und Gerichten war es infolge der kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, alle notwendigen Unterlagen bzw. Daten zur Verfügung zu stellen. Mehrere der zu einer umfassenden Anfragebeantwortung erforderlichen Akten befanden sich bei Rechtsmittelgerichten, wobei im Interesse einer Beschleunigung dieser Verfahren von der Rückforderung dieser Akten Abstand genommen wurde.
Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich einige der an mich gerichteten Fragen unter diesen Umständen nicht präzise beantworten kann.
Ich gehe davon aus, dass sich die Fragen 1 a - 1 c lediglich auf die "Operation Spring", die übrigen Fragen hingegen auch auf die Ermittlungen gegen Bewohner des Heimes in der Zohmanngasse beziehen.
Demgemäß beantworte ich die an mich gerichteten Fragen anhand der von den zuständigen Staatsanwaltschaften, dem Landesgericht für Strafsachen Wien und dem Jugendgerichtshof Wien eingeholten Informationen wie folgt:
Zu 1a und 1b:
Da die Staatsanwaltschaft Wien - abweichend von den übrigen Anklagebehörden - ihrem Bericht nicht den Stichtag, auf dem die Beantwortung der zur Zahl 6601/J - NR/1999 eingebrachten parlamentarischen Anfrage beruht, sondern den
Stichtag 9.9.1999 zu Grunde gelegt hat, ist eine präzise Beantwortung bezogen auf die in der Anfrage genannten 90 Personen nicht möglich.
Unter diesem Vorbehalt ist auszuführen, dass gegen 59 Personen Anklageschriften, gegen 21 weitere Personen Strafanträge eingebracht wurden. Gegen 73 Personen hat bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden.
Zu 1c:
47 Personen wurden - zum Teil allerdings noch nicht rechtskräftig - verurteilt. Eine auch nur annähernd vollständige deliktsbezogene Auflistung der Schuldsprüche ist wegen des Umfangs nicht möglich.
Zu 1d:
Bisher wurden zumindest gegen 118 Personen Anklageschriften bzw. Strafanträge eingebracht. Eine präzisere Beantwortung der Frage ist nicht möglich, weil die Verfahren gegen eine große Personenanzahl (mehrere hundert) an Bezirksgerichte abgetreten wurden und der Fortgang dieser Verfahren nur mit einem unvertretbaren Erhebungsaufwand hätte festgestellt werden können.
Zu 1e:
Diese Frage entzieht sich schon deshalb einer präzisen Beantwortung, weil nur die Sicherheitsbehörden exakte Aufzeichnungen über sichergestellte Suchtgiftmengen führen. Da aus dem gesamten Komplex "Aktion Spring" zahlreiche Akten ausgeschieden wurden, würde eine Erhebung der sichergestellten Suchtgiftmengen im Wege der Gerichte zu einer mehrfachen Berücksichtigung identer Suchtgiftmengen
führen.
Zu 1f und 1g:
Eine Beantwortung dieser Fragen wäre nur nach Durchsicht sämtlicher bezughaben - der Akten möglich. Ich ersuche um Verständnis, dass davon wegen des unvertretbaren Verwaltungsaufwands Abstand genommen werden muss.
Zu 1h:
Gegen einige Personen konnten die Verfahren noch nicht beendet werden, weil die Erhebungen noch nicht abgeschlossen bzw. die genannten Personen unbekannten Aufenthaltes sind.
Zu 2a:
Im Rahmen der beim Landesgericht für Strafsachen Wien geführten Verfahren wurden sieben Zeugen anonym vernommen. Sie erhielten die Bezeichnung AZ 1, AZ 2, AZ 4, AZ 6, AZ 9, AZ 11 und AZ 3000. In den beim Jugendgerichtshof Wien geführten Verfahren traten ursprünglich sechs derartige Zeugen auf, von denen zwei in weiterer Folge auf ihre Anonymität verzichteten. Diese erhielten die Bezeichnung
ZA 1 bis ZA 6. Es liegt allerdings der Schluss nahe, dass es sich bei den im Bereich der Staatsanwaltschaft Wien und der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien erfassten Zeugen überwiegend um idente Personen handelt.
Zu 2b:
Sechs Zeugen sind vorbestraft.
Im Übrigen fällt die Beantwortung der weiteren in diesem Zusammenhang an mich gerichteten Fragen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.
Zu 2c:
Offenbar befanden sich alle anonymen Zeugen unter den Tatverdächtigen.
Zu 2d und 2e:
Gegen sieben der anonym vernommenen Zeugen wurde ein Verfahren wegen des Verdachts des Suchtgifthandels, gegen eine weitere Person wegen eines allgemeinen Deliktes eingeleitet. Gegen vier der genannten Personen wurde bereits eine Anklageschrift wegen Suchtgifthandels eingebracht. über diese vier Personen wurden wegen Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz Freiheitsstrafen im Ausmaß zwischen 20 Monaten und 4 Jahren verhängt.
Zu 2f:
Das Verfahren gegen den genannten Beschuldigten ist noch anhängig, die Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen.
Zu 2g und 2h:
In diesem Zusammenhang haben mehrere Besprechungen stattgefunden. Aufzeichnungen über diese Besprechungen hat die Staatsanwaltschaft nicht geführt. Erörterungen, wie sie in der Anfrage bezeichnet werden, haben nicht stattgefunden. Wie schon aus der Beantwortung der Fragen 2c und 2d ersichtlich ist, wurden gegen alle tatverdächtigen anonymen Zeugen Strafverfahren eingeleitet.
Zu 2i:
In keinem einzigen Fall.
Zu 2i und 2k:
Die Namen aller anonym vernommenen Zeugen sind Gerichten und Staatsanwaltschaften bekannt.
Zu 21:
Die Justizbehörden haben den "anonymen Zeugen" keinerlei Versprechungen gemacht.
Zu 2m und 2n:
Die Zeugen hatten durchaus die Möglichkeit, nicht anonym aufzutreten. In allen Fällen lag diese Entscheidung in ihrem freien Ermessen. Die Anonymisierung erfolgte durchwegs auf Wunsch der Zeugen wegen akuter Bedrohung. Sie wurden auf ihr Entschlagungsrecht hingewiesen.
Es gab weder die in der Anfrage angesprochenen Deals mit anonymen Zeugen noch Drohungen durch die Justizbehörden.
Zu 2o:
Bisher hat kein einziger anonym vernommener Zeuge einen "Deal" mit der Polizei behauptet oder seine Aussage tatsächlich widerrufen. In Einzelfällen hat sich ein zunächst anonym vernommener Zeuge zu einem späteren Verfahrenszeitpunkt der Aussage entschlagen.
Zu 2p und 2g:
Der EuropäischeGerichtshof für Menschenrechte hat in den Entscheidungen vom 20.11.1999 (Kostovski gegen die Niederlande), vom 26.3.1996 (Doorson gegen die Niederlande) und vom 23.4.1997 (Van Mechelen gegen die Niederlande) zwei Prinzipien erarbeitet: Er geht grundsätzlich dort von einer den Artikel 6 MRk verlet -
zenden Vorgangsweise aus, wo Schuldsprüche ausschließlich oder in einem entscheidenden Ausmaß auf die Aussagen anonymer Zeugen gestützt werden.
Weiters erachtet er Verteidigungsrechte immer dann in einer den Artikel 6 MRK verletzenden Weise beeinträchtigt, wenn Beschuldigter oder Verteidiger entweder im Vorverfahren, im Verfahren vor dem erkennenden Gericht oder im Rechtsmittelverfahren keine Möglichkeit hatten, (anonyme) Zeugen zu befragen.
Auf Grund der vorliegenden Berichte der Staatsanwaltschaften und Stellungnahmen der Gerichte feststeht, dass in keinem einzigen Fall ausschließlich die Aussage eines anonym vernommenen Zeugen zu einem Schuldspruch führte.
Die Frage, ob Schuldsprüche in einem entscheidenden Ausmaß auf die Aussagen von anonymen Zeugen gestützt werden, ist Frage der richterlichen Beweiswürdigung. Die richterliche Beweiswürdigung kann mit einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes grundsätzlich nicht releviert werden.
Zu 3a und b:
Der gemäß § 149 o Abs. 5 StPO erstattete Bericht des Rechtsschutzbeauftragten für das Jahr 1999 liegt vor und wird - zusammen mit den gemäß § 10a Abs. 2 und 3 des Staatsanwaltsgesetzes zu erstattenden Berichten der staatsanwaltschaftlichen
Behörden - Grundlage des Gesamtberichtes über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen sein, den ich nach § 10a Abs. 4 StAG dem Nationalrat, dem Datenschutzrat und der Datenschutzkommission zuleiten werde.
Zu 4:
Hiezu verweise ich auf den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 3.3.2000, 21 Bs 21/00: Dieses Gericht wies die Beschwerden der Datenschutzkommission der Republik Österreich sowie des Rechtsschutzbeauftragten gegen den in der Anfrage
zitierten Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (richtig: 26 d Vr 11.372/98) im Wesentlichen mit der Begründung zurück, der bekämpfte Beschluss enthalte lediglich einen der Untersuchungsrichterin zustehenden Auftrag zur auflistenden und analysierenden Darstellung bisheriger, aber auch künftiger kriminalpolizeilicher Erkenntnisse, ohne dass damit ein Vergleich oder die Verknüpfung von Daten verschiedener Datenverarbeitungen angeordnet worden seien. Es handle sich somit um keinen Datenabgleich im Sinne des § 149 i StPO.
Zu 4a:
Derartige "Zufallsfunde" wurden in keinem einzigen Verfahren verwertet.
Zu 4b:
Da ein Abgleichen oder Verknüpfen von Daten verschiedener Datenverarbeitungen weder von der Staatsanwaltschaft Wien noch von der zuständigen Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien beabsichtigt war, erübrigte sich eine derartige Antragstellung.
Zu 4c bis 4e:
Ich verweise auf die angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien. Den Justizbehörden ist nicht bekannt, dass Daten von Personen, gegen die außerhalb der "Operation Spring" wegen eines Suchtmitteldeliktes ermittelt wurde, mit den im Zuge der "Operation Spring" gewonnenen Daten unter Verwendung des in der Anfrage genannten Softwareprogramms abgeglichen worden Wären. Die Justizbehörden haben einen Auftrag hiezu nicht erteilt.
Zu 5:
Die präzise Beantwortung dieser Frage ist aus den eingangs dargestellten Gründen nicht möglich.
Zu 6 bis 8:
Da die Gespräche teilweise in afrikanischen Sprachen bzw. Dialekten, für die es keine gerichtlich beeideten Dolmetscher gibt, geführt wurden, mussten die Sicherheitsbehörden zwangsläufig wiederholt auf unbeeidete, sprachkundige Personen zurückgreifen. Unter diesen befanden sich keine tatverdächtigen Personen. Alle bei Gericht als Dolmetscher eingesetzten Personen wurden beeidet.
Zu 9:
Die Anonymität einzelner Dolmetscher gründet sich auf mehrfach erfolgte massive Drohungen aus Täterkreisen. Die Namen dieser Dolmetscher sind in jedem Fall dem Gericht und - zumindest in einem Fall - der Staatsanwaltschaft bekannt
Zu 10:
Ja.
Zu 11:
Die Zahl der "betroffenen Jugendlichen" ist derzeit nicht feststellbar. Im Rahmen der Ermittlungen gegen Bewohner des Hauses in der Zohmanngasse etwa wurden bisher acht Personen als Erwachsene angeklagt, von denen zwei als Jugendliche verurteilt wurden. Keines dieser Urteile ist in Rechtskraft erwachsen. In vielen, aus der "Operation Spring" resultierenden Verfahren kann das Alter von Beschuldigten erst im Verlauf des Gerichtsverfahrens geklärt werden. Diese Verfahren sind teilweise noch nicht abgeschlossen.
Zu 12 bis 14:
Das von den Verdächtigen angegebene jugendliche Alter wurde in nahezu allen Fällen (im Zuge der Operationen Spring und "Zohmanngasse" wurden dem Jugendgerichtshof Wien insgesamt 32 Personen eingeliefert) angezweifelt. In einigen der genannten Verfahren wurde Univ. Prof. Dr. Johann SZILVASSY zwar zum Sachverständigen bestellt, dessen Gutachten aber zur Altersbestimmung nicht herangezogen, sondern das Alter angeklagter Personen im Rahmen der Hauptverhandlung in freier richterlicher Beweiswürdigung beurteilt.
Nach Aufkommen der Kritik an den Methoden des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Johann SZILVASSY wurde dieser nicht mehr zum Gutachter bestellt. In einem einzigen Falle wurde bisher ein anderer Sachverständiger bestellt, dessen Gutachten aber noch nicht vorliegt und dessen Methodik mir daher nicht bekannt ist.