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Quellenangabe:
amnesty international kritisiert rassistische Übergriffe und Brechmitteleinsätze (vom 06.01.2005),
URL: http://no-racism.net/article/1081/, besucht am 23.11.2024

[06. Jan 2005]

amnesty international kritisiert rassistische Übergriffe und Brechmitteleinsätze

Angesichts sich häufender rassistischer Übergriffe durch die Polizei in Deutschland erschienen Mitte der 1990er Jahre einige Berichte von amnesty international, in denen auf diese eingegangen wurde. Zumindest seit 1996 wird immer wieder auf die Gefahren der zwangsweisen Verabreichung von Brechmitteln hingewiesen, die mittlerrweile in zumindest zwei Fällen tödlich endeten. Hier eine übersicht mit Zitaten und Links zu den Berichten.

1. ai-bericht: Ausländer als Opfer Polizeiliche Mißhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1. Mai 1995

Zitat: "Zwischen Januar 1992 und März 1995 hat amnesty international Berichte über mehr als 70 Vorfälle erhalten, bei denen deutsche Polizeibeamte in Ausübung ihres Dienstes gegen Menschen in unverhältnismäßiger oder ungerechtfertigter Weise Gewalt angewandt oder in ihrem Gewahrsam befindliche Personen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen haben sollen. Medizinische Gutachten belegen, daß den Opfern Zähne ausgeschlagen worden sind, daß sie Distorsionen und Prellungen oder sogar Knochenbrüche davongetragen haben. Die diagnostizierten Verletzungen stimmten mit den Angaben der Opfer überein, die der Polizei exzessive Gewaltanwendung oder vorsätzliche Mißhandlungen in Form von Fausthieben, Fußtritten oder Schlägen mit Knüppeln vorwarfen. In mindestens zwei fällen waren die erlittenen Verletzungen so schwerwiegend und die Beweise dafür, daß sie bewußt, wiederholt oder mit der Absicht, schwere Schmerzen zuzufügen, herbeigeführt worden sind, derart erdrückend, daß nach Auffassung von amnesty international in diesen fällen von Mißhandlung, die der Folter gleichkommt, gesprochen werden kann. Mehrheitlich fanden die berichteten Miߟhandlungen während der Festnahme statt, in einigen fällen hingegen nach Angaben der mutmaßlichen Opfer auf dem Weg zu einer Polizeiwache oder auf der Wache selbst.


2. Vorwürfe über Mißhandlungen an Ausländern - aktuelle Entwicklungen seit Veröffentlichung des Berichts vom Mai 1995, 1 Feb 1996

Zitat: "Im April 1995 erhielt amnesty international von Vorwürfen Kenntnis, denen zufolge Personen im Gewahrsam der Bremer Polizei grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt waren. Nach vorliegenden Meldungen wurde den Häftlingen - es handelte sich ausnahmslos um Schwarzafrikaner - gewaltsam Brechmittel wie Ipecac-Sirup, Salzwasserlösung oder beides gleichzeitig verabreicht, weil die Polizei sie dazu bringen wollte, vermeintlich verschluckte Drogenpäckchen zu erbrechen. Einige der Häftlinge machen geltend, man habe sie verbal bedroht oder physisch mißhandelt, weil sie die Einnahme des Brechmittels verweigert hatten. Andere Häftlinge erheben den Vorwurf, im Polizeigewahrsam in rassistischer Weise verbal angegriffen worden zu sein."


3. ai Jahresbericht 1996


4. ai Jahresbericht 1997


5. "Neue fälle - altes Muster. Polizeiliche Mißhandlungen in der Bundesrepublik
Deutschland" vom 3. Mar 1997

ai schreibt in diesem Bericht von mutmaßlichen polizeilichen Misshandlungen an im Gewahrsam befindlichen Personen in Bremen. Es wurden mehrere fälle dokumentiert, bei denen AfrikanerInnen "den Vorwurf erhoben, dass man ihnen gewaltsam Brechmittel verabreicht hätte. Einige haben überdies angegeben, sie seien verbal bedroht, körperlich mißhandelt oder in rassistischer Weise beschimpft worden, weil sie das Brechmittel nicht hatten einnehmen wollen." In diesem - und weiteren - Berichten den mehrfachen Gebrauch von Brechmitteln anhand von Fallbeispiele dokumentiert und die Rechtfertigungsstrategie zur Legitimierung des Brechmitteleinsatzes aufgezeigt.


Im Jahr 2002 werden Brechmitteleinsätze erneut zum Thema, nachdem es im Dezember 2001 zu einem Toten gekommen ist:


6.
ai-Jahresbericht 2002

Zitat: "Ein 19 Jahre alter Asylbewerber aus Kamerun, in den deutschen Medien als Achid J. bezeichnet, erlitt am 9. Dezember (2001) in einer Hamburger Klinik einen Herzstillstand und fiel ins Koma, nachdem ihm von medizinischem Personal und Polizeibeamten gewaltsam ein Brechmittel verabreicht worden war. Vier Tage später, am 13. Dezember, starb der unter dem Verdacht des Drogenbesitzes festgenommene Kameruner im Krankenhaus. Eine Untersuchung seines Todes war Ende des Berichtszeitraums noch anhängig."


7. ai Jahresbericht 2003

Der oben geschilderte Vorfall blieb für die beteiligten Beamten ohne strafrechtliche oder disziplinarische Konsequenzen:

Zitat: "Ende Juni (2002) schloss die Staatsanwaltschaft Hamburg ihre Ermittlungen im Fall des Todes von Achidi John ab. Der 19-jährige Asylbewerber aus Kamerun war am 12. Dezember 2001 im Universitätskrankenhaus Eppendorf gestorben, nachdem ihm vier Polizeibeamte und eine Ärztin gegen seinen Willen ein Brechmittel verabreicht hatten, um auf diese Weise Drogen sicherzustellen, die der junge Kameruner verschluckt haben soll. Als Todesursache wurde Berichten zufolge "hypoxischer Hirntod" festgestellt, zurückzuführen auf eine vorbestehende schwere Herzerkrankung von Achidi John. Die Staatsanwaltschaft erhob weder gegen die vier Polizeibeamten noch gegen die Ärztin Anklage, da sie zu dem Schluss gelangte, ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Beteiligten sei zu verneinen. Die Praxis der zwangsweisen Verabreichung von Brechmitteln zum alleinigen Zweck der Sicherstellung von Beweisen für Drogenbesitz war Mitte 2001 in Hamburg eingeführt worden und richtete sich in den allermeisten Fällen gegen Schwarzafrikaner."