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Quellenangabe:
Rassismus in der Wiener Stadtzeitung Falter (vom 09.02.2005),
URL: http://no-racism.net/article/1107/, besucht am 28.03.2024

[09. Feb 2005]

Rassismus in der Wiener Stadtzeitung Falter

Die Stadtzeitung Falter befolgte in ihrer letztwöchigen Coverstory alle Regeln der Legitimierung von Rassismus. Nach dem altbewährten Motto: "Wir lassen die Polizei sprechen" werden Polizeiaussagen und sogar Abhörprotokolle kommentarlos zitiert.

"Wer begreifen will, warum die Gefängnisse platzen, das Asylrecht verschärft wird und der Zorn des Landes gegen so genannte "Asylbetrüger" zunimmt, der muss sich Gegenden wie den Votivpark anschauen." - Dieser Satz stammt weder aus der Kronenzeitung noch von einer FPÖ-Homepage. Urherber ist der Falter-"Enthüllungs-Journalist" Florian Klenk, der im Falter 03/05 vom 19.01.2005 wohl eher sein eigenes rassistisches Weltbild und eher weniger das der Wiener Polizei enthüllte.

"Ich halte es für wichtig, auch jene Orte zu beschreiben, in denen sich Rassisten ihre Vorurteile abholen," rechtfertigt Klenk sein Geschreibsel wenig später. Was er jedoch vergisst ist, dass "Vorurteile" in den Köpfen der Menschen entstehen und nicht von bestimmten Orten "abgeholt" werden. Solche Aussagen können daher nur von jemanden getätigt werden, der tatsächlich der Meinung ist, letztlich seien "die AusländerInnen" am Rassismus der MehrheitsÖsterreicherInnen schuld. Liest man den Artikel von Florian Klenk zu Ende, verfestigt sich dieser Eindruck.

Ebenso wie das Innenministerium fällt es Klenk anscheinend schwer sich mit rechtstaatlichen Grundsätzen wie beispielsweise der Unschuldsvermutung anzufreunden: "Über 1500 verhaftete Dealer aus Afrika im letzten Jahr. 400 Prozent Zuwachs bei der U-Haft. Obwohl Afrikaner nur rund ein Prozent der Fremden stellen, sind sie bei verhafteten Strassendealern mit fünfzig Prozent überrepräsentiert." Wohlgemerkt: Klenk spricht in seinem Artikel nicht von gerichtlichen Urteilen, er spricht von Festnahmen, Anzeigen und Untersuchungshaft. Aus diesen Zahlen schließt der Falter-Vorzeige-Gutmensch jedoch nicht, das sich am rassistischen Vorgehen der Polizei seit der Operation Spring wenig geändert hat und nach wie vor in erster Linie Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert bzw. nicht kontrolliert werden. Im Gegenteil, zum Schluss klingt sogar etwas Mitleid mit dem Österreichischen Abschiebeapparat durch, denn "nicht einmal ein Dutzend von ihnen konnte abgeschoben werden."

über Major Wolfgang Preiszler und seine umstrittene - von Klenk als "Horngacher-Truppe" bezeichnete Polizeieinheit - weis der Falter-Mann nur positives zu berichten: "Preiszlers Leute sehen nicht wie Polizisten aus. Sie tragen enge Jeans, Lederjacken, darunter warme Fleecejacken. Sie sehen sich als "Outsider im Polizeisystem". Ein Kollege Preiszlers, der nicht genannt werden will, könnte mit seiner Strickmütze auch als grüner Bezirksrat durchgehen. Die Cops aus Preiszlers Truppe sprechen erstaunlich offen über ihre Arbeit, sie sagen, dass auch sie "das Bedürfnis haben, nicht falsch verstanden zu werden"."

Völlig unreflektiert übernimmt Klenk schließlich auch die mutmaßungen der Herrn Polizeibeamten. Demnach würden "viele Afrikaner" bereits "wenige Tage nach Einbringen ihres Asylantrags" beim "Handel mit harten Drogen erwischt" und das ist "ein überzeugendes Indiz dafür, dass diese Leute nicht arm, sondern einfach nur kriminell" seien.

Und auch Wochen nach der Coverstory unter dem Titel "Platz der Dealer", einem offenen Brief diverser antirassistischer Gruppierungen und einem kritischen Artikel in der Malmoe scheint Klenk die Kritik an seiner journalistischen Arbeit nicht wirklich nachvollziehen zu können. Anstatt auf die Vorwürfe einzugehen lobt er seine Recherchen, "in den fällen Omofuma, Mutombo, Ndupu, Wague, Ilter, Imre B., Spiess, He, Sowe" und gibt die Rassismus-Vorwürfe an seine Person an Simon Inou weiter: Der hätte ihm nämlich telefonisch für seinen Text gratuliert und muss daher nun offensichtlich den Kronzeugen für Klenk abgeben, der neben Inou auch gleich "Radio Afrika" als ganzes als Legitimation für seinen Rassismus in Beschlag nimmt (siehe Klenks Antwortschreiben, unten).

Dokumentation


Wir dokumentieren hier den offenen Brief, der von einer Reihe namhafter - von Klenk fälschlicher Weise als "anonym" bezeichneter - Initiativen unterzeichnet wurde sowie die Antwort des Falter-Journalisten.

Offener Brief an den Falter


Sehr geehrter Herr Thurnher,
Sehr geehrter Herr Klenk,
Sehr geehrte LeserInnenrubrik,

Wir sehen untenstehenden "offenen Brief" als Startschuß für eine
konstruktive, breitere Auseinandersetzung. Der Brief ist hierfür eine breitgetragende Grundlage. Als "offener Brief" ist eine wie bei LeserInnenbriefen übliche kürzung
nicht sinnvoll!
auf ihre Stellungnahme wartend,
die UnterzeichnerInnen

Wie ist es möglich, dass der FALTER (03/04) für sich eine COVERSTORY wählt, die derartig alle klassischen Regeln der Legitimierung von Rassismus befolgt,
dass sie selbst der FPÖ- und der KRONENZEITUNGsdiktion Konkurrenz macht?
Nach dem altbewährten Motto: "Wir lassen die Polizei sprechen" werden Polizeiaussagen und sogar Abhörprotokolle(!) einfach kommentarlos zitiert.

Angesichts der tödlichen Realitäten von Marcus Omofuma und Seibane Wague sind unkommentierte Polizeizitate wie "Bleib stehen! Du Oasch! Sonst daschiass i di!" und die zitierte Aussage eines Polizisten nicht abzudrücken, OBWOHL er es rechtfertigen könnte(!), menschenverachtend, um nicht zu sagen Gewalt normalisierend!

Rassistische Beschmierungen, "der Zorn des Landes gegen sogenannte "Asylbetrüger" "; "die Verschärfung der Asylgesetze" , "die platzenden Gefängnisse", all das kann, wie es uns Florian Klenk nahe legt, durch einen Blick in den Votivpark, wo die Ursache: das schwarze, aggressive, "einfach nur kriminelle" ܜbel werkt, erklärt werden.

Alles in allem stellt eine derartige Berichterstattungspraxis die Glaubwürdigkeit des Falters als kritisches Medium in Frage. Daher fordern die unterzeichnenden Organisationen und Personen unverzüglich eine öffentliche Stellungnahme!

PAMOJA. - Bewegung der jungen afrikanische Diaspora
P.A.N.A.F.A - Pan African Forum Austria
S.F.C. - Schwarze Frauen Community
RADIO AFRIKA
AKSMÖ - Aktionskommittee schwarze Menschen in der Öffentlichkeit
A.M.I.R.T.A.
BUM - Büro für ungewöhnliche maßnahmen
INITIATIVE MINDERHEITEN
PEREGRINA
FEMIGRA - Feministische MigrantIinnen
Frauenhetz
Im KONTEXT - Institut für Organisationsberatung, Gesellschaftsforschung, Supervision und Coaching
TOOL - Trainings Offensive Opensource&Linux
Gemeinsam gegen Rassismus
SNAG - süd Nord Aktionsgruppenentwicklungskonsulting
OWO - One Woman Opposition
Ljubomir Bratic
Marty Huber, Mitarbeiterin vom Rosalilatip, Dramaturgin
Nora Sternfeld
Lisl Ponger

Antwort von Florian Klenk


Liebe (leider meist anonyme) Unterzeichnende,

Dass mir in einem offenen Brief Verharmlosung polizeilicher Gewalt und
indirekt die Legitimierung von Rassismus unterstell wird, hätte ich Euch
nicht zugetraut.

Ich möchte nur kurz in Erinnerung rufen, dass es vor allem auch meine
Recherchen waren, die in den fällen Omofuma, Mutombo, Ndupu, Wague, Ilter, Imre B., Spiess, He, Sowe um nur einige zu nennen zu gerichtlichen Anklagen und öffentlichen Debatten über Rassismus und Polizeimissbrauch führten.

Auch der Polizist, der seine Waffe an den Kopf des Afrikaners im Votivpark setzte, bekommt wegen meines Berichtes sein Strafverfahren. Es reicht, wenn ich seine Aussagen abdrucke. Ich glaube nicht, dass ich sie noch groß kommentieren muss.

Ich habe in meinem Text ausdrücklich betont, dass für die Gewalttaten und Schmierereien, die ich als "Volkswut" bezeichnete, kein Verständnis aufzubringen ist. "Verständnis" und "Verstehen" sind verschiedene Dinge.

Ich halte ich es für wichtig, auch jene Orte zu beschreiben, in denen sich Rassisten ihre Vorurteile abholen. Ich halte es auch für wichtig, über die Nöte von jenen Afrikanern zu berichten, die in ihren Flüchtlingslagern unter der Dealerei sehr leiden. Ja, und ich glaube auch, dass es Polizisten gibt, deren Aussagen zitiert werden können, ohne dass man deshalb zum Rassisten oder Sympathisanten wird.

Mit der Legitimierung polizeilicher Gewalt oder mit der Akzeptanz und Verharmlosung von Rassismus hat das nichts zu tun. Schon gar nicht mit einer "Berichterstattungspraxis" (was für ein Wort!) des Falter.

Florian Klenk

PS: dass Radio Afrika den Brief mitunterschreibt, finde ich überhaupt
bemerkenswert, da mir ein führender Mitarbeiter, Simon Inou, noch
ausdrücklich telefonisch zu dem Text gratuliert hatte.