Quellenangabe:
Offener Brief der Gruppe Freiraum (vom 04.06.2005),
URL: http://no-racism.net/article/1246/,
besucht am 24.11.2024
[04. Jun 2005]
Offener Brief der Gruppe Freiraum
Am Mittwoch den 25.5.2005 wurde das 1400 Quadratmeter große Gelände hinter dem Narrenturm im alten AKH, dem Universitätscampus Wien, zum vierten mal besetzt. Freiraum fordert dieses zum großteil leerstehende Gebäude und den dazugehörigen Hof, um ein Selbstverwaltetes Zentrum einrichten zu können.
Offener Brief der Gruppe Freiraum
Sehr geehrter Rektor Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler
Sehr geehrter Vizerektor Univ.-Prof. Mag. Dr. Johann Jurenitsch
Sehr geehrter Mag. Dieter Spadt
Sehr geehrte Elke Weinlechner
Sehr geehrter Ing. Gerhard Tutschek
Wie Ihnen vielleicht zu Ohren gekommen ist, wurde das Areal hinter dem Narrenturm am Universitätscampus in der Nacht auf Donnerstag, den 26. Mai zum vierten Mal besetzt. Warum?
Es geht uns, wie wir bereits dargelegt haben, um eine sinnvolle Nutzung des Geländes als autonomer Freiraum, als offenes soziales Zentrum. Nicht erst im Zuge der Wiederbesetzung, bereits bei den Aktionen im Sommer 2004 haben wir Sie ausfÃŒhrlich über unsere Perspektiven für das Areal informiert, das derzeit abgesehen von seiner teilweisen Nutzung als MÃŒllplatz leer steht und verfällt.
Unzählige Menschen sind bereit, sich für die Instandsetzung des Geländes zu engagieren und planen Projekte, von denen eine offene Küche, ein nicht-kommerzielles StudentInnen-Beisl ohne Konsumzwang, ein Frauenraum, ein Kost-Nix-Laden und Veranstaltungsräumlichkeiten nur einige sind. Projekte also, die der rapide zunehmenden Kommerzialisierung entgegenwirken sollen, die den universitären Raum mehr und mehr ergreift. Unserer Meinung sollte einer Universität, die offen ist für kritisch-wissenschaftliche Diskurse, daran liegen, Freiräume zu schaffen für die kritische Analyse der herrschenden Gesellschaftsstrukturen, Freiräume für künstlerische und kulturelle Aktivitäten, Freiräume, um Formen des gesellschaftlichen Miteinander zu finden, die sich abseits kapitalistischer VerwertungszwÀnge und Ausbeutungsstrukturen bewegen. Solche Freiräume spielen eine zentrale Rolle für das universitäre Klima. Die Universität muss endlich ihre Verantwortung wahrnehmen, offene räume für unabhängiges Denken und Agieren bereitzustellen.
Das Gegenteil ist der Fall. Trotz unserer Bemühungen um konstruktive Gespräche hÃŒllen sich das Rektorat und die für die Raumpolitik der Universität Verantwortlichen in würdevolles Schweigen. Nicht nur das, sie bekunden wieder und wieder ihre absolute Gleichgültigkeit unseren Anliegen und Vorschlägen gegenüber, das Desinteresse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema könnte größer nicht sein. Ihren Gipfelpunkt findet diese Politik der Indifferenz in der Generalvollmacht, die der Exekutive von Seiten der Universitätsleitung erteilt wurde und die diese bemächtigt, das Areal jederzeit ohne vorherige Rücksprache mit dem Rektorat gewaltsam zu räumen. Auf diese Weise geben die eigentlich Verantwortlichen ihre Entscheidungsgewalt ab an VertreterInnen einer Institution, der es bis vor Kurzem sogar untersagt war, Universitätsgelände zu betreten. Dies ist
jedenfalls ein äußerst prekärer Punkt: anstatt sich in irgendeiner Form mit unseren Inhalten und unseren Aktionen auseinander zu setzen, tritt die Universität ihre Autonomie bis auf Widerruf zugunsten polizeilicher Willkür ab. Wie weit diese schon geht, hat die Räumung des Areals am Donnerstag morgen gezeigt: völlig ohne rechtliche Grundlage hinderte die Polizei anwesende JournalistInnen an der Dokumentation der Räumung, Kameras wurden konfisziert und Bilder unrechtmäßig gelÃŒscht, die BesetzerInnen unter Beschimpfungen nicht nur aus dem Areal, sondern auch von öffentlichen Flächen davor vertrieben.
Dieser schwerwiegenden Autonomiebeschneidung muss ein Ende gesetzt werden. Wir fordern einen unbefristeten Nutzungsvertrag für das gesamte Areal hinter dem Narrenturm (Werkstättenhof) für einen Euro pro Jahr (inkl. Betriebskosten), zusätzlich die Kosten für die Instandsetzung der Gebäude und die Sanierung des Geländes gemäß unserem Sanierungskonzept. Sobald wir von Ihrer Seite konstruktive Rückmeldung in Form einer Gesprächsaufnahme und prinzipieller (schriftlicher) Interessensbekundung erhalten, sind wir gerne bereit, ein detailliertes Nutzungskonzept sowie einen vorläufigen Entwicklungsplan des Projekts zu präsentieren. Wir laden Sie ein, die Hand endlich zu ergreifen, die wir Ihnen wohlwollend entgegenstrecken.
Wie bisher erreichen Sie uns unter der Adresse
gruppe_freiraum (at) gmx.net.
Wir freuen uns über Ihre umgehende Antwort und verbleiben herzlichst
Ihre Gruppe Freiraum