Quellenangabe:
Afrikaner im Zoo / Wir protestieren! (vom 05.06.2005),
URL: http://no-racism.net/article/1248/,
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[05. Jun 2005]
Proteste gegen das "African Village" im Augsburger Tierpark.
Mit ausgesprochenem Befremden hat die Schwarze deutsche Gemeinschaft zur Kenntnis genommen, dass vom 9. - 12. Juni 2005 im Augsburger Zoo eine Art afrikanisches Dorf entstehen soll.
"Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter" - so ein Auszug aus dem Werbetext der VeranstalterInnen. Dass es sich dabei um eine in konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der völkerschauen stehende Veranstaltung handelt, wird aus dem Antwortbrief von Frau Dr. Barbara Jantschke (Zoo Augsburg) ersichtlich, der als Reaktion auf die durchaus berechtigte und besorgte Nachfrage eines schwarzen Schweizer bürgers verschickt wurde. Demnach handelt es sich beim Augsburger Zoo um den "genau 'richtige(n) Ort', um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln."
Ganz offensichtlich scheinen sich den VeranstalterInnen die historischen Dimensionen ihres Projektes nicht zu erschließen, was vor dem Hintergrund der mittlerweile auch in Deutschland öffentlich stattfindenden Diskussionen zu Implikationen und Folgen der deutschen Kolonialherrschaft auf eine erstaunliche Resistenz verweist. Die Reproduktion kolonialer Blick-verhältnisse, in denen Schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen dürflichkeit betrachtet werden können und den Mehrheitsdeutschen als Inspiration für künftige touristische Reiseziele dienen, ist wohl kaum als gleichberechtigte kulturelle Begegnung zu verstehen. Abgesehen davon, dass der afrikanische Kontinent nicht nur aus "Savanne" und "Dorf" besteht und sich nicht unter einem singulären Kulturbegriff ("African Village") subsumieren lässt, spricht die gesamte Herangehensweise der VeranstalterInnen von einer erschreckend ungebrochenen Verdrängung historischer Kontinuitäten, mit der die Aneignung und Einverleibung vermeintlich exotischer Orte und Menschen immer wieder neu begründet werden kann.
Wir möchten die VeranstalterInnen daran erinnern, dass in der Geschichte der völkerschauen nicht nur rassenanthropologische Untersuchungen an den DarstellerInnen vorgenommen worden sind, sondern dass viele von ihnen in Folge der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen starben. Wir weisen darüber hinaus mit Nachdruck darauf hin, dass Schwarze Deutsche auch während des Nationalsozialismus, nämlich von der Zwischenkriegszeit bis in die vierziger Jahre, dazu gezwungen waren, in völkerschauen aufzutreten, weil ihnen andere professionelle Sphären verschlossen wurden. Viele Schwarze Menschen kamen im Zuge der rassistisch begründeten Herabwürdigung und juristisch legalisierten Verfolgung während des Nationalsozialismus ums Leben. Im ahistorisch situierten Kontext des Augsburger Zoos werden in geschmackloser Art also nicht nur die (überlebens)-Geschichten Schwarzer Kolonial- und NS-Opfer verhÃŒhnt, sondern es ist darüber hinaus zu fragen, an wen sich der von den VeranstalterInnen explizit artikulierte unbekümmerte Anspruch, "die Toleranz und völkerverständigung (zu) fördern" , eigentlich richten kann.
Die AdressatInnen sind ganz sicher nicht Schwarze deutsche Menschen oder solche mit Migrationshintergrund. Wie wäre es ansonsten zum Beispiel mit einer - unserer Ansicht nach typisch deutschen - Kulisse des Rotwild- oder Wildschweingeheges, vor der bayerische BergdürflerInnen zu bestaunen und uns mit ihrer Handwerkskunst und ihren kulinarischen Spezialitäten auch gleich die touristischen Weiten deutscher Landstriche authentisch vor Augen führen? AdressatInnen sind sicherlich auch nicht die vielen weissen Menschen in diesem Land, die sich um ein gleichberechtigtes Miteinander, um Offenheit und Respekt und um überwindung der geschichtlich bedingten Grenzen in den Köpfen und einer damit einhergehenden Ignoranz bemühen.
Es ist an der Zeit, sowohl Deutschlands mehrere Jahrhunderte andauernde Verstrickung in die koloniale Geschichte als historische Tatsache anzuerkennen und sich damit auseinanderzusetzen als auch mit der geschichtslosen und folkloristischen Darstellung und Behandlung von Menschen afrikanischer Herkunft in diesem Land zu brechen.
Eine kolonialrassistische Zur-Schau-Stellung im Zoo wird keinem Menschen gerecht!
Wir protestieren ausdrücklich gegen ein "Afrikanisches Dorf / African Village" im Zoo! Wir fordern von den Verantwortlichen, dass sie von ihrem Vorhaben Abstand nehmen und für ihre geplante Veranstaltung einen anderen Ort wählen. NaTürlich richtet sich unser Protest nicht gegen Afrika- Festivals grundsätzlich, sondern dagegen, dass Menschen im Zoo zur Schau gestellt werden. In der Vergangenheit ging Europa derart menschenverachtend mit afrikanischen und auch mit asiatischen Menschen um, in der Gegenwart hat eine solche Praxis keinen Platz.
Sollten die Veranstalter an dem Veranstaltungsort Zoo festhalten, werden wir zu Aktionen dagegen aufrufen und unsere Sichtweise den BesucherInnen der Veranstaltung deutlich machen.
Die Schwarze deutsche Community ruft zu Protesten gegen die Veranstaltung "African Village" im Augsburger Zoo auf. Wir rufen dazu auf, jetzt und in Zukunft mit kolonialrassistischen Traditionen zu brechen!
Mit freundlichen Grüßen,
Peggy Piesche (Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Black European Studies, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz)
Nicola Laure al-Samarai (Historikerin, TU Berlin)
Tahir Della (Vorstand ISD-Bund e.V./ München)
Jasmin Eding (Vorstand ADEFRA e.V./ München)