Quellenangabe:
Europa für alle gleich? (vom 05.01.2003),
URL: http://no-racism.net/article/132/,
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[05. Jan 2003]
Seit Jahren gehört die Harmonisierung des Asyl- und Fremdenrechts zu den Dauerbrennern der EU-Politik. Die ersten Richtlinienentwürfe der EU-Kommission im Jahr 2000 ließen in Österreich gewisse Hoffnungen auf eine Verbesserung der Situation aufkommen. Aber spätestens nach dem 11. September 2001 hat sich die Linie der Repression durchgesetzt.
Schon die ersten Schritte zu einer Europäischen Migrations- und Asylpolitik waren von restriktiven Regelungen bestimmt. Die 1992 unter dem Titel "Londoner Resolutionen" verabschiedeten Entschließungen des Rates zu einem einheitlichen Konzept im Asylwesen enthielten die inzwischen weitverbreiteten Konzepte "sicheres Drittland", "sicheres Herkunftsland" und "offensichtlich unbegründeter Antrag". Zwar handelt es sich dabei nicht um zwingende Vorgaben der EU an die Mitgliedsländer, nichts desto weniger erlebten diese Bestimmungen eine erstaunliche Karriere. Besonders das Konzept des "sicheren Drittlandes" wurde seither in nahezu alle nationalen Asylgesetze eingebaut. Es ermöglicht, AsylwerberInnen mit der Begründung, eines der Länder, das sie auf ihrer Flucht durchquert haben, hätte ihnen Schutz vor Verfolgung bieten können, den Zugang zu einem ordentlichen Asylverfahren zu verwehren. Österreich hatte diese Regelung, ebenso wie die Möglichkeit, "offensichtlich unbegründete" Asylanträge in einem Schnellverfahren abzulehnen, bereits ins Asylgesetz 1991 aufgenommen.
Wichtige Regelungen für ein gesamteuropäisches Asyl-, Einwanderungs- und Grenzregime sind natürlich auch die Übereinkommen von Dublin und Schengen, die einerseits die Kontrolle der EU-Außengrenzen und Maßnahmen gegen "illegale Migration" regeln, andererseits Richtlinien beinhalten, welcher Staat innerhalb der EU für Asylanträge zuständig ist.
Mit der Unterzeichnung des Amsterdamer Vertrags, der am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist, erreichten die Bemühungen zur Harmonisierung ein neues Stadium.
Die grundlegende Neuerung betrifft die Überführung der Asyl- und Einwanderungsangelegenheiten von der so genannten "dritten Säule" (u.a. Innere Sicherheit - Zuständigkeit: Innen- und Polizeiminister) in die "erste Säule" und somit ins Gemeinschaftsrecht. Der Amsterdamer Vertrag gibt nicht vor, wie die einzelnen Bestimmungen aussehen sollen, sondern legt nur jene Bereiche fest, in denen es, in einer Frist von zwei bzw. fünf Jahren, zu Regelungen im Gemeinschaftsrecht kommen soll. Festgehalten sind diese Punkte im Titel IV des Amsterdamer Vertrags über "Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr" zum "Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts".
Eigentlich wäre es eine gute Sache den traditionell paranoiden Innenministern die Kompetenz für Flüchtlingsfragen wegzunehmen und den gesamten Bereich weg von polizeilicher Willkür hin zu gesetzlich garantierten Rechten zu verschieben.
Der Haken dabei: Während der Übergangszeit verbleiben die Asyl- und Migrationsagenden weiter in der "dritten Säule", also im Entscheidungsbereich der Innen- und Justizminister der Mitgliedsländer. Es gilt auch weiter das Prinzip der Einstimmigkeit bei Beschlüssen. Das verzögert einerseits die Verhandlungen erheblich andererseits führte diese Regelung dazu, dass es zu einer Harmonisierung auf unterstem Niveau zu kommen scheint.
Ein Beispiel: Lange wurde über die Richtlinie zur Aufnahme von AsylwerberInnen verhandelt. Österreichische NGOs frohlockten bereits, dass jetzt mit der skandalösen Österreichischen Praxis Flüchtlinge auf die Straße zu stellen endlich Schluss sei und hofften dass AsylwerberInnen ähnlich wie bis vor kurzen in Großbritannien nach einem Jahr legal arbeiten dürfen werden. Was sich soweit mensch es jetzt sagen kann (die Richtline war bereits im April 2002 beschlossene Sache wurde aber im Herbst aufgrund eines Vorbehalts der BRD zum Teil neu verhandelt - ist also immer noch nicht unterzeichnet) bewahrheitet hat, ist dass alle AsylwerberInnen versorgt werden müssen. Aber auf irgendwelche Standards wollten sich die Innenminister nicht festlegen. So werden Flüchtlinge nur in Notfällen medizinisch versorgt werden müssen, weiter in Massenquartieren angehalten, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und mit einem weitgehenden Arbeitsverbot belegt werden. Es steht den Mitgliedsländern zwar frei bessere Standards einzuführen - aber welcher Finanzminister wird das zulassen.
Die Innenminister haben also das Heft nicht aus der Hand geben und diktieren wie die Gesetze ausschauen werden, NGO-Forderungen nach einer offenere Einwanderungspolitik und hohen Standards im Asylrecht haben so geringe Chancen.
Schneller und harmonischer wurden von den Innenministern alle restriktiven Regelungen beschlossen. So wurde schon am Anfang des Prozesses das europäische Fingerprint-System EURODAC abgesegnet, das alle AsylwerberInnen und "illegale Grenzgänger" registriert und es unmöglich machen soll, dass ein Flüchtling in mehreren EU-Staaten um Asyl ansucht. Im Zusammenspiel mit dem Dubliner Übereinkommen sorgt EURODAC dafür, dass AsylwerberInnen in das Land zurückgebracht werden, wo sie erstmals EU-Boden betraten. Also zum Beispiel von Großbritannien zurück nach Österreich, auch wenn sie nahe Verwandte in London haben und ihre Lebensbedingungen und "Integrationschancen" dort viel besser wären.
Lieblingsthema der vereinigten Europäischen SicherheitspolitikerInnen ist natürlich der Kampf gegen das "Schlepperunwesen". Da wurden auch beim der letzten Ratssitzung am 28./29. November ordentlich was weitergebracht. "Endlich", jubilierte Frau Krawagna-Pfeifer im "Standard". "Wenigstens im Kampf gegen den Menschenschmuggel haben sich die EU-15 auf eine einheitliche Vorgangsweise geeinigt. Nach dem dieswöchigen Beschluss der EU-Innenminister drohen bei Menschenschmuggel harte Strafen" freut sie sich weiter.
Weitere gemeinsame Aktionen in diese Richtung: Gemeinsame Visabestimmungen, erheblicher Druck auf Staaten des Trikont (z. B. im Rahmen der des Lome Abkommens) Rückübernahmeabkommen abzuschließen, Verhandlungen über eine gemeinsame EU-Grenztruppe, "Carrier Sanctions" für Transportunternehmen, die AsylwerberInnen ohne Papiere in die EU bringen ...
Ganz anders schaut es mit der Umsetzung der im Artikel 13 vorgesehenen Antidiskriminierungsmaßnahmen aus. Außer in jenen Ländern wie Großbritannien oder den Niederlanden, die ohnehin über eine weit entwickelte Antidiskriminierungsgesetzgebung verfügen, gibt es kaum Anzeichen für einen verbesserten Schutz von Minderheiten. Selbst Österreich sieht auf diesem Gebiet nicht wirklich Handlungsbedarf. Die Antidiskriminierungs-Richtlinie ist zudem vage, die Umsetzungsfristen sind lang und sollte Österreich bis dahin nichts getan haben, wird man sich vermutlich ersteinmal klagen lassen und damit weitere Jahre gewinnen, bis man irgendetwas tun muss.
Ähnlich verhält es sich bei Fragen wie der Familienzusammenführung, wo ein ursprünglich liberaler Entwurf grausam verstümmelt wurde und selbst diese Minimalvariante von Österreich blockiert wird, weil man nicht bereit ist die Quote bei der Familienzusammenführung aufzugeben. Auch die Freizügigkeit von "Drittausländern" innerhalb der EU die nach fünfjährigen legalen Beschäftigungsverhältnis in einem Mitgliedsland vorgesehen war, ist immer noch nicht umgesetzt. Die SPÖ-Europaabgeordnete Maria Berger, die sich sonst recht fortschrittlich gibt, befürchtete bei der Präsentation des ersten Entwurfes der Freizügigkeits-Richtlinie Gefahren für die "Innere Sicherheit".
Die Umsetzung der Vorgaben des Amsterdamer Vertrags in Bezug auf Asyl- und Migrations- und Antidiskriminierungsfragen in das EU-Gemeinschaftsrecht bedeutet immerhin einen Schritt heraus aus dem Dickicht innenministerieller Geheimverhandlungen. Erstmals wäre es möglich eine öffentliche Debatte zu führen und auch der Endpunkt der institutionellen Reform, der Übergang von der Verantwortung des Rates der Innen- und Justizminister zum Gemeinschaftsrecht birgt die Chance auf mehr demokratische Kontrolle und Transparenz. Diese Chancen wurden aber von den NGOs in diesem Bereich noch zu wenig genutzt, die AktivistInnen von Kampagnen wie no-border leisten da zwar gut Arbeit, aber sie werden von den etablierten Menschenrechtsorganisationen allein gelassen. Es hat sich zudem ein System der Zusammenarbeit der Polizei- und Sicherheitsapparate etabliert, mit Möglichkeiten von Koordinierung und Datenaustausch, das kaum mehr unter Kontrolle gebracht werden kann.
Dieser Text von "freundlichen MitarbeiterInnen einer NGO" erschien zuerst im :: TATblatt +194.