Quellenangabe:
Stellungnahmen zur geplanten Staatsbürgerschaftsnovelle (vom 22.10.2005),
URL: http://no-racism.net/article/1401/,
besucht am 24.12.2024
[22. Oct 2005]
In den Stellungnahmen der NGOs wurde massive Kritik aus verschiedenen Blickwinkeln am Entwurf zum neuen Staatsbürgerschaftsgesetz geäußert.
Der Entwurf für eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 liegt vor und bis 17. Oktober 2005 konnten Stellungnahmen eingebracht werden, die hier auszugsweise dokumentiert werden. Die Novelle, die Anfang Dezember im Parlamentsplenum beschlossen werden soll, bringt sogar Kritik durch den in Einbürgerungsfragen sonst eher unauffällig agierenden Rechnungshof: Das in Zukunft geplante schriftliche Abfragen der Deutschkenntnisse werde zu Mehrkosten führen, mahnte die Finanzkontrollbehörde.
2004 erhielten insgesamt 41.645 Menschen einen österreichischen Reisepaß. Die meisten von ihnen mussten einen Aufenthalt von 10 Jahre vorweisen, einige Gruppen konnten bereits nach vier Jahren oder früher um die Staatsbürgerschaft ansuchen: zB anerkannte Flüchtlinge, EWR Staatsangehörige und Familienangehörige von ÖsterreicherInnen. Die Einbürgerung dieser soll zukünftig frühestens ab sechs Jahren Aufenthalt unter erschwerten Bedingungen möglich sein. Damit gibt sich Österreich eine der strengsten Regelungen in Europa überhaupt.
Am 17. Oktober endete die Begutachtungsfrist, die Stellungnahmen der NGOs zeigen die Mängel der Gesetzesnovelle auf, aber die Kritikpunkte werden wohl unberücksichtigt bleiben.
Das Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen sieht in den "Verschärfungen" den verkehrten Weg. "Ein demokratischer Staat sollte Einbürgerung nicht nur zulassen, sondern auch fördern", heißt es in der Stellungnahme zum Entwurf. Nachdem sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht an den Besitz der Staatsbürgerschaft gekoppelt ist, "entstehe durch längere Einbürgerungsfristen und Einbürgerungshindernisse eine immer größere Gruppe von Rechtsunterworfenen, die politisch nicht repräsentiert und damit ein Demokratiedefizit". Dies wirke sich negativ auf Identifikation mit dem Gemeinwesen und die Integrationsmotivation der MigrantInnen aus.
Diesbezüglich fordert das Beratungszentrum Einbürgerungsanreize, wie etwa eine Verkürzung der Einbürgerungsfristen, eine Senkung der Verleihungsgebühr oder das Recht auf Berufung im Verleihungsverfahren. Kritisch betrachtet das seit 20 Jahren in Österreich tätige MigrantInnen-Beratungszentrum die festgeschriebene Ablegung einer schriftlichen Prüfung, die allgemeine Wartezeit für Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung oder für Ehegatten, die Regeln für ein nachweisbaren Einkommen - wobei Sozial- oder Notstandshilfebezüge nicht mehr ausreichen - und auch die Regelung für Asylberechtigte sei "unangemessen".
:: Stellungnahme als .pdf
Für die asylkoordination österreich und dem Verein Integrationshaus stellt sich beim vorliegenden Entwurf für eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes die grundsätzliche Frage, welche quantitativ relevanten und nachvollziehbaren Schwierigkeiten oder Defizite sich aus der bestehenden Rechtslage ergeben haben, die eine weitgehende Änderung erforderlich machen würden. Verweise in den Erläuterungen auf einen Regierungsbeschluß bieten jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die hervorgehobene Intention, die Einbürgerungspraxis der Länder zu vereinheitlichen, wäre auch durch alternative Regelungen anstatt der Erhöhung von Fristen und Verschärfung der Voraussetzungen zu erzielen, auch die den Ländern zukommende Verordnungsermächtigung in Hinblick auf die 'Integrationsprüfung' steht dieser Absicht entgegen.
Mehrfach wurden Rechtsansprüche durch Ermessensentscheidungen ersetzt, Fristen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft von EhegattInnen von ÖsterreicherInnen und anderer privilegierter Gruppen hinaufgesetzt, die Möglichkeit der Einbürgerung bei besonders guter persönlicher und beruflicher Integration sowie Schutzbedürftigen wurde abgeschafft und dafür die Hürde schriftlicher Sprach- und Geschichtsprüfungen eingeführt. Diese Verschärfungen sind demokratiepolitisch bedenklich, da durch die längeren Einbürgerungsfristen und Einbürgerungshindernisse eine immer größere Gruppe von Rechtsunterworfenen politisch nicht repräsentiert sind.
Die vorgesehenen Änderungen würden Österreich im Vergleich zu den anderen EU Staaten am restriktivsten bei Einbürgerungen machen.
:: Stellungnahme auf der Website der asylkoordination
Aus Sicht des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte stößt das neue Gesetz "in mehrfacher Weise auf schwerwiegende grund- und menschenrechtliche Bedenken". In der Stellungnahme verweist es dabei auf internationale Rechtsbestimmungen, die den Umkehrschluss zulassen, dass "der Zugang zu und wie auch die Verleihung einer beantragten Staatsangehörigkeit nicht willkürlich beschränkt werden darf".
An den rechtlichen Status der Staatsangehörigkeit sind die Zuerkennung bestimmter Grundrechte und anderer individueller Rechte (von politischer Mitbestimmung bis zum Zugang zu bestimmten Sozialleistungen) geknüpft. Die Staatsangehörigkeit ist somit für AusländerInnen bzw. Drittstaatsangehörige die Voraussetzung dafür, auf nationalstaatlicher Ebene bestimmte für die Lebensführung und ihre Integration im Inland wichtige Rechte wahrnehmen zu können.
Durch die geplante Verlängerung der notwendigen Anwartschaftszeiten und die Verschärfung der zu erfüllenden Voraussetzungen bleiben Menschen, die in Österreich leben, arbeiten und Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, über eine noch längere Zeitspanne als bisher vom Zugang zum aktiven und passiven Wahlrecht und damit vom politischen Willensbildungsprozess ausgeschlossen.
:: Stellungnahme als .pdf
Die Einführung von schriftlichen Prüfungen zwecks Evaluierung der Deutsch- und Staatsbürgerschaftskenntnissen von EinbürgerungswerberInnen wird auch vom Netzwerk Sprachenrechte abgelehnt. Nicht nur, weil ihrer Stellungnahme zufolge mangelnde Sprach- und Geschichtskenntnisse kein Grund für die Vorenthaltung elementarer Staatsbürger-rechte sein dürfen, sondern weil mit den Prüfungen Ängste verbunden seien und ein Großteil der Betroffenen aus unterschiedlichen Gründen, wie etwa der Art der Alphabetisierung, Sozialisierung, der eigenen Schulbildung, usw., benachteiligt und überfordert sein würden.
"Grundsätzlich" sollte laute Netzwerk Sprachenrechte im Staatsbürgerschaftsgesetz der Pflichtschulbereich sowie besonders benachteiligte Personengruppen, wie etwa alte oder kranke Menschen, herausgehalten werden.
:: Stellungnahme als .pdf
Das geplante Staatsbürgerschaftsgesetz bringt für anerkannte Flüchtlinge eine neue, zusätzliche Wartefrist: Diese bisher unbeachtete Folge der Novelle ist das wichtigste Ergebnis einer flüchtlingsrechtlichen Analyse des Gesetzesentwurfs durch das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR.
Grundsätzlich sei die Einbürgerung eines anerkannten Flüchtlings zu beschleunigen, zitiert das UNHCR in seiner am Freitag veröffentlichten Analyse den Artikel 34 der Genfer Flüchtlingskonvention.
Konkret kritisiert UNHCR, dass Flüchtlinge für die Staatsbürgerschaft jahrelang vor der Einbürgerung einen "ausreichend gesicherten Lebensunterhalt" haben müssten - und das ausnahmslos: Für ältere, schwer kranke oder gebrechliche Frauen und Männer, aber auch für jugendliche Flüchtlinge eine hohe Hürde. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat schlägt daher einen Ermessensspielraum für humanitäre Einzelfälle vor. Auch bei den Sprachkenntnissen solle man lieber, wie im geltenden Gesetz, auf die Lebensumstände des Flüchtlings Bedacht nehmen.
:: Stellungnahme als .pdf
"Das Wohl des Kindes ist ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Dazu ist Österreich seit der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention vor 13 Jahren verpflichtet. Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung für ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz kennt jedoch kein "Wohl des Kindes", sondern bringt für Kinder und Jugendliche in Österreich massive Verschlechterungen." lautet die Kritik der "National Coalition – Netzwerk Kinderrechte", einem österreichweiten Zusammenschluss von Kinderrechtsorganisationen im Nichtregierungsbereich. In einer detaillierten Stellungnahme des Netzwerkes mit sieben konkreten Beispielen wurden die geplanten Änderungen dahingehend beurteilt, inwieweit sie die Rechte von Kindern berühren und welche praktischen Auswirkungen sie auf junge Menschen haben. "Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, also auch beim vorliegenden Gesetzesentwurf, ist der Staat Österreich zu einer kindsensiblen, differenzierenden, auf die Bedürfnisse junger Menschen besonders zugeschnittenen Herangehensweise verpflichtet. Davon kann bei den geplanten Änderungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes keine Rede sein. Außerdem kann nach unserer Auffassung Integration nur als zweiseitiger Prozess verstanden werden, wobei die Staatsbürgerschaft diesen Prozess begleiten und unterstützen soll." so die Mitgliedsorganisationen des Netzwerkes ablehnend.
:: Stellungnahme als .pdf