Quellenangabe:
Freiheit für Mumia Abu Jamal (vom 10.12.2005),
URL: http://no-racism.net/article/1483/,
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[10. Dec 2005]
Am 6. Dezember 2005 hat ein Berufungsgericht in den USA ein wichtiges Urteil zur Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den 1982 zu Tode verurteilten Mumia Abu Jamal gefällt. Das Urteil wird als entscheidender Erfolg in der Kampagne für die Freiheit Mumia's gewertet.
1982 wurde Mumia Abu Jamal im Zuge eines rassistischen Prozesses unter Vorsitz von Richter Sabo zum Tode verurteilt, als Begründung diente u.a. die frühere Mitgliedschaft des Verurteilten bei der Black Panther Party. Seither gab es mehrere Termine für die Vollstreckung des Todesurteiles, die jedoch aufgrund der Anstrengungen der VerteidigerInnen Mumias, die ihn seit 1992 vertreten, und internationalen Drucks verhindert wurden.
Bis 1990 wurde die durch das Oberste Gericht von Pennsylvania, wieder unter Vorsitz von Richter Sabo, und das Oberste Gericht der USA mehrmals abgelehnt.
Als Mumia am 17. August 1995 hingerichtet werden sollte, konnten dies nur in Verbindung von weltweiten Proteste und einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verhindert werden.
Das Wiederaufnahmeverfahren zog sich von 1995 bis 1997 hin, dann entschied erneut Richter Sabo, er habe 1982 keine Verfahrensfehler gemacht und die von der Verteidigung nachträglich vorgebrachten Beweismittel seien nicht geeignet, eine Wiederaufnahme zu begründen.
Am 4. Oktober 1999 lehnte das Oberste Gericht der USA Mumias Antrag auf Revision ab. Daraufhin setzte der Gouverneur von Pennsylvania, "Henker" Thomas Ridge, den 2. Dezember 1999 als Termin für die Ermordung Mumias fest. Der Hinrichtungsbefehl wurde jedoch durch den Urteilsspruch von Bundesbezirksrichter William Yohn am 26. Oktober 1999 vorläufig aufgehoben.
Im Urteil von Richter Yohn wurde jedoch auch der Schuldspruch des Staatsgerichts von Pennsylvania bestätigt, wonach Mumia Abu-Jamal für den Mord an dem Polizisten Daniel Faulkner verantwortlich gemacht wird. Nur in bezug auf einen Punkt der Berufung Mumia Abu Jamals vor dem Bundesbezirksgericht hat Yohn entschieden, dass der Vorsitzende Richter Albert Sabo im Verfahren 1982 die Geschworenen falsch über den Teil ihrer Entscheidung instruierte, indem er sie angewies, einstimmig zu entscheiden, wenn sie sich für ein milderes Urteil als die Todesstrafe entscheiden würden.
Richter Yohn stützte seine Entscheidung nicht auf den von Mumia's AnwältInnen eingereichten Katalog von juristischen Anfechtungen, neuen entlastenden Beweismitteln und dem Geständnis des eigentlichen Täters Arnold Beverly, sondern einzig auf die Feststellung, die Geschworenen hätten 1982 nicht ausreichend mildernde Umstände berücksichtigt. Daher sei das Strafmaß aufzuheben gewesen und müsse vor einer Jury neu verhandelt werden.
Der Berufungsantrag, in dem die Verteidigung Mumias seit 1995 die Wiederaufnahme des Verfahrens forderte, wurde jedoch abgelehnt. In dem Antrag geht es um Verletzung der verfassungsmässigen Rechte im Verfahren, Manipulation von ZeugInnen und Beweisen usw. (siehe :: Zusammenfassung des Falles bis April 2000)
Seit Anfang 2002 befasst sich die Berufungsinstanz vor dem 3. Bundesbezirksgericht in Philadelphia mit dem Fall. Am 6. Dezember 2005 fällte dieses ein wichtiges Urteil zur Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den 1982 zu Tode verurteilten Mumia Abu Jamal:
Aus dem Katalog der 29 Beschwerdegründe, mit denen die Verteidigung im Berufungsantrag für das Wiederaufnahmeverfahren Verfassungsverstöße gerügt hat, wurden drei zugelassen.
Ein künftiges Urteil vor dem Berufungsgericht setzt diese "Zertifizierung" der Beschwerdegründe voraus. Mit dem Beschluss legt das Gericht allerdings nur fest, dass es diese drei Anträge (Nr. 14, 16 und 29) zur weiteren Verhandlung zulässt, um sie abschließend zu bewerten.
Der erste sogenannte zertifizierte Berufungsgrund, Antrag Nr. 14, bezieht sich auf das Zustandekommen des von der Jury gefassten Schuldspruchs. Staatsanwalt Joseph McGill hatte in seinem Plädoyer die Zweifel einzelner Geschworener an der Schuld des Angeklagten beschwichtigt, indem er betonte, Abu-Jamal könne nach dem Urteil "Berufung nach Berufung" einlegen und seine Unschuld immer noch beweisen. Die Geschworenen fühlten sich dadurch entlastet und verhängten einstimmig die Todesstrafe. Juristisch war mit McGills Behauptung das Prinzip "im Zweifel für die/den Angeklagte/n" auf den Kopf gestellt. Und den Geschworenen war die Möglichkeit genommen, die Zweifel zum Anlass zu nehmen, kein Urteil zu fällen, was zur Neuwahl der Jury und einen neuen Prozess geführt hätte.
Antrag Nr. 16 berührt die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft 1982 die Wahl der 12 Geschworenen (die Jury) nach rassistischen Motiven traf und die Jury mehrheitlich mit Weißen und TodesstrafenbefürworterInnen besetzte. Weiters geht dieser Punkt darauf ein, dass Rassismus seit der Verhaftung Mumia's 1981 bis heute bestimmend für diesen Fall ist.
Antrag Nr. 29 betrifft das voreingenommene und rassistische Verhalten von Richter Albert Sabo, der nicht nur 1982 den Vorsitz im Prozess innehatte, sondern auch in erster Instanz das Wiederaufnahmeverfahren ablehnte (siehe oben). Das 3. Bundesbezirksgericht hat die Überprüfung der Verfassungskonformität seines Verhaltens allerdings auf die Verhandlung über den Wiederaufnahmeantrag im Jahr 1995 beschränkt. Damit wird es leider nicht mehr möglich sein, Sabos durchgängigen Rassismus im Prozess seit 1982 zum Thema zu machen. Bezeichnend ist beispielsweise sein Ausspruch, den eine Gerichtsstenographin vor dem Gerichtssaal gehört und später bezeugt hat: "Ich werde dabei helfen, den N. zu grillen."
Mit der Zertifizierung der drei Beschwerdegründe sind zwar die 26 übrigen von jeder weiteren gerichtlichen Erörterung ausgeschlossen, das Gericht hätte aber auch alle 29 Anträge ablehnen können, was angesichts der bisherigen generellen Ablehnung aller Verteidigeranträge nicht verwundert hätte.
Bevor das 3. Bundesbezirksgericht in den nächsten Monaten abschließend entscheidet, gibt es der Verteidigung bis zum 17. Jänner 2006 Gelegenheit, Schriftsätze mit ergänzenden Erläuterungen einzureichen. Die StaatsanwältInnenschaft hat dann weitere 30 Tage Zeit, Gegenvorstellungen zu erläutern. Das zu erwartende Urteil des 3. Bundesbezirksgerichts kann in der Konsequenz einen neuen Prozess für Mumia Abu-Jamal und seine mögliche Freilassung bedeuten. Es kann aber auch die Umwandlung in lebenslange Haft oder die Bestätigung des Todesurteils bringen
Mumia Abu-Jamal ist ein Schwarzer politischer Gefangener im US-Todestrakt. Das politische und gesellschaftliche Wirken des Journalisten und ehemaligen Black Panther war der Polizei lange ein Dorn im Auge. Denn Mumia war bekannt dafür, dass er als "Stimme der Stimmlosen" und Kritiker von Polizeiübergriffen auftrat.
So auch am 9. Dezember 1981: Im Rahmen einer Verkehrskontrolle wurde der Fahrer des angehaltenen Wagens Billy Cook, Mumias Bruder, von dem Polizeibeamten Faulkner zum Aussteigen aufgefordert und kontrolliert. Officer Faulkner schlug im Zuge dessen mit einer Stabtaschenlampe auf den Kopf Cooks. Diese Auseinandersetzung wurde von Mumia Abu Jamal beobachtet, der zufällig in seinem Taxi am Vorfallort vorbeikam. Mumia hielt an und rannte auf den Polizeibeamten und seinen Bruder zu. Der weitere Hergang ist unklar. Fest steht, dass Officer Faulkner von einem Schuss in den Rücken getroffen wurde und danach einen Kopfschuss ins Gesicht erhielt, an welchem er kurze Zeit nach dem Vorfall starb.
Mumia selbst wurde von Polizisten in die Brust geschossen und schwer verletzt.
In der Folge wurde dem in Polizeikreisen bekannten und nicht gerade geliebten Mumia Abu ein Mord angehängt. Das Verfahren wurde vom rassistischen Richter Sabo, einem früherem Sheriff sowie Mitglied der Polizeigewerkschaft Fraternal Order of Police geleitet. Ihm zur Seite stand eine "fast weiße" Jury. 1982 folgte das Urteil der Geschworenen: Todesstrafe.
Wie Mumia Abu-Jamals WahlverteidigerInnen, die ihn seit 1992 vertreten, nachgewiesen haben war dieses Urteil nur möglich, weil die Polizei belastende Aussagen erpresst hatte.
Von Anfang an waren RichterInnen, StaatsanwältInnenschaft, Polizei und Bürgermeister Rizzo von der Schuld Mumias "überzeugt". Obwohl die AnwältInnen mittlerweile alle "Beweise" für seine Schuld widerlegt haben, war es bis heute nicht möglich seine Freilassung zu erreichen. Mit dem nun gefassten Entscheid ist die Chance auf die Wiederaufnahme des Verfahrens gestiegen. Aber auch weiterhin wird viel vom weltweiten Widerstand gegen die Todesstrafe und für die Freiheit Mumias abhängen.
Der Widerstand gegen das manipulierte Verfahren und für die Freiheit Mumias Abu Jamals hat mittlerweile für großes Aufsehen gesorgt und Mumia weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht. Der internationale Protest von Außen dringt in die Mauern ein und die Isolation in der Zelle wird immer wieder ein Stück weit durchbrochen.
Doch wer ist der Mann mit den Dreadlocks, der ruhigen und warmen Stimme, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen scheint, wirklich? Was hat ihm den Hass des Establishments, der herrschenden Klasse und der Pigs, wie sie in den 60er bezeichnet wurden, eingebracht? Und was erfüllt Mumia Abu-Jamal auch nach 20 Jahren hinter Gittern heute immer noch mit Leben?
Mehr zu Mumia findet in den Hintergrudtexten auf :: mumia.de (runterscrollen) sowie auf :: freemumia.org und :: mumia.org (beide en).
Quellen: :: mumia.com, 7. Dez 2005 :: Junge Welt, 10. Dez 2005 :: CEE IEH #62, Januar 2000 :: mumia.de