Quellenangabe:
Hungerstreik im Flüchtlingslager Traiskirchen (vom 16.01.2006),
URL: http://no-racism.net/article/1529/,
besucht am 27.12.2024
[16. Jan 2006]
Seit Mittwoch Abend protestieren 516 Menschen mit einem Hungerstreik gegen weitere Abschiebungen nach Russland.
Der Umgang der österreichischen Behörden mit tschetschenischen AsylwerberInnen ist von rassistischen Vorurteilen und in vielen Fällen von massiver Polizeigewalt geprägt. Durch einen Hungerstreik versuchen derzeit 516 im Flüchtlingslager Traiskirchen untergebrachte AsylwerberInnen auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Ende vergangener Wochen sprach die Wiener Zeitung mit einigen AsylwerberInnen, die sich im Hungerstreik befinden. "Wir haben geglaubt, in Österreich sind wir sicher", meint etwa der 40-jährige Adam verbittert. Er ist wie viele andere tschetschenische WiderstandskämpferInnen aus Russland geflohen. Dort musste er einge Jahre in einem Folterlager verbringen. Weil er in Polen aufgegriffen wurde und deshalb bereits dort einen Asylantrag stellen musste, ehe er nach Österreich weiter flüchtete, soll er nun aus Traiskirchen dorthin abgeschoben werden. "Und der Weg von Polen zurück nach Russland ins Lager ist kurz", sagte Adam am vergangenen Mittwoch - am Donnerstag befand er sich bereits in Schubhaft.
"Die Abschiebung ist Adams Todesurteil", ist Vaha Banjaev überzeugt. Der 46-Jährige büßte selbst in einem russischen Lager das halbe rechte Ohr ein und setzt sich nun in Wien für tschetschenische Asylwerber ein. Banjaev kritisiert auch, wie die Schubhaft vollzogen wird. "Ein Mann wurde vor seinen Kindern wie ein Schwerverbrecher in Handschellen abgeführt", erzählt er. Seine Frau musste wegen eines Schocks ins Spital gebracht werden.
BMI-Sprecher Johannes Rauch kann mit der Kritik am Vorgehen der Polizei wenig anfangen und übt sich stattdessen in bewährter TäterInnen/Opfer-Umkehr: "In jener Situation wird wohl der Einsatz von Handschellen durchaus notwendig gewesen sein. Die Tschetschenen gehen mit unseren Beamten auch nicht gerade auf die feinste Art um."
Vom Hungerstreik der 516 TschetschenInnen behauptete das Innenministerium am Donnerstag, offiziell noch nichts zu wissen. Dass ein Hungerstreik allerdings keinerlei Wirkung hätte, musste Sprecher Johannes Rauch gegenüber der "Wiener Zeitung" trotzdem unbedingt loswerden. Rauch im Wortlaut: "Wir lassen uns nicht erpressen. An rechtskräftige Abschiebungsbescheide müssen wir uns halten." Auf die Situation, die die AsylwerberInnen in Russland erwarten würde nahm der BMI-Sprecher nicht Stellung. Er verstünde zwar die Angst der TschetschenInnen vor der Abschiebung, beruft sich aber auf das Dubliner Abkommen der EU: "Demnach müssen wir Asylwerber in das Land abschieben, wo sie in die EU eingereist sind."
Quelle:
Wiener Zeitung