Quellenangabe:
'Geheimakte Heß' - Geschichtsrevisionismus im Gewand des Mainstreams (vom 20.01.2006),
URL: http://no-racism.net/article/1531/,
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[20. Jan 2006]
Im Rahmen einer rechtsextremen Marketing Kampagne wird versucht, den Propaganda Film "Geheimakte Heß" im Mainstream zu plazieren. Nach n-t-v und mehreren Münchner Kinos, scheint nun auch das Wiener Lugner Kino den Rechten auf den Leim gegangen zu sein.
Auf mehreren Neonazi-Homepages wird derzeit intensiv für eine Reihe von Aufführungen des Films "Geheimakte Heß" im Februar geworben. Dort wird verlautbart, das Lugner-Kino hätte sich "exklusiv dazu bereit erklärt" den Film "ungekürzt und unzensiert in ihr Programm aufzunehmen". Explizit als Aufführungstermine genannt sind der 05.02., der 12.02., der 19.02. sowie der 26.02.2006.
Die Verantwortlichen des Lugnerkinos waren erst nach zwei E-Mails und mehrmaligen telefonischen Nachfragen zu einer - denkbar kurzen - Stellungnahme bereit. "Der Dokumentarfilm DIE GEHEIMAKTE HESS wird nicht in der Lugner Kino City gezeigt werden", heißt es vom "Team der Lugner Kino City" in einem kurzen E-Mail. Eine weitere Anfrage, wie man sich die zahlreichen Ankündigungen auf den Neonazi-Homepages erklärt, blieb bis dato unbeantwortet.
Die Dokumentation "Geheimakte Heß" wurde von dem rechtsextremen Historiker Olaf Rose gedreht und baut im Wesentlichen auf den Thesen des britischen Autors Martin Allen auf, welche dieser in dem Buch "Churchills Friedensfalle" vertritt. Darin wird behauptet, der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß sei im Mai 1941 im Auftrage Hitlers nach Schottland geflogen, um mit dem Vereinigten Königreich ein Ende des Krieges auszuhandeln. Nur wegen des halsstarrigen und kriegslüsternen Winston Churchill, so die Aussage des Buches, sei Hitler zum Überfall auf die Sowjetunion und letztlich auch zur Shoa gezwungen worden.
Als Übersetzer dieses Buches sowie weiterer Veröffentlichungen von Allen fungierte Olaf Rose selbst, der zudem ein gern gesehener Referent bei rechtslastigen bis rechtsextremen Vereinigungen und Burschenschaften ist. Mitbeteiligt an der Produktion des Films war weiters der PR-Experte Michael Friedrich Vogt, Honorarprofessor an der Universität Leipzig und zugleich der Burschenschaft Danubia verbunden.
Olaf Rose, der auf rechtsextremen Webseiten als "Germanist" vorgestellt wird, betätigt sich seit einiger Zeit als eine Art gemeinsamer Nenner und Schlüsselfigur bei der multimedialen Heß-Vermarktung. Sein Ziel ist eine Revision der Geschichte des Hitler-Stellvertreters.
Rose war bereits im Ruhrgebiet als "Historiker" besonderer Art aufgefallen, als er etwa in Herdecke heimatgeschichtliche Publikationen herausbrachte. Eine "Herdecker Ortschronik 1938 - 1940", die Grundlage einer offiziellen Ortschronik sein sollte, verfasste Rose anhand des Tagebuchs eines Nazi-Bürgermeisters, der "Genugtuung" empfand, wie Rose einfühlend formulierte, als Herdecke im März 1939 "judenfrei" war. Dieser NS-Bürgermeister hatte 1942 ein "Gedenkbuch" für ein gesunkenes U-Boot herausgeben wollen, was wohl aufgrund anderer Prioritäten damals nicht klappte. Rose holte dieses Versäumnis im Jahre 2002 nach und publizierte "U-751 - Triumph und Tragödie eines deutschen U-Bootes".
Von Herdecke führte Roses Weg nach Herne, wo er sich während einer zweijährigen Beschäftigung, die ihm durch das deutsche Arbeitsamt vermittelt wurde, als "Stadtarchivar" verstand. Dort befasste er sich mit der Erstellung einer Dokumentation mit dem Titel "Zwangsarbeit und Kriegsgefangene in Herne und Wanne-Eickel zwischen 1940 und 1945". Seine Erkenntnisse bestanden darin, dass in Herne keineswegs 30.000 ZwangsarbeiterInnen, sondern allenfalls 9.000 gearbeitet hätten, die zudem zumeist gut genährt und als freiwillige Arbeitskräfte tätig gewesen seien. Solche "Erkenntnisse" verbreitete Rose auch auf rechtsextremen Veranstaltungen. Nach Durchsicht der Rose'schen Vorlagen entschied die Kulturdezernentin, diese Ausarbeitungen nicht im Namen der Stadt erscheinen zu lassen; die Stadt Herne trennte sich von Rose.
Nebenher betätigte sich Rose als Übersetzer der bisher zwei Bücher von - wie es der Zufall wollte - einem gewissen Martin Allen, die beide im Druffel-Verlag erschienen sind. Das im Jahre 2000 erschienene Erstlingswerk von Allen wies dabei schon mit seinem deutschen Titel die rechte Richtung: "Lieber Herr Hitler... : 1939/1940: So wollte der Herzog von Windsor den Frieden retten".
Bei der Vermarktung der Dokumentation bedienen sich Olaf Rose und Michael Friedrich Vogt unterschiedlicher, zum Teil durchaus erfolgreicher Methoden. Mit einer geschickten Offensive wird seit einigen Monaten versucht, an Schulen für den geschichtsrevisionistischen Film zu werben. Nach Informationen, die dem IDGR vorliegen, gingen bei mehreren Münchner Gymnasien Schreiben "ehemaliger Schüler" ein, in denen für eine Kinoveranstaltung mit dem Titel "Geheimakte Heß" geworben wird.
Den rechtsextremen Filmschaffenden war es im vergangenen Jahr gelungen, einen 15-minütigen Werbetrailer zum Film im deutschen Nachrichtenkanal n-tv zu platzieren, was in der Szene als großer Erfolg gefeiert wurde. In zahllosen Beiträgen in Web-Foren und auf einschlägigen Webseiten wurde die Ausstrahlung bei n-tv als eine Art Gütesiegel vermarktet. In der deutschsprachigen Ausgabe der Wikipedia war einige Zeit sogar von der "der N-tv-Dokumentation 'Geheimakte Heß'" die Rede - erst gestern wurde der Fehler behoben (siehe :: Wikipedia:Rudolf Heß).
Als "sensationelle Aktenfunde eines britischen Historikers" wurde das Werk dann auch im Anschreiben an Münchner Gymnasien angepriesen, was einige SchülerInnen aufhorchen ließ und die daraufhin eigene Recherchen anstellten. Wie die Schüler herausfanden, wurde das Münchner Kino durch Carsten Beck, 1999 kurzzeitig Stützpunktleiter der JN in München, für mehrere Termine angemietet. Gegenüber den BetreiberInnen des Kinos trat Beck als Vertreter einer Vereinigung mit dem Namen "Veritas" auf. Unter diesem Namen betreibt Carsten Beck allerdings einen Buchversand, dessen Angebot vor allem aus Druckwerken des rechtsextremen Druffel-Verlags besteht - eben jener Verlag, in dem mehrere Bücher von Martin Allen erschienen sind. Inhaber des Verlages ist der mehrfach wegen Volksverhetzung vorbestrafte Gerd Sudholt. Zeitgleich zu dieser Kampagne erschien in dem neurechten Strategieorgan "Junge Freiheit" in der vergangenen Woche eine Anzeige mit einem Hinweis auf die Münchner Kinotermine. Verwiesen wird dabei auf die Internet-Domain geheimakte-hess.de, die auf einen Norman Winkler mit Münchner Adresse angemeldet ist.
Eine ähnliche Marketing-Offensive scheint nun in Österreich anzulaufen. Unterstützt von verschiedenen rechtsextremen Zusammenhängen wie der Jugenzeitschrift AULA, der FPÖ-nahen Wochenzeitung "Zur Zeit" und der Website "Wiener Nachrichten Online" werden auf der Homepage geheimakte-hess.org die Filmvorführungen in der Lugner Kinocity beworben. Auch die Neonazi-Gruppe "Bund freier Jugend" aus Oberösterreich rief dazu auf, den Film in der Wiener Lugner Kinocity anzusehen.
Quellen:
Informationsdienst gegen Rechtsextremismus
Telepolis
Indymedia
n3tw0rk.org