Quellenangabe:
Blockade der Abschiebungen in Moers (vom 17.11.2000),
URL: http://no-racism.net/article/160/,
besucht am 04.12.2024
[17. Nov 2000]
Das Bündnis "Zivilcourage gegen Abschiebungen" konnte mit einer dreistündigen Blockade vor der Abschiebehaftanstalt Moers, sTürend in die allwöchentliche, meist unbemerkte und perfekt funktionierende Abschiebemaschinerie eingreifen.
Abschiebebus der Bielefelder zentralen Ausländerbehörde drei Stunden
lang blockiert, 14.11.2000
Die heute morgen um 9.15 Uhr vor der Abschiebehaftanstalt Moers
begonnene Blockade des Abschiebebusses der Bielefelder zentralen
Ausländerbehörde konnte vom Bündnis "Zivilcourage gegen Abschiebungen"
drei Stunden lang aufrechterhalten werden. Ca. 30 Demonstrantinnen und
Demonstranten hatten sich um und auf dem Bus mit Transparenten und
Sprechchören unter dem Motto "Nazis morden, der Staat schiebt ab"
und "kein mensch ist illegal, Bleiberecht überall" versammelt.
Durch mehrsprachige Texte an den Busscheiben wurden die Flüchtlinge
über das Ziel der Aktion informiert und reagierten positiv
und solidarisch.
Als die Blockade um 12.15 Uhr von der Polizei beendet wurde, hätte die
Abschiebemaschine der rumÀnischen Fluggesellschaft TAROM bereits seit
einer halben Stunde vom Düsseldorfer Flughafen aus gestartet sein sollen. Hiermit ist ein erstes Ziel des Bündnisses, sTürend in die
allwöchentliche, meist unbemerkte und perfekt funktionierdende
Abschiebemaschinerie einzugreifen, erreicht worden.
Jeden Dienstag fährt der Bielefelder Bus über die Stationen der
Abschiebehaftanstalten Büren, Moers und das Frauenabschiebegefängnis
Neuss bis zum Düsseldorfer Flughafen. Es darf nicht länger hingenommen
werden, dass Menschen als unnütze Einwanderer abgestempelt und
daraufhin in Folter und Tod abgeschoben werden.
Jene, die sich einerseits gegen Fremdenfeindlichkeit aussprechen und
gleichzeitig allwöchentlich abschieben lassen, müssen zur Verantwortung
gezogen werden. Eben erst hat das nordrhein-westfälische
Innenministerium nochmals erklärt, dass nun auch die verbleibenden noch ca. 120 kurdischen Flüchtlinge des Wanderkirchenasyls abgeschoben werden
sollen.
Das Bündnis "Zivilcourage gegen Abschiebungen" fordert einen sofortigen
Stopp aller Abschiebungen und die umgehende
Wiedereinreiseerlaubnis für Mehmet Kilic und HÃŒseyin Calhan!!!
Hintergrundinfos:
Blockade des Abschiebebusses der Bielefelder zentralen Ausländerbehörde
Zur Zeit wird in Moers in unmittelbarer Nähe des Abschiebegefängnisses
an der Haagstrasse ein Gefangenentransporter
blockiert. Dieser Bus transportiert regelmäßig jeden Dienstag
Flüchtlinge aus Rumänien, der Türkei und dem Türkischen
Teil Kurdistans von verschiedenen Abschiebehaftanstalten
Nordrhein-Westfalens zum Düsseldorfer Flughafen. Von dort
aus werden sie mit einer Maschine der rumÀnischen Fluggesellschaft
TAROM in ihre Herkunftsländer abgeschoben.
Diese Sammelabschiebungen finden in aller Regel unbemerkt und
ignoriert von der deutschen Öffentlichkeit statt - mit
einigen Ausnahmen aus jüngster Zeit: Vor zwei Wochen wurde der
kurdische Flüchtling aus dem Wanderkirchenasyl und
Preisträger des Aachener Friedenspreises, HÃŒseyin Calhan, trotz
massiver Proteste mit derselben Sammelabschiebung in
die Türkei deportiert; in der Woche zuvor mußte Mehmet Kilic,
ebenfalls Teilnehmer des Wanderkirchenasyl, das gleiche
Schicksal erdulden: Er wurde anschließend in der Türkei von
Zivilpolizisten verhaftet und beinahe eine Woche lang unter
Schlägen verhört (weitere Informationen hierzu siehe
www.stadtrevue.de/kmii).
Die heutige Blockade findet statt vor dem Hintergrund, dass es nicht
mehr zu ertragen ist, in welcher skrupellosen und
menschenverachtenden Weise in NRW Abschiebungen in Folterstaaten wie
die Türkei auch gegen enormen Protest
durchgesetzt werden, während zugleich die hierfür politisch
Verantwortlichen sich erdreisten, öffentlich von "Anständigkeit"
und "Zivilcourage gegen Fremdenfeindlichkeit" zu schwafeln. In bester
deutscher Tradition wird selektiert; in diesem Fall im
Namen des Standortes zwischen MigrantInnen, die "uns nützen" und
solchen, die "unnütz" sind und deren Eliminierung
durch soziale Ausgrenzung, Abschiebehaft und Deportation gesetzlich
legitimiert sind. Der Primat des Nationalen drückt
sich in Statements a l"¡ Beckstein aus: "Wir brauchen mehr Einwanderer
die uns nützen und weniger die uns ausnützen."
Endgültig unerträglich wird es dann, wenn dieselben Politiker sich
gegenRechtsextremismus aussprechen und versuchen,
den Ruf des Standortes zu schützen mit sätzen ! wie:
" Selbst der Ausländer, der morgen abgeschoben wird, soll sich heute
noch sicher vor Übergriffen in Deutschland bewegen
können." etc.
Dieser dreiste Zynismus, der einhergeht mit einer Zuspitzung
rassistischer Politik, welche sich in den erwähnten
Abschiebungen ebenso wie in der Abschiebung der hungerstreikenden
tamilischen Flüchtlinge aus dem Moerser
Abschiebeknast und der Planung der Massendeportation von Menschen aus
dem Kosovo manifestiert, läßt uns keine
andere Wahl, als uns (im Sinne des Wortes) den Abschiebern
entgegenzustellen.
Es darf nicht länger hingenommen werden, daß die Verlogenheit der
selbsternannten "Anständigen", die in Wahrheit die
SchreibtischTäter sind, geschluckt wird. Zynismus ist solange mächtig
und gefährlich, als er nicht erkannt wird. Deshalb
protestieren wir mit unserer Aktion auch dagegen, dass Antirassismus
ereinnahmt wird von denjenigen, die sich tagtäglich
als Hardliner in der Flüchtlings- und Asylpolitik outen und in denen
jede Menschlichkeit und jeder Skrupel verkÃŒmmert ist.
In einem Land, in dem es tatsächlich einen zivilgesellschaftlichen
Konsens gegen Rassismus gäbe, mÃŒÃte diese Konsequenz
von zig-tausenden und tagtäglich praktiziert werden, was in der Tat
ein Ende staatlich-rassistischer Zustände bedeuten
würde. Das dies eines Tages so sein könnte, wagen wir nicht einmal zu
träumen - dennoch haben wir uns dazu entschieden,
Ernst zu machen mit einer praktischen solidarität mit Flüchtlingen und
in die bislang perfekt funktionierende
Abschiebemaschinerie sTürend einzugreifen. Wir hoffen, für dieses eine
Mal effektiv die Routine der Deportationspolitik in
Wanken zu bringen.