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Quellenangabe:
Internationaler Hurentag: 2. Juni (vom 23.05.2006),
URL: http://no-racism.net/article/1692/, besucht am 20.04.2024

[23. May 2006]

Internationaler Hurentag: 2. Juni

LEFÖ fordert rechtliche Anerkennung und ruft mit anderen Organisationen am Nachmittag zur Aktion am Urban Loritz Platz in Wien auf.

Bereits zum 5. Mal macht die Migrantinnenorganisation LEFÖ Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen anlässlich des Internationalen Hurentages in Wien auf die prekäre Situation von Sexarbeiterinnen aufmerksam.

Die fehlende rechtliche Absicherung von Sexarbeiterinnen bedeutet ihren Ausschluss von arbeitsrechtlichen Sozialleistungen und verschärft zusätzlich die Situation von Migrantinnen.

"Das NAG war in diesem Zusammenhang ein besonders harter Rückschlag", präzisiert Maria Cristina Boidi, Koordinatorin von LEFÖ, die Folgen der gesetzlichen Verschärfungen. "Die Mehrheit der Sexarbeiterinnen in Österreich und der EU sind Migrantinnen. Seit 01.01.2006 werden sie in Österreich nicht nur als Sexarbeiterinnen gesellschaftlich stigmatisiert und diskriminiert, sondern - als nicht EU-Bürgerinnen - rechtlich illegalisiert.", so Boidi weiter.

Mit dem NAG wurde das so genannte Prostituierten- bzw. Tänzerinnenvisum - und somit eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit für nicht EU-Migrantinnen, die in der Sexarbeit tätig sind - abgeschafft. Betroffen von dieser Regelung sind unter anderem Frauen aus Rumänien, Bulgarien, Ukraine oder der Dominikanischen Republik. Viele von ihnen waren jahrelang legal in Österreich aufhältig und in der Sex-Industrie tätig.

"Die Illegalisierung dieser Frauen ist nicht nur eine Einschränkung ihrer Rechte. Sie erhöht auch die Gefahr von Ausbeutung und Abhängigkeit.", warnt Boidi vor den Auswirkungen restriktiver Gesetze gegen Sexarbeiterinnen. "Es ist eine scheinheilige Politik, die den Markt und die Nachfrage bedient - und den Frauen jede rechtliche Autonomie verwehrt!", so Boidi abschließend.

LEFÖ lädt am Internationalen Hurentag zur Veranstaltung:

"(Arbeits-) RECHTE! - statt Moral"
Freitag, 2. Juni 2006, 14:00-18:00
1070 Wien, Urban-Loritz-Platz (vor der Hauptbücherei)

um ca. 16:00 Konzert mit SV Damenkraft + Agenda Lobkov

- Aktion gemeinsam mit den Grünen Frauen Wien und dem Verein A.U.S. (Arbeit, Umbruch, Soziales) -



Hintergrund


2. Juni - Internationaler Hurentag

Am 2. Juni 1975 streikten und besetzten über 100 Sexarbeiterinnen in Lyon/Frankreich eine Kirche, um auf Polizeirepressionen und ihre rechtlose Situation aufmerksam zu machen. Der 2. Juni wurde von Hurenorganisationen weltweit zum Internationalen Hurentag erklärt, um für die Anerkennung der Prostitution und die Rechte der Sexarbeiterinnen aufmerksam zu machen und zu kämpfen.

Der Anteil der Migrantinnen in der Sexarbeit ist heute in den meisten EU-Staaten auf über 50% gestiegen. So beträgt der Anteil von Migrantinnen innerhalb der Prostitution in Österreich zwischen 70-80%, in Deutschland 60%, in Italien 90% und in Frankreich und den Niederlanden 70%. In den meisten europäischen Ländern ist Prostitution geduldet. In der Realität aber ist und war Sexarbeit immer eine marginalisierte und stigmatisierte Tätigkeit. Die Akteurinnen sind nicht nur Frauen, sie sind auch Migrantinnen. Das bedeutet, dass sie nicht nur von Marginalisierung und Stigmatisierung betroffen sind und Straf- und Prostitutionsgesetzen unterworfen, sondern sie sind auch ständig von den Migrationsgesetzen/Fremdengesetzen Westeuropas und anderer Länder bedroht. Dies schließt Migrantinnen in der Prostitution auch von allen rechtlichen, sozialen und gesundheitlichen Angeboten aus.


LEFÖ Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen

LEFÖ ist eine Organisation von und für Migrantinnen und wurde 1985 von exilierten Frauen aus Lateinamerika gegründet. Im Laufe der letzten 20 Jahre hat LEFÖ versucht, auf die veränderten Bedürfnisse von Migrantinnen zu reagieren, die Folge neuer und komplexer Migrationsströme sind. Bei der Arbeit mit Migrantinnen in der Sexarbeit und mit Betroffenen von Frauenhandel konnte dabei Pionierarbeit geleistet werden.

Die hohe Präsenz von weiblichen Migrantinnen in Westeuropa und die oft ausbeuterische Arbeits- und Lebenssituation, in der sie sich befinden, ist bis heute ein unterbelichteter Aspekt der Verletzung von Menschen- und Frauenrechten und bildet die Grundlage für die Arbeit von LEFÖ. Das Konzept von LEFÖ ist eines der aktiven Partizipation und nicht eines der "passiven Hilfesuchenden". Es geht darum, sich für die Rechte der betroffenen Frauen einzusetzen und sie darin zu unterstützen, ihre Rechte selbst einzufordern.

LEFÖ arbeitet seit 1993 für die Rechte von Migrantinnen in der Sexarbeit und ist Teil des europäischen Netzwerks TAMPEP.


TAMPEP: Ein europäisches Netzwerk zu Sexarbeit

TAMPEP wurde 1993 als Antwort auf die Bedürfnisse von migrierten Sexarbeiterinnen in Europa gegründet. Es fördert die Selbstorganisation und Mitbestimmung der Sexarbeiterinnen, basierend auf den Grundsätzen der Gleichheit und der Menschenrechte. Das Projekt setzt sich dafür ein, migrierten Sexarbeiterinnen einen gleichberechtigten Zugang zu Unterstützungsangeboten zu ermöglichen und ihnen Gehör zu verschaffen.

TAMPEP ist ein Interventionsprojekt mit einem internationalen Netzwerk in 24 europäischen Ländern. Dieser Zusammenschluss ermöglicht es, die Veränderungen in der Migrationsbewegung zu beobachten. Dabei liegt der Fokus auf der Einschätzung der Situation und der Bedürfnisse von weiblichen und transgender Sexarbeiterinnen aus Mittel- und Osteuropa, Asien, Afrika und Lateinamerika und der Entwicklung adäquater Antworten. Das Projekt erreicht Personen aus mehr als 50 verschiedenen Nationen.