Quellenangabe:
Freiheit für Rene! (vom 29.07.2006),
URL: http://no-racism.net/article/1772/,
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[29. Jul 2006]
Der Berliner Rene K. sitzt seit 10. Juni 2006 in Warschau in U-Haft, weil er an einer Parade gegen sexuelle Diskriminierung teilgenommen hat.
In Berlin hat sich Queer-Berlin gegründet, um ihn zu unterstützen und seinen Fall auf die Tagesordnung zu setzen.
Am Samstag, den 10. Juni 2006, fand in der polnischen Hauptstadt Warschau die Parade für sexuelle Gleichberechtigung, gegen Homophobie und Ausgrenzung sexueller Minderheiten statt. Aus Berlin riefen diverse antifaschistische und Gruppen aus dem Queer-Spektrum zur Teilnahme auf. Dem Aufruf folgte auch der Berliner René.
Und es lässt sich durchaus eine positive Bilanz der Parade ziehen. Sie zog bis in den späten Nachmittag durch die Warschauer Innenstadt und schwoll im Laufe der Zeit auf eine Größe von bis zu 6.000 Teilnehmer_innen an, bis sie schließlich in einer bunten Abschlusskundgebung endete. Es war eine stimmungsvolle, kraftvolle sowie ausdrucksstarke Demonstration. Eine unüberschaubare Menschenmenge aus engagierten Bürgerrechtler_innen, europäischen Politiker_innen, wunderschönen Queens und toughen Kings, Antifaschist_innen, Schwulen- und Lesbenverbänden und queeren Individuen mit vielen Fahnen, Schildern und Transparenten zogen durch die Straßen.
Nachdem die Parade, neben vereinzelten Angriffen von Neonazis und schwulenfeindlichen Traditionalisten, aber auch erfolgreichem Selbstschutz der Demonstrationsteilnehmer_innen, friedlich verlief, kam es auf der Abschlusskundgebung zu mehreren Verhaftungen. Rene wurde von den Polizeikräften niedergeschlagen und festgenommen. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich gegen seine Festnahme gewehrt zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Polizisten mit einem Baseballschläger und Reizgas angegriffen zu haben, außerdem ist ein Polizeihelm demoliert, der am Gürtel eines Beamten hing. Vier Polizisten treten als Zeugen auf, weitere Beweise gegen ihn gibt es nicht.
Obwohl Rene keine waffenähnlichen Gegenstände bei seiner Festnahme dabei hatte und nach eigenen Angaben nicht einmal in der Nähe der Auseinadersetzung war, wird an dieser Version festgehalten und der Haftbefehl so begründet. Außerdem ist nun der Vorwurf, in seiner Kleidung seien Spuren von Drogen gefunden worden, hinzugekommen. Mit diesem neuen Vorwurf versucht die Justiz Renés Festnahme nachträglich zu legitimieren und den Protest für seine Freilassung zu entpolitisieren. Der Drogenvorwurf würde aber selbst nach polnischem Recht nie dazu führen, jemanden 3 Monate in Untersuchungshaft zu halten.
Eine deutliche Sprache spricht auch das Procedere der Staatsanwaltschaft im Fall von René. Diese untersagte Renés Anwalt den Kontakt zu seinem Mandanten bevor René dem Haftrichter vorgeführt wurde. Ohne rechtlichen Beistand stand René vor dem Haftrichter, der die 3 monatige Untersuchungshaft anordnete. Damit wurde bei der Verhandlung vor dem Haftrichter die Öffentlichkeit, die einem das Gesetz durch den Beistand des Anwaltes gewährt, ausgeschlossen.
Zu diesen Maßnahmen kam eine massive Desinformationstaktik der Staatsanwaltschaft hinzu. Nach der Festnahme von René war zunächst überhaupt keine Information zu erhalten, wo er verblieben sei, noch was ihm vorgeworfen werde. Erst am Montag, den 19. Juni 2006, traf René zum ersten Mal auf seinen Anwalt und einen Tag später erschien die deutsche Botschaft bei ihm.
René befindet sich nun seit ca. 4 Wochen in miserablen Haftbedingungen. Ihm steht nur zweimal im Monat Besuch von Angehörigen zu, keine Telefonate und die Post dauert 40 Tage bis sie bei ihm ist. Er berichtete von homophoben Gewaltandrohungen und extremen Hierarchien im Warschauer Gefängnis. Außerdem leide seine Gesundheit unter dem schlechten Essen und den hygienischen Bedingungen in der Haft.
Seitens seines Anwalts in Polen wurde versucht, René auf Kaution aus der Untersuchungshaft rauszubekommen. Diesem Antrag stimmte die Staatsanwaltschaft jedoch am 05.07. nicht zu.
Solch ein Verhalten der polnischen Justiz, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Verhältnisse in Polen, lassen leider nicht unbedingt auf einen schnellen Freispruch hoffen. Es legt vielmehr nahe, dass politischer Widerstand und gesellschaftliche Emanzipation Homosexueller und Transgenders verhindert werden soll. Unliebsame Positionen, wie sie auf der Gleichheitsparade in Warschau auf die Straße getragen wurden und ein Durchsetzen dieser, werden mittels gesetzlicher Handhabe zurechtgestutzt. Es handelt sich hier also klar um einen politischen Prozess.
Während sich Rene mit seinen Anwälten aus Warschau und Berlin auf den vermutlich im August stattfindenden Prozess vorbereitet, versucht das extra für Rene gegründete Solidaritätsbündnis "Queer-Berlin" Aufmerksamkeit für den Fall zu erzeugen. "Es ist wichtig, dass solch ein politischer Fall auch mit politischem Protest konfrontiert ist. Deshalb ruft Queer-Berlin dazu auf, kreativ und überall den Protest öffentlich zu zeigen, aber auch Rene ganz Praktisch zu unterstützen", so der Sprecher von Queer-Berlin Martin Seiler.
Und dies ist auch schon geschehen. In mehreren deutschen Städten - Berlin, Dresden, Köln, Hamburg - aber auch in Warschau gab es seither schon verschiedene, öffentlichkeitswirksame Protestaktionen.
Alles ganz ausführlich zu dem Fall unter www.queerberlin.tk
Oder Kontakt über warschau_soli (at) blacksec.org
Und da Solidarität Geld kostet, gibt es auch ein Spendenkonto:
Rote Hilfe Berlin
Kto-Nr.: 7189 590 600
BLZ: 100 200 00
Stichwort: Warschau