Quellenangabe:
Antifaschistischer Allerheiligenspaziergang am Zentralfriedhof (vom 30.10.2006),
URL: http://no-racism.net/article/1861/,
besucht am 03.12.2024
[30. Oct 2006]
Am 1. November findet auf dem Wiener Zentralfriedhof ein antifaschistischer Spaziergang statt. Neben diversen Nazi Gräbern werden auch Gedenkstätten für GegnerInnen von Nationalsozialismus und Austrofaschismus besucht.
Auf dem Zentralfriedhof hinterließen die Gedenkkonjunkturen der jüngeren Vergangenheit ihre Spuren in Gestalt einer Vielzahl von Ehrengräbern und Denkmälern, die für Besucher einer jeglichen politischen Provenienz Gelegenheit bieten, sich staatlicherseits anerkannt und verstanden zu fühlen. Bis vor kurzem galt dies auch uneingeschränkt für die Alt- und Neo-Gesinnungsgenossen des Ritterkreuzträgers Walter Nowotny. Doch 2003 wurde einigen zwischen '38 und '45 gewidmeten Ehrengräbern dieser Status wieder aberkannt...
Diese ehemaligen Ehrengräber sind auch das Ziel unseres kleinen Rundganges über den Zentralfriedhof, doch zuvor wollen wir uns einige Gedenkstätten für Gegner von Nationalsozialismus und Austrofaschismus, deren Entstehungsgeschichte und heutigen Zustand näher anschauen.
Beginnend beim Massengrab für die toten Schutzbündler des Februar '34, führt unser Weg zu einem zentralen, dabei wenig bekannten Gedenkort für die Opfer aus Widerstand und Verfolgung - dem Ehrenhain der Gruppe 40. Nach einem Abstecher zu Jean Améry gelangen wir zu dem präsenteren "Denkmal der Opfer für ein freies Österreich" und der Grabanlage für die bei der Befreiung Wien gefallenen Rotarmisten und schließen bei den Problemkindern Wagner-Jauregg, Karl Hermann Wolf, Josef Reiter und Nowotny.
Über euer zahlreiches Erscheinen würden sich freuen:
Grünalternative Jugend Wien (GAJ), Rosa Antifa Wien (RAW), Schwarzwurzeln
Antifaschistischer Allerheiligenspaziergang am Zentralfriedhof
Ort: Zentralfriedhof, Tor 3
Zeit: 1. November 2006 / 11:00
Anfang Mai 2003 war es endlich soweit: im Wiener Gemeinderat wurde die Aufhebung des Ehrengrabes für Luftwaffenoffizier und Naziidol Walter Nowotny beschlossen. Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung in diversen mehr oder weniger einschlägigen Kreisen los: Features und Leserbriefe in der Kronen Zeitung, Aussendungen der FPÖ und der Gründung des "Verein zur Pflege des Grabes Walter Nowotny".
Der 1920 in Gmünd (NÖ) geborene Nowotny - Mitglied der NSDAP - war bereits zu Zeiten, als diese in Österreich noch illegal war, als hochgradiger Funktionär in der Hitlerjugend tätig. 1943 wurde er aufgrund seiner "Heldentaten" (Abschuss von über 200 sowjetischen Flugzeugen) zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt, mit nationalsozialistischen Auszeichnungen überhäuft und von den Nazis als Held gefeiert. 1944 verließ ihn jedoch sein Glück: Er wurde beim Einsatz für Führer und Vaterland abgeschossen und wanderte in ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof. Sein Begräbnis war äußerst prominent besucht: der Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien, Baldur von Schirach bezeichnete ihn dabei als einen wahrhaft nationalsozialistischen Volksoffizier. Die Aberkennung des Ehrengrabstatus - konkret bedeutet diese lediglich, dass die Stadt Wien künftig keine Grabpflege mehr zahlt - erfolgte natürlich gegen den Willen von FPÖ und ÖVP. Verwahrlosen wird das Grab damit freilich kaum, ist es doch schon seit längerer Zeit zur Pilgerstätte von Kameradschaftsverbänden der Waffen-SS und anderen Alt- und Neonazis geworden.
Im Juli 2003 haben Stadtrat Johann Herzog und Hans-Jörg Jenewein (freiheitliche Kommunalpolitiker und deutschnationale Korporierte ) sowie Walter Seledec (ORF-Chefredakteur - (mit)verantwortlich für eine "ausgewogene" blau/schwarze Berichterstattung) als Proponenten einen Verein gegründet, der "in Zukunft die Pflege des Grabes und die Wahrung des Andenkens an Walter Nowotny übernehmen sollte". Nach Rücksprache mit Rudolf Nowotny (Bruder von Walter Nowotny, ) wurde Gerhard Pendl (Burschenschaft Oberösterreichischer Germanen und Unterstützer vom "Unabhängigen Personenkomitee - Andreas Mölzer, ein österreichischer Patriot nach Europa.") als Obmann eingesetzt.
Anlässlich der Aberkennung der Ehrengrabstatus kam auch der Bruder von Walter Nowotny zu Wort: In einem ORF Report wurde ihm minutenlang beinahe unkommentiert eine Plattform geboten um in der "guten alten Zeit" zu schwelgen, in der ein Schwur noch bindend war, "egal wem er geleistet wurde." Dieser Rudolf Nowotny ist nicht irgendein alter Opa, der sich um die Grabstelle seines Bruders sorgt, sondern ein umtriebiger Aktivist der rechtsextremen Szene: So war er geschäftsführender Vorsitzender des - von ehemaligen nationalsozialistischen Funktionären gegründeten - "Verein Dichterstein Offenhausen". Diese rechtsextreme Gruppierung wurde im Oktober 1999 behördlich wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung im Sinn des Verbotsgesetzes aufgelöst. Zur weiteren Illustrierung seiner Aktivitäten ein Zitat aus einer Ankündigung zum rechtsextremen Burschentag 2001: "Am Begrüßungsabend steht der berühmte deutsche Jagdflieger Walter Nowotny (258 bestätigte Abschüsse) im Mittelpunkt. Sein Bruder Dkfm. Rudolf Nowotny wird uns dabei mit Dias und seiner lebendigen Erzählung Einblicke in die damalige Zeit geben. Wir haben diesen Abend bewusst unter den Titel "Zeitgeschichte anders" gestellt. Für "politisch korrekte" Personen ist dieser Vortrag daher eher nicht geeignet."
In den letzten Jahren hat sich das alljährliche "Gedenken" für Walter Nowotny zu einem der wichtigsten Ereignisse für die rechtsextreme- als auch der Neonaziszene entwickelt. Nicht immer ist man sich einig ob ein gemeinsames Gedenken "taktisch klug ist" und so kann es schon auch einmal passieren, dass deutschnationale Burschenschafter getrennt von BFJ und Co. marschieren. Am 1. November 2004 marschierten der Bund Freier Jugend (BFJ) und der - inzwischen nicht mehr existente - Jugendkreis Hagen (JKH - bestehend vor allem aus ehemaligen Aktivisten von Blood&Honour Wien) sogar mit Transparent (Aufschrift: "Lasst den toten Helden ruhn") und Fahnen am Zentralfriedhof auf. Mit dabei ein "Who-Is-Who" der Szene: Von Nazi-Skins, die als Anti-Antifas schon dem Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) einen "Besuch" abstatteten, bis zu Ex-VAPO-Führer Gottfried Küssel mit Kinderwagen.
Lange bestand das Ehrengrab dieses Nazi"helden" unbehelligt. Und auch die LeserInnen-Briefe von jungen und alten Nazis aus der Kronen-Zeitung sprechen deutliche Worte über das Verhältnis von Herrn und Frau ÖsterreicherIn zum Nationalsozialismus. Das betrifft nicht nur Neonazi-, Burschenschafter-, FPÖ- und ÖVP-Kreise, sondern zieht sich quer durch die Gesellschaft. Vergessen wir nicht: es war die SPÖ die dem Euthanasie-Verbrecher Heinrich Gross die Weiterführung seiner Karriere - als Gerichtsmediziner - ermöglicht hat.
Wie verwunderlich ist ein solcher brauner Bodensatz in einem Land, in dem ein Wolfgang Schüssel in seiner Funktion als Bundeskanzler - "zeitgerecht" zum 9. November - Österreich als "das erste Opfer des Nationalsozialismus" bezeichnet, und so revisionistische Geschichtsbilder fröhliche Urständ feiern? Während Kriegsverbrecher nach wie vor geehrt werden, bleibt Deserteuren die Anerkennung weitere verwehrt. Noch immer werden sie in Österreich regelmäßig als "Vaterlandsverräter", "Feigling" oder "Kameradenschwein" verunglimpft. Menschen, die Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von den Nazis verfolgt wurden, werden bis heute nicht als Opfer anerkannt und haben somit keinen Rechtsanspruch auf Entschädigungszahlungen. Dies alles, während jahrelang von der blau/schwarzen Regierung Millionen an Förderungen für Burschenschaften und Verbänden von Sudetendeutschen vergeben werden...
Die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis, die unter maßgeblicher Beteiligung von ÖsterreicherInnen begangen wurden, soll in die Vergessenheit gedrängt werden, während deutsch-nationale und rechtsextreme Kräfte durch FPÖ, BZÖ und ÖVP gefördert werden, Antisemitismus wieder salonfähig ist und Rassismus ohnehin allgegenwärtig. Dem muss entschieden entgegengetreten werden!
Kein Vergeben - Kein Vergessen!
Quelle: Rosa Antifa Wien