Quellenangabe:
Internationaler Solidaritätstag mit Intersexuellen (vom 06.11.2006),
URL: http://no-racism.net/article/1868/,
besucht am 21.11.2024
[06. Nov 2006]
Aus gegebenen Anlass wird am Mi, 08. Nov 2006 im Politdiskubeisls im EKH, Wielandgasse 2-4, 1100 Wien ab 20:00 Uhr der Dokumentarfilm "Tintenfischalarm" gezeigt. Danach gibt es eine Diskussionsrunde mit dem Hauptdarsteller des Films. Im folgenden Text geht es um die Frage: Was bedeutet "Intersexualität"?
"Tintenfischalarm" nennt Alex die stressigen Situationen, in denen sie als 14jährige die forschenden Hände der Burschen, die sich zwischen ihre Schenkel drängen wollten, abzuwehren versuchte. Diese ersten sexuellen Erlebnisse waren mit der großen Angst verbunden, die Burschen könnten ihr Anderssein enttarnen. Alex ist intersexuell. Ein Zwitter. Ein Mensch, der die penible Einteilung der Welt in männlich und weiblich durcheinander wirft.
Genetisch kann das Kerngeschlecht männlich (mit XY-Chromosomen) oder weiblich (mit XX-Chromosomen) sein. Bei intersexuellen Menschen sind die äußeren und inneren Geschlechtsorgane sowohl weiblich als auch männlich. Bei einer von 2.000 Geburten lässt sich das Geschlecht des Neugeborenen nicht exakt bestimmen.
Die Entwicklung des geschlechtlichen Körpers vom Chromosom bis zum erwachsenen Menschen zeigt ein wesentlich komplexeres Bild, als die manifesten Modelle der chromosomalen Geschlechterdetermination vorspiegeln.
Auch heute noch wird intersexuell geborenen Säuglingen in der Regel operativ ein bestimmtes Geschlecht zugewiesen. Zu 90% das weibliche. Begründet wird dies mit der Auffassung, dass eine normale psychosoziale Entwicklung sonst unmöglich sei. Den "Zwitter vereindeutigen" nennt die Medizin die dazu notwendigen Prozeduren. Verweiblichende Operationen zeigen kosmetisch und funktionell bessere Ergebnisse als vermännlichende, darum werden sie bei intersexuellen Säuglingen und Kleinkindern häufiger durchgeführt. "Ob das aufgrund der hormonellen Situation jedoch immer die richtige Entscheidung ist, lässt sich bezweifeln", äußert sich Dr. Ute Thyen von der Medizinischen Universität zu Lübeck (MUL).
Wissenschaftler der MUL befassen sich seit zehn Jahren intensiv mit Ursachen und Folgen der Intersexualität. Derzeit arbeitet eine Forschergruppe an dem Projekt "Intersexualität - Vom Gen zur Geschlechtsidentität". Niemand kann garantieren, dass das medizinisch hergestellte Geschlecht und die psychische Geschlechtsidentität später zusammenpassen.
Häufig erfahren die Kinder selbst nicht, was mit ihnen geschehen ist und geschieht. Als Einjährige müssen sie die extrem psychisch und physisch belastende Tortur im Krankenhaus über sich ergehen lassen. Auch später, wenn sie beginnen zu begreifen, dass sie etwas anders sind als die anderen Kinder, erklären ihnen die Eltern selten den Grund. Mit Operationen im frühen Kindesalter ist die Behandlung nicht beendet. Zur Hormonbehandlung gehört die tägliche Einnahme von Tabletten. Da eine künstlich hergestellte Vagina nicht mitwächst, wird "bougiert": Kindern, die eine künstliche Vagina bekommen, wird regelmäßig ein "Phantom" eingeführt, ein harter, rohrähnlicher Gegenstand, der die neu geschaffene Körperöffnung dehnen und das erneute Zuwachsen verhindern soll.
Ziel ist, ein funktionstüchtiges Geschlechtsorgan für späteren Geschlechtsverkehr herzustellen. Ca. 30 Prozent genital zwangszugewiesener Menschen begehen "vollendeten Suizid". 15 Prozent der Intersexuellen, die ein Geschlecht zugewiesen bekommen haben, wünschten sich eine Revision. Viele Intersexuelle klagen an, dass durch geschlechtliche Zwangszuweisungen an nicht einwilligungsfähigen intersexuellen Kindern ein erheblich höherer psychischer Schaden entsteht, als dies durch Ablehnung seitens der Bevölkerung jemals möglich sein würde. Ganz abgesehen von physisch irreparablen Schäden. Menschen besitzen ab Geburt zwar keine ausgeprägte Identität, aber eine Integrität und ein Gefühl für Intaktheit. Studien über Folgen und Wirkungen der medizinischen Geschlechtszuweisungen fehlen gänzlich.
Niemand kontrolliert Mediziner bei ihren Eingriffen. Somit kann keine repräsentative Aussage getroffen werden, ob und in welchem Ausmaß Folgeschäden aus den Behandlungen entstehen. Wie enorm die Traumatisierungen der medizinischen Eingriffe im Säuglings- und Kleinkindalter sind und welche schweren körperlichen und immensen seelischen Folgen sie nach sich ziehen, war bislang nicht Gegenstand der Untersuchungen.
In zunehmendem Maße gruppieren sich Intersexuelle in Selbsthilfegruppen, um öffentliches Bewusstsein zu schaffen. In den USA hat sich 1993 Jahre eine Bewegung Betroffener formiert, die Intersex Society of North America (ISNA), die auch in Europa ein Echo fand. In Großbritannien und in Deutschland gründeten sich daraufhin erste Selbsthilfegruppen. Sie fordern, dass intersexuelle Kinder und Heranwachsende selbst entscheiden können, welches Geschlecht sie leben möchten. Ihr Ziel ist es, die Medizin dazu zu bewegen, von Operationen abzusehen, bis die Betroffenen alt genug sind, sich selbst zu artikulieren. In Österreich gibt es bis heute keine Selbsthilfegruppe.
The Organisation Intersex International would like to invite you to join us in commemorating November 8 as Intersex Solidarity Day. All human rights organizations, feminist allies, academics and gender specialists, as well as other groups and individuals interested in intersex human rights, are invited to show their solidarity by organizing workshops, lectures, discussions and other activities which deal with any or all of the following topics:
a) the life of Herculine Barbin
b) intersex genital mutilation
c) the violence of the binary sex and gender system
d) the sexism implicit within the binary construct of sex and gender
Please show your solidarity with the intersex community. Intersex rights are humans rights.
Express your solidarity with the Intersex Community by signing the following OII petition against pathologizing intersex:
http://www.gopetition.com/online/9941.html
:: The Organisation Intersex International