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Quellenangabe:
Massenabschiebungen aus Marokko: Aussagen Deportierter ... (vom 16.01.2007),
URL: http://no-racism.net/article/1959/, besucht am 21.11.2024

[16. Jan 2007]

Massenabschiebungen aus Marokko: Aussagen Deportierter ...

... die vor allem auch einen Einblick in die Konsequenzen auf das alltägliche Leben und Überleben und den seelischen Druck der Betroffenen geben.

"Am Samstag dem 23. (Dez. 2006) um 07:00 Uhr morgens kam die marokkanische Armee zu uns nach Hause, als wir noch schliefen. Sie hatten an die Tür geschlagen und wir öffneten. Wir bewohnten zwei Stockwerke; in unserer Wohnung waren vier Personen, zwei Männer, noch eine Frau und ich. Sie drangen gewaltsam ein und sagten: "Abfahrt, nehmt Eure Sachen und auf, los... Ich zeigte ihnen das Papier von ACNUR und sie zerissen es. Unter Gewaltanwendung brachten sie uns zum Deportationszentrum im Stadtteil Aynnada 1. Dort standen sechs Busse. Wir fuhren direkt nach Oujda, ohne Vernehmung, ohne irgendetwas. Sie hatten mir das Telefon abgenommen. Um 18:30 kamen wir in Oujda an. Die Busse fuhren, immer zwei, in die Stadt ein und parkten dann irgendwo. Marokkanische Reporter kamen hinein und filmten. Wir waren im ersten der beiden Busse; sie hatten uns in Dreiergruppen getrennt; es war bereits Nacht... Es hatte bewaffnete Militärs. Sie stiessen uns, damit wir nach Algerien gingen und folgten uns. Sie stiessen uns mit Gewalt und trieben uns so vorwärts...
Die algerischen Militärs taten uns nichts; sie zwangen uns lediglich nach Marokko zu gehen.
Wir marschierten los, um Oujda zu finden. Ich hatte die beiden Männer verloren, mit denen ich die Nacht lang zusammen gelaufen war. Ich lief ohne zu wissen, wo ich war, als ich drei Männer sah; es waren Marokkaner. Sie schnappten mich, zogen mir gewaltsam die Hosen aus uns alle drei, einer nach dem andern, vergewaltigten mich. Ich schrie, aber es war nirgendo jemand und sie sagten, wenn ich nicht zu schreien aufhörte, würden sie mich töten. Sie hatten Messer und Macheten.
Schliesslich liessen sie von mir ab und ich lief weiter. Um 2 Uhr morgens fand ich eine andere Gruppe, ebenfalls aus dem Kongo, die mich aufnahm und gegen 4 Uhr fanden wir dann den Weg. Ich hatte Asthmaanfälle und sie trugen mich; sie sagten dass ich Mut fassen soll und dass wir ankommen werden. Um 5 Uhr nahmen wir ein Taxi zur Fakultät. Als wir ankamen war Ärzte ohne Grenzen da, um die Frauen zu übernehmen. Sie haben uns behandelt und ich sagte ihnen, dass wir vergewaltigt worden waren; also machten sie einen Blut,- und Urintest. Bei mir nahmen sie kein Blut ab, weil sie keine Vene fanden. Ich war sehr schwach. Dann sind wir in die Kirche gegangen, um dort zu schlafen."
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Die Polizei war um vier Uhr morgens in die Wohnung gekommen. Sie hatten die Tür eingeschlagen. Wir waren fünf Männer in dem Haus, mit bestätigtem Asylantrag. Sie hatten uns in ein Fahrzeug gebracht, um uns auf das Komissariat in Aynnada zu bringen. Als wir sagten, dass wir den Komissar sprechen wollen, weil wir die Papiere hatten, wurden sie gewalttätig. Sie sagten "Nein".
Gegen 17:00 Uhr setzten sie uns in einen Bus der uns zur Grenze fuhr, ohne dass wir bei einem Gericht oder auf dem Komissariat von Oujda gewesen waren. Dort übergaben sie uns den marokkanischen Militärs, die uns ausraubten, schlugen, beleidigten und bedrohten; sie sagten, dass wir ja nicht nach Marokko zurückkommen sollten, denn dann würden sie uns umbringen.
Wir betraten Algerien; dort griffen uns algerische Militärs an und verfolgten uns, mit den Gewehren in der Hand. Sie riefen: "Wir haben gesehen, dass Euch die marokkanischen Soldaten abgesetzt haben und als nächstes werden wir Euch töten und die marokkanischen Soldaten dazu." Ich lief zurück nach Oujda, zur Fakultät. Seit der Deportation bin ich krank, wegen der Schläge und allem. Seither habe ich jede Nacht draussen geschlafen. Alle haben den Acnur angerufen, um zu berichten, was geschehen ist. Die Leute sterben an den Grenzen; es muss eine Lösung gefunden werden. Ich wurde dreimal deportiert.
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"Um sechs Uhr morgens, wir waren müde, kamen sie und traten die Tür ein. Wir waren zu fünft im Haus, alles Asylantragsstellende. Wir zeigten ihnen die Papiere und sie haben gesagt, dass sie sie nicht annehmen und zerissen sie. Sie nahmen uns die Telefone und den Fernseher, den wir dort hatten, weg. Sie haben uns stark geschlagen, bis einige andere sagten, dass sie damit aufhören sollen.
Wir kamen direkt auf´s Komissariat von Aynnada 1 und von da aus direkt nach Oujda. Wir stiessen auf das algerische Militär und begannen zu rennen; wir versteckten uns, um nach Marokko hineinzukommen, bis zur Fakultät. Wir hatten weder Kleidung noch Schuhe, denn wir hatten noch geschlafen und sie hatten uns nicht erlaubt, uns anzuziehen und uns halbnackt auf diesen Weg geschickt. Es gab eine Frau unter uns, die krank war und der wir geholfen haben, nach Ouida zu kommen. Sie hatte einen Finger verloren. Das Essen, das in Oujda an uns verteilt wurde, reichte nicht für alle.... Ärtze ohne Grenzen gab uns ein paar Medikamente. Unser Vermieter hat uns hinausgeworfen. Ich bin jetzt bei anderen Freunden untergekommen."
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"Sie haben mich um 06:00 aus dem Haus gebracht; ich habe keinen festen Schlafplatz, aber jetzt bin ich mit drei anderen zusammen. Wir waren zu viert im Haus; ich als einziger Minderjähriger. Sie schlugen die Tür ein, fügten uns Schaden zu und schlugen uns. Ich gab ihnen meine Papiere; aber sie fingen an, die Scheiben einzuschlagen. Wir wurden zum Komissariat und von dort direkt zur Grenze gebracht, ohne dass unsere Papiere überprüft wurden. Es war sehr kalt dort; ich hatte alles verloren, was ich besessen hatte; sie hatten uns im Pyjama und ohne Schuhe herausgetrieben. Die algerischen Militärs nahmen mich fest. Ich zeigte ihnen meine Papiere und sie sagten, wenn ich Asylbewerber sei, müsse ich nach Marokko zurückgehen. Davor aber schossen sie in die Luft. Dann wurde ich erneut von den marokkanischen Soldaten verhaftet, die mich zu einem Wachposten brachten; dort schlief ich auf dem Boden, halbtot vor Kälte... Ich konnte fliehen und lief zu Fuss nach Oujda. Ich bin viele Kilometer gelaufen, bis ich Oujda wiederfand."
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Es war um 00:04 Uhr morgens, als die Polizei an die Tür klopfte und sagte, dass wir zur Bestätigung unserer Papiere auf´s Komissariat gebracht würden. Wir waren acht Personen im Haus, Flüchtlinge und AsylweberInnen. Als wir aber auf dem Komissariat von Aynnada 1 angekommen waren, wollte niemand etwas von unseren Papieren wissen und sie setzten uns stattdessen in einen Bus Richtung Oujda, bzw. dirket an die Grenze.
Sie hatten uns getrennt und nutzen die Nacht, um uns in die Wüste zu bringen. Wir waren 24 Personen, die sich auf den Weg zurück machten; wir liefen zusammen mit den Maliern und Nigerianern. Wir kamen in eine kleine Stadt und nahmen den Zug nach Rabbat.
Ich informierte ACNUR und sie sagten uns, dass sie eine Lösung suchen würden, dass es aber im Moment keine gibt. Unser Vermieter wurde von der Polizei festgenommen und beschuldigt, klandestine Mieter unterstützt zu haben. Er ist zu einer Geldstrafe von 2000 Dirhams verurteilt worden."
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"Die Polizei nahm mich fest, als ich noch in meiner Wohnung schlief. Sie brachten mich auf´s Komissariat in Agnada 1, von wo aus wir direkt an die algerische Grenze gefahren wurden. Dort wurde ich von Banditen ausgeraubt, die mir mein Handy und mein Geld stahlen. Danach bin ich mehrere Tage lang, mit fast nichts zu Essen und zu Trinken gelaufen, um nach Fez zu gelangen. Dort traf ich auf junge, afrikanische StudentInnen, die mich aufsammelten, mir zu essen und etwas zum Anziehen gaben und mir halfen, den Bus nach Rabbat nehmen zu können. Ich hatte keine Hoffnungen, dass der ACNUR mir dabei helfen würde, denn ich habe Deportationen von Freunden gesehen, die schliesslich von ihren Ärzten zurückgeschickt wurden, da der ACNUR von den marokkanischen Autoritäten nicht respektiert wird, und deshalb können wir nicht auf ihn zählen. Ausserdem war es sehr kalt in Oujda und ich hatte Angst, dass sie mich erneut festnehmen und an die Grenze bringen würden. Während wir auf dem Weg nach Fez waren, litten wir unter Demütigungen marokkanischer Jugendlicher, die uns wie eine Beleidigung das Wort "Neger" zuriefen, denn in marokkanischer Sprache hat es eine düstere Bedeutung und meint Sklave (gan-gan auf Marokkanisch)."
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"Am 23. ( Dez. 06 ) erlitt ich meine zweite Deportation. Die Polizei drang bei mir zu Hause ein, wo ich mich zusammen mit meinem Mann und meiner kleiner Tochter befand. Sie traumatisierten mich derart, dass ich auf dem Komissariat in Agnada 1 einen Nervenzusammenbruch bekam. Ich verlor das Bewusstsein und begann krampfartig zu zittern. Die Polizei sah sich gezwungen mich ins Hospital Avicene zu bringen, wo ich einen Tag lang wiederbelebt wurde.
Ich bin noch nicht beim ACNUR gewesen, um eine Erklärung über die Vorgänge zu machen, aber die Organisation weiss darüber Bescheid, dass meine Gesundheit und meine persönliche Situation sehr gefährdet sind. Überdies haben wir nun das Problem, dass der Vermieter nach diesen Geschehnissen, uns nicht wieder im Haus aufnehmen will. Das Leben in Marokko ist sehr diskriminierend. Manchmal werden Flüchtlinge, die eine Arbeit gefunden haben, von ihren Arbeitgebern geschlagen, weil sie genau wissen, dass diese nirgendwo ihre Rechte beanspruchen können. Der ACNUR kann sich nicht in das Arbeitsleben einmischen. Ausserdem verweigern die marokkanischen Hospitäler Flüchtlingen die Behandlung, wohlwissend, dass deren Ehre und Würde in den Deportationszellen verletzt worden ist."
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"Um sieben Uhr morgens schlug die Polkizei an die Tür und drang dann mit Gewalt ein. Im Haus gibt es drei Wonungen; in zwei davon befanden sich jeweils vier Personen und in der anderen waren ich und zwei meiner Kinder. Die Polizei schlug mich und hat die Kinder, die entkommen konnten, dort allein gelassen. Sie brachten uns direkt auf´s Komissariat, wo wir ihnen unsere Papiere übergaben, die sie nicht nahmen. Einer sagte:" Señora, ich erledige nur meine Arbeit." Auf dem Komissariat erlitt ich eine Nervenkrise, ich fiel zu Boden, wie es mir schon einmal beim ACNUR passiert ist, und wurde ins Hospital gebracht ..., dort liessen sie uns allein im Wartesaal und reanimierten uns. Ich floh aus Angst davor, dass sie mich wieder holen würden ... Ich fand die Kinder weinend allein im Haus und nun will der Hausbesitzer keine Leute mehr wie uns haben, um zu vermeiden, dass die Polizei nocheinmal die Türen einschlägt ... Sogar der Busfahrer will uns nicht mitfahren lassen."
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"Um sieben Uhr am Morgen drang die Polizei gewaltsam in meine Wonung ein. Mein Bruder (der Sohn von Onina, der Frau die mich aufzog) und ich konnten zunächst entkommen. Aber dann merkten wir, dass sie Mamá Hortense mitgenommen hatten. Es ist nicht das erste Mal, dass ich eine solche Situation erlebe. Ich habe mehr Deportationen mit meiner Mamá durchgemacht. Ich bin erschöpft und habe grosse Angst vor den Aggressionen; Mamá Hortense hat immer versucht, mich zu schützen und gesagt, dass ich noch am Wachsen bin, denn sie hatte Angst vor den Vergewaltigungen."
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"Die Polizei kam gegen vier Uhr früh. Sie hatten an die Tür geschlagen und sie dann eingetreten. Wir waren acht Personen im Haus, alles AsylwerberInnen. Wir legten unsere Papiere vor, aber sie sagten, dass diese erst auf dem Komissariat verlangt würden. Sie brachten uns in einem Bus nach PSP, wo es noch viele andere Leute gab und niemand Papiere sehen wollte. Sie trieben die Leute zusammen und stiessen uns mit Gewalt in einen Bus. Es hatte Frauen und Kinder. Dann wurden wir direkt zur Grenze gebracht. Es waren schlechte Leute; sie wollten nicht anhalten, damit wir unsere Notdurft verrichten konnten und uns dazu fesseln. Auf der Ausfahrt von Rabbat sagten sie zu uns, dass wir im Bus urinieren müssten und manche benutzen dann Flaschen die hinausgeworfen wurden dazu. Es waren sechs Busse, die immer paarweise in Oujda ankamen und uns an die Grenze brachten, wo es sowas wie ein Militärcamp hatte. Die Militärs befahlen uns Dreiergruppen zu bilden und schlugen auf uns ein. Sie redeten in militärischem Befehlston mit uns. Sie zeigten nach Algerien und sagten, dass wir dorthin zu gehen hätten und dass sie zwei Schüsse auf jene abfeuern würden, die nach Marokko zurückkämen, denn sie führten Waffen mit sich. In meiner Gruppe gab es zwei Mädchen. Es war nacht und die Soldaten leuchteten mit Lampen in die Gesichter und befahlen uns zu einer Mauer zu kommen. Wenn wir nicht dorthin gingen, würden sie uns schlagen. Wir gingen und die Militärs folgten uns. Eines der Mädchen und ich hatten keine Schuhe. Das Mädchen konnte nicht fliehen und blieb zwischen den Soldaten zurück. Ich war allein auf der Flucht. Es gab einen Fluss auf dem Weg und in diesen stürzte ich mich. Dort blieb ich etwa eine Stunde, verletzt, zwischen den Dornen. Da es meine erste Deportation war, wusste ich nicht, wohin ich gehen oder wie ich entkommen sollte. Ich folgte dem Flusslauf und sah irgendwann einen Flughafen, den ich schon während der Deportation gesehen hatte und folgte dem Licht. Morgens gegen drei Uhr erreichte ich die Stadt, allein, mit kaputten und blossen Füssen. Ich fand die anderen und wir gingen zur Fakultät, wo alle MigrantInnen waren.

Quelle: http://barcelona.indymedia.org/newswire/display/288832/index.php )
Übersetzung: tierr@ 14.01.200, http://de.indymedia.org/2007/01/166020.shtml (Ergänzung)