Quellenangabe:
Marokko: Aufruf zum Protest (vom 16.01.2007),
URL: http://no-racism.net/article/1960/,
besucht am 26.12.2024
[16. Jan 2007]
Endlich erfolgt ein konkreter Aufruf mit Anklagen und Forderungen gegen das barbarische Vorgehen der EU-Abschottungspolitik, durchgeführt durch marokkanische und algerische Armee und Ordnungskräften. Die "Asociación Elin", die diesen Aufruf initiiert, berichtet von vor Ort...
Asociación Elin, 12. Januar 2007 - Übersetzung tierr@, http://de.indymedia.org/2007/01/166020.shtml, 14.01.2007
Ein weiteres Mal unterstützt Marokko die Europäische Union durch Aussetzungen von Flüchtlingen in der algerischen Wüste und verletzt damit die Rechte der MigrantInnen und Menschen auf der Flucht.
Seit dem 23. Dez. 2006 wurden mehrere hundert von der UNO anerkannter Flüchtlinge, AsylbewerberInnen und ImigrantInnen aus der Subsahara mit Aufenthalt in Marokko, in Rabat durch Sicherheitskräfte festgenommen und in die algerische Grenzregion von Oujda (der offiziell geschlossenen Grenze zwischen Algerien und Marokko) gebracht ..., etwa 400 Personen, inklusive Frauen und Kinder. Die meisten Papiere und Dokumente dieser Personen sind durch die Ordnungkräfte konfisziert oder zerstört worden. Diese Operationen gingen einher mit Misshandlungen seitens der Polizei, besonders Schläge mit Knüppeln, dem Verursachen von Wunden und Demütigungen. Auch schwangere Frauen und Mütter mit Kleinkindern wurden Opfer dieser brutalen Razzien. Die Zahl der Opfer beläuft sich auf zwischen 380 oder 400 Personen.
Als Nachrichten der Betroffenen die Asociación Elin erreichten, machte eine Gruppe der Vereinigung sich am 26. Dez. auf den Weg nach Rabat um die Geschehnisse zu überprüfen und zu helfen. Nachdem sie dort mit der Hoffnungslosigkeit der Flüchtlinge konfrontiert wurde, beschloss die Gruppe direkt nach Oujda zu fahren. Dabei wurde sie vom Präsidenten der Flüchtlinge aus der Elfenbeinküste in Rabat begleitet, der die Situation bestens kannte und der ausserdem zuvor selbst schon in der Wüste ausgesetzt worden war ...
BERICHT: "Auf dem Universitätsgelände von Oujda trafen wir uns mit einer grösseren Gruppe (von Flüchtlingen/MigrantInnen), deren Aussehen und Gesichter das physische und seelische Leid wiederspiegelten, das sie erlebt hatten. Die meisten von ihnen waren KongolesInnen und von der Elfenbeinküste; aber es waren auch Menschen aus Nigeria und Mali darunter. Einige kannten wir bereits von vorherigen Deportationen, von denen sie uns erzählten und sie baten uns, die Darlegung der Verletzung ihrer Rechte und ihrer mit Füssen getretenen Menschenwürde an kompetente Organismen weiterzuleiten."
DAS SIND IHRE WORTE: "Sie verhafteten uns in aller Frühe in unseren Häusern. Sie brachten uns auf das Komissariat und später wurden wir in Bussen quer durch ganz Marokko transportiert, länger als 12 Stunden Auf algerischem Territorium setzten sie uns gruppenweise, immer ein Dutzend an verschiedenen Orten, aus und liessen uns allein. Die Gruppen waren mehrere Kilometer voneinander getrennt, entlang der marokkanisch-algerischen Grenze, nicht weit von Oujda entfernt. Mit Drohungen durch Schüsse in die Luft zwangen uns die marokkanischen Kräfte in Richtung Algerien zu gehen. Später wurden wir dann von den algerischen Kräften genauso zurückgewiesen, die ebenfalls mit Gewehren in die Luft schossen. Nach mehr als 10 Stunden hin und her zwischen den beiden Armeen, gelang es der Mehrheit von uns in die Aussenbezirke von Oujda, in einen Wald in der Nähe des Uni-Geländes, zurückzugelangen.
Viele kamen in einem bedauernswerten Zustand hier an: Es gab Verletzte durch das die ganze Nacht lang Umherirren ohne adäquate Kleidung. Die Leute konnten sich mit nichts schützen und rannten, verschreckt von den Schüssen der marokkanischen Armee und den Einschüchterungen der algerischen, quasi blind um ihr Leben. In diesem Chaos gingen Manche verloren und einige der Frauen wurden vergewaltigt, darunter zwei Schwangere.
Seit wir zurück sind, schlafen wir im Freien (die Nächte in Oujda sind kalt); nur die Verletzlichsten, wie Frauen und Kinder, können sich unter Dächern verstecken und sich vor den Polizeikontrollen und der Kälte schützen. Wir sind seit fünf Tagen hier und die Polizei weigert sich, uns nach Rabat zurückzulassen, wo wir ein paar Freunde haben die uns helfen können, denn wir haben jetzt überhaupt nichts mehr. Langsam breiten sich Mut,- und Hilflosigkeit unter uns aus und die Krankheiten aufgrund des Leidens, der Unsicherheit und fehlender Medikamente mehren sich, da wir alle sehr schwach und erschöpft sind."
DIE ASSOZIATION ELIN WEITER: "Sie erzählten uns, dass drei Frauen vergewaltigt worden waren; darunter eine junge Kongolesin, die im fünften Monat schwanger war und die deshalb zusätzlich eine Fehlgeburt erlitten hat. Seit sie notärztlich in ein Hospital eingeliefert wurde, spricht sie nicht mehr und durch den Schock ist ihr Allgemeinzustand besorgnisserregend. Dies zeigt einmal mehr, dass es die Frauen sind, die die Repression und Diskriminierung am härtesten erfahren. Ärzte ohne Grenzen und einige andere humanitäre Organisationen liessen ihnen ein paar Medikamente, Plastikfolien, Decken und Lebensmittel zukommen, die aber nicht ausreichend sind. Am dramatischsten aber ist die Unsicherheit in der diese Menschen zu leben gezwungen sind, denn eine neue Deportation in die Wüste kann sich jeden Moment wiederholen.
Wir trafen uns ausserdem mit einer Gruppe von Frauen mit Kindern, die in einer Kirche von Ouja untergekommen waren und die mitsamt ihren, kaum einjährigen Kleinkindern in der Wüste ausgesetzt worden waren. Diese Kinder und ihre Mütter sind das eindringlichste Zeugnis für die Grausamkeit und Ungerechtigkeit dieser Gesellschaft, in der wir leben und die fähig ist, unterschiedlos zu foltern und zu töten, um ihren Status von Wohlstand und Konsum aufrechtzuhalten."
Die Asociación Elin fordert alle Organisationen, Assoziationen, Gruppen und Einzelpersonen auf, dieses Dokument ( d.h. die folgenden Forderungen) zu unterzeichnen und an kompetente Organismen zu verteilen.
Aufgrund der geschilderten Geschehnisse klagen wir an:
* Die schweren Menschenrechtsverletzungen, die im Namen des Schutzes der Aussengrenzen Europas begangen werden.
* Die Handlungsweise und die Ausübung von Druck der Europäischen Union gegenüber/auf die an die EU angrenzenden Länder und deren Konsequenzen für die Flüchtlinge und MigrantentInnen sowie für die Transit,- und Herkunftstländer.
* Das Schweigen von ACNUR in Marokko, der offenbar nicht in der Lage ist, den effektiven Schutz der Asylsuchenden und Flüchtlinge zu garantieren und der von daher nur die Illusion eines Schutzes aufrechthält, der unter diesen Umständen nicht mehr als das Risiko bedeutet, durch "Rechtebeschneidungen" den europäischen Polizeien zu dienen, die den Zutritt auf europäisches Territorium für Asylsuchende behindern.
* Die Nichteinhaltung der fundamentalsten Rechte der MigrantInnen und Flüchtlinge und der Internationalen Verpflichtungen hierzu seitens Marokko; insbesondere die entsprechenden Verpflichtungen der Genfer Konvention zum Flüchtlingsstatus und die Konvention über die Rechte der ArbeitsmigrantInnen und derer Familien.
* Wir betrachten die marokkanische Regierung und ebenso die Regierungen der Europäischen Union als verantwortlich für alle Konsequenzen für das Leben und die Gesundheit der MigrantInnen und Flüchtlinge, die durch diese Operationen, zu unmenschlichen Bedingungen und ohne jede Berücksichtigung der Rechte dieser Personen, ausgewiesen worden sind.
Deshalb fordern wir mit aller Entschiedenheit:
* Die sofortige Rückkehr aller, die aus ihren gewohnten Wohnsitzen vertrieben wurden sowie deren persönliche Sicherheit.
* Dass der spanische Staat die auf dem EU-Afrika-Gipfel getroffenen Abkommen auflöst, da diese den schweren Verletzungen der Menschenrechte Raum geben.
* Die unverzügliche Wiederaufnahme aller Flüchtlinge, die sich auf marokkanischem Territorium befinden, da ihr rechtlicher Status von den marokkanischen Autoritäten nicht anerkannt ist und da deshalb ihre Integration und die Respektierung ihrer Menschenrechte völlig unmöglich sind.
* Die unverzügliche Wiederaufnahme der weiblichen Flüchtlinge und Asylantragsstellerinnen und Minderjährigen, unter Berücksichtigung der Situation der besonderen Verletzlichkeit von Frauen und Minderjährigen innerhalb des marokkanischen Territoriums.
* Das sofortige Handeln des ACNUR, um zu klären, was seine Kapazität zum Schutz der Flüchtlinge und Asylsuchenden, die sich auf marokkanischem Territorium befinden, ist.
* Von der Europäischen Union fordern wir, jede Art von Massnahme und Druckausübung, die dazu dient, die Kontrolle ihrer Grenzen an Drittländer wie Marokko zu delegieren, einzustellen.
* Ein sofortiges Handeln der europäischen Regierungen oder europäischen Parteien, das die integrative Rückkehr der männlichen und weiblichen Flüchtlinge in ihre Territorien begünstigt.
* Ein sofortiges Handeln der europäischen Regierungen oder europäischen Parteien, mit dem von Marokko Erklärungen und die Respektierung der Menschenrechte verlangt werden.
* Von der marokkanischen Regierung fordern wir die Respektierung der von Marokko ratifizierten internationalen Texte und die sofortige Einstellung von durch Druck seitens Europas konditionierten Handlungen im Bereich Migration und Flucht.
* Ein sofortiges Aktivwerden der Afrikanischen Union, die Marokko die Respektierung der Menschenrechte der BürgerInnen des subsahaurischen Afrika abverlangt.
* Wir rufen die nationalen, interessierten, subsahaurischen Botschaften auf, sich dieser Situation bewusst zu werden und die notwendigen Massnahmen zum Schutz der Rechte ihrer Landsleute zu ergreifen.
Asociación Elin: http://www.grupidi.net/elin/index.asp
Quelle: http://barcelona.indymedia.org/newswire/display/288832 - frei und gekürzt übersetzt: tierr@, http://de.indymedia.org/2007/01/166020.shtml, 14.01.2007
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Quelle: Asociación Elin, 12. Januar 2007 - Übersetzung tierr@m zuerst veröffentlicht am 14.01.2007 auf :: de.indymedia.org