no-racism.net Druckversion

Quellenangabe:
Strache und Nicaragua (vom 23.01.2007),
URL: http://no-racism.net/article/1970/, besucht am 21.11.2024

[23. Jan 2007]

Strache und Nicaragua

Ein Kommentar zu den jenseitigen Vergleichen von H.C. Strache in "Offen gesagt". Von Gerald Grassl

Sonntag in "Offen gesagt": Zuerst wurde immerzu behauptet, dass die Bilder Straches nicht die einer Wehrsportgruppe sind, sondern dass da halt Jugendliche spielten. Und dann meinte Mölzer plötzlich, dass es auch viele Leute mit "Jugendsünden" auf der Linken gäbe, die seinerzeit in Nicaragua "herumgehüpft" wären, und heute im Parlament oder sonst an wichtigen Stellen säßen, und dass sich darüber niemand aufrege.

Wie??? Also wenn Strache nicht in einer Wehrsportgruppe war, sondern in einer Jugendgruppe, die nur aussah wie eine Wehrsportgruppe und halt "nur" Wehrsportgruppe "spielten", warum soll diese Harmlosigkeit dann eine "Jugendsünde" sein? Und: weder Wehrsport noch Wehrsport "spielen" ist wohl mit dem Engagement für Nicaragua zu vergleichen!

Als Nicaragua-Brigadist im Jänner 1984 möchte ich festhalten: Unsere "Waffen" waren Macheten, mit denen wir im Grenzgebiet zu Costa Rica Weideland für Rinder rodeten bzw. säuberten. Andere Gruppen waren hauptsächlich zur Kaffee-Ernte eingesetzt. Ob diese Arbeiten besonders effektiv waren, bezweifelten wir selbst. Doch unser aller Aufgabe (aus ganz Europa, USA, Kanada, Australien, Lateinamerika) war damals eine Maßnahme zur Bewahrung des Friedens.

Wir folgten einem Aufruf der SandinistInnen, denn alle Zeichen sprachen dafür, dass US-Truppen ins Land einmarschieren wollten, um Somozas Contras dadurch mit einem bewaffneten Gewaltstreich wieder an die Macht zu helfen. Unser Einsatz war also eine Form des gewaltfreien Widerstandes, um die Eskalation und die Gefahr eines Bürgerkrieges zu verhindern. Und diese "Rechnung" ging auch auf. Die USA marschierte nicht ein, sondern wirkte wie gewohnt und bisher weiter, indem sie "nur" die Contras, die aus den nachbarländern regelmäßig bewaffnet ins Land einfielen, mit Waffen, Logistik usw. unterstützten...

Ich war bei der ersten Brigade, bei der also hauptsächlich die bloße friedliche Anwesenheit mit dazu beitrug, einen militärischen Konflikt zu verhindern. Nachfolgende brigaden waren dann in ihrer arbeit wesentlich effektiver, indem heute noch funktionierende Hilfsprojekte (dutzende!!!) initiiert wurden.

Nur ein Beispiel: Nicaragua kann auch als Land der DichterInnen bezeichnet werden, doch das Land hatte keine eigene Papierindustrie, sondern musste Papier teuer importieren. Eine österreichische Gruppe hatte die Idee, Holz, das massenweise in den Regenwäldern zu verrotten drohte, einzusammeln um in einer einfach gebauten Papiermühle wunderbares Büttenpapier zu schöpfen, usw. usf.

Ich glaube, dass wohl keiner der Nicaragua-BrigadistInnen seinen Einsatz als "Jugendsünde" sehen muss. Was soll daran ein "Skandal" sein? Was hat DAS mit Räuber-und-Gendarm- oder Wehrsport "spielen" zu tun?

Was mich weiter ärgerte: Der "Vorwurf" an Dr. Wolfgang Neugebauer (früher Leiter des DÖW, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes), dass dessen Vater SS-Obersturmbannführer war. Es ist schon ein ganz großer Unterschied, ob ich als Nachgeborener mein Leben dem Kampf gegen (Neo-)faschismus widme, oder bewusst die Nähe der Neo-Nazi-Szene suche und dann noch einen Norbert Burger hoch juble.